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Landgericht Dortmund Urteil vom 29.05.2008 - 2 O 208/07 - Die Fristenregelung für das Entstehen des Anspruchs auf Invaliditätsleistung ist nicht wegen Intransparenz unwirksam
LG Dortmund v. 29.05.2008: Die Fristenregelung für das Entstehen des Anspruchs auf Invaliditätsleistung ist nicht wegen Intransparenz unwirksam
Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 29.05.2008 - 2 O 208/07) hat entschieden:
Die Fristenregelung für das Entstehen des Anspruchs auf Invaliditätsleistung ist an den AUB 2000 ausgerichteten Versicherungsbedingungen jedenfalls dann nicht wegen Intransparenz unwirksam, wenn in den Bestimmungen zu den Obliegenheiten ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass neben der Beachtung der Obliegenheiten auch die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen zu prüfen sind.
Zum Sachverhalt: Der Kläger machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus einem Unfallversicherungsvertrag geltend.
Der Kläger hat bei der Beklagten eine Unfallversicherung abgeschlossen. Versicherte Personen sind der Kläger selbst und seine Ehefrau U. Nach Maßgabe des Versicherungsscheins lagen der Versicherung die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen der Beklagten (HM-AUB 2000) zugrunde. Versichert ist für die Ehefrau des Klägers eine Leistung bei Vollinvalidität in Höhe von 265 000,00 € sowie eine monatliche Unfallrente ab einem unfallbedingten Invaliditätsgrad von 50 % in Höhe von 275,00 €, die sich bedingungsgemäß erhöht auf einen Betrag in Höhe von 550,00 € ab einem Invaliditätsgrad von 90 %. Daneben ist eine Gewinnbeteiligung vorgesehen.
Die Familie U. besuchte am 16.04.2006 den Freizeitpark „F“ bei W. in den Niederlanden. Unter anderem nutzte die Familie auch die Wildwasserbahn, welche in einem großen Reifen befahren wird. Bei dieser Fahrt stieß der Reifen, in dem die Familie U. saß, an eine Wand der Wildwasserbahn an.
Ob und in welchem Umfange die Zeugin U. hierdurch Beeinträchtigungen erlitt, ist zwischen den Parteien umstritten. Jedenfalls verließ die Familie U. schließlich gegen 14.00 Uhr den Freizeitpark.
Am darauffolgenden Tag (Ostermontag) fuhr die Tochter der Zeugin U. diese zum ärztlichen Notfalldienst.
Nachdem die Zeugin U. eine Lähmung der gesamten linken Körperhälfte verspürte, wurde sie mit dem Notarzt ins N-hospital nach I. verbracht. Nach einer Computertomographie wurde sie in die C- Klinik verlegt. Es wurde eine Subarachnoidalblutung festgestellt. Eine Operation erfolgte am 01.05.2006, in der das Aneurysma „geclippt“ worden ist. Am 11.05.2006 wurde die Zeugin U. aus der stationären Behandlung entlassen. Eine Anschlussbehandlung erfolgte in der Reha F.
Der Kläger zeigte das angebliche Schadensereignis unter dem 17.05.2006 gegenüber der Beklagten an.
Zum Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens der Zeugin U. nahm der Kläger im Verhältnis zu der Beklagten Bezug auf den Bericht der C- Klinik vom 31.03.2006, das sozialmedizinische Gutachten des Dr. W. vom 23.08.2006, auf Blatt 51 bis Blatt 54 d.A. wird verwiesen, die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom Januar 2007 sowie die ärztlichen Atteste des Dr. I. vom 08.02.2008 und vom 23.04.2008. Mit Schreiben vom 13.09.2006, 06.10.2006 sowie 29.01.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Versicherungsschutz ab.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage:
- Invaliditätsleistung laut dem Nachtrag zum Versicherungsschein: 265 000,00 €;
- monatliche Unfallrente auf der Grundlage von Ziffer 2.2 HM-AUB 2000 in Höhe von: 550,00 €;
- rückständige Unfallrente für den Zeitraum 16.04.2006 bis März 2007: 6 600,00 €;
- die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Gewinnbeteiligung an den Überschüssen der Beklagten gemäß Ziffer 2.2.4 der HM-AUB 2000 ab dem 01.05.2007.
Der Kläger meinte, die Beklagte trage auf der Grundlage von Ziffer 5 HM- AUB 2000 die Beweislast für eine vermeintliche fehlende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und den andauernden gesundheitlichen Leiden. Er behauptet, bei der Kollision mit der Wand sei die Zeugin U. mit ihrem Hinterkopf unkontrolliert auf die Kante der harten Kopfstütze geprallt. Sie habe sofort erhebliche Kopfschmerzen und ein Taubheitsgefühl in der linken Gesichtshälfte sowie in den Fingerspitzen der linken Hand beklagt. Nach der Einnahme einer Kopfschmerztablette sei es der Zeugin U. nur kurzfristig besser gegangen. Eine Besserung des Zustandes der Zeugin U. sei weder im Rahmen der Behandlungen beim ärztlichen Notfalldienst noch durch den Orthopäden Dr. T. und durch Dr. ... eingetreten. Vielmehr hätten die Beschwerden die Woche über angedauert. Die Zeugin U. leide noch an neuropsychologischen Problemen und sei seit dem Unfall in ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit dergestalt beeinträchtigt, dass der Grad der Invalidität 100 % betrage. Die Invalidität sei unfallbedingt, indem sie auf dem unfreiwilligen starken Aufprall mit erheblicher Geschwindigkeit während der unkontrollierten Wildwasserfahrt auf der Kante der harten Kopfstütze des Reifens beruhe. Die Beeinträchtigungen auf Seiten der Zeugin U. in ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit seien jedenfalls weit überwiegend unfallbedingt. Ferner seien die psychischen Beeinträchtigungen organisch bedingt. Bis zum Unfallereignis sei die Zeugin U. gesund gewesen. Eine Vorschädigung durch ein Aneurysma habe nicht bestanden. Die Ursache sei in Anbetracht des geschilderten Unfallverlaufes eine typische arterielle Verletzung durch die scharfe Gewalt gewesen. Auch in Zukunft werde der Invaliditätsgrad 90 % überschreiten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, eine schriftliche Feststellung der unfallbedingten Invalidität binnen 15 Monaten nach dem Unfall sowie die Voraussetzungen zum Erhalt einer Invaliditätsleistung und monatlichen Rente seien nicht gegeben. Sie behauptet, bei einer arachnoidialen Blutung handele es sich um eine Gehirnblutung im Sinne der Ziffer 5.2.1 HM-AUB 2000. Die psychischen Beeinträchtigungen - insbesondere Panikattacken, Angstzustände etc. - seien organisch unabhängig und psychischer Natur.
Sie bestritt, dass die Ehefrau des Klägers mit dem Hinterkopf unkontrolliert auf die Kante der harten Kopfstütze gestoßen/geprallt sei; die Zeugin U. sofort Kopfschmerzen und ein Taubheitsgefühl in der linken Gesichtshälfte und in den Fingerspitzen der linken Hand verspürt habe sowie die kurzzeitige Verbesserung des Zustandes durch die Einnahme einer Kopfschmerztablette; dass der Zustand und die Beeinträchtigung der Zeugin U. auf ein bedingungsgemäßes Ereignis zurückzuführen und unfallbedingt seien sowie zu einem unfallbedingten Dauerschaden geführt hätten; dass eine Invalidität - bis zu 100 % vorliege und diese durch das streitige Unfallereignis „überwiegend“ verursacht worden sei; die Ehefrau bis zum Unfallereignis gesund gewesen sei.
Die Klage blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... 1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung in Höhe von 265 000,00 € aus den §§ 1, 179 ff. VVG in Verbindung mit Ziffer 2.1 HM-AUB 2000. Offen bleiben konnte hierbei, ob die Zeugin U. als versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität) gewesen ist und ob die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten wäre. Denn die formelle Anspruchsvoraussetzung der schriftlichen Feststellung der Invalidität von einem Arzt innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall im Sinne von Ziffer 2.1.1 HM-AUB 2000 ist vorliegend von dem Kläger nicht erfüllt worden.
a) Gemäß Ziffer 2.1.1.1 HM-AUB 2000 - zweiter Spiegelstrich - müsste ein Arzt die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall schriftlich festgestellt haben.
aa) Zur Begründung eines bedingungsgemäßen Anspruches auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung genügt das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit nicht. Es bedarf vielmehr zusätzlich der Beachtung bestimmter Fristen. So muss die Invalidität innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt worden sein. Dies dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn dem Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Auch eine Leistungsablehnung des Versicherers ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist. Allerdings sind an die Feststellungen der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie muss sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellungen der Unfallbedingtheit eines bestimmtes Dauerschadens muss noch nicht einmal richtig sein. In dieser Auslegung hält die Fristenregelung einer sachlichen Inhaltskontrolle stand und genügt überdies dem Maßstab des Transparenzgebots. Aus den Invaliditätsfeststellungen müssten sich aber die ärztlicherseits dafür angenommenen Ursachen und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Denn die Invaliditätsbescheinigung soll dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf der Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar sind und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen will. Deshalb können nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein (vgl. BGH VersR 2007, 1114).
bb) Aus der ärztlichen Feststellung müssen sich deshalb einerseits die vom Arzt angenommene Ursache der Invalidität und die Art ihrer Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten ergeben. Darüber hinaus muss die ärztliche Feststellung die Aussage enthalten, dass das Unfallereignis für den Dauerschaden ursächlich ist, wobei die bloße Möglichkeit der Kausalität nicht ausreicht (vgl. OLG Hamm NVersZ 2001, 551; OLG Frankfurt/Main R + S 2003, 29; OLG Celle R + S 2002, 260). Auch muss die Feststellung eine Aussage zur Invalidität dem Grunde nach treffen (BGH R + S 1997, 84). Zur Wahrung der Frist genügt aber nicht eine ärztliche Feststellung, die irgendeine Invalidität bescheinigt. Es müssen alle körperlichen Symptome angegeben werden, auf welche die Invalidität gestützt wird, soweit diese nicht miteinander im Zusammenhang stehen (vgl. BGH VersR 2007, 1114; OLG Hamm NVersZ 2000, 478; NJW-RR 1997, 983). Die ärztliche Feststellung muss fristgerecht schriftlich oder elektronisch fixiert sein. Es genügt zum Beispiel nicht, dass der Arzt als Zeuge rückblickend aussagt, er sei bereits innerhalb der Frist von einem unfallbedingten Dauerschaden ausgegangen. Denn damit würde die Feststellung erst mit der Zeugenaussage aus der Vorstellung selbst des Arztes heraus nach außen dringen (vgl. OLG Hamm VersR 2004, 187).
Liegt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt keine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität vor - also auch keine verfristete -, ist die Klage auch dann abzuweisen, wenn sich der Versicherer auf die Verspätung einer etwaigen Feststellung nicht berufen könnte (vgl. OLG Hamm R + S 2007, 74; MDR 2006, 1045 = NJOZ 2006, 1402).
cc) Die von dem Kläger innerhalb der 15monatigen Frist zur Vorlage einer schriftlichen Invaliditätsfeststellung beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen genügen den Anforderungen an die Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens nicht.
(1) In der ärztlichen Stellungnahme des Dr. F. vom Januar 2007 wird nur ein zeitlicher Zusammenhang zu einem Ereignis in dem Vergnügungspark aufgenommen, indem Folgendes ausgeführt wird:
„Vor der Vorstellung im N-Hospital hatte die Patientin die drei vorherigen Tage unter starken Kopfschmerzen gelitten, nachdem sie sich in einem Vergnügungspark den Kopf gestoßen hatte.“
Dass dieses Unfallereignis für den Dauerschaden ursächlich gewesen ist, ergibt sich aus dieser ärztlichen Stellungnahme indes nicht.
Durch die Passage „als Folge der im April 2006 erlittenen Subarachnoidalblutung“ wird ebenfalls keine Ursächlichkeit zu dem Unfallereignis, sondern nur zu der Subarachnoidalblutung festgestellt.
Daneben ergibt sich aus dieser ärztlichen Stellungnahme auch keine Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens. Denn es heißt nur:
„Frau U. ist aus neurochirurgischer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt daher mit einem Grad der Invalidität von 100 zu beurteilen.“
Hieraus folgt nicht, dass ein entsprechender Grad der Invalidität dauerhaft gegeben ist.
(2) In dem sozialmedizinischen Gutachten des Dr. W. vom 23.08.2006 wird eine Ursächlichkeit des Unfallereignisses mit nachfolgenden starken Kopfschmerzen - aber nicht mit einem Dauerschaden - festgestellt, in dem es heißt:
„Nach HWS-Schleudertrauma in einer Wildwasserbahn mit Anstoßverletzung oxipital nachfolgend stärkste Kopfschmerzen.“
Daneben wird auch keine dauernde Gesundheitsbeeinträchtigung festgestellt „Berentung auf Zeit […], da die Behandlung eine längere Zeit in Anspruch nehme.“; „Minderung der Erwerbsfähigkeit durch gesundheitliche Beeinträchtigungen“).
(3) Auch aus dem Bericht der C- Klinik vom 31.07.2007 ergibt sich keine Unfallursächlichkeit. Vielmehr werden die Beeinträchtigungen der Zeugin U. nur als Folge der Subarachnoidalblutung festgestellt. Daneben verhält sich der Bericht nicht über einen Dauerschaden „bis auf weiteres nicht arbeitsfähig; Berentung auf Zeit“).
b) Auch durch die ärztlichen Atteste des Dr. ... vom 08.02.2008 sowie vom 23.04.2008 ist keine fristgerechte ärztliche Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens erfolgt.
aa) Aus dem ärztlichen Attest Dr. ... vom 08.02.2008 ergibt sich zwar, dass das Unfallereignis für die geschilderten Beeinträchtigungen ursächlich gewesen ist. Allerdings wird in diesem Attest keine Feststellung dahingehend getroffen, dass ein unfallbedingter Dauerschaden gegeben ist.
bb) Etwas anderes gilt für das ärztliche Attest des Dr. ... vom 23.04.2008. In diesem wird ein unfallbedingter Dauerschaden festgestellt, in dem es heißt:
„In Anbetracht des nur protrahiert verlaufenden und inzwischen stagnierenden Behandlungserfolges ist aus ärztlicher Sicht von einem unfallbedingten Dauerschaden auszugehen, der eine entsprechende Invalidität begründet.“
cc) Allerdings sind die ärztlichen Feststellungen in dem Attest vom 23.04.2008 - wie auch in dem ungenügenden Attest vom 08.02.2008 - nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfallereignis vom 16.04.2006 vorgenommen worden. Damit ist eine ausreichende ärztliche Feststellung erst nach Fristablauf - und damit verspätet - erfolgt. Die Klausel der Ziffer 2.1.1.1 HM-AUB 2000 - zweiter Spiegelstrich - ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen des Transparenzgebot unwirksam.
(1) Das Transparenzgebot gebietet es, dass der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen diese so klar und verständlich formuliert, dass für den Vertragspartner Nachteile und Belastungen hinreichend deutlich erkennbar sind. Eine Klausel muss durch ihre Formulierung dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verständlich sein (vgl. BGH NJW 1993, 2369; OLG Karlsruhe VersR 2005, 1385; OLG Düsseldorf VersR 2006, 1487). Auch im Hinblick auf den Aufbau der Versicherungsbedingungen muss dem Versicherten ermöglicht werden, die maßgebliche Klausel erkennen zu können (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2005, 1385). Etwas anderes gilt aber dann, wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht der Bedingungen - insbesondere des Inhaltsverzeichnisses - dazu verleitet werden kann, eine Fristenregelung wie die hier streitgegenständliche gemäß Ziffer 2.1.1.1 HM-AUB 2000 zu übersehen (vgl. hierzu OLG Hamm R + S 2008, 124).
(2) Dies ist allerdings vorliegend nicht der Fall. Im Inhaltsverzeichnis der streitgegenständlichen HM-AUB 2000 heißt es wie folgt:
„Der Versicherungsumfang
1. Was ist versichert?
2. Welche Leistungsarten können vereinbart werden? (Voraussetzungen für die Leistungen/Inhalt der Leistungsarten)
2. 2.1 Invaliditätsleistung
2. 2.2 Unfall-Rente
2. 2.3 Übergangsleistung
2. 2.4 Tagegeld
2. 2.5 Krankenhaus-Tagegeld
2. 2.6 Genesungsgeld
2. 2.7 Rooming-In-Leistungen (für Kinder)
2. 2.8 Todesfallleistung
2. 2.9 Kosmetische Operationen
2. 2.10 Sofortleistung bei Schwerverletzungen
2. 2.11 Bergungskosten
2. 2.12 Familien-Plus
2. 2.13 Reha-Plus
3. Welche Auswirkung haben Krankheiten oder Gebrechen?
4. Welche Personen sind nicht versicherbar?
5. In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?
6. Was müssen Sie
bei vereinbartem Kinder-Tarif
bei Änderungen der Berufstätigkeit oder Beschäftigung beachten?
Der Leistungsfall
7. Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?
8. Welche Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten?
9. Wann sind die Leistungen fällig?
10. Gewinnbeteiligung (Leistungs-Plus)“
Durch das Inhaltsverzeichnis wird der Versicherte im Leistungsfall hinsichtlich der Frage, was nach einem Unfall zu beachten ist, auf Ziffer 7. der HM-AUB gelenkt. Dort heißt es:
„Nach einem Unfall sind nicht nur die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen (z.B. die Fristen in Ziffer 2.1.1.1) nebst Einschränkungen, Versicherbarkeit und Ausschlüssen (Ziffern 2 ff.) zu prüfen, sondern auch Obliegenheiten zu beachten; denn ohne Ihre Mitwirkung und die der versichten Person können wir unsere Leistung nicht erbringen.“
Danach wird der Versicherungsnehmer für den Leistungsfall ausdrücklich auf die zu beachtende Frist hingewiesen. Ein aufmerksamer Versicherungsnehmer kann hierdurch nicht dazu verleitet werden, die 15monatige Frist zu übersehen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei aufmerksamer Durchsicht der Bedingungen unter Ziffer 7. der HM-AUB 2000 explizit auf die Fristen in Ziffer 2.1.1.1 hingewiesen. Damit ist er dazu veranlasst, sich auch Ziffer 2.1.1.1 HM-AUB 2000 durchzulesen, weil sich aus Ziffer 7. der HM-AUB 2000 ergibt, dass auch die Fristen als Leistungsvoraussetzungen im Hinblick auf den Eintritt des Leistungsfalles zu prüfen sind. Der aufmerksam die Bedingungen lesende durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sodann, soweit er Ziffer 2.1.1.1 HM-AUB 2000 nicht sofort aufblättert, sondern zunächst noch einmal in das Inhaltsverzeichnis sieht, unter der Überschrift von Ziffer 2 nochmals verstärkt darauf hingewiesen wird, dass es sich bei den unter Ziffer 2 genannten Gesichtspunkten um „Voraussetzungen für die Leistung/Inhalt der Leistungsarten“ handelt.
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Versicherungsnehmer hierdurch nicht „weiter in die Irre“ geführt. Vielmehr wird der Versicherungsnehmer gerade dazu veranlasst, die Leistungsvoraussetzungen der Ziffern 2. ff. - und insbesondere die Fristen in Ziffer 2.1.1. HM-AUB 2000 - zu beachten. Dass es sich hierbei um Leistungsvoraussetzungen handeln könnte, die nur der Versicherer zu beachten hatte, ergibt sich hieraus nicht, was bereits aus dem Umstand folgt, dass der Hinweis auf die Beachtung der Obliegenheiten entsprechend formuliert worden ist. Daneben bezieht sich der letzte Halbsatz des Abschnittes in Ziffer 7, in dem von der Mitwirkung des Versicherungsnehmers und der versicherten Person die Rede ist, auf das gesamte zuvor in diesem Abschnitt Ausgeführte.
c) Damit sind die formellen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben, weshalb der Kläger die geltend gemachte Invaliditätsleistung in Höhe von 265 000,00 € nicht verlangen kann.
2. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf eine monatliche Rente laufend in Höhe von 550,00 € und rückwirkend in Höhe von 6 600,00 € gemäß den §§ 1, 179 ff. VVG in Verbindung mit Ziffer 2.2 HM-AUB 2000 und auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer Gewinnbeteiligung aus den § 1, 179 ff. VVG in Verbindung mit Ziffer 2.2.4 HM-AUB 2000. Denn eventuelle Ansprüche auf eine monatliche Rente und Gewinnbeteiligung scheitern ebenfalls an der formellen Anspruchsvoraussetzung der schriftlichen ärztlichen Feststellung 15 Monate nach dem Unfall. Ziffer 2.2.1 HM-AUB 2000 verweist auf Ziffer 2.1.1 HM-AUB dahingehend, dass die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen müssen. ..."