Das Verkehrslexikon

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Landgericht Köln Urteil vom 08.07.2008 - 8 O 15/08 - Bei einem Lückenunfall ist eine Quotelung von 75: 25 angemessen

LG Köln v. 08.07.2008: Zur angemessenen Haftungsverteilung von 3/4 zu 1/4 bei einem typischen sog. Lückenunfall


Das Landgericht Köln (Urteil vom 08.07.2008 - 8 O 15/08) hat entschieden:
Bei einem sog. Lückenunfall an einer kleinen einmündenden Stichstraße liegt die weit überwiegende Verursachung des Unfalls bei dem einbiegenden Fahrzeug, welches zwar geringere Möglichkeiten der Einsichtnahme in die zweite Spur der Vorfahrtstraße hat; gerade dies zwingt aber den Einbiegenden zu einem Höchstmaß an Vorsicht, welches vorliegend nicht gewahrt wurde. Bei dieser Sachlage erscheint eine Quotelung von 75 %-25 % angemessen.


Zum Sachverhalt: Die Parteien stritten um Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 05.06.2007, an dem der Kläger mit seinem Daimler-Benz BM-… und der Beklagte mit seinem Kia BM-… beteiligt waren.

Der Kläger befuhr die C-Straße in I. in Richtung der Kreuzung zur Luxemburger Straße. Bereits zuvor schneidet von rechts eine kleinere Stichstraße, aus der Beklagte zu 1) fuhr. Dieser wollte - aus seiner Sicht - links abbiegen. An der Einmündung seiner Straße ist die C-Straße zweispurig (eine Linksabbieger- und eine Geradeaus/Rechtsabbiegerspur). Ein Wagen der rechten Spur der Bonner Straße, auf der mehrere Wagen standen, ermöglichte dem Beklagten zu 1) die Durchfahrt; als dieser passierte, kam es zur Kollision mit dem Kläger, der die freie linke Spur der Bonner Straße befuhr. Der genaue Unfallhergang war zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger behauptete, er sei bereits auf der Linksabbiegerspur gewesen und habe diese mit freier Fahrt befahren, als der Beklagte zu 1) plötzlich aus der Lücke herausgefahren und nicht - aus Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen - nach rechts, sondern nach links abgebogen und ihm so in die Spur gefahren sei.

Die Beklagten behaupteten, der Kläger sei - als seine Fahrtrichtung noch einspurig gewesen sei - bereits ausgeschert und an den stehenden Fahrzeugen der Geradeausspur links vorbeigefahren, und dann auf die Linksabbiegerspur zu gelangen; dies habe er mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h getan und sei solcherart in den Beklagten zu 1) gefahren, als dieser sich in die Spur tastete.

Das Gericht hielt eine Haftungsverteilung von 75:25 zu Lasten des Wartepflichtigen für angemessen.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Beklagten haften dem Kläger aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG a.F., 253 Abs. 2 BGB auf Sachschadensersatz und Schmerzensgeld, weil es zu einem Unfall bei dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) gekommen ist, der auch nicht auf höherer Gewalt beruhte.

...

Nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist sein Anspruch nämlich um eine Mitverursachungsquote am Unfall zu mindern, die das Gericht mit 25 % bemisst.

Der Unfall hat sich dergestalt ereignet, dass der Beklagte zu 1) eine Lücke in der Kolonne der rechten Fahrspur genutzt hat, um auf die bevorrechtigte Straße einzufahren, und es hierdurch zur Kollision kam. In einem solchen Fall liegt die weit überwiegende Verursachung des Unfalls bei dem einbiegenden Fahrzeug, welches - worin den Beklagten Recht zu geben ist - zwar geringere Möglichkeiten der Einsichtnahme in die zweite Spur hat; gerade dies zwingt aber den Einbiegenden zu einem Höchstmaß an Vorsicht, welches vorliegend nicht gewahrt wurde.

Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Einen entsprechenden Unfallhergang haben nicht nur die Parteien im Rahmen ihrer Anhörung geschildert, sondern auch die Zeugen, soweit sie den Unfall überhaupt im Detail hatten wahrnehmen können.

Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass den Kläger, der auf der Linksabbiegerspur ungehindert hatte fahren können, eine gewisse Sorgfaltspflicht traf, seinerseits auf etwaig einbiegenden Lückenverkehr zu achten - wenngleich dieser natürlich nicht bevorrechtigt ist.

Hierbei hat es indes bei der Anrechnung einer nur leicht erhöhten Betriebsgefahr zu verbleiben. Zwar hat die Beweisaufnahme - hier neben der Anhörung des Beklagten zu 1) insbesondere auch die Aussage des Zeugen C. - ergeben, dass der Kläger bereits in Richtung linker Spur aus der Kolonne ausgeschert war, als die linke Spur noch gar nicht begonnen hatte.

Wäre es in diesem Moment zu einer Kollision gekommen, hätte den Kläger ein ungleich höheres Verschulden an einem Unfall getroffen (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. (2007), Rn. 59, 60).

Indes hat sich der Unfall jedoch - was die Beweisaufnahme zeigte, was aber auch die Lichtbilder der Ermittlungsakte ergeben - an einer Stelle zugetragen, an der die Straße bereits zweispurig befahrbar war und wo den Kläger insoweit kein Verschulden dahingehend traf, diese Spur befahren zu haben.

Im Rahmen eines Mitverschuldens können jedoch nur diejenigen bewiesenen oder unstreitigen Verstöße anspruchsmindernd berücksichtigt werden, die sich konkret kausal auf den Unfall und seine Verursachung ausgewirkt haben (BGH, Urt. vom 21.11.2006 - VI ZR 115/05 - NJW 2007, 506 (507)). Hieran fehlt es vorliegend. Der rein fiktive Umstand, dass der Kläger - wäre er nicht verfrüht aus der Kolonne ausgeschert - noch gar nicht am Unfallort hätte sein können, als der Beklagte zu 1) in die Straße einbog, genügt gerade nicht, um eine kausale Beeinflussung annehmen zu können (BGH, Urt. vom 21.11.2006 - VI ZR 115/05 - NJW 2007, 506 (507)).

Bei dieser Sachlage erscheint eine Quotelung von 75 %-25 % angemessen (vgl. KG, Urt. vom 18.12.1975 - 22 U 1701/75 - DAR 1976, 296; KG, Urt. vom 12.11.1973 - 12 U 873/73 - VersR 1974, 370). ..."



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