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OLG Brandenburg Beschluss vom 08.06.2005 - 1 Ss (OWi) 92B/05 - Zur Schätzung der Dauer der Rotlichtphase durch Polizeibeamten

OLG Brandenburg v. 08.06.2005: Beruhen die Feststellungen zur Dauer der Rotlichtphase auf der Schätzung eines Polizeibeamten, so darf diese jedenfalls dann der Rechtsfolgenentscheidung zugrunde gelegt werden, wenn sie durch weitere objektive Tatsachen gestützt wird


Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 08.06.2005 - 1 Ss (OWi) 92B/05) hat entschieden:
  1. u den Anforderungen an eine tragfähige Tatsachengrundlage des bußgeldrichterlichen Urteils bei sog. qualifizierten Rotlichtverstößen.

  2. Beruhen die Feststellungen zur Dauer der Rotlichtphase auf der Schätzung eines Polizeibeamten, so darf diese jedenfalls dann der Rechtsfolgenentscheidung zugrunde gelegt werden, wenn sie durch weitere objektive Tatsachen gestützt wird.

Siehe auch Stichwörter zum Thema Rotlichtverstöße


Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässigen Nichtbefolgens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage, deren Rotphase länger als eine Sekunde andauerte, zu einer Geldbuße von 125,00 € verurteilt und außerdem gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG verhängt.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 11. Juni 2004 gegen 11:45 Uhr die N.straße in ... . Hinter dem Fahrzeug des Betroffenen fuhr der Zeuge ... Polizeibeamter, mit seinem Privatfahrzeug. Kurz vor der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung ... Straße schaltete die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen auf "gelb", woraufhin dieser sein Kraftfahrzeug hinter einem ebenfalls anhaltenden, vorausfahrenden Pkw auf der linken Richtungsfahrspur zunächst zum Stillstand brachte; als die Lichtzeichenanlage auf Rotlicht umschaltete, fuhr der Betroffene jedoch an, wechselte auf die rechte Richtungsfahrspur über und durchfuhr die Kreuzung; bei Überfahren der Haltelinie dauerte die Rotphase der Lichtzeichenanlage, wie vom Zeugen D. geschätzt, bereits 1 ½ Sekunden an.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Feststellungen des Instanzgerichts tragen den erfolgten Schuldspruch des Betroffenen wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes und sind aufgrund einer tragfähigen, rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung gewonnen worden.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg kann darüber hinaus auch der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung bestehen bleiben. Die Feststellungen des Bußgeldrichters zur Dauer der Rotphase bei Überfahren der Haltelinie an der Kreuzung ... Straße sind entsprechend den rechtlichen Vorgaben getroffen worden.

Bei Annahme eines sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes muss der Tatrichter für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar darlegen, dass seine Überzeugung auf tragfähigen tatrichterlichen Erwägungen beruht (ständige Rechtsprechung der Bußgeldsenate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, vgl. Beschluss des 2. Senats vom 29. Dezember 1999 - 2 Ss (OWi) 187 B/99 -; vgl. im übrigen OLG Köln NJW 2004, 3439; VRS 106, 214). Die Schlussfolgerungen dürfen sich nicht so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich nicht mehr als einen schweren Verdacht begründen (OLG Köln a. a. O.).

Diesen Vorgaben genügt die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils. Diese hat - unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen ... - zu dem nachvollziehbaren Ergebnis geführt, dass der Betroffene sein Kraftfahrzeug nach kurzzeitigem Anhalten vor Passieren der Haltelinie erst wieder in Bewegung setzte, als die für seine Fahrtrichtung geltende Lichtzeichenanlage auf Rotlicht umschaltete. Der Rechtsmittelführer wechselte dabei zunächst auf die rechte Richtungsfahrspur, die ihm noch eine freie Einfahrt in den Kreuzungsbereich ermöglichte, und überquerte erst anschließend die Haltelinie der Kreuzung. Dass ein solches Verkehrsmanöver mehr als eine Sekunde Zeit in Anspruch nimmt, folgt bereits aus seiner Natur. Dementsprechend ist die - naturgemäß wegen des menschlichen Zeitgefühls ungenaue und mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftete - Schätzung der Rotlichtdauer durch den Zeugen ... (2 bis 3 Sekunden) ohne weiteres überzeugend. Jedenfalls kann der Senat unter Berücksichtigung der rechtsfehlerfrei festgestellten Verkehrsvorgänge zur Tatzeit ausschließen, dass der Betroffene die Lichtzeichenanlage zu einem Zeitpunkt passierte, als diese weniger als eine Sekunde lang Richtlicht abgestrahlt hatte. Die Schätzung des (als Polizeibeamter) fachlich qualifizierten Zeugen orientierte sich demgemäß an einem zeitlich eingrenzbaren Vorgang (vgl. OLG Köln VRS 100, 140 m. w. N.) und genügt deshalb den rechtsbeschwerderechtlichen Anforderungen. ..."







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