Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss vom 08.08.2008 - 1 K 1161/08 - Widerruf der Aussetzung des Sofortvollzugs kann nur im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren überprüft werden
VG Freiburg v. 08.08.2008: Widerruf der Aussetzung des Sofortvollzugs kann nur im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren überprüft werden
Das Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 08.08.2008 - 1 K 1161/08) hat entschieden:
Wie die Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), sind auch die Aussetzung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO und ihr Widerruf keine mit Widerspruch/Anfechtungsklage anzufechtenden Verwaltungsakte. Rechtsschutz in diesem Zusammenhang richtet sich stets nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Siehe auch Vorläufiger Rechtsschutz durch Eilverfahren in Verkehrsverwaltungsverfahren und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Er richtet sich gegen den Bescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 14.2.2008. Mit dieser Entscheidung wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen (Nr. 1) und er wurde zur unverzüglichen, spätestens aber bis 28.2.2008 zu erfüllenden Abgabe seines Führerscheins verpflichtet (Nr. 2). Der Sofortvollzug dieser beiden Maßnahmen wurde in Nr. 4 angeordnet. Zuvor wurde noch in Nr. 3 die zwangsweise Einziehung des Führerscheins durch den Vollzugsdienst angedroht, sollte der Antragsteller der Abgabeaufforderung nicht Folge leisten. Schließlich findet sich in Nr. 6 der Entscheidung die Festsetzung von Verwaltungsgebühren (120,- EUR) und Zustellungsauslagen (2,63 EUR).
Bei gebotener sachdienlicher Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) bedarf es keiner Einbeziehung der vom Landratsamt unter dem 11.6.2008 getroffenen weiteren Entscheidung. Mit der dort in Nr. 1 erfolgten Regelung wurde der zunächst unter dem 17.3.2008 mit sofortiger Wirkung ausgesetzte Sofortvollzug ab sofort widerrufen, nachdem der Antragsteller ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte, aus dem das Landratsamt nunmehr auf seine Ungeeignetheit schloss. Dieser „Widerruf“ ist kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt, dem sofortige Vollziehbarkeit zukommt bzw. demgegenüber eine aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden könnte. Die Behörde, die die Vollziehung eines Bescheids nach § 80 Abs. 4 S. 1 VwGO ausgesetzt hat, kann jederzeit ihre Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft selbst ändern oder aufheben und die Vollziehung im Anschluss beginnen oder fortsetzen (OVG NRW, Beschl.v. 18.5.2004 - 15 B 748/04 - NVwZ-RR 2004, 725; VGH Bad.-Württ., Beschl.v. 5.10.1992 - 14 S 1932/92 -, VBlBW 1993, 222; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rnr. 841; Kopp, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80 Rdnr. 118; Redeker/von Oertzen, VwGO 14. Aufl. 2004, § 80 Rnr. 34; strenger hingegen, weil diese Befugnis an die Änderung der Sach- und/oder Rechtslage knüpfend: BVerwG, Beschl.v. 17.9.2001 - 4 VR 19/01, 4 A 40/01 -, NVwZ-RR 2002, 153; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 80, Rdnr. 213 ff.). So, wie sich Rechtsschutz gegen die Aussetzung der Vollziehung oder (nach vorherigem Antrag) gegen ihre Ablehnung nach §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO richtet - mithin Widerspruch und Klage unzulässig sind (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 80 Rdnr. 52; Kopp, a.a.O., Rnr. 119) -, gilt dies auch für die Änderung bzw. Aufhebung/Widerruf einer Vollziehungsaussetzung. Der Sache nach handelt es sich hierbei um die Bestimmung des nunmehrigen Beginns bzw. der Fortsetzung der Vollziehung. Nicht anders als bei der Ausgangsentscheidung einer Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geht es damit nicht um eine eigenständige Regelung i.S.v. § 35 LVwVfG. Weder die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch ihre Aussetzung und - als actus contrarius - ihre Aufhebung sind Verwaltungsakte. Gegen sie kann und muss der Betroffene sich nicht mit den fristgebundenen Rechtsbehelfen des Widerspruchs und der Klage zur Wehr setzen. Einer Vollstreckung nach Maßgabe des LVwVG sind diese Maßnahmen schließlich ebenfalls nicht zugänglich (vgl. für die Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO: VGH Bad.-Württ., Beschl.v. 11.6.1990 - 10 S 797/90 - NVwZ-RR 1990, 561; Schoch, a.a.O., Rdnr. 140; im Ergebnis ebenso, wenngleich einen VA-Charakter annehmend: VGH Bad.-Württ., 30.8.1990 - 8 S 1740/90 - NVwZ 1991, 491). In diesen Fällen richtet sich Rechtsschutz folglich ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO, ohne dass die den Sofortvollzug betreffenden Annex-/Nebenentscheidungen selbstständiger Anfechtungsgegenstand wären. Dem Bescheid vom 11.6.2008 kommt damit Bedeutung (nur) im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs zu (siehe unten bei II.1.a.).
Sonstige Zulässigkeitsprobleme sind nicht ersichtlich. Soweit der Führerschein (nach vorübergehender Aushändigung während der Gutachtenerstellung) mittlerweile wieder abgegeben worden und die festgesetzte Verwaltungsgebühr bezahlt ist, führt dies nicht etwa zur (teilweisen) Erledigung des VA und zur Unstatthaftigkeit des Antrags. Insoweit handelt es sich nämlich um reversible, einer Vollzugsfolgenbeseitigung i.S.d. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zugängliche Sachverhalte. ..."