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Landgericht Dortmund Urteil vom 10.07.2008 - 2 O 3/08 - Versicherungsschutz besteht auf für fremde Fahrer, solange sich ein Fahrzeug in der Obhut des Versicherungsnehmers befindet
LG Dortmund v. 10.07.2008: Versicherungsschutz besteht auf für fremde Fahrer, solange sich ein Fahrzeug in der Obhut des Versicherungsnehmers befindet
Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 10.07.2008 - 2 O 3/08) hat entschieden:
Der Obhutbegriff in der Kfz-Versicherung für Handel und Handwerk erfordert eine Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Sache. Auf die Kfz-Haftpflichtversicherung übertragen bedeutet dies, dass ein Fahrzeug solange in der Obhut des Versicherungsnehmers ist, wie es sich in seinem Verantwortungsbereich befindet. Selbst dann, wenn mit einem in der Obhut des Versicherungsnehmers befindlichen Fahrzeug unnötige - zum Teil zu privaten Zwecken des Versicherungsnehmers durchgeführte - Fahrten ausgeführt werden und hierbei ein Unfallschaden verursacht wird, besteht der Versicherungsschutz fort.
Zum Sachverhalt: Der Kläger machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus einer Kfz-Handel- und -Handwerk-Versicherung geltend.
Zwischen den Parteien besteht eine Kfz-Handel und Handwerksversicherung. Der Vertrag ist durch Vermittlung der Agentur C. der Beklagten in L. zustande gekommen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) sowie die Sonderbedingungen zur Haftpflichtfahrzeugversicherung (KHSB) zugrunde.
In I., Ziffer 4. KHSB heißt es:
„Die Versicherung bezieht sich bei einheitlicher Art und einheitlichem Umfang, vorbehaltlich der Ausschlüsse in den Abschnitten III. und IV., auf alle (…)
4. fremden Fahrzeuge, wenn und solange sie sich zu irgendeinem Zweck, der sich aus dem Wesen eines Kraftfahrzeughandels - oder eines - Werkstattbetriebes ergibt, in der Obhut des Versicherungsnehmers oder einer von ihm beauftragten oder bei ihm angestellten Person befinden.“
VI. 3b Satz 2 KHSB lautet wie folgt:
„In der Fahrzeugversicherung besteht für Schäden, die ein nicht angezeigtes Fahrzeug oder ein Fahrzeug mit nicht angezeigten dem Versicherungsnehmer von der Zulassungsstelle zugeteilten, amtlich abgestempelten roten Kennzeichen oder mit einem roten Versicherungskennzeichen nach § 29g STVZU betreffen, kein Versicherungsschutz.“
Laut dem Versicherungsschein haben die Parteien im Rahmen der Fahrzeug-Versicherung ein Vollkaskoschutz mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 2 556,00 € vereinbart.
Am 24.05.2007 überführte der Mitarbeiter des Klägers, Q, das streitgegenständliche Kundenfahrzeug mit dem Kennzeichen …, das unstreitig nicht mit roten Kennzeichen versehen war, vom Betriebsgelände des Klägers zur Firma T. in C2. Das Fahrzeug befand sich seit Mai 2005 in der Obhut des Klägers.
Der Kläger hatte für eine bestellte Anhängerkupplung einen Elektrosatz eingebaut. Die Spezialhalterung für die Anhängerkupplung wurden sodann bei der Firma T. eingebaut, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Firma als Subunternehmerin für den Kläger tätig geworden oder von der Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges, Frau M, beauftragt worden ist. Jedenfalls wurde ein entsprechender Auftrag von der Eigentümerin - gegenüber dem Kläger oder der Firma T. - erteilt. Nach dem erfolgten Einbau der Anhängerkupplung rammte der Mitarbeiter Q. bei der Rückführung des Fahrzeuges in die Werkstatt des Klägers nach einer Rast leicht fahrlässig das Vordach eines Sanitätshauses und verursachte einen Schaden in Höhe von 14 596,21 € an dem Fahrzeug. Einen Betrag in Höhe von 9 000,00 € zahlte der Kläger bereits an die Eigentümerin. Hinsichtlich des Restbetrages in Höhe von 5 596,21 € erwirkte die Eigentümerin des Fahrzeuges ein Versäumnisurteil des Landgerichts Dortmund (Aktenzeichen 3 O 544/07) gegen den Kläger. Auch dieser Betrag wurde von dem Kläger an die Eigentümerin des Fahrzeuges gezahlt.
Die Beklagte hat ihre Eintrittspflicht mit Schreiben vom 09.07.2007 verneint. Im Rahmen der Quartalsmeldung im Sinne von III. KHSB zum Stichtag 01.04.2007 ist das streitgegenständliche Fahrzeug nicht aufgeführt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass von „Händler- oder Werkstattobhut“ auch dann auszugehen sei, wenn ein Fahrzeug zu einer anderen Werkstatt durch Mitarbeiter des Versicherungsnehmers verbracht bzw. zurücküberführt werde. Falls dieses Risiko nicht mitversichert sei, läge ein Beratungsmangel, wodurch eine Schadensersatzpflicht ausgelöst werde, vor.
Der Kläger behauptet, bei dem Auftrag an die Firma T. habe es sich um einen Werkauftrag des Klägers und nicht um einen solchen der Eigentümerin gehandelt, um seine Vertragsverpflichtungen gegenüber der Eigentümerin zu erfüllen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14 596,21 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und war der Auffassung, dass fremde Fahrzeuge in der Obhut des Werksunternehmers bei der Einschaltung einer Spezialwerkstatt, zu der das Fahrzeug verbracht werden soll, nur dann dem Versicherungsschutz unterständen, wenn der Werkunternehmer als Versicherungsnehmer diese Spezialwerkstatt selber beauftragt habe. Bei einer Beauftragung durch den Kunden bestünde kein Versicherungsschutz. Ferner sei die Beklagte gemäß VI. Nr. 3b Seite 2 KHSB leistungsfrei geworden.
Die Klage war erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 14 596,21 € aus § 10 (1) AKB I. Nr. 4, II KHSB.
1. Der vorliegende Schadensfall an dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist von dem Gegenstand der Versicherung umfasst, I. KHSB.
b. Auf fremde Fahrzeuge bezieht sich eine entsprechende Versicherung, wenn und solange sie sich zu irgendeinem Zweck, der sich aus dem Wesen eines Kraftfahrzeughandels- oder eines -werkstattbetriebes ergibt, in der Obhut des Versicherungsnehmers oder einer von ihm beauftragten oder bei ihm angestellten Person befinden, I Nr. 4 KHSB.
d. Der Obhutbegriff erfordert eine Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Sache. Auf die Kfz-Haftpflichtversicherung übertragen bedeutet dies, dass ein Fahrzeug solange in der Obhut des Versicherungsnehmers ist, wie es sich in seinem Verantwortungsbereich befindet (vergleiche BGHZ 35, 153). Selbst dann, wenn mit einem in der Obhut des Versicherungsnehmers befindlichen Fahrzeug unnötige - zum Teil zu privaten Zwecken des Versicherungsnehmers durchgeführte - Fahrten ausgeführt werden und hierbei ein Unfallschaden verursacht wird, besteht der Versicherungsschutz fort (LG Frankfurt Versicherungsrecht 1972), 1162).
f. Vorliegend befand sich das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig in der Obhut eines Mitarbeiters des Klägers, nämlich des Herrn Q. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt daher in dem Verantwortungsbereich des Klägers. Denn unabhängig davon, wer die Firma T. beauftragt hatte, oblag es jedenfalls dem Kläger - ansonsten hätte er keine Veranlassung zur Abholung des Fahrzeuges gehabt - im Rahmen des Vertragsverhältnisses zu der Eigentümerin, das Fahrzeug wieder nach den erfolgten Arbeiten in der Werkstatt der Firma T. in die Werkstatt des Klägers zu verbringen. Etwas anderes mag dann gelten, wenn eine Werkstatt mit der Reparatur eines Fahrzeuges beauftragt wird, eine Teilreparatur in einer Spezialwerkstatt durchzuführen ist, diese Spezialwerkstatt von dem Auftraggeber selbst beauftragt wird und der Schaden sich in der Obhut der Spezialwerkstatt ereignet. (Vergleiche für diesen Fall wohl Prölss/Knappmann, VVG, 27. Auflage, 2004, Kraftfahrt VII Rdnr. 5, Seite 1788). Hier liegt der Fall indes anders. Davon abgesehen ist der Vortrag des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten betreffend die Beauftragung der Spezialwerkstatt nicht widersprüchlich. Er legt nämlich dar, dass die Firma T. als Subunternehmerin tätig geworden ist, so dass offenbar die Eigentümerin den Kläger auch damit beauftragt hat, die Firma T. - als Subunternehmerin - zu beauftragen.
2. Das Fahrzeug ist auch im Rahmen der Obhut beim Rammen des Vordaches des Sanitätshauses beschädigt worden.
3. Demnach hat der Kläger Anspruch auf die Befriedigung der ihm von der Eigentümerin entgegengehaltenen Schadensersatzansprüche, § 10 (1) AKB. Den hier geltend gemachten Betrag in Höhe von 14 596,21 € hat der Kläger unstreitig gegenüber der Eigentümerin ausgeglichen.
4. Im Hinblick auf den vorliegenden Schadensfall haben die Parteien auch keine Selbstbeteiligung des Klägers vereinbart. Denn wie sich aus dem Versicherungsschein ergibt, ist seine Selbstbeteiligung nur für die Fahrzeugversicherung und nicht für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vereinbart worden.
5. Der Versicherungsschutz ist zudem nicht nach III., Ziffer 3b KHSB ausgeschlossen. Zunächst bezieht sich diese Klausel nur auf die Fahrzeugversicherung und nicht auch auf die Kfz-Haftpflichtversicherung. Ferner konnte die dahingehende Meldepflicht das streitgegenständliche Fahrzeug nicht betreffen, da sich dieses erst seit Mai 2007 in der Obhut des Klägers befand und die Quartalsmeldung bereits zum Stichtag 01.04.2007 ergangen ist. Im Übrigen dürfte es sich hierbei auch um eine verdeckte „Obliegenheit“ handeln, so dass eine Leistungsfreiheit der Beklagten zunächst die Kündigung des Vertragsverhältnisses erfordert hätte (§ 6 Abs. 1 Satz 3 VVG). ..."