Das Verkehrslexikon
Landgericht Erfurt Urteil vom 09.11.2006 - 1 S 227/06 - Zur Schadensminderungsplicht bei der Restwertverwertung unter besonderen Umständen
LG Erfurt v. 09.11.2006: Zur Schadensminderungsplicht bei der Restwertverwertung unter besonderen Umständen
Das Landgericht Erfurt (Urteil vom 09.11.2006 - 1 S 227/06) hat entschieden:
Aus dem auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht kann der Geschädigte gehalten sein, unter besonderen Umständen von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung des Fahrzeugs Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Der Geschädigte muss sich demnach einen höheren, ihm möglichen Erlös anrechnen lassen, wenn er mühelos diesen höheren Erlös zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist.
Siehe auch Totalschaden - Wiederbeschaffungswert und Der Restwert des unfallbeschädigten Fahrzeugs bei Totalschaden
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.850,00 EUR aus §§ 823, 249 BGB, 3 PfIVG. Die Kammer schließt sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, das den zu Grunde liegenden Sachverhalt sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht umfassend und zutreffend gewürdigt hat, vollumfänglich an. Auch die Kammer tritt dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.11.1999, BGHZ 143, 189 ff., und den dort niedergelegten Grundsätzen bei. Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass er als Geschädigter grundsätzlich dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genüge leistet und sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 S. 2 BGB gezogenen Grenzen bewegt, wenn er ein Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwertes verkauft oder in Zahlung gibt. Denn das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwertes, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zu Grunde legen darf. Der Schädiger kann den Geschädigten deshalb insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser durch eigenen aktiven Handel auf einem Sondermarkt durch spezielle Restwertaufkäufer möglicherweise erzielen könnte. Neben diesem Wirtschaftlichkeitspostulat hat der Geschädigte jedoch auch Schadensminderungspflichten aus § 254 S. 2 BGB. Aus dem auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht kann der Geschädigte gehalten sein, unter besonderen Umständen von einer wie zuvor aufgezeigten grundsätzlich zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen (BGHZ, aaO.). Der Geschädigte muss sich demnach einen höheren, ihm möglichen Erlös anrechnen lassen, wenn er mühelos diesen höheren Erlös zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist (BGHZ, aaO.). Hier lagen besondere Umstände vor, die dem Kläger im konkreten Einzelfall hätten Veranlassung geben müssen, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenen Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Der Kläger wurde vorliegend bereits 2 Tage nach dem Unfall von der Beklagten unter dem 05.09.2005 angeschrieben und aufgefordert, vor einem eventuellen Verkauf des Fahrzeuges mit der Beklagten Rücksprache zu nehmen, da in vielen Fällen die Beklagte ein höheres Restwertangebot übermitteln könne. Darüber hinaus erhielt die Kanzlei des Bevollmächtigten des Klägers am 07.09.2005 und der Bevollmächtigte des Klägers persönlich nochmals am 08.09.2005 ein Schreiben der Beklagten mit einem gleichlautenden Hinweis. Ohne ersichtlichen Grund hat der Kläger dann den streitgegenständlichen Wohnwagen am 27.09.2005 und damit 4 Tage nach Erhalt des Gutachtens zu dem dort aufgeführten Restwert in Zahlung gegeben. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der 23.09.2005, der Tag der Übersendung des Gutachtens, ein Freitag war. Der Kläger hat damit ohne Rücksprache mit der Beklagten zu nehmen, den Wohnwagen unmittelbar nach dem Wochenende, nämlich an dem folgenden Dienstag, verwertet. Die Beklagte, die selbst eine zuverlässige Berechnungsgrundlage durch das Gutachten erst am 27.05.2005 und damit gerade an dem Verwertungstag durch den Kläger erhalten hat, konnte demnach zuvor gar nicht mit einem höheren Restwertangebot reagieren. Sie hat dann aber bereits einen Tag nach Erhalt des Gutachten das konkrete Angebot mit Schreiben vom 28.09.2005 unterbreitet. Die Annahme dieses Angebotes wäre dem Kläger mühelos durch ein einziges Telefonat möglich gewesen, wenn denn der Kläger von seiner eigenmächtigen Verwertung abgesehen hätte. Denn in dem Schreiben vom 28.09.2005 sind alle Einzelheiten mitgeteilt worden. Der Kläger hätte zumutbar nur noch einen Abholtermin vereinbaren müssen.
Dieses Angebot der Beklagten hätte der Kläger anwarfen müssen. Zumindest oblag ihm nach den verschiedenen Hinweisschreiben der Beklagten eine Wartefrist, bevor die Verwertung durch ihn erfolgen durfte. In diesem Zusammenhang tritt die Kammer den weiteren durch das Landgericht Erfurt getroffenen Entscheidungen bei, die dem Geschädigten eine einwöchige Wartefrist auferlegen (vgl. Urteil vom 08.04.2004, Az.: 2 S 308/03 LG Erfurt und Urteil vom 25.11.2003, Az.: 4 S 190/03 LG Erfurt). Dass hier ausnahmsweise Gründe vorgelegen haben, die eine sofortige Verwertung ohne Zuwarten notwendig gemacht hätten, ist nicht ersichtlich. ..."