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Verwaltungsgericht Oldenburg Beschluss vom 02.09.2008 - 7 B 2323/08 - Kein generelles Verwertungsverbot von Blutproben ohne richterliche Anordnung
VG Oldenburg v. 02.09.2008: Kein generelles Verwertungsverbot von Blutproben ohne richterliche Anordnung
Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschluss vom 02.09.2008 - 7 B 2323/08) hat entschieden: hat entschieden:
Lediglich grobe Verstöße gegen den sogenannten Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO bzw. Willkür oder besonders schwere Fehler bei der Annahme der Voraussetzungen, unter denen von der richterlichen Anordnung der Blutentnahme abgesehen werden kann, führen zu einem Verbot der strafprozessualen Verwertung der Untersuchungsergebnisse. Im Übrigen gelten die Grundsätze, nach denen die Ergebnisse einer Blutuntersuchung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO nicht verwertet werden dürfen, nicht ohne Weiteres im Recht der Fahrerlaubnis.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Auffassung des Antragstellers, das Ergebnis der Blutprobe vom 11. Dezember 2007 (Alkoholkonzentration von 2,05 ‰) unterliege einem Beweisverwertungsverbot, mit der Folge, dass auf seiner Grundlage ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht hätte angeordnet werden dürfen, mit der weiteren Folge, dass das Ergebnis dieses Gutachtens nicht zu verwerten sei, ist nicht zu folgen. Zwar ist die Blutentnahme nicht entsprechend § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO durch einen Richter, sondern durch die Polizeibeamten (d.h. Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft) selbst angeordnet worden. Dies führt aber nicht dazu, dass das Gutachten des TÜV Nord vom 30. April 2008 nicht verwertbar ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Zunächst nimmt das Gericht bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht an, dass die Polizei beim Antragsteller am 11. Dezember 2007 rechtswidrig Blut entnommen hat. Lediglich grobe Verstöße gegen den sogenannten Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO bzw. Willkür oder besonders schwere Fehler bei der Annahme der Voraussetzungen, unter denen von der richterlichen Anordnung der Blutentnahme abgesehen werden kann, führen zu einem Verbot der strafprozessualen Verwertung der Untersuchungsergebnisse. Es ist nicht ersichtlich, dass am 11. Dezember 2007 die Polizeibeamten bei der Entnahme der Blutprobe des Antragstellers in solcher Weise schwerwiegend gefehlt hätten. Dabei ist insbesondere maßgeblich, dass sie seinerzeit den Antragsteller nach Aufnahme seiner Personalien für den Fall, dass er sich vor Durchführung einer Blutentnahme hätte entfernen wollen, bis zur Einholung deren richterlicher Anordnung nicht hätten festhalten dürfen. Es ist höchstwahrscheinlich unzulässig, einen Beschuldigten, der nicht bereits aufgrund anderer Vorschriften festgehalten werden darf, zur Erwirkung einer rechtmäßigen Anordnung nach § 81a StPO im Gewahrsam zu halten, ihn beispielsweise auf das zuständige Polizeirevier zu verbringen, um von dort eine richterliche Anordnung zu erwirken und ihn anschließend zur zwangsweisen Blutentnahme einem Arzt zuzuführen (s. hierzu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 M 12/08 - zitiert nach juris, m.w.N.). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Gerichts sprechen ganz überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass die Polizeibeamten am 11. Dezember 2007 befugt waren, dem Antragsteller gemäß § 81a Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG Blut zu entnehmen. Der Antragsteller selbst hat seine anderslautende Rechtsauffassung lediglich behauptet, den angeblichen Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO jedoch weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht für die Blutentnahme am 11. Dezember 2007 untermauert. Wenn Polizeibeamte - wie seinerzeit beim Antragsteller - die Blutentnahme in Annahme ihrer Eilzuständigkeit („Gefährdung des Untersuchungserfolges“) selbst anordnen, um ein Entfernen des betroffenen alkoholisierten Fahrzeugführers noch vor der Blutprobe und damit eine Vereitlung des Untersuchungserfolges zu verhindern, so kann darin gegenwärtig ein schwerwiegender Fehler oder ein grober Gesetzesverstoß hinsichtlich des Richtervorbehaltes nicht gesehen werden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Grundsätze, nach denen die Ergebnisse einer Blutuntersuchung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO nicht verwertet werden dürfen, nicht ohne Weiteres im Recht der Fahrerlaubnis gelten. Beweisverwertungsverbote bestehen im Strafprozess in dem besonderen Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch auf der einen und dem Schutz von Grundrechten des Betroffenen auf der anderen Seite. Daher ist die Gewinnung von Informationen im Strafverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen in besonderem Maße formalisiert und Verwertungsverbote, die beispielsweise die Legitimation des staatlichen Strafanspruches sichern, können daher im Verwaltungsverfahren nur eingeschränkt gelten. Die Behörde hat im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis - anders als im Strafprozess - maßgebliche weitere Rechtsgüter auch Drittbetroffener, wie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Kraftfahrern, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nach der Rechtsprechung (s. insbesondere Beschluss des Nds. OVG vom 27. Oktober 2000 - 12 M 3738/00 -, NJW 2001, 495; m.w.N.), dass ein Gutachten über die Fahreignung, das auf der Grundlage einer rechtswidrigen Blutentnahme unberechtigterweise angeordnet wurde und eindeutig negativ ausfällt, gleichwohl bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden darf. Ein Verbot, dieses Gutachtens für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, ergibt sich weder aus den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts noch aus dem sonstigen Recht. Ihm steht wohl das Interesse der Allgemeinheit am effektiven Schutz vor ungeeigneten Kraftfahrern entgegen (BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 - 7 C 69/81 -, NJW 1982, 2885). ..."