Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil vom 18.03.2008 - 9 K 1944/07 - Eine Klage auf Feststellung auf Nichteintragung im VZR ist unzulässig

VG Gelsenkirchen v. 18.03.2008: Eine gegen die Bußgeldbehörde gerichtete Klage auf Feststellung, dass ein mit einem Bußgeldbescheid geahndeter Verkehrsverstoß mit einer bestimmten Punktebewertung im Verkehrszentralregister einzutragen ist, ist unzulässig.


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 18.03.2008 - 9 K 1944/07) hat entschieden:
Eine gegen die Bußgeldbehörde gerichtete Klage auf Feststellung, dass ein mit einem Bußgeldbescheid geahndeter Verkehrsverstoß mit einer bestimmten Punktebewertung im Verkehrszentralregister einzutragen ist, ist unzulässig.


Zum Sachverhalt: Der geborene Kläger ist Berufskraftfahrer mit Wohnsitz in N.. Der Beklagte erließ gegen ihn unter dem 17. August 2005 einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen „in mehr als zwei Fällen“ in Tateinheit mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 13 km/h. Unter der Rubrik „Bemerkungen/Zeugen/Beweismittel/Tatfolgen“ heißt es in dem Bescheid u.a.: „Dieser Bescheid wird mit 1 Punkt(en) in das Verkehrszentralregister eingetragen“. Der Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig, nachdem der Kläger seinen Einspruch dagegen am 28. November 2005 zurückgenommen hatte.

Unter dem 30. März 2007 wandte sich der Kläger an den Beklagten und bat darum, dem Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber klarzustellen, dass der Bußgeldbescheid lediglich mit einem Punkt in das Verkehrszentralregister einzutragen sei. Zur Begründung verwies er darauf, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Bescheid mit zwei Punkten eingetragen habe. Eine Änderung habe es mit Schreiben vom 27. März 2007 abgelehnt und ihn an die zuständige Bußgeldstelle bzw. das zuständige Straßenverkehrsamt verwiesen. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 19. Juni 2007 unter Hinweis auf die Rechtskraft des Bußgeldbescheides ab. Die Ausweisung der für die Ordnungswidrigkeit in das Verkehrszentralregister einzutragenden Punkte durch ihn habe lediglich Servicecharakter; die verbindliche Vergabe der Punkte erfolge durch das Verkehrszentralregister.

Der Kläger hat am 16. Juli 2007 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Die Punktebewertung sei als Nebenstrafe in dem Bußgeldbescheid eingetragen. Auch wenn diese fehlerhaft sei, müsse der Beklagte sich daran festhalten lassen. Da nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes dort elf Punkte bei ihm vermerkt seien, bestehe die Gefahr, dass er bei der Eintragung weiterer Punkte seine Fahrerlaubnis verliere. Zwar entscheide darüber in eigener Verantwortung das Straßenverkehrsamt N., gegen dessen Maßnahmen er verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz erlangen könne. Bis zum Abschluss des dortigen Verfahrens bestehe aber die Gefahr, dass er seinen Arbeitsplatz verliere. Dies begründe das Feststellungsinteresse für seine Klage.

Der Kläger hat beantragt,
  1. festzustellen, dass mit dem Bußgeldbescheid des Beklagten vom 17. August 2005 die rechtsverbindliche Feststellung verbunden ist, dass dieser Bescheid mit einem Punkt in das Verkehrzentralregister eingetragen wird und

  2. den Beklagten zu verpflichten, das Festgestellte dem Kraftfahrt-Bundesamt sowie dem Straßenverkehrsamt N. anzuzeigen.
Die Klage blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klage ist insgesamt unzulässig.

Die mit dem Klageantrag zu 1) erhobene Feststellungsklage ist unzulässig, da es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehlt (§ 43 Abs. 1 VwGO).

Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Vorschrift des öffentlichen Rechts ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache. Eine solche Beziehung, die die Punktebewertung des mit dem Bußgeldbescheid vom 17. August 2005 geahndeten Verkehrsvergehens des Klägers zum Gegenstand hat, existiert zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht.

Der Beklagte als zuständige Bußgeldbehörde (§ 26 Abs. 1 StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörden) hat dem Kraftfahrt-Bundesamt nach § 28 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 StVG keine Punktebewertungen, sondern lediglich rechtskräftige Entscheidungen wegen einschlägiger Ordnungswidrigkeiten zu übermitteln. Zum Inhalt solcher Entscheidungen, d.h. des Bußgeldbescheides nach § 66 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), gehört die Punktebewertung nicht.
VGH Mannheim, Urteil vom 9. Januar 2007 - 10 S 396/06 - m.w.N.
Sie ist insbesondere keine Nebenfolge i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG. Nebenfolgen im Sinne des Bußgeldrechts sind nur die Einziehung und der Verfall (§ 87 OWiG).

Das Verkehrszentralregister wird vom Kraftfahrt-Bundesamt geführt (§ 28 Abs. 1 StVG). Die Ermittlung und Speicherung der Punkte im Verkehrszentralregister erfolgt nach § 59 Abs. 1 Nr. 7 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) durch das Kraftfahrt- Bundesamt in eigener Verantwortung, d.h. grundsätzlich unabhängig von einer etwaigen bereits durch die Bußgeldbehörde vorgenommenen Punktebewertung. Sie wird dort ausschließlich für interne verwaltungsmäßige Zwecke vorgenommen, nämlich um die nach § 4 Abs. 6 StVG erforderliche Übermittlung an die Fahrerlaubnisbehörde rechtzeitig durchführen zu können.

Der Beklagte ist schließlich nicht die für den Kläger zuständige Fahrerlaubnisbehörde (vgl. § 73 Abs. 2 FeV). Dieser obliegt in eigener Verantwortung die Punktebewertung bei Maßnahmen nach § 4 StVG (vgl. § 40 FeV i.V.m. der Anlage 13 der FeV). Dabei ist die Fahrerlaubnisbehörde weder an eine Punktebewertung der Bußgeldbehörde noch des Kraftfahrt-Bundesamtes gebunden, sondern allein an die rechtskräftige Entscheidungen über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit (§ 4 Abs. 3 Satz 2 StVG).
BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 3 B 49.06 -; VGH Mannheim, Urteil vom 9. Januar 2007 - 10 S 396/06 -
In Rechtskraft erwächst der Hinweis im Bußgeldbescheid auf die Punkte aber gerade nicht, da er nicht Gegenstand der „Entscheidung“ (s. Bußgeldbescheid) ist.

Der Klageantrag zu 2), der zu dem zu 1) in einem Stufenverhältnis steht, ist ebenfalls unzulässig. Er ist im Sinne einer allgemeinen Leistungsklage auszulegen, da der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht in Rede steht und die Verpflichtungsklage daher unstatthaft wäre. Insoweit fehlt es aber an der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), weil das Klageziel unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erfolgreich sein kann. Da schon der mit dem Klageantrag zu 1) verfolgte Feststellungsanspruch erfolglos bleibt, kann es auch keinen Anspruch geben, das Festgestellte dem Kraftfahrt-Bundesamt sowie dem Straßenverkehrsamt N. anzuzeigen. ..."



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