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OLG Köln Beschluss vom 16.05.2008 - 81 Ss 17/08 - Keine Entziehung einer EU-Fahrerlaubnis, wenn der Betroffene sie in Deutschland unwiderlegt nicht nutzen will
OLG Köln v. 16.05.2008: Keine Entziehung einer EU-Fahrerlaubnis, wenn der Betroffene sie in Deutschland unwiderlegt nicht nutzen will
Das OLG Köln (Beschluss vom 16.05.2008 - 81 Ss 17/08) hat entschieden:
Die in einem Mitgliedsstaat ohne nähere Überprüfung der Eignungsvoraussetzungen des Bewerbers erteilte Fahrerlaubnis kann nach Auffassung des Senats in einem anderen Mitgliedsstaat jedenfalls dann nicht mit dem Argument der möglicherweise fehlenden Eignung entzogen werden, wenn feststeht oder auch nur nicht sicher widerlegt werden kann, dass der Betroffene die Fahrerlaubnis allein im Erwerberland nutzt. Deutsche Behörden und Gerichte würden den ihnen zugewiesenen Kompetenzrahmen überschreiten, wenn sie über die Anordnung von Maßregeln auf der Grundlage des nationalen Rechts Einfluss auf die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in anderen Mitgliedstaaten nehmen würden.
Zum Sachverhalt: Der Angeklagte war bereits strafrechtlich vorbelastet:
Das Amtsgericht Bonn hat gegen ihn am 23. Mai 2005 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, „Unfallflucht“ in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Gesamtgeldstrafe verhängt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen (deutschen) Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von drei Monaten angeordnet. Der Angeklagte hatte u.a. am 26. Mai 2004 nach erheblichem Alkoholgenuss, der zu einer Blutalkoholkonzentration von 2,66 Promille führte, einen Verkehrsunfall verursacht und sich anschließend von der Unfallstelle entfernt.
In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Bonn ihn mit Urteil vom 11. Dezember 2006 wegen vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt. Zugleich hat es ihm die zwischenzeitlich erworbene irische Fahrerlaubnis entzogen, den irischen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis festgesetzt.
Die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn hat zunächst auf die Berufung des Angeklagten die Entscheidung des Amtsgerichts dahin abgeändert, dass die Tagessatzhöhe bei Wegfall der Führerscheinmaßregeln auf 30 € herabgesetzt worden ist.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat diese Entscheidung durch Urteil vom 16. Oktober 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn hat mit Urteil vom 23. November 2007 in der Hauptsache ebenso entschieden wie zuvor die 5. kleine Strafkammer, indes sind die vom Amtsgericht angeordneten Führerscheinmaßregeln aufrechterhalten worden.
Zum Schuldspruch ist festgestellt worden, dass der Angeklagte, nachdem das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 23. Mai 2005 durch Rechtsmittelrücknahme am 5. September 2005 rechtskräftig geworden war, seinen deutschen Führerschein nicht abgab, sondern ihn am 6. Oktober 2005 in Irland gegen eine irische Fahrerlaubnis eintauschte. Als die Versuche der Staatsanwaltschaft, die Einziehung des deutschen Führerscheins durchzusetzen, erfolglos blieben, ließ sie ihn, um den Verbleib des Dokuments zu klären, gemäß §§ 883 ZPO, 62 StVollstrO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden. Im Termin vom 23. Januar 2006 versicherte der Angeklagte vor dem zuständigen Gerichtsvollzieher, dass er nicht mehr im Besitz des Führerscheins sei und auch nicht wisse, wo sich dieser befinde. Mit diesen Angaben wollte er - so das Landgericht - verhindern, dass Maßnahmen zur Einziehung seiner irischen Fahrerlaubnis eingeleitet würden, um so ohne die nach deutschem Recht erforderliche erfolgreiche Ablegung eines medizinisch-psychologischen Eignungstests (MPU) weiterhin fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in der Europäischen Union führen zu können.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er beantragt, das angefochtene Urteil im Maßregelausspruch aufzuheben und beanstandet insbesondere, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Anordnung einer Sperrfrist nicht vorgelegen hätten.
Das Rechtsmittel war teilweise erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"1. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zunächst zur uneingeschränkten Überprüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat.
Eine Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch (und darüber hinaus auf die Maßregelanordnung) ist nicht anzunehmen.
Zwar kann die die Revision ebenso wie die Berufung nach denselben Grundsätzen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. SenE v. 20.08.1999 - Ss 374/99 - = VRS 98, 140 [142]; SenE v. 10.04.2001 - Ss 136/01 -; SenE v. 15.11.2002 - Ss 458/02 B - = DAR 2003, 87 = NZV 2003, 103). Von einer Beschränkung kann indes nur ausgegangen werden, wenn sich ein Beschränkungswille des Rechtsmittelführers zweifelsfrei ermitteln läßt. Vorliegend fehlt es an einer eindeutigen Beschränkungserklärung. Zwar begehrt der Angeklagte nach seinem Antrag lediglich die Beseitigung der Führerscheinmaßnahmen. Mit der Begründung seines Rechtsmittels wendet er sich aber gegen die Beweiswürdigung der Kammer insgesamt und beanstandet in diesem Zusammenhang insbesondere die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Beweggründe seines Handelns. Damit wendet er sich aber (auch) gegen die dem Schuldspruch wegen vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt zugrundeliegenden Feststellungen. Denn dazu gehören die Feststellungen über das tatauslösenden Moment und die Beweggründe für die Tatbegehung (SenE v. 28.07.2000 - Ss 292/00 -; BGHSt 30, 340 [343]; SenE v. 10.02.1989 - Ss 41-42/89 = OLGSt § 318 StPO Nr. 7 = NStZ 1989, 339; SenE v. 26.02.2002 - Ss 543/01 -).
Allerdings hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsbegründung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Revision ist daher entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Das gilt auch für die Verhängung der Geldstrafe
2. Die vom Landgericht aufrechterhaltenen Maßregeln nach §§ 69, 69a und 69b StGB können indes keinen Bestand haben.
a) Dies folgt nicht schon daraus, dass Anordnungen bezüglich der irischen Fahrerlaubnis des Angeklagten von vornherein ausgeschlossen wären.
Zwar kann eine von einer ausländischen Behörde erteilte Fahrerlaubnis von deutschen Gerichten nicht entzogen werden. Gleichwohl sind die in § 69 Abs. 1, 2 sowie § 69a StGB vorgesehenen Maßnahmen nach Maßgabe des § 69b Abs. 1 StGB anwendbar. Es ist daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 StGB nicht nur eine Untersagung des Gebrauchmachens von der Fahrerlaubnis auszusprechen, sondern deren Entziehung anzuordnen und nach § 69a StGB eine Sperrfrist festzusetzen (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 69b Rdnr. 4).
b) Die Zulässigkeit von Maßregeln nach §§ 69 ff. StGB kann auch nicht mit dem Argument der Revision verneint werden, der Angeklagte sei mit seiner irischen Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt.
In diesem Zusammenhang stellt die Verteidigung zu Unrecht auf § 4 Abs. 2 S. 1 IntVO ab. Die Berechtigung des Angeklagten als Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis bestimmt sich vorliegend nicht nach der IntVO, sondern nach den vorrangigen Vorschriften der FeV. Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 FeV in Deutschland. Er ist demzufolge mit seiner irischen Fahrerlaubnis nach Maßgabe der § 28 Abs. 1 FeV zum Führen von Kraftfahrzeugen auch im Inland berechtigt. Dem steht nicht entgegen, dass er seinen Wohnsitz in der Vergangenheit durchgehend, mithin auch zum Zeitpunkt der Umschreibung seiner Fahrerlaubnis im Oktober 2005, in Deutschland hatte. Denn nach dem Urteil des EuGH vom 29. April 2004 in der Rechtssache Kapper (NJW 2004, 1725 ff.) ist die Vorschrift § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV, die die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland in solchen Fällen aberkennt, nicht mit dem EG-Recht vereinbar (vgl. dazu: Dauber in: Hentschel, StVG, 39. Aufl., § 28 FeV, Rdnr. 6 m.w.N.). Eine Ausnahme von der Berechtigung im Sinne von § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV liegt ebenfalls nicht vor, denn die Sperre aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 23. Mai 2005 ist bereits im Dezember 2005 abgelaufen. Dass der Angeklagte die irische Fahrerlaubnis während des Laufs dieser Sperrfrist erworben hat, rechtfertigt es nicht, ihm für die Gegenwart die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen abzuerkennen (vgl. OLG München NStZ 2007, 271).
c) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 StGB ist die Fahrerlaubnis wegen einer in der Tat zu Tage getretenen mangelnden Eignung auch dann zu entziehen, wenn kein typisches Verkehrsdelikt vorliegt, sondern die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist (sog. Zusammenhangstat). Voraussetzung ist allein, dass die Straftat einen spezifischen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs aufweist. Das ist der Fall, wenn sich aus ihr konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Gefährdung des Straßenverkehrs durch den Straftäter ergeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Fahrt vor, während oder nach der Tat unternommen wird. Das Führen des Kraftfahrzeugs muss dem Täter nur für die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdeckung dienlich sein (BGH NStZ 2001, 477; BGH GSSt NJW 2005, 1957, 1958 m.w.N.). Dabei muss die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 16. Oktober 2007 darauf hingewiesen, dass sich die charakterliche Ungeeignetheit in dem genannten Sinne auch daraus ergeben kann, dass der Täter durch die Begehung einer Straftat versucht, sich die (weitere) Teilnahme als Kraftfahrer am Straßenverkehr zu erschleichen, obwohl Zweifel an seiner Eignung zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt haben und er die Überprüfung seiner Eignung bzw. seiner fortbestehenden Ungeeignetheit durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) verhindern will. Die Durchführung der MPU dient, gerade wenn sie - wie im Falle des Angeklagten - gemäß § 13 FeV zur Abklärung einer eventuellen Alkoholabhängigkeit erfolgt, der Sicherheit aller am Straßenverkehr beteiligten Personen. Derjenige, der diese Schutzmaßnahme umgehen will und sich über ihre Zweckbestimmung bedenkenlos hinwegsetzt, verfügt in der Regel nicht über die charakterlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am Straßenverkehr.
d) Trotz der aus der Anlasstat grundsätzlich zu folgernden Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ist indes nach Auffassung des Senats angesichts der Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung eine einschränkende Betrachtungsweise angezeigt.
Die nach deutschem Recht im Hinblick auf die Überprüfung der fortbestehenden Eignung eines Bewerbers bestehenden Vorschriften (hier: § 13 Abs. 2 Nr. c) FeV) bezwecken in erster Linie den Schutz des Straßenverkehrs im Inland. Dagegen existieren einheitliche Zulassungsvoraussetzungen für die Erlangung bzw. Wiedererlangung von Fahrerlaubnissen auf EU-Ebene zumindest derzeit noch nicht. Dies ist vielmehr ausschließlich Angelegenheit des jeweiligen Mitgliedstaats auf der Grundlage seiner nationalen Rechtsordnung (vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2005, 50 [51]). Für die Anerkennung einer durch einen EU-Mitgliedsstaat erteilten Fahrerlaubnis durch die deutsche Rechtsordnung spielt es demzufolge etwa auch keine Rolle, dass das deutsche Recht die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach Verhängung einer Sperre von zusätzlichen Voraussetzungen, etwa der Vorlage einer erfolgreich abgelegten MPU, abhängig macht (vgl. Bauber in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV Rdnr. 7 m.w.N.).
Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte sich mit der Anlasstat lediglich die formale Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen erhalten wollte, können für die Frage der Zulässigkeit und Reichweite von Führerscheinmaßnahmen die genannten nationalen Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche nicht außer Acht gelassen werden. Die in einem Mitgliedsstaat ohne nähere Überprüfung der Eignungsvoraussetzungen des Bewerbers erteilte Fahrerlaubnis kann nach Auffassung des Senats in einem anderen Mitgliedsstaat jedenfalls dann nicht mit dem Argument der möglicherweise fehlenden Eignung entzogen werden, wenn feststeht oder auch nur nicht sicher widerlegt werden kann, dass der Betroffene die Fahrerlaubnis allein im Erwerberland nutzt. Deutsche Behörden und Gerichte würden den ihnen zugewiesenen Kompetenzrahmen überschreiten, wenn sie über die Anordnung von Maßregeln auf der Grundlage des nationalen Rechts Einfluss auf die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in anderen Mitgliedstaaten nehmen würden.
e) Gemessen an diesen Maßstäben sind auf der Grundlage des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen für die Anordnung von Führerscheinmaßnahmen gegen den Angeklagten nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellbar. Das Landgericht hat sich nämlich nicht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass er bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 23. Januar 2006 in der Absicht gehandelt hat, die irische Fahrerlaubnis auch in Deutschland zu nutzen. Die dazu getroffenen tatrichterlichen Feststellungen werden nicht von einer rechtsfehlerfreien Beweisgrundlage getragen.
(aa) Sachlich-rechtlich fehlerhaft ist die Beweiswürdigung, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2003, 907 [909 f.], BGH NStZ-RR 2004, 110). Denn die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende Überprüfung der Rechtsanwendung hat eine tragfähige Sachverhaltsgrundlage zur Voraussetzung. Daran fehlt es, wenn die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung wegen der genannten Mängel erkennbar unrichtig oder unvollständig sind (SenE v. 18.05.2001 - Ss 102/01 - = NJW 2001, 3491 [3492]).
Das Landgericht hat seine Überzeugung auf folgende Erwägungen gestützt:
„Die zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen beruhen auf der nunmehr uneingeschränkt geständigen Einlassung des Angeklagten sowie dem Inhalt der insoweit ausweislich des Sitzungsprotokolls ergänzend zur Sache verlesenen Urkunden. Der Angeklagte hat glaubhaft eingeräumt,
- am 06.10.2005 seine deutsche Fahrerlaubnis in Irland gegen eine irische Fahrerlaubnis eingetauscht zu haben, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass er seine deutsche Fahrerlaubnis nach deren rechtskräftigen Entzug in dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 23.05.2005 im Hinblick auf den dort festgestellten hohen Blutalkoholwert erst nach Ablegung der sog. „MPU“ hätte zurückerlangen können und
- am 23.01.2006 vor dem Obergerichtsvollzieher A. in Kenntnis der Strafbarkeit seines Handelns bewusst eine grob unvollständige und dadurch in ihrem Gesamterklärungsinhalt falsche Versicherung an Eides Statt abgegeben zu haben, um sich weiterhin den Besitz seiner irischen Fahrerlaubnis zu erhalten, die ihn zur allgemeinen Teilnahme am Straßenverkehr berechtigt.
Vor dem aufgezeigten Geschehensablauf steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass ausschlaggebendes Motiv für das Handeln des Angeklagten (also des Umtausches seiner deutschen Fahrerlaubnis in eine irische und der nachfolgenden falschen Versicherung an Eides Statt) war, sich weiterhin im Besitz eines Führerscheins ohne vorherige Ablegung der „MPU“ zu halten. Auch wenn der Angeklagte diese Frage nicht ausdrücklich bejaht hat, vermag die Kammer aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung jede andere Motivation des Angeklagten auszuschließen. Dies wird zudem bestätigt durch den Umstand, dass der Angeklagte nach Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Bonn vom 23.05.2005 am 05.09.2005 Anfang Oktober 2005 nach Irland gefahren ist, um seine Fahrerlaubnis einzutauschen. Wenn die Behauptung des Angeklagten, dass er seit Oktober 2005 in Deutschland keine fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeuge geführt habe, nicht führe und auch nicht führen werde, sondern ausschließlich in Irland Fahrzeuge führe, zuträfe und wenn der Angeklagte nach Vollstreckung des dreimonatigen Fahrerlaubnisentzugs aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 23.05.2005 seine Fahrerlaubnis problemlos hätte wiedererlangen können, hätte nichts näher gelegen, als nach Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Bonn vom 23.05.2005 am 05.09.2005 seinen Führerschein sofort bei der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Vollstreckung einzureichen und nach Ablauf von drei Monaten, also bereits schon im Dezember 2005, die Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis zu betreiben. Nach gewöhnlichem Lauf der Dinge hätte der Angeklagte dann im April 2006 wieder über eine ordnungsgemäße Fahrerlaubnis verfügen können mit der Folge, dass er mit Wiederaufnahme seines alljährlichen Jobs in Irland zum April eines jeden Jahres auch ordnungsgemäß fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in Irland hätte führen können. Der Umstand, dass der durchaus nicht unintelligent wirkende Angeklagte, der über eine abgeschlossene Lehre als Groß- und Einzelhandelskaufman verfügt, und zudem wusste, dass er sich vor Wiedererlangung der Fahrerlaubnis in Deutschland einer sog. „MPU“ würde unterziehen müssen, diesen naheliegenden Weg gerade nicht beschritten hat, belegt zur Überzeugung der Kammer nachdrücklich, dass dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil der Angeklagte befürchtete, im Rahmen der sog. „MPU“ - aufgrund möglicher bestehender Alkoholprobleme oder sonstiger widriger Umstände - zu scheitern.“
Den dargestellten rechtlichen Anforderungen wird diese Beweiswürdigung nur insoweit gerecht, als die Kammer hierauf den Schuldspruch wegen § 156 StGB stützt. Sie genügt hingegen nicht, soweit sie damit ihre weitergehende Überzeugung begründet, der Angeklagte habe bei Abgabe der falschen Versicherung an Eides Statt die Absicht gehabt, die irische Fahrerlaubnis auch in Deutschland zu nutzen. Insoweit sind die Ausführungen widersprüchlich und teilweise auch nicht nachvollziehbar.
Ein Widerspruch besteht bereits darin, dass eingangs der Beweiswürdigung von einer „uneingeschränkt geständigen Einlassung des Angeklagten“ die Rede ist, wonach er in Kenntnis der Erforderlichkeit einer „MPU“ in Deutschland falsche Angaben gemacht hat, um sich mit der irischen Fahrerlaubnis die Möglichkeit der allgemeinen Teilnahme am Straßenverkehr zu erhalten. Mit einem vollumfänglichen Geständnis sind indes die nachfolgenden Ausführungen, in denen sich das Landgericht mit den angeblichen Beweggründen des Angeklagten befasst, nicht vereinbar. Wenn es dort heißt, der Angeklagte habe die Frage nach dem Motiv seines Handelns, nämlich dem Bestreben, sich im Besitz des Führerscheins ohne vorherige erfolgreiche Ablegung der „MPU“ zu halten, nicht „ausdrücklich bejaht“, bedeutet dies, dass er nicht in jeder Beziehung, also gerade nicht „uneingeschränkt“, die getroffenen Feststellungen bestätigt hat.
Ebenfalls nicht in Einklang mit einem angeblich vollen Geständnis steht weiter die vom Landgericht wiedergegebene Behauptung des Angeklagten, er habe die irische Fahrerlaubnis bisher allein dort benutzt und werde dies auch weiterhin (nur dort) tun. Eingangs heißt es dazu hingegen, der Angeklagte habe eingeräumt, die falschen Angaben deswegen gemacht zu haben, weil er sich die „allgemeine Teilnahme“ am Straßenverkehr - darunter würde aber auch das Fahren in Deutschland fallen - habe erhalten wollen.
Wenn das Landgericht in diesem Zusammenhang weiter ausführt, es hätte für den Angeklagten unter der Voraussetzung, dass er seine Fahrerlaubnis in Deutschland problemlos hätte wiedererlangen können, nichts näher gelegen, als den deutschen Führerschein bei den Behörden abzugeben, um ihn dann rechtzeitig vor dem nächsten Irlandaufenthalt wiederzuerlangen, erschließt sich nicht, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Der Angeklagte soll doch gerade eingeräumt haben, dass er mit seiner Vorgehensweise die in Deutschland gebotene MPU umgehen wollte, denn er sah darin offensichtlich ein Problem. Daher lag der Weg über die deutschen Behörden für ihn gerade nicht nahe. Die Behauptung des Angeklagten, er habe in Deutschland nicht mehr fahren wollen, wird mit dieser Erwägung auch nicht widerlegt; denn er hätte sowohl mit einer deutschen als auch mit einer irischen Fahrerlaubnis dort Kraftfahrzeuge führen dürfen.
(bb) Steht somit nicht aufgrund rechtsfehlerfreier Würdigung des Beweisergebnisses fest, dass der Angeklagte die ausländische Fahrerlaubnis auch im Inland nutzen wollte, fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für deren Entziehung.
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die geeignet sind, die charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu belegen. Die Urteilsgründe lassen vielmehr erkennen, dass seine Einlassung in tatsächlicher Hinsicht nicht zu widerlegen sein wird. Der Senat ist deshalb gemäß § 354 Abs. 1 StPO berechtigt, in der Sache zu entscheiden und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Maßregel entfallen zu lassen (vgl. MeyerGoßner, StPO, 50. Auflage, § 354 Rn. 4). ..."