Das Verkehrslexikon

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Anwaltliche Vertretung wegen mehrerer Ansprüche aus einem Verkehrsunfall

Zur anwaltlichen Vertretung wegen mehrerer Ansprüche aus einem Verkehrsunfall


Siehe auch Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltskosten und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten





Vertritt ein Anwalt mehrere bei einem Verkehrsunfall Geschädigte, so handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern er kann für jeden einzelnen Geschädigten getrennt abrechnen (LG Mannheim VersR 1966, 299); Klimke VersR 1973, 1154 führt insoweit in seiner ablehnenden Anmerkung zum Urteil des AG München VersR 1973, 954 u.a. aus:
"...

III. 1. Das entscheidende Kriterium kann jedoch auch nicht darin bestehen, dass man einfach auf die Anzahl der Personen abstellt, die als Mandanten (Auftraggeber) des Anwalts auftreten. So kann z. B. ein Auftraggeber aus demselben Rechtsverhältnis gegen mehrere Personen unterschiedlich ausgestaltete Ansprüche gelten machen. Es besteht in diesem Fall kein Zweifel, dass es sich dann nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um mehrere Aufträge handelt, die der Anwalt jeweils gesondert abrechnen darf. Das gleiche gilt dann, wenn beispielsweise ein Vormund als gesetzlicher Vertreter für mehrere Mündel auftritt und einen Anwalt mit der Geltendmachung verschiedener Ansprüche beauftragt. Ein Einzelauftrag liegt auch dann vor, wenn derselbe Gläubiger neben eigenen (originären, d. h. in seiner Person entstandenen) Ansprüchen gleichzeitig auch Forderungen aus übergegangenem Recht über seinen Anwalt geltend macht.

2. a) Im Gegensatz dazu kann, auch wenn der Anwalt von einer Mehrheit von Personen sein Mandat erhält, gleichwohl ein einheitlicher Auftrag vorliegen.

Dies gilt beispielsweise unbestritten für den wohl häufigsten Fall, dass auf der Passivseite Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeugs aus Anlass eines Verkehrsunfalles als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Sie treten unter Berücksichtigung ihrer gleichgelagerten Interessenlage auch gebührenrechtlich als Einheit auf, weil hier eine Übereinstimmung der geschuldeten Leistung und damit eine Identität des Streitgegenstandes vorliegt.

b) Etwas seltener ist der umgekehrte Fall, dass auf der Aktivseite mehrere Personen einen Anwalt mit der Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen beauftragen. Diese Voraussetzung liegt beispielsweise dann vor, wenn Personenmehrheiten als Gesamthandgläubiger auftreten. Diese Voraussetzung liegt jeweils dann vor, wenn nur alle Gläubiger gemeinsam die gesamte Leistung fordern können. Gläubigerschaft zur gesamten Hand kommt beispielsweise in Betracht bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 718 BGB), beim nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 BGB), der ungeteilten Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB), der OHG (§ 105 HGB) und der KG (§ 161 HGB).

Ein weiterer Fall der Gesamthandgläubigerschaft ist dann gegeben, wenn der Unfallschaden sich auf ein Kraftfahrzeug bezieht, das in Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) bzw. in fortgesetzter Gütergemeinschaft (§ 1485 BGB) lebenden Ehegatten gehört.

IV. 1. a) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass " dieselbe Angelegenheit" in der Regel dann vorliegt, wenn mehrere Personen, die entweder auf der Passivseite als Gesamtschuldner auftreten oder auf der Aktivseite als notwendige Streitgenossen i. S. von § 62 ZPO gelten, einen gemeinsamen Anwalt mit der Vertretung ihrer durch Sachidentität verbundenen Interessen beauftragen.

b) Sofern einer dieser Fälle vorliegt, kann der Anwalt nach § 6 Abs. 2 BRAGebO seine Gebühren und Auslagen unter Addition der einzelnen Gegenstandswerte einmal berechnen. Im vertraglichen Innenverhältnis haftet jeder Auftraggeber, wenn und insoweit eine Identität des Streitgegenstandes vorliegt, als Gesamtschuldner in Höhe des Betrages, den er schulden würde, wenn der Anwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre. Soweit durch das besondere Individualinteresse eines der Streitgenossen oder sein späteres Hinzutreten eine Erhöhung der Gebühren eintritt, haftet dieser Auftraggeber für die dadurch entstandenen abgrenzbaren Mehrkosten allein.

2. a) Sofern verschiedene Personen, denen jeweils besondere Ansprüche zustehen oder die, jeder für sich, teilbare Einzelleistungen schulden (Einzelgläubiger oder -schuldner), einen gemeinsamen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragen, handelt es sich nicht um "dieselbe Angelegenheit" i. S. von § 6 Abs. 2 BRAGebO, so dass der Anwalt berechtigt ist, seine gesetzlichen Gebühren gegenüber den einzelnen Auftraggebern gesondert zu berechnen. Der Ersatzpflichtige hat die Kosten in der aus der Anwendung dieser Methode sich ergebenden Höhe zu erstatten. Bei getrennter Abrechnung sind die besonderen Kosten in Höhe der auf den einzelnen Auftraggeber, nach dem wertmäßigen Anteil seines Individualinteresses entfallenden Regelgebühren nach dem jeweiligen Streitgegenstand individuell zu ermitteln. Das gleiche gilt für die Auslagen an Porto und Telefon, sofern diese pauschaliert nach § 26 Satz 2 BRAGebO in Rechnung gestellt werden.

b) Eine gesamtschuldnerische Haftung besteht nur für gemeinsame Kosten, die unabhängig vom anteiligen Wert des Individualinteresses nur einmal entstehen.

Darunter fallen beispielsweise die Schreibgebühren nach § 27 BRAGebO für die Herstellung von Ablichtungen aus den amtlichen Ermittlungsakten."

Auch das Amtsgericht Gmünd (Urteil vom 21.10.88 - 4 C 1200/88-16) hat entschieden:
"Verfolgt ein Rechtsanwalt neben Ansprüchen des Unfallgeschädigten auf Ersatz von Arzt- und Krankenhauskosten zugleich auch Ansprüche des am Unfall beteiligten Kfz-Halters auf Ersatz von Fahrzeugschäden, so handelt es sich, obwohl beide Ansprüche aus demselben Ereignis herrühren, nicht um "dieselbe Angelegenheit" i. S. des § 6 Abs. 2 BRAGebO (a. A. AG München VersR 73, 1154)."
Das Amtsgericht Dortmund (Urteil vom 30.04.1980 - 116 C 211/80) hat ebenfalls ausgeführt:
"Bei der Tätigkeit des Anwalts für zwei Unfallbeteiligte handelt es sich nicht um "dieselbe Angelegenheit", so dass der Anwalt zweimal Gebühren berechnen kann."