Das Verkehrslexikon

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OLG Schleswig Urteil vom Urteil vom 23.09.1992 - 9 U 18/91 - Richtgeschwindigkeit und Haftungsabwägung

OLG Schleswig v. 23.09.1992: Die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit als Faktor bei der Haftungsabwägung


Sofern feststeht, dass es auf der Überholspur einer Autobahn zu einem Schleudervorgang des Überholenden oder zum Auffahren auf ein anderes Kfz. gekommen ist, das gerade zum Zwecke des Überholens mit relativ mäßiger Geschwindigkeit (bei fehlender Geschwindigkeitsbegrenzung zwischen 100 und 130 km/h) und nicht ganz knapp vor dem späteren Unfallgegner auf die Überholspur ausgeschert war, und wenn weiterhin feststeht, dass der Auffahrende wesentlich schneller als mit der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren ist (im konkreten Fall: 210 km/h), dann kann der Ausscherende nach Auffassung des OLG Schleswig (Urteil vom Urteil vom 23.09.1992 - 9 U 18/91) trotz seines unachtsamen Fahrstreifenwechsels sogar 3/4 seines Schadens ersetzt verlangen, der Auffahrende hingegen nur 1/4 (das Gericht geht davon aus, dass keinem der beiden Beteiligten mangels Zeugen und einander widersprechender Behauptungen ein Verschulden nachgewiesen werden könne, jedoch die jeweilige Betriebsgefahr diese Haftungsverteilung rechtfertige).


Siehe auch Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


Die Leitsätze der Entscheidung:
  1. Fährt ein sich von hinter auf der Überholspur der Autobahn mit 210 km/h nähernder Pkw auf einen anderen Pkw auf, der mit 110 km/h auf die Überholspur gewechselt war, um seinerseits zu überholen, ohne dass er schon neben den zu Überholenden gelangt war, so spricht kein erster Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden.

  2. Hat der die Spur Wechselnde hiermit möglicherweise schon 12 Sekunden vor dem Auffahrunfall und bevor der Auffahrende sichtbar geworden war, begonnen, spricht auch kein Anscheinsbeweis für sein Verschulden.

  3. Bei der Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren kann die Autobahnrichtgeschwindigkeit mit als Maßstab herangezogen werden, so dass eine Quote von 3/4 zu Lasten des Auffahrenden gerechtfertigt erscheint.