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Finanzgericht Neustadt Urteil vom 29.05.2008 - 3 K 1699/05 - Entschädigungen aus privaten Versicherungen können zu steuerbaren Einnahmen führen FG Neustadt v. 29.05.2008: Entschädigungen aus privaten Versicherungen müssen für sich gesehen grundsätzlich nicht zu steuerbaren Einnahmen führen

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 29.05.2008 - 3 K 1699/05) hat entschieden:
Entschädigungen aus privaten Versicherungen müssen für sich gesehen grundsätzlich nicht zu steuerbaren Einnahmen führen. Wird aber das versicherte Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften eingesetzt und ist dieses Wirtschaftsgut damit dem Einkünftebereich zuzurechnen, ist das aber anders, denn die Entschädigung durch die Versicherung ersetzt Werbungskosten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die gezahlten Versicherungsprämien selbst als WK geltend gemacht oder berücksichtigt worden sind oder nicht. Im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip ist danach die Versicherungsleistung im vollen Umfang auf die entstandenen Unfallkosten anzurechnen.


Zum Sachverhalt:

Der Kläger war Eigentümer eines Pkw Mercedes Benz C 200, den er am 15.11.2001 bei einem Kilometerstand von 700 km für einen Preis von 52.000,- DM erworben hatte. Diesen Pkw nutzte der Kläger auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, für die der Beklagte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer die Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigte (Bl. 5,39 EStA). Am 28.11.2003 ereignete sich auf dem Weg von der Wohnung des Klägers zu seinem Büro in S ein von dem Kläger selbst verschuldeter Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug, das zu dieser Zeit einen Kilometerstand von 60.795 km aufwies, erheblich beschädigt wurde. Der von der … Versicherung als Kaskoversicherer beauftragte Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, dass die Reparaturkosten in Höhe von 22.894,14 € den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 21.400,- € - später korrigiert auf 20.650,-€ - überstiegen und somit ein Totalschaden vorliege. Der Restwert des Pkw betrage 9.000,- € (Bl. 14 ff. EStA). Die Versicherung leistete dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 11.650 €, die sich aus der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert errechnete.

In dem Einkommensteuerbescheid 2003 vom 22.07.2004 (Bl. 39 EStA) lehnte der Beklagte einen Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, nach Abzug der Versicherungsleistung verblieben aus steuerlicher Sicht keine abzugsfähigen Kosten.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit der Begründung Einspruch ein, durch die Neuanschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs, das Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufs sei, seien erhebliche Kosten entstanden. Im Übrigen seien Reparaturkosten für den eigenen Pkw infolge eines selbst verschuldeten Unfalls abzugsfähig.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid richtete sich die - erfolglose - Klage.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger werden durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Zutreffend hat der Beklagte es abgelehnt, den Betrag von 8.724,79 € als weitere Werbungskosten anzuerkennen.

Werbungskosten sind für den Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind, d. h. es muss ein objektiver Zusammenhang zwischen ihnen und dem Beruf bestehen und sie müssen subjektiv zur Förderung des Berufs bestimmt sein. Nach ständiger Rechtsprechung konnten zumindest noch im Streitjahr Kosten eines Verkehrsunfalls als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, wenn sich der Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt ereignet hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31.01.1992 VI R 57/88, BStBl II 1992, 401). Denn Unfallkosten teilen grundsätzlich das Schicksal der Fahrtkosten. Auch wenn der Arbeitnehmer die Fahrtkosten nach Pauschbeträgen abrechnet, wird der Abzug außergewöhnlicher Ausgaben, wie insbesondere der durch einen Verkehrsunfall entstandenen Kosten, nicht ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1986 VI R 79/83, BStBl II 1987, 275).

Grundsätzlich sind alle für die Beseitigung des Schadens aufgewendeten Beträge als Werbungskosten abzugsfähig. Lässt der Arbeitnehmer das bei einer beruflich bedingten Fahrt beschädigte Fahrzeug nicht reparieren, so kann die durch den Unfall herbeigeführte Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) als Werbungskosten berücksichtigt werden. Sie bemisst sich in Höhe der Differenz zwischen dem steuerlichen „Buchwert“ (Anschaffungskosten abzüglich fiktiver AfA) und dem Wert des Fahrzeugs nach dem Unfall (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1994 IV R 25/94, BStBl II 1995, 318).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Unfallkosten als Werbungskosten zwar insoweit vor, als der Kläger unstreitig am 28.11.2003 auf der Fahrt zu seiner Arbeitsstätte einen Verkehrsunfall erlitten hat, bei dem sein Pkw erheblich beschädigt wurde. Der Sachverhalt des Streitfalles ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die streitigen Unfallkosten durch Leistungen aus der Vollkaskoversicherung kompensiert worden sind. Diese Leistungen sind entgegen der Auffassung der Kläger in vollem Umfang auf die entstandenen Unfallkosten anzurechnen.

Bei Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erzielung von Überschusseinkünften entstanden sind, die jedoch durch Versicherungsleistungen Dritter kompensiert worden sind, sind nach der Rechtsprechung einerseits entstandene Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen, andererseits aber die Versicherungsleistungen - im Veranlagungszeitraum der Zahlung - als steuerpflichtige Einnahmen zu erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 14.08.1970 VI R 40/69, BStBl II 1970, 764 für eine Haftpflichtentschädigung nach Unfalltotalschaden eines Pkw; BFH-Beschluss vom 04.09.1990 IX B 10/90, BFH/NV 1991, 164 zur Entschädigung der Rechtsschutzversicherung für Prozesskosten; BFH-Urteile vom 01.12.1992 IX R 333/87, BStBl II 1994, 11 und IX R 36/86, BFH/NV 1993, 472 jeweils zu Entschädigungsleistungen der Gebäudebrandversicherung; FG München, Urteil vom 18.03.1998 1 K 775/96, EFG 1998, 1083 zu Versicherungsleistungen der Pkw-Vollkaskoversicherung; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.05.1981 3 K 308/80, juris, zu Versicherungsleistungen bei Unfallkosten). Zur Begründung wird jeweils darauf hingewiesen, dass die Versicherungsleistungen den Zweck verfolgen, dem Grunde nach abziehbare Werbungskosten auszugleichen. Dieser Auffassung hat sich auch die Literatur angeschlossen (vgl. Drenseck in Schmidt, EStG, Kommentar, 24. Aufl., § 9 Rdnr. 66 und 67 und § 19 Rdnr. 60 Stichwort „Unfallkosten“; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Kommentar, § 9 Rdnr. 77, 85 und 90; Thürmer in Blümich, EStG, Kommentar, § 9 Rdnr. 186 und v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, § 9 Rdnr. B 59, B 68 und 70). Zwar müssen Entschädigungen aus einer privat abgeschlossenen Versicherung für sich gesehen grundsätzlich nicht zu steuerbaren Einnahmen führen. Wird aber das versicherte Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften eingesetzt und ist dieses Wirtschaftsgut damit dem Einkünftebereich zuzurechnen, ersetzt die Entschädigung durch die Versicherung Werbungskosten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die gezahlten Versicherungsprämien von dem Steuerpflichtigen als Werbungskosten geltend gemacht und berücksichtigt worden sind oder nicht.

Danach ist die Versicherungsleistung im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip in vollem Umfang auf die entstandenen Unfallkosten anzurechnen. Die Kläger stehen auf Grund der Versicherungsleistung von 11.650,- € wirtschaftlich gesehen nicht schlechter als in der Situation, in der sie sich vor dem Unfall befanden. Denn nach ihrer eigenen Berechnung hatte das Fahrzeug vor dem Unfall noch einen Zeitwert von 17.724,79 € und nach dem Unfall einen solchen von 9.000,- €. Die durch den Unfall eingetretene Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 8.724,79 € müssen die Kläger auf Grund der Zahlung seitens der Versicherung aber wirtschaftlich nicht tragen.

Soweit die Kläger meinen, sie seien bei einer Anrechnung der Versicherungsleistungen auf die Unfallkosten schlechter gestellt als derjenige, der Geld in Höhe der Versicherungsbeiträge anspare und sich dann aus diesen Ersparnissen nach einem Unfall ein neues Fahrzeug kaufe, geht dieser Einwand fehl. Die Kläger übersehen dabei, dass sie von der Versicherung den Schaden in voller Höhe ersetzt erhalten haben, während derjenige, der – mangels Bestehens einer Vollkaskoversicherung – den Schaden selbst trägt und die Aufwendungen als AfaA geltend macht, lediglich einen anteiligen Ausgleich durch eine entsprechende Minderung der Einkommensteuer erhält. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Versicherung bei der Ermittlung der zu zahlenden Entschädigung neben dem Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert weitere Positionen, wie etwa einen Nutzungsausfall, berücksichtigt hätte. Eine Aufteilung der Versicherungsleistung, wie sie die Kläger anstreben, kommt danach nicht in Betracht.

Der Kläger hat als nichtselbständig Tätiger nicht wie ein selbständiger Betriebsinhaber Bücher geführt. Daher kann er auch nicht die Anschaffungskosten seines Wagens, wie beispielsweise ein Kaufmann, der diese Kosten zur periodengerechten Gewinnermittlung aktiviert und abschreibt, als Verlust geltend machen, soweit sie noch zu Buche stehen. Die Kosten, die durch die dienstliche Benutzung des Wagens zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden sind, hat er durch Ansatz der Kilometerpauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geltend gemacht. Darin ist die gewöhnliche AfA enthalten. Die Inanspruchnahme der Pauschbeträge schließt es aber aus, später unabhängig davon noch eine besondere Berechnung der AfA vorzunehmen.

Soweit die Kläger schließlich noch auf die Entscheidung des BFH vom 09.12.2003 (VI R 185/97) verweisen, lässt sich daraus für den Streitfall nichts herleiten. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob der endgültige Verlust eines Arbeitsmittels durch Diebstahl oder Unterschlagung im Wege der AfaA zu Erwerbsaufwendungen führen kann, nicht aber darum, ob und ggf. in welcher Höhe Versicherungsleistungen anzurechnen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



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