Das Verkehrslexikon
OVG Münster Beschluss vom 28.07.2008 - 9 A 1530/07 - Die bloße Androhung einer Fahrtenbuchauflage ist nach einem geringfügigen Verkehrsverstoß zulässig
OVG Münster v. 28.07.2008: Zur Rechtmäßigkeit der Androhung einer Fahrtenbuchauflage
Das OVG Münster (Beschluss vom 28.07.2008 - 9 A 1530/07) hat entschieden:
Von der Androhung im Gegensatz zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geht keinerlei Regelungswirkung aus. Sie greift nicht in Rechte des Betroffenen ein, sondern hat nur zum Zweck, ihn dazu anzuregen, sorgfältiger zu prüfen und zu überwachen, wem er sein Kraftfahrzeug zur Führung überlässt. Daher ist eine solche Anordnung auch bereits bei einem geringefügigen Verkehrsverstoß rechtmäßig.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... 1. Zunächst bestehen nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG verneint hat.
Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb anzunehmen, weil der Beklagte aus Anlass einer Verkehrsordnungswidrigkeit, die nach §§ 28 Abs. 2 Nr. 3, 28a StVG nicht im Verkehrszentralregister einzutragen und weder nach dem Bußgeldkatalog mit einem Fahrverbot zu ahnden noch nach Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung mit Punkten zu bewerten gewesen wäre, eine Fahrtenbuchauflage angedroht hat. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Klägers, die Androhung einer Fahrtenbuchauflage setze die Berechtigung zur Verhängung einer solchen voraus und diese habe wegen der Geringwertigkeit des Verstoßes gefehlt. Auch wenn die hier begangene Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung von 18 km/h außerhalb geschlossener Ortslage) wohl nicht ausgereicht hätte, eine Fahrtenbuchauflage anzuordnen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 – 8 A 699/97 –, NJW 1999, 3279, Beschlüsse vom 10. Juni 2006 – 8 A 4773/05 – und vom 21. April 2008 – 8 B 482/08 –,
war der Beklagte nicht daran gehindert, eine solche anzudrohen. Das Gewicht des Verstoßes, auf das der Kläger abstellt, gehört nicht zu den ausdrücklich in § 31a StVZO geregelten Voraussetzungen für die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen. Es spielt erst bei der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und ggfls. der Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung eine Rolle. Für beide Aspekte ist von Bedeutung, wie groß der mit der Maßnahme verbundene Eingriff ist. Insofern unterscheiden sich Anordnung und Androhung einer Fahrtenbuchauflage so erheblich, dass auch ein Verkehrsverstoß geringeren Gewichts, der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit noch nicht zu einer Fahrtenbuchauflage führen dürfte, sehr wohl die Androhung einer solchen rechtfertigte. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht,
vgl. Beschluss vom 29. Juni 1973 – VII B 19.73 –, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 1,
ausgeführt hat, geht von der Androhung im Gegensatz zur Anordnung keinerlei Regelungswirkung aus. Sie greift nicht in Rechte des Betroffenen ein, sondern hat nur zum Zweck, ihn dazu anzuregen, sorgfältiger zu prüfen und zu überwachen, wem er sein Kraftfahrzeug zur Führung überlässt. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, diese Betrachtungsweise verkenne, dass die Behörden de facto grundsätzlich Fahrtenbuchauflagen verhängten, wenn zuvor eine Androhung erfolgt sei. Ob dem Halter künftig bei einem erneuten Verkehrsverstoß, ohne dass sich der Fahrer feststellen lässt, die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden kann, hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab und lässt sich nach der Rechtsprechung gerade nicht mit der zuvor ausgesprochenen Androhung begründen.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. Juni 1973 – VII B 19.73 –, a.a.O.
Der hier vertretenen Auffassung steht nicht entgegen, dass dann – wie der Kläger meint – grundsätzlich immer eine Fahrtenbuchauflage angedroht werden könnte. Solange – wie hier – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 StVZO (Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften, Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers ohne behördliches Ermittlungsdefizit) gegeben sind, ist nicht erkennbar, dass die behördliche Maßnahme von vornherein sinnlos sein und der mit der Androhung bezweckte Erfolg nicht erreicht werden könnte.
Soweit der Kläger auf Seite 3 seiner Zulassungsbegründung eine unrichtige Sachbehandlung aus einem Ermittlungsdefizit des Beklagten herleiten will, greift auch diese Rüge nicht durch. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein eventuelles Ermittlungsdefizit grundsätzlich unerheblich ist, wenn es nicht ursächlich für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers ist. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn der Halter sich weigert, Namen und Anschrift des Fahrzeugführers bekannt zu geben, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. In einem solchen Fall darf die Behörde von weiteren Ermittlungen absehen, selbst wenn solche theoretisch möglich wären.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2003 – 8 B 1464/03 –, vom 10. Januar 2006 – 8 A 4773/05 – und vom 21. April 2008 – 8 B 482/08 –, m.w.N.
Eine solche Fallgestaltung war auch im vorliegenden Fall gegeben. Sowohl der Kläger als auch eine weitere Person bei Ermittlungen am Wohnhaus des Klägers haben sich unter Hinweis auf ein Zeugnisverweigerungsrecht geweigert, den Namen des Fahrzeugführers zu nennen, obwohl er ihnen offensichtlich bekannt war.
2. Die des Weiteren geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Zur Beantwortung der sinngemäß gestellten Frage,
ob die Androhung einer Fahrtenbuchauflage nur dann erfolgen dürfe, wenn die Fahrtenbuchauflage selbst rechtmäßig angeordnet werden könnte,
bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Wie die Ausführungen zu 1. zeigen, ist die Frage eindeutig zu verneinen.
Die Darlegungen des Klägers im Zusammenhang mit der seiner Meinung nach unzureichenden Fahrzeugführerermittlung lassen ebenfalls keine entscheidungserheblichen Fragen erkennen, die einer weiteren Klärung bedürften. Abgesehen davon, dass der Kläger bereits keine konkreten Fragen von allgemeiner Bedeutung aufwirft, sind die Anforderungen insoweit in der Rechtsprechung hinreichend geklärt.
vgl.u.a. OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 – 8 A 699/97 –, a.a.O., Beschlüsse vom 4. November 2003 – 8 B 1464/03 –, vom 10. Juni 2006 – 8 A 4773/05 – und vom 21. April 2008 – 8 B 482/08 –.
..."