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Landgericht Dortmund Urteil vom 18.06.2008 - 22 O 189/07 - Zugesprochene Zinsen aus einem Vorprozess müssen auf Kreditzinsen angerechnet werden
LG Dortmund v. 18.06.2008: Zugesprochene Zinsen aus einem Vorprozess müssen auf Kreditzinsen angerechnet werden
Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 18.06.2008 - 22 O 189/07) hat entschieden:
Ist ein Versicherungsnehmer gezwungen, wegen verspäteter Regulierung eines Schadensfalles durch seinen Versicherer ein Darlehen aufzunehmen, so sind auf den daraus resultierenden Anspruch aus Verzug im Wege der Vorteilsausgleichung Zinsen anzurechnen, die ihm bereits in einem Vorprozeß gegen den Versicherer zugesprochen wurden.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung des Vermögensschadens ist die Differenzhypothese. Ein Schaden besteht in der Differenz zwischen zwei Güterlagen: Der tatsächlich durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignis gedachten. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne dass die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (Palandt, BGB, 66. Aufl., vor § 249, Rn. 8). Danach ist zu fragen, wie sich die Vermögenslage des Klägers bei einer rechtzeitigen Erfüllung seiner berechtigten Ansprüche durch die Beklagte entwickelt hätte. Diese Vermögenslage ist mit der tatsächlich eingetretenen Vermögenslage zu vergleichen. Danach ist festzustellen, dass bei einer rechtzeitigen Zahlung durch die Beklagte die Aufnahme eines weiteren Darlehns bei der D-Bank nicht erforderlich geworden wäre, weil der Kläger die Ballonrate mit dem Entschädigungsbetrag, jedenfalls annähernd (wegen der in Abzug zu bringenden Selbstbeteiligung) hätte ablösen können. Aufgrund des Verzuges der Beklagten war der Kläger jedoch gezwungen ein weiteres Darlehn aufzunehmen. Soweit er hieraus mit Zinsen belastet wird, so kommen die sich ergebenden Beträge zunächst als Schadensposition grundsätzlich in Betracht. Einen solchen Zinsschaden hat der Kläger jedoch noch nicht beziffert. Vielmehr hat er lediglich die angefallenen Kreditraten des zweiten Kreditvertrages und den Ablösebetrag der Zahlung der Beklagten gegenübergestellt.
Einem Anspruch des Klägers auf Erstattung der mit dem Abschluss des zweiten Kreditvertrages verbundenen Zinsnachteile steht aber auch entgegen, dass diese durch eine vorzunehmende Vorteilsausgleichung kompensiert werden. Denn der Kläger muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung die im Vorprozess titulierten und von der Beklagten kapitalisiert ausgezahlten Verzugszinsen entgegenhalten lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind dem Geschädigten zufließende Vorteile unter folgenden Voraussetzungen anzurechnen. Zwischen dem seiner Art nach dem Schadensposten entsprechenden Vorteil und dem Schadensereignis muss ein adäquater Zusammenhang bestehen. Die Anrechnung muss mit dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruches übereinstimmen. Ferner muss die Anrechnung für den Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unangemessen entlasten (BGH NJW 1984, 2457; 1990, 1360; NJW-RR 2002, 905; Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 249, Rn. 227 ff.).
Die Anrechnung stimmt mit dem Zweck des Ersatzanspruches vorliegend überein. Durch den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass sein Versicherer verspätet geleistet hat. Die Zinsbestimmung des § 288 BGB, die in dem Vorprozess der Zuerkennung von Verzugszinsen zugrunde lag, dient dazu, in pauschalierter Form die Nachteile auszugleichen, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass er die ihm zustehende Entschädigungssumme nicht alsbald nach dem Schadensereignis bzw. nicht unverzüglich erhält (OLG Hamburg, NJW-RR 1989, 680; BGH VersR 1984, 1137 (1139f). Danach kann es nicht zweifelhaft sein, dass es geradezu dem Zweck des Ersatzanspruches des Klägers entspricht, die im Vorprozess zuerkannten und zur Auszahlung gebrachten Verzugszinsen auf seinen Anspruch anzurechnen. Mit der Neuregelung des § 288 sollte mit der Erhöhung des gesetzlichen Zinssatzes auf 5 %-Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz eine Verbindung zum Marktzins hergestellt werden (Palandt, a.a.O., § 288, Rn. 2). Damit soll gerade der Nachteil erfasst werden, dass ein auf Zahlung wartender Gläubiger gezwungen ist, zu marktüblichen Konditionen ein Darlehn aufzunehmen.
Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass die Anrechnung für den Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Ähnliche Wertungen außerhalb des Bereiches der Vorteilsausgleichung liegen den Entscheidungen des OLG Hamburg (a.a.O.) und des BGH (VersR 1984, 1137) zugrunde, wonach sich ein Versicherungsnehmer auf einen Verzugsschaden Vertragszinsen nach § 17 AFB anrechnen lassen muss und ein Feuerversicherer Verzugszinsen gemäß § 288 BGB und Zinsen gemäß § 94 VVG nicht nebeneinander schuldet.
Fehl geht letztlich auch das von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, er habe zur Finanzierung eines Ersatz-Pkws ein weiteres Darlehn aufnehmen müssen. Denn die Notwendigkeit hierzu folgt bereits aus dem Verlust des Pkws selbst. Der Verlust des Pkws ist jedoch nicht das vorliegend schadensauslösende Ereignis. Dieses ist allein in der verspäteten Zahlung der Entschädigungssumme zu sehen. Als Folge der verspäteten Zahlung kann danach die Notwendigkeit zur Darlehnsaufnahme zwecks Begleichung der Ballonrate gesehen werden, nicht jedoch die Aufnahme eines weiteren Darlehns. Soweit der Kläger geltend macht, er habe durch die Nichtzahlung der Beklagten die Möglichkeit verpasst, das Geld gewinnbringend anzulegen, fehlt es an einem konkreten Vortrag, zu welchem Zinssatz eine solche Anlage hätte erfolgen können. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Anlage des Geldbetrages gegenüber einer Tilgung des Darlehns wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre. ..."