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Amtsgericht Kehl Beschluss vom 07.0.2008 - 6 OWi 1/08 - Keine Umdeutung eines "Widerspruchs" gegen ein Verwarnungsgeldangebot in einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid

AG Kehl v. 07.05.2008: Keine Umdeutung eines "Widerspruchs" gegen ein Verwarnungsgeldangebot in einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid


Das Amtsgericht Kehl (Beschluss vom 07.0.2008 - 6 OWi 1/08) hat entschieden:
„Widerspricht“ der Betroffene einem Verwarngeldbescheid der Verwaltungsbehörde, so kann dieser „Widerspruch“ nicht in einen zulässigen Einspruch gegen den später ergangenen Bußgeldbescheid umgedeutet werden, selbst wenn dieser „Widerspruch“ nach Erlass des Bußgeldbescheides bei der Verwaltungsbehörde eingeht und aus ihm hervorgeht, dass sich der Betroffene kategorisch gegen den Vorwurf wehrt. Ein derartiges Schreiben ist nur dann als Einspruch anzuerkennen, wenn – gegebenenfalls nach Auslegung unter Berücksichtigung der Verfahrensgeschichte – ein Bezug zum Bußgeldbescheid hergestellt werden kann. Daran fehlt es, wenn sich das Schreiben eindeutig und allein auf eine andere Äußerung oder Entscheidung der Verwaltungsbehörde (hier Verwarngeldbescheid) bezieht.


Zum Sachverhalt: Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, am 10.11.2007 auf einem Behindertenparkplatz in K. verbotswidrig seinen Pkw geparkt zu haben. Mit Schreiben vom 27.12.2007 der Bußgeldstelle der Stadt K. wurde ihm dieser Vorwurf eröffnet und ein Verwarngeld in Höhe von EUR 35,00 angeboten. Mit Schreiben vom 05.01.2008, eingegangen bei der Stadtverwaltung am 10.01.2008, legte der Betroffene unter Bezugnahme auf das Schreiben der Bußgeldstelle vom 27.12.2007 „Widerspruch“ ein. Am selben Tag erließ die Bußgeldstelle der Stadt K. gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid, welcher dem Betroffenen durch Einwurf in den Briefkasten seiner Wohnung am 15.01.2008 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 24.01.2008, eingegangen bei der Stadt K. am 30.01.2008, legte der Betroffene unter Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid vom 10.01.2008 „Widerspruch“ ein. Dabei verwies er darauf, dass er dies bereits schon am 05.01.2008 getan habe.

Nachdem die Bußgeldstelle den Betroffenen auf die Verspätung des Einspruchs am 30.01.2008 hingewiesen hat, verwies der Betroffene, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, erneut auf sein Schreiben vom 05.01.2008, mit dem er bereits Einspruch eingelegt habe.

Mit Bescheid vom 27.03.2008 der Bußgeldstelle der Stadt K. wurde der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid der Stadt K. vom 10.01.2008 als unbegründet abgelehnt. Darüber hinaus wurde der Einspruch des Betroffenen als unzulässig verworfen. Gegen diesen Bescheid, der dem Betroffenen am 29.03.2008 zugestellt wurde, legte dieser mit Schreiben vom 07.04.2008, eingegangen bei der Stadtverwaltung K. am 11.04.2008, „Widerspruch“ ein.

Das Gericht wertete diesen Widerspruch als Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Antrag blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Der „Widerspruch“ des Betroffenen gegen den Verwerfungsbescheid der Bußgeldstelle der Stadt K. vom 27.03.2008 ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Dieser Antrag ist form- und fristgerecht gestellt, damit zulässig, aber unbegründet.

Die Bußgeldstelle der Stadt K. hat zu Recht den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist abgelehnt (§ 52 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. StPO) und in der Folge den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig verworfen (§ 69 Abs. 1 OWiG).

1. Nachdem der Bußgeldbescheid dem Betroffenen am 15.01.2008 zugestellt wurde, lief die Einspruchsfrist am 29.01.2008, um 24.00 Uhr, ab. Das Schreiben des Betroffenen vom 24.01.2008 ging erst am 30.01.2008 bei der Stadtverwaltung ein und war somit verspätet.

2. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist das Schreiben vom 05.01.2008 kein zulässiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, der die Einspruchsfrist gewahrt hätte.

a. Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann bereits ab dessen Erlass eingelegt werden, auch wenn der Bußgeldbescheid noch nicht zugestellt wurde. Selbst die Kenntnis vom Erlass des Bußgeldbescheides ist nicht erforderlich (Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Auflage, § 67, Rn. 52 m.w.N.). Diese Voraussetzungen wären hier erfüllt: Das Schreiben des Betroffenen vom 05.01.2008 ging am selben Tag bei der Verwaltungsbehörde ein, an dem der Bußgeldbescheid erlassen wurde. Mangels Angaben über die genaue Uhrzeit des Eingangs des Schreibens und des Erlass des Bußgeldbescheides ist zugunsten des Betroffenen anzunehmen, dass sein Schreiben die Verwaltungsbehörde zwar am selben Tag, aber zu einer späteren Stunde erreichte.

b. Allerdings muss sich aus der Erklärung des Betroffenen zweifelsfrei ergeben, dass er den Bußgeldbescheid anfechten will. Dabei genügt es nicht, dass in der Erklärung der Wille, sich generell gegen den Vorwurf verteidigen zu wollen, ohne weiteres erkennbar ist. Vielmehr muss ein Bezug zum Bußgeldbescheid hergestellt werden können und dieser Bezug vom Betroffenen auch gewollt sein. Dies hat gegebenenfalls durch Auslegung der Erklärung unter Berücksichtigung der Verfahrensgeschichte zu geschehen. Steht im Ergebnis fest, dass ein solcher Bezug zum Bußgeldbescheid nicht vorliegt, handelt es sich nicht um einen Einspruch. So ist es hier: Das Schreiben des Betroffenen vom 05.01.2008 bezieht sich nämlich ausdrücklich auf das Schreiben der Verwaltungsbehörde vom 27.12.2008. Dabei ist auszuschließen, dass der Betroffene dieses Schreiben bereits als Bußgeldbescheid aufgefasst haben könnte. Auch wenn die Verwaltungsbehörde in diesem Schreiben bereits in Aussicht stellt, dass bei Nichtzahlung des Verwarngeldes ein Bußgeldbescheid erlassen werden müsste, gegen den dann die Möglichkeit des Einspruchs besteht, so ist die Formulierung eindeutig. Der Betroffene konnte nicht davon ausgehen, dass bereits ein Bußgeldbescheid erlassen wurde.

3. Hinreichende Gründe, wegen derer der Betroffene an der rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs entschuldbar gehindert war, hat er nicht vorgetragen. Er führt zwar aus, dass er aufgrund der Annahme, er habe bereits mit dem Schreiben vom 05.01.2008 in zulässiger Weise Einspruch eingelegt, nicht erneut Einspruch eingelegt und ihn erst ein Bekannter auf die Fristen hingewiesen habe. Er erklärte jedoch trotz ausdrücklicher Aufforderung der Verwaltungsbehörde nicht, warum sein Einspruchsschreiben, welches mit dem Datum 24.01.2008 versehen ist, erst am 30.01.2008 bei der Verwaltungsbehörde einging. Insbesondere behauptet er nicht, das Schreiben rechtzeitig per Post versandt oder in den Hausbriefkasten der Verwaltungsbehörde eingeworfen zu haben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist war daher von der Verwaltungsbehörde abzulehnen und in der Folge der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. ..."



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