Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Hamburg-Sankt-Georg Urteil vom 08.01.2008 - Anspruch auf Neupreis für entwendetes integriertes Navigationssystem, für das kein Gebrauchtmarkt besteht
AG Hamburg-Sankt-Georg v. 08.01.2008: Zum Anspruch auf ein neues Navigationsgerät bei fehlendem Gebrauchtwarenmarkt
Das Amtsgericht Hamburg-Sankt-Georg (Urteil vom 08.01.2008 - 919 C 48/07) hat entschieden:
Wenn es für ein speziell für einen Fahrzeugtyp entwickeltes Navigationssystem keinen Gebrauchtmarkt gibt und insbesondere Vertrags-Händlern ein Kauf von entsprechenden Gebrauchtgeräten nicht möglich ist, muss ich der Versicherungsnehmer nicht auf Käufe im Internet oder entsprechendes Postenmärkte verweisen lassen. Es genügt, dass sich der Versicherungsnehmer an eine dem Fabrikat seines Fahrzeuges entsprechende Vertragswerkstatt wendet; kann diese ein entsprechende Gebrauchtgerät nicht liefern, besteht ein Anspruch auf den Kaufpreis für ein neues Gerät.
Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte von der Beklagten die Regulierung eines Diebstahlsschadens.
Der Kläger ist Eigentümer des Pkw Ford Galaxy mit dem amtlichen Kennzeichen …. Die Beklagte ist eine Versicherung. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung einschließlich Kfz-Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von € 150,00 für seinen Pkw unter der Versicherungsnummer …. Der Kläger hatte das Fahrzeug mit einem Audio- und Navigationssystem des Typs „Ford 500 RNS Color Display“ am 24.10.2000 erworben. Das Navigationssystem kostete neu € 2 905,17 netto und € 3 370,00 brutto.
An dem Fahrzeug des Klägers kam es am 30.05.2006 zu einem Schaden durch einen Einbruchsdiebstahl. Hierbei wurde das Navigationssystem entwendet. Der Kläger nahm die Beklagte in Anspruch. Diese leistete zunächst pauschal € 800,00. Mit Schreiben vom 24.07.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie einen € 800,00 übersteigenden Betrag nicht erstatten werde.
Die Parteien führten das in § 14 AKB vorgesehene Sachverständigenverfahren durch. Die Sachverständigen ermittelten laut dem Sachverständigengutachten vom 16.01.2007 als Entschädigung für die entwendete Radio/Navigationseinheit dem Alter und Nutzungsgrad entsprechend einen Endbetrag von € 1 350,00. Die Beklagte regulierte weitere € 550,00, wobei sie € 205,63 für die Kosten des Sachverständigengutachtens verrechnete und € 344,37 an den Kläger zahlte.
Der Kläger behauptete, es gäbe auf dem Markt kein vergleichbares Navigationsgerät zu kaufen. Die Wiederbeschaffung des Navigationsgeräts erfordere heute einen Betrag von € 2 782,76 brutto. Der Kläger meint, ein Abzug Neu für Alt komme nicht zum tragen, weil ein Navigationssystem normalerweise die Lebensdauer eines Kraftfahrzeugs erreiche. Eine offensichtliche Unrichtigkeit des Gutachtens läge vor, weil die Gutachter den Wert entsprechend dem Wert des Fahrzeugs ermittelt hätten und nicht berücksichtigt hätten, dass es keinen Markt für dieses Navigationsgerät gäbe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen an den Kläger € 1 982,76 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszins seit dem 25.07.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und behauptete, ein gleichwertiges Ersatzgerät könne für € 800,00 beschafft und eingebaut werden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch in Höhe von € 1 638,39 gegenüber der Beklagten aus § 1 Abs. 1 VVG i.V.m. § 13 Nr. 1 AKB zu.
Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts die Kosten für ein neues Navigationsgerät verlangen. Der Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Navigationsgerätes ist hier in Höhe des Neupreises von € 2 782,76 anzusetzen. Von diesem Betrag sind die unstreitig bereits an den Kläger gezahlten € 800,00 und € 344,37 abzuziehen, so dass sich ein Anspruch des Klägers in Höhe von € 1 638,39 ergibt.
Das von den Parteien durchgeführte Sachverständigenverfahren gem. § 14 AKB war vorliegend nicht bindend, weil dies gem. § 64 VVG offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abgewichen ist. Das Gutachten war offenbar unrichtig, weil dieses von einer falschen Berechnungs- bzw. Schätzungsgrundlage ausgegangen ist, indem es den Wiederbeschaffungswert analog zu dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ermittelt hat. Hierbei wurde nicht berücksichtigt, dass es sich um ein in die Armaturentafel eingepasstes Navigationsgerät handelte, für das es keinen Gebrauchtwarenmarkt gibt. Die Abweichung des Sachverständigengutachtens von der wirklichen Sachlage war erheblich i.S.v. § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG, weil eine Differenz von mindestens 20–25 % vorlag (LG Baden-Baden, Urteil vom 31.01.1992, VersR 1992, 440). Nach dem Sachverständigengutachten sollte der Wiederbeschaffungswert nämlich € 1 350,00 betragen, nach dem nunmehr eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten beträgt der Wiederbeschaffungswert € 2 782,76.
Bereits nach dem Wortlaut des § 13 Nr. 1 Satz 2 AKB ist der Wiederbeschaffungswert der Kaufpreis, den der Versicherungsnehmer aufwenden muss, um ein gleichwertiges Teil zu erwerben. Der Versicherungsnehmer muss sich jedoch aufgrund dieser Formulierung zunächst nicht auf ein gebrauchtes Teil verweisen lassen, sondern lediglich auf ein gleichwertiges. Die Voraussetzungen für einen sogenannten Abzug neu für alt ist, dass es dem Versicherungsnehmer überhaupt möglich ist, ein gebrauchtes Teil zu erwerben (vgl. auch LG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2004, Az.: 11 O 526/00, zitiert nach juris). Das war hier nicht der Fall. Der Sachverständige hat festgestellt, dass es für das streitgegenständliche Navigationssystem keinen Gebrauchtmarkt gibt, insbesondere dass bei Ford-Händlern ein Kauf von entsprechenden Gebrauchtgeräten nicht möglich ist. Der Versicherungsnehmer muss sich nicht auf Käufe im Internet oder entsprechendes Postenmärkte verweisen lassen. Es genügt, dass sich der Versicherungsnehmer an eine dem Fabrikat seines Fahrzeuges entsprechende Vertragswerkstatt wendet. Diese konnte vorliegend ein gebrauchtes Navigationsgerät nicht anbieten.
Die Feststellungen des Sachverständigen sind auch nachvollziehbar und überzeugend. Insbesondere hat der Sachverständige geschildert, dass das Navigationsgerät im mittleren Teil der Armaturentafel eingebaut wird und integrierter Bestandteil der Armaturentafel ist. Das Design und die Größe und Form des Displays ist speziell für diesen Fahrzeugtyp konzipiert und entwickelt. Auch die elektrischen Anschlüsse sind abgestimmt. Es gibt nicht die Möglichkeit, das (gestohlene) Navigationsgerät über einen Vertragshändler im gebrauchten Zustand zu erwerben, weil es für dieses Gerät keinen Markt gibt. Sofern es einen Gebrauchtmarkt für bestimmte Teile eines Fahrzeuges nicht gibt, ist nicht auf den Zeitwert abzustellen, sondern sind die Kosten zu erstatten, die erforderlich sind, um den Wagen in der bisherigen Art und Weise auszustatten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug bereits werkseitig mit diesem Gerät ausgestattet war (AG Hohenschönhausen, Urteil vom 05.09.2006, zfs 2007, 154f.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gerät Becker Indianapolis nicht gleichwertig. Auch in diesem Punkt folgt das Gericht dem Sachverständigen, der überzeugend dargelegt hat, dass es sich hierbei von der Form her um ein Gerät handelt, welches nicht in den Ausschnitt der Armaturentafel des klägerischen Fahrzeugs passt. Zudem verfügt das Gerät Becker Indianapolis nicht über ein klappbares Colourdisplay, so dass dieses auch nicht gleichwertig ist.
Da das zunächst gem. § 64 AKB eingeholte Sachverständigengutachten offenbar unrichtig und daher nicht verbindlich war, hat der Kläger die Kosten dieses Gutachtens nicht zu tragen, § 66 VVG. Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Zahlung der des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von € 2 782,76 abzüglich der unstreitig bereits an den Kläger gezahlten € 800 und € 344,37, mithin €1 638,39. ..."