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OLG Düsseldorf Urteil v. 20.4.2004 - 4 U 132/03 - Zur Forderungsaddition beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfall
OLG Düsseldorf v. 20.04.2004: Zur Forderungsaddition beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfall
Ebenso wie das OLG Hamm (Urteil v. 2.8.1999 - 20 W 12/99) und das LG Berlin (Urteil vom 26.08.2004 - 17 S 10/04) hat das OLG Düsseldorf (Urteil v. 20.4.2004 - 4 U 132/03) sich bei der Verletzung von Obliegenheitspflichten teils vor teils nach dem Versicherungsfall für eine Addition der Regressbeträge auf 10.000 € ausgesprochen:
- Beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls sind die Leistungsfreiheitsbeträge gem. § 2 b Abs. 2 und § 7 I Abs. 2, V Abs. 2 AKB zusammenzurechnen.
- Relative Fahruntüchtigkeit mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers in Höhe von 10000 DM ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer mit seinem Pkw bei 0,99 Promille Blutalkoholkonzentration auf einer innerörtlichen Straße nahe seiner Wohnung einem Kleintier ausweichen wollte und dabei das Lenkrad so verriss, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und mit seinem Pkw eine Vorgartenmauer auf der linken Straßenseite durchbrach.
- Eine relevante Obliegenheitsverletzung nach dem Versicherungsfall mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers in Höhe weiterer 5000 DM liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer sich nach dem Unfall zu Fuß in seine nahegelegene Wohnung begab, wo die Polizei ihn alsbald antraf und eine Blutprobe veranlasste, und offen bleibt, ob der Versicherungsnehmer sich entsprechend seiner Behauptung von sich aus zur Polizei begeben hätte.
Siehe auch Obliegenheitsverletzungen / Leistungsfreiheit und Regress der Kfz-Versicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung
Zum Sachverhalt: Die Kl., bei der Bekl. eine Kfz-Haftpflichtversicherung unterhält, hat diesen auf Zahlung von 10 000 DM wegen der Leistungen in Regress genommen, die sie auf Grund eines von dem Bekl. verursachten Unfalls am 22. 7. 2000 den Unfallgeschädigten zahlen musste. Der Bekl. war an diesem Tag um 4.25 Uhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille mit seinem Fahrzeug gegen eine Vorgartenbegrenzungsmauer gestoßen, weil er, wie er behauptet hat, einem die Straße kreuzenden Kleintier habe ausweichen wollen. Er entfernte sich sofort zu Fuß vom Unfallort und begab sich in seine nahe gelegene Wohnung, obgleich ein Zeuge ihm anbot, die Polizei zu rufen.
Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Die Berufung des Bekl. ist unbegründet.
Das LG hat der Kl. zu Recht einen Regressanspruch in Höhe von 10 000 DM aus § 426 I 1 BGB, § 3 Nr. 9 PflVG, § 2 b Abs. 1 lit. e Abs. 2 AKB, § 5 III KfzPflVV zugesprochen, weil der Bekl. eine Obliegenheitsverletzung dadurch begangen hat, dass er ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er hierzu wegen Genusses alkoholischer Getränke nicht sicher in der Lage war.
1. Dass der Bekl. vor der Fahrt, die am 22. 7. 2000 zu dem streitgegenständlichen Unfall geführt hat, Alkohol getrunken hat, ist unstreitig. Absolute Fahruntauglichkeit lag allerdings nicht vor, denn im Unfallzeitpunkt um 4.25 Uhr hatte der Bekl. nur eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille. Die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit liegt aber auch im Versicherungsvertragsrecht bei 1,1 Promille; (BGH, NJW 1992, 119 = VersR 1991, 1367; OLG Köln, NVersZ 1999, 574; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB Rdnr. 91). Die dem Bekl. um 5.15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,99 Promille. Das Trinkende lag im Entnahmezeitpunkt länger als zwei Stunden zurück, so das eine Rückrechnung zulässig ist, da die Resorptionsphase abgeschlossen ist (vgl. OLG Köln, NVersZ 1999, 574; OLG Nürnberg, NVersZ 2001, 235). Der Bekl. will nämlich bereits ab Mitternacht nur mehr Cola getrunken und auch noch etwas gegessen haben. Für die Rückrechnung ist zur Ermittlung der Fahruntüchtigkeit der für den Beschuldigten günstigste Abbauwert von 0,1 Promille pro Stunde zu Grunde zu legen (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 316 Rdnr. 8 d). Zwischen dem Unfall um 4.25 Uhr und der Blutprobe lagen hier 50 Minuten, auszugehen ist daher von einem Abbau von 0,083 Promille. Addiert man dies zu der um 5.15 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,99 Promille, ergeben sich 1,073 Promille, also ein knapp unter der Grenze von 1,1 Promille liegender Wert.
Der Bekl. war jedoch relativ fahruntüchtig, denn es liegen konkrete Ausfallerscheinungen vor, die hierauf schließen lassen (vgl. Knappmann, in: Prölss/Martin, § 12 AKB, Rdnr. 93). Die Anforderungen an die Ausfallerscheinung als Anzeichen für die Fahruntauglichkeit sind hier deutlich herabgesetzt, denn sie müssen mit zunehmender Annäherung der Blutalkoholkonzentration an die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit geringer ausfallen (OLG Köln, r+s 2003, 315; OLG Düsseldorf, r+s 2000, 362). Diese Grenze war hier nahezu erreicht.
Es würde daher ohne weiteres genügen, wenn der Bekl, entsprechend der Annahme des LG, bei klarer Verkehrssituation ohne Anlass von der Straße abgekommen ist, da dies nur durch einen alkoholbedingten Fahrfehler erklärbar ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. 9. 1997 - 4 U 148/96; OLG Saarbrücken, ZfSch 2001, 214; OLG Köln, NVersZ 1999, 574). Wenn der Bekl. dagegen einem Tier hat ausweichen wollen, lag zwar möglicherweise keine klare Verkehrslage vor. Auch dann hat er aber einen Fahrfehler begangen, der auf alkoholbedingte Ausfallerscheinungen schließen lässt. Er hätte nämlich - durch ein Tier erschreckt - in der Folge nicht nur völlig das Lenkrad verrissen, sondern war nicht einmal in der Lage, die Kontrolle über das Fahrzeug wiederzugewinnen. Diese fehlerhaften Reaktionen sind alkoholbedingt erfolgt, wenn das Verhalten des Bekl. unterscheidet sich in markanter Weise von den Reaktionsmöglichkeiten im nüchternen Zustand. Zum einen führt auch der Schreck wegen eines Tieres bei einem nüchternen Fahrer üblicherweise nicht zu der Überreaktion, das Lenkrad völlig zu verreißen. Derartige verstärktes Erschrecken und überzogene Reaktion beruhen in der Regel vielmehr auf der alkoholtypisch zunächst verzögerten Wahrnehmungs- und Reaktionsmöglichkeit und der dann ebenfalls alkoholtypisch übersteigerten Reaktion (vgl. OLG Brandenburg, Blutalkohol 38, 194): Im Übrigen vermag ein nüchterner Fahrer regelmäßig jedenfalls so schnell die Selbstbeherrschung wieder zu gewinnen, dass er nicht jegliche Kontrolle über das Fahrzeug verliert und ist daher auch bei einer Ausweichbewegung imstande, den Unfall zu vermeiden, während eine eingeschränkte Möglichkeit von Lenkradkorrekturen alkoholtypisch ist (OLG Koblenz, r+s 1992, 34). Schließlich muss der Anprall hier mit erheblicher Wucht erfolgt sein, da das Fahrzeug nicht nur gegen die Vorgartenbegrenzungsmauer sondern auch gegen die dahinter befindlichen Grabsteine prallte. Auch eine solche Anprallwucht spricht gegen einen Bremsversuch und damit für eine alkoholbedingte Einschränkung der Koordinations- und Reaktionsfähigkeit (vgl. Senat, Urt. v. 30. 9. 1997 - 4 U 148/96; OLG Frankfurt a. M., VersR 1996, 52). Die Überreaktion und fehlende Korrekturmöglichkeit sind daher als alkoholbedingt zu werten (vgl. OLG Celle, ZfSch 1996, 222; OLG Hamm, r+s 1999, 268). Dies gilt um so mehr, als — wie der Bekl. jetzt vorträgt – sogar allgemein bekannt sein soll, dass an der Unfallstelle häufig Kleintiere die Straße kreuzen. Da der Bekl. in der Nähe wohnte, wusste er dies ebenfalls. Aus welchem Grunde er sein Fahrverhalten hierauf nicht einstellen konnte, ist unerfindlich, wenn dies nicht auf dem Alkoholgenuss beruht (vgl. Senat, Urt. v. 30. 9. 1997 - 4 U 148/96; OLG Hamm, Schaden-Praxis 1995, 310). Angesichts der hier dich an der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit gelegenen Blutalkoholkonzentration genügen diese Fahrfehler ohne weiteres, um die relative Fahruntüchtigkeit zu belegen.
Dass der Bekl. vor dem Unfall und auch anschließend keine Ausfallerscheinungen gezeigt haben soll, ist unschädlich. Bei einer Blutalkoholkonzentration im Bereich von 1 Promille ist eine zunächst unauffällige Fahrweise keineswegs untypisch. Dies schließt aber nicht aus, dass er spätere Fahrfehler auf Alkohol beruht (vgl. OLG Köln, NVersZ 1999, 574). Ebenso werden nach einem Unfall und hierdurch „ernüchtert” bei der Blutentnahme häufig keine Ausfallerscheinungen mehr festgestellt (OLG Hamm, Schaden-Praxis 1995, 310).
2. Der Alkoholgenuss war ursächlich für den Unfall. Für den Kausalzusammenhang zwischen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und dem Unfall spricht der Beweis des ersten Anscheins (BGH, NJW 1992, 119 VersR 1991, 1367 [1368]; NJW 1987, 1826 = VersR 1987, 1006 [1007]; Senat, NJW-RR 2001, 101 = NVersZ 2001, 24; OLG Köln, NVersZ 1999, 574). Der Anscheinsbeweis ist nur erschüttert, wenn Umstände nachgewiesen werden aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt, den auch ein nicht alkoholisierter Fahrer nicht gemeistert hätte (BGH, VersR 1986, 131; Senat, NJW-RR 2001, 101 = NVersZ 2001, 24). Die allgemeine Möglichkeit, dass auch einem Nüchternen der Unfall hätte unterlaufen können, genügt nicht (BGH, VersR 1986, 131; VersR 1976, 729; Senat, NJW-RR 2001, 101 = NVersZ 2001, 24). Solche Umstände hat der Bekl. hier schon nicht vorgetragen, da auch bei einem Ausweichversuch wegen eines Tieres ein alkoholbedingter Fahrfehler vorliegt. Im Übrigen ist der Zeuge H hierzu erstinstanzlich nicht benannt worden, so dass das LG richtigerweise den Bekl. als beweisfällig angesehen hat. Der Bekl. hat vielmehr erst mit der Berufungsbegründung behauptet, dem Zeugen H unmittelbar nach dem Unfall von dem Tier erzählt zu haben. Dieses Vorbringen ist, da der Bekl. den verspäteten Vortrag nicht entschuldigt, nicht zuzulassen (§ 531 II Nr. 3 ZPO).
II. Die Berufung der Kl. ist dagegen begründet, denn sie hat aus § 426 BGB i. V. mit § 7 1 Abs. 2 AKB, 6 I KfzPflVV einen weiteren Regressanspruch in Höhe von 5000 DM gegen den Bekl., weil dieser sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hat.
1. Ein weiterer Regress ist entgegen der Auffassung des LG grundsätzlich möglich.
Beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls sind die Leistungsfreiheitsbeträge gem. § 2 b Abs. 2 und § 7 1 Abs. 2, V Abs. 2 AKB zusammenzurechnen. Das entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung und ganz h. M. (OLG Hamm, NJW-RR 2000, 172 = NVersZ 2000, 299 = VersR 2000, 843; OLG Bamberg, r+s 2002, 2 und 4.; OLG Köln, r+s 20ß02, 492 unter L3.; OLG Schleswig, VersR 2003, 637; Knappmann, in: Prölss/Martin, § 5 KfzPflVV Rdnr. 11; derselbe VersR 1996, 401 [405f.]; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 5 KfzPflVV - Rdnr. 11, Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 2 b AKB Rdnr. 139 und § 5 KfzPflVV Rdnr. 19; Stamm, VersR 1999, 261 [266]; a. A. OLG Nürnberg, VersR 2001, 231; Wessels, NVersZ 2000, 262). Dieser Auffassung ist der Senat in seinem Urt. v. 31. 10. 2003 – 4 U 71/03) beigetreten.
Die jeweils vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheiten bestehen eigenständig nebeneinander. Die Trunkenheitsklausel dient – wie die übrigen in § 5 KfzPflVV geregelten Obliegenheiten – der Verminderung der Gefahr bzw. der Verhütung einer Gefahrerhöhung. Demgegenüber sollen die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten dem Versicherer die Aufklärung des Schadensfalls und dessen sachgemäße Regulierung ermöglichen (Senat, Urt. v. 31. 10. 2003 - 4 U 71/03). Beide Obliegenheiten haben also keineswegs dieselbe Stoßrichtung, die erstgenannte will vielmehr den Schadenseintritt überhaupt verhindern, die zweitgenannte die Aufklärung ermöglichen.
Verstößt eine versicherte Person nacheinander gegen beide Arten von Obliegenheiten, führt deren Ahndung auch nicht zu einer Doppelbestrafung. Ein Verbot der Addition von Leistungsfreiheitsbeträgen lässt sich aus § 5 und § 6 KfzPflVV, die von den Versicherungsbedingungen einzuhaltende Mindeststandards festlegen, nicht herleiten. Eine entsprechende Vorgabe wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn der Verordnungsgeber die Leistungsfreiheit aus sozialen Erwägungen auf einen Leistungsfreiheitsbetrag hätte beschränken wollen. Aus den Versicherungsbedingungen hier lässt sich nichts anderes entnehmen, denn aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers stehen auch § 2 b Abs. 1 lit. e und § 7 I Abs. 2 S. 2, V Abs. 2 AKB beziehungslos nebeneinander.
Schließlich ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb keinem Versicherungsnehmer, der bereits eine Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls verletzt hat, nach der deutlicher Zäsur durch den Eintritt des Versicherungsfalls ohne weitere Konsequenzen noch ein weiterer Obliegenheitsverstoß möglich sein soll.
2. Durch sein Verhalten hat der Bekl. gegen die Aufklärungsobliegenheit aus § 7 I Abs. 2 AKB verstoßen. Die in dieser Klausel erkennbar weit gefasste Aufklärungsobliegenheit ist stets verletzt, wenn der Versicherte den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Unfallflucht i. S. von § 142 StGB verwirklicht hat. Die verträgliche Aufklärungsobliegenheit umfasst auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht, die elementar und allgemein bekannt ist (BGH, NJW-RR 2000, 553 = NVersZ 2000, 134 = VersR 2000, 222; Senat, Urt. v. 31. 10. 2003 - 4 U 71/03).
Der objektive Tatbestand eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort i. S. von § 142 StGB ist hier ohne weiteres erfüllt. Der Bekl. hat einen Fremdschaden in erheblicher Höhe verursacht und sich anschließend sofort vom Unfallort entfernt, obwohl Zeugen ihm sogar anboten, die Polizei zu rufen. § 142 I Nr. 2 StGB verpflichtet den Unfallbeteiligten aber, eine angemessene Zeit zu warten, um das Eintreffen feststellungsbereiter Personen — wozu auch Polizeibeamte gehören – zu ermöglichen. Gegen diese Pflicht wird mit jedem Entfernen verstoßen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 142 Rdnr. 15).
Auch der subjektive Tatbestand des § 142 StGB ist aber erfüllt. Dass der Bekl. sich unwiderlegbar dahin einlässt, er habe zur nahegelegenen Polizeistation gehen und zuvor nur in seiner auf dem Weg befindlichen Wohnung seine Papiere holen wollen, lässt den Vorsatz nicht entfallen. Grundsätzlich genügt bedingter Vorsatz dahingehend, dass ein Unfall stattgefunden hat, der Schaden nicht ganz unerheblich ist, der Täter Unfallbeteiligter ist, sich entfernt und Feststellungen vereitelt werden. Vereitelungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich (Fischer/Tröndle, StGB, 51. Aufl., § 142 Rdnr. 38; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 142 Rdnr. 76). Da in der Regel Feststellungen über das Unfallgeschehen am Unfallort wesentlich leichter getroffen werden können, was jedem Verkehrsteilnehmer ohne weiteres ersichtlich ist, fehlt der dahingehende Vorsatz allenfalls dann, wenn der Täter sich entfernt, um den Geschädigten beschleunigt zu verständigen (OLG Koblenz, NZV 1996, 324; OLG Zweibrücken, DAR 1982, 332; Tröndle/Fischer, § 142 Rdnr. 76; Cramer/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 142 Rdnr. 76) und er sein Verhalten für hierzu geeigneter hielt und halten durfte, als das Abwarten an der Unfallstelle (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1967, 2072). So lag es aber hier nicht, denn dem Bekl. war sogar angeboten worden, die Polizei zu verständigen. Auch wenn das zum Grabsteinhandel gehörende Haus unbewohnt war, ist die Annahme, Polizeibeamte wären zur Ermittlung des Geschädigten an der Unfallstelle nicht ebenso schnell in der Lage, wie bei Verlassen des Unfallorts, durch nichts gerechtfertigt. Entsprechend beruft der Bekl. sich auch nicht darauf, dies geglaubt zu haben. Er will sich vielmehr entfernt haben, weil einer der Unfallzeugen alkoholbedingt desorientiert gewesen sei. Sein Verhalten war also keineswegs auf die beschleunigte Verständigung des Geschädigten gerichtet. Die mögliche Alkoholisierung eines Zeugen stellt aber schon deshalb keinen nachvollziehbaren Anlass dar, die Unfallstelle zu verlassen, weil der Bekl. nichts dazu vorträgt, dass dieser Zeuge aggressiv oder zumindest unangenehm aufgetreten wäre. Allenfalls dann könnte aber sein Verhalten entschuldigt sein. Soweit der Bekl. sich im Strafverfahren dahingehend eingelassen hat, er sei sich der Wartepflicht nicht bewusst gewesen, da er in zwei bis drei Minuten bei der Polizei sein wollte (Beiakte StA Düsseldorf 214 VRs 465/01, Bl. 47, 90), ist auch dies nicht unter Beweis gestellt. Darüber hinaus handelt es sich bei einem Irrtum über die Wartepflicht um einen für den Vorsatz nach § 142 StGB unbeachtlichen Verbotsirrtum (Tröndle/Fischer, § 142 Rdnr. 41).
3. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine Obliegenheit gem. § 6 III VVG tritt Leistungsfreiheit schon dann ein, wenn die Verletzung der Aufklärungspflicht generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernstlich zu gefährden. Davon ist bei einer Unfallflucht in der Regel auszugehen, weil hierdurch die Prüfung der Leistungspflicht erschwert wird (BGH, NJW-RR 2000, 553 = NVersZ 2000, 134 = VersR 2000, 222; Senat, Urt. v. 31. 10. 2003 — 4 U 71/03). Auf das tatsächliche Ergebnis einer Unfallflucht, d.h., ob es gelingt, Feststellungen zu erschweren, kommt es für die Relevanz der Aufklärungspflichtverletzung nicht an (BGH, NJW-RR 2000, 553 = NVersZ 2000, 134 = VersR 2000, 222; OLG Frankfurt a.M., NVersZ 2001, 321 = VersR 2001, 1374; Senat, Urt. v. 16. 4.2001— 4 U 165/01; Prölss/Martin, § 6 Rdnr. 101 m.w. Nachw.).
Dass hier die Haftungslage eindeutig ist, weil der Bekl. sein Fahrzeug am Unfallort zurückließ, lässt daher die Relevanz nicht entfallen. Auch dann wird die Prüfmöglichkeit des Versicherers durch eine Unfallflucht entscheidend verkürzt, denn ihm geht es in erster Linie darum zu prüfen, ob er nach § 61 VVG den der Leistungspflicht frei ist, insbesondere bei möglicher alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (BGH, NJW-RR 2000, 553 = NVersZ 2000, 134 VersR 2000, 222).
Ebenso wenig fehlt die Relevanz hier deshalb, weil auch die Feststellung der Alkoholisierung zeitnah gelang. Dennoch war das Verhalten des Bekl. generell geeignet, Feststellungen zu erschweren, denn dass diese Eignung hier entfällt, ist durch nichts belegt. Anders als die Obliegenheitsverletzung selbst muss aber die fehlende Relevanz der Obliegenheitsverletzung und sein geringes Verschulden der Versicherungsnehmer beweisen (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 6 Rdnr. 125; Römer, in: Römer/Langheld, VVG, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 125). Hier lässt das belegte äußere Erscheinungsbild des Beklagtenverhaltens jedoch offen, ob er sich tatsächlich unverzüglich zur Polizei begeben und die Blutprobe ermöglicht hätte, wenn nicht andere Zeugen die Polizei auf ihn hingewiesen hätten. Er will zwar eine solche Absicht dem Zeugen H gegenüber angegeben haben, ob er sich tatsächlich so verhalten wollte, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Ebenso ist denkbar, dass er von vorneherein abwarten wollte, bis kein Alkohol im Blut mehr festgestellt werden könnte, oder dass er seine zunächst bestehende Absicht, die Polizei aufzusuchen, wieder aufgegeben hätte, wäre er nicht gestellt worden. Darüber hinaus hatte sich der Bekl. durch sein Entfernen die Möglichkeit eines Nachtrunks eröffnet, so das die grundsätzliche Eignung seines Verhaltens, Nachteile für die Kl. zu verursachen, durch nichts ausgeräumt wird.