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Amtsgericht Köln Urteil vom 28.05.1993 - 266 C 608/92 - Zur Klagerücknahme nach Zahlung der Hauptforderung
AG Köln v. 28.05.1993: Die Klagerücknahme nach Zahlung der Hauptforderung und nach verbindlicher Zusage der Kostenübernahme durch eine Versicherung lässt in der Regel keine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO entstehen
Anders als das AG Charlottenburg ZfS 1991, 304 und das AG Wiesbaden ZfS 1992, 310 sieht das Amtsgericht Köln (Urteil vom 28.05.1993 - 266 C 608/92) in der Erfüllung der Klageforderung und Verzicht auf Kostenerstattung gegen Rücknahme der Klage keinen Vergleichsabschluss und führt hierzu aus:
Die Klagerücknahme nach Zahlung der Hauptforderung und nach verbindlicher Zusage der Kostenübernahme durch eine Versicherung lässt in der Regel keine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO entstehen.
Siehe auch Anwaltskosten des Unfallgeschädigten als Schadensersatz und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Klagerücknahme nach Zahlung der Hauptforderung und nach verbindlicher Zusage der Kostenübernahme durch eine Versicherung lässt keine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO entstehen. Im Gegensatz zu einem bloßen Anerkenntnis setzt ein Vergleich gem. § 779 BGB voraus, dass eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis besteht, die dann im Wege gegenseitigen Nachgebens vertraglich beendet wird (Palandt/Thomas, BGB Anm. 3 b zu § 779).
In der Vereinbarung einer Klagerücknahme ist daher z. B. die Teilerfüllung eines Vergleichs zu erblicken, wenn der Geschädigte nach schriftlichem Teilanerkenntnis des Schuldners auf Feststellung eventueller weiterer Forderungen verzichtet und dann die Klage zurücknimmt (BGHZ 39, 60 = VersR 63, 267 = MDR 63, 289) oder wenn der Berufungsbekl. Geschädigte in der Berufungsinstanz auf einen Teil seiner Forderung verzichtet und im Gegenzug die Bekl. die Berufung zurückzieht (LG Berlin JurBüro 84, 1512 = AnwBl 84, 450, missverständlich zitiert bei Gerold/Schmidt, BRAGO 6. Aufl. Rdnr. 10 zu § 23 vgl. dazu LG Düsseldorf MDR 93, 182).
Bei der in der gerichtlichen Unfallregulierung weithin üblichen Klagerücknahme ist die Sach- und Rechtslage jedoch völlig anders. Regelmäßig erklärt nämlich die Versicherung nach Erfüllung der Hauptforderung unmissverständlich, sie werde auch die (berechtigten) Kostenforderungen des Rechtsanwalts begleichen und für den Fall der erbetenen Klagerücknahme auf einen Kostenantrag gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO verzichten. Damit hat aber aufgrund des einseitigen und alleinigen Nachgebens der Versicherung der Geschädigte den Prozess praktisch voll gewonnen, weil seine noch ausstehenden berechtigten Gebührenforderungen verbindlich deklaratorisch anerkannt sind und nicht etwa konstitutiv, wie das AG Berlin-Charlottenburg (ZfS 91, 304) meint.
Ein Schuldanerkenntnis nach dem Unfall ist regelmäßig ebenso rein deklaratorisch und nicht konstitutiv wie die Deckungszusage einer Versicherung (Palandt / Thomas aaO Anm. 2 d zu § 781 m. N.). Nichts anderes kann für die Zusage einer Kostenübernahme nach Erfüllung der Hauptforderung gelten. Es wäre auch von der Interessenlage her lebensfremd, davon auszugehen, dass Versicherungen ohne Rücksicht auf oder gar gegen die Rechtslage und unabhängig von ihrer Leistungspflicht berechtigte oder unberechtigte Forderungen des Geschädigten konstitutiv anerkennen.
Man stellt die Dinge deshalb auf den Kopf, wenn man annimmt, die Versicherung verspreche die Kostenübernahme als "Gegenleistung" für die Klagerücknahme (so AG Wiesbaden ZfS 92, 310). Vielmehr ist es genau umgekehrt: Die Versicherung sagt die Übernahme der Kosten zu, weil sie sie nach der Rechtslage ohnehin bezahlen muss (§§ 91 ff. ZPO) und auch regelmäßig bezahlt und weil sie im übrigen auch weitere überflüssige Kosten vernünftigerweise vermeiden will.
Der Geschädigte zieht dann seine Klage zurück, weil der Prozess damit für ihn praktisch erledigt ist. Deshalb ist es eine rein förmliche Betrachtungsweise, der Geschädigte verzichte als Gegenleistung für die Klagerücknahme auf eine "Feststellung der Rechtslage" durch einen Titel (AG Wiesbaden ZfS 92, 310).
Zum einen ist dieser "Verzicht" nicht endgültig und bindend. Der Geschädigte könnte, wie sich § 269 Abs. 4 ZPO zweifelsfrei entnehmen lässt, erneut (nunmehr auf Zahlung seiner Gebühren) klagen, wenn diese nicht inzwischen beglichen worden wären..."