Das Verkehrslexikon

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OVG Greifswald Beschluss vom 14.12.2006 - 1 M 148/06 - Entzug der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens nach Cannabisfund und Angaben des Betroffenen

OVG Greifswald v. vom 14.12.2006: Entzug der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens nach Cannabisfund und Angaben des Betroffenen


Das OVG Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald (Beschluss vom 14.12.2006 - 1 M 148/06) hat entschieden:
  1. Die Fahrerlaubnisbehörde darf Zweifel an der Eignung eines Führerscheininhabers unter dem Aspekt des Drogenkonsums annehmen, wenn bei diesem anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung eine selbstgezogene Cannabispflanze sowie zusätzlich ca. 20 g Marihuana vorgefunden werden und er selbst einräumt, "regelmäßig am Wochenende einen Joint zu rauchen"; derartige Aufklärungsmaßnahmen durch Anordnung der Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens (Drogenscreening) dienen dem Ziel der Abgrenzung eines bloß gelegentlichen vom regelmäßigen Konsum.

  2. Kommt der Betroffene der Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens nicht nach, darf auf die Nichteignung geschlossen und die Fahrerlaubnis entzogen werden

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beschwerde des Antragstellers gegen den seinem Bevollmächtigten am 28. September 2006 zugegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, die mit am 11. Oktober 2006 per Telefax eingegangenem Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 25.Oktober 2006 eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat keinen Erfolg.

Gegenstand der Prüfung durch den Senat im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO können nur die vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründe sein (§ 146 Abs.4 Satz 6 VwGO). Schon deswegen müssen hier die in dem persönlichen Schreiben des Antragstellers vom 02. November 2006, bei Gericht eingegangen am 06. November 2006, gemachten Ausführungen außer Betracht bleiben; danach kann offen bleiben, ob diese Ausführungen überhaupt geeignet wären, eine von den Wertungen des Verwaltungsgerichts Greifswald abweichende Einschätzung der Sach- und Rechtslage zu tragen. Hieran hat der Senat erhebliche Zweifel, jedoch bleibt es dem Antragsteller ebenso wenig unbenommen, seine diesbezüglichen Argumente in das Widerspruchsverfahren einzubringen, wie zu prüfen, ob er sich nicht doch noch zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens (Drogenscreening) entschließen kann. Im für ihn positiven Falle wäre das Ergebnis eines derartigen Gutachtens - läge es vor Erlass des Widerspruchsbescheides, der letzten Behördenentscheidung, vor - im Hauptsacheverfahren noch zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, 27.09.1995 - 11 C 34.94 -, BVerwGE 99, 249).

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung darauf gestützt, dass der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen durfte. Insbesondere habe er nach § 11 Abs. 8 FeV auf dessen Nichteignung schließen dürfen, weil der Antragsteller ein berechtigterweise gefordertes (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 FeV) ärztliches Gutachten nicht beigebracht habe und in der Gutachtenanforderung auf die Folge der Nichtbeibringung hingewiesen worden sei. Im Hinblick auf den - vom Antragsteller selbst eingeräumten - Konsum von Drogen seien Eignungszweifel aufgetreten, die aufzuklären gewesen seien; der Antragsteller habe aber bei Klärung der Frage, wie oft und in welchen Mengen er Cannabis konsumiert habe und ob bei ihm eine Sucht bestehe, nicht mitgewirkt.

Die dagegen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist angeführten Gesichtspunkte begründen keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, deren umfassender Begründung der Senat folgt, so dass zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst auf deren Inhalt Bezug genommen werden kann (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Auch nach Auffassung des Senats durfte der Antragsgegner die unter dem 06. April 2006 angeordnete Maßnahme (Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens - Drogenscreening) ergreifen und - nachdem der Antragsteller dem trotz mehrfacher Fristverlängerung und entgegen seiner durch seinen Bevollmächtigten am 07. August 2006 abgegebenen Erklärung, sich nun doch einer Untersuchung unterziehen zu wollen, nicht nachgekommen war - die Fahrerlaubnis entziehen, was dann mit Verfügung vom 16. August 2006 geschehen ist.

Soweit der fristgerecht eingegangene Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2006 sich unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts mit den für den Bestand der Fahrerlaubnis zu ziehenden Schlüssen aus einem Sachverhalt auseinandersetzt, in dem zweifelsfrei von einem lediglich "gelegentlichen" Konsum von Cannabis (Haschisch) auszugehen ist, geht diese Argumentation - die so schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen war - ins Leere, weil sie den vorliegenden Sachverhalt nicht trifft.

Dieser Vortrag verkennt nämlich, dass die Behörde vorliegend zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Vorlage eines fachärztliche Gutachtens (Drogenscreening) am 06. April 2006 hinreichend begründete Anhaltspunkte - nicht zuletzt auf Grund der eigenen Angaben des Antragstellers im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens - hatte, der Frage des Umfangs des Drogenkonsums des Antragstellers nachzugehen; dass die Äußerungen des Antragstellers bei seiner Vernehmung am 15.November 2006 von einem außenstehenden Dritten durchaus in dem Sinne verstanden werden konnten, wie sie auch der Antragsgegner aufgefasst hat (zumindest langjähriger regelmäßiger Cannabiskonsum - nur - am Wochenende eingeräumt), erscheint dem Senat nicht ernstlich zweifelhaft, zumal der bei der Vernehmung anwesende Bevollmächtigte des Antragstellers offenbar auch keinen Anlass zu Klarstellungen oder Berichtigungen gesehen hatte. Selbst wenn - zu Gunsten des Antragstellers - davon ausgegangen würde, dass seine Äußerungen auch in dem von ihm nunmehr ihnen beigelegten Sinn verstanden werden könnten ("regelmäßig" umgangssprachlich gemeint ohne Bezug auf Umfang des Konsums und die zeitliche Vornahme im Sinne von: wenn überhaupt Haschisch geraucht, dies auch nur am Wochenende), ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Behörde Eignungszweifel im Hinblick auf Betäubungsmittel i.S.d. § 14 FeV hatte und sich um die Klärung des Sachverhalts bemühte.

Zwar wurden die Erkenntnisse, dass der Antragsteller Cannabis konsumiert, nicht in Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr gewonnen, sondern anlässlich der Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts des Handeltreibens mit Drogen, in deren Rahmen beim Antragsteller auch eine Wohnungsdurchsuchung stattfand. Deswegen kommt es - insbesondere in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der am 06. April 2006 getroffenen Anordnung in Anwendung von §§ 11 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr.9.2 darauf an, ob jedenfalls hinreichend konkrete Verdachtsmomente gegeben waren, die einen Eignungsmangel des Antragstellers nahe liegend erscheinen ließen (vgl. BVerfG, 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378 unter Hinweis auf die Rspr. des BVerwG), weil anzunehmen war, er konsumiere Cannabis regelmäßig i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung.

Dies war nach Auffassung des Senats der Fall, wobei vorliegend - da es zunächst gerade um die Abgrenzung des Umfangs des vom Antragsteller selbst eingeräumten Konsums über einen langen Zeitraum ging - offen bleiben kann, ob "regelmäßig" im Sinne der genannten Vorschrift tatsächlich einen täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsum erfordert (so z.B. VGH Mannheim, 26.11.2003 - 10 S 2048/03 -, DAR 2004, 170 unter Bezugnahme auf verkehrswissenschaftliche Gutachten) oder ob nicht bereits auch ein Konsum einmal in der Woche (z.B. jedes Wochenende) zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "regelmäßig" ausreichen könnte (vgl. zur Problematik Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, § 2 Rdn. 170 ff m. zahlreichen Nachw. zu den unterschiedlichen Anforderungen). Denn die maßgeblichen Vorschriften sind nicht nur für die Fälle eines bereits feststehenden regelmäßigen Cannabiskonsums geschaffen worden, sondern sollen - etwa wenn jedenfalls ein gelegentlicher Cannabiskonsum angenommen werden kann - der Verkehrsbehörde im Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer Klarheit darüber verschaffen, ob der bekannt gewordene gelegentliche Konsum nicht in Wahrheit als regelmäßiger Konsum eingestuft werden muss; hierbei kommt es nicht auf Beweise an, sondern es reicht das Bestehen von Bedenken an der Eignung (vgl. OVG Lüneburg, 11.04.2005 - 12 ME 540/04 -, juris).

Im Unterschied z.B. zu dem Sachverhalt, der Grundlage der angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war (der Betroffene wurde bei einer Grenzkontrolle mit 5 g Haschisch angetroffen, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft eingestellt, sonstige Erkenntnisse gab es offenbar nicht), deuteten im Falle des Antragstellers mehrere Indizien darauf hin, dass die Annahme nicht fern liegend erscheint, dass der Drogenkonsum die Grenze vom "gelegentlichen" zum "regelmäßigen" Gebrauch bereits überschritten hat. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurde eine Cannabispflanze aufgefunden; schon dies deutet auf eine nicht unerhebliche Affinität zu dieser Droge hin, zumal der Antragsteller selbst bei seiner Vernehmung angegeben hat, er "konsumiere seit ungefähr 10 Jahren Marihuana, das er meistens selbst angebaut habe, und zwar immer nur 1 bis 2 Pflanzen". Er selbst hat "eingeschätzt, dass er regelmäßig am Wochenende einen Joint rauche", nur anfangs sei dies noch nicht so regelmäßig gewesen. Nur ein Teil des Marihuanas stamme aus seinen selbst gezogenen Pflanzen, er habe den anderen Teil käuflich erworben. Wieviel Marihuana er im genannten Zeitraum konsumiert habe, könne er nicht einschätzen. Aufgefunden wurden beim Antragsteller neben der Pflanze ein Tütchen Tabak mit Marihuana "Mische" mit einem Bruttogewicht von 3,55 g, eine Plastikdose gefüllt mit Marihuana mit einem Bruttogewicht von 13,09 g und ein Tütchen Marihuana mit einem Bruttogewicht von 4,02 g. Schon diese zugekauften Mengen waren - geht man von üblichen Portionsgrößen aus (VG Sigmaringen, 11.03.2003 - 4 K 124/03 -, juris: etwa 0,5 g) - durchaus für einen regelmäßigen Eigenkonsum für einen schon längeren Zeitraum ausreichend.

Das amtsgerichtliche Urteil gibt für die weitere Aufklärung des Umfangs des tatsächlichen Drogenkonsums schon deswegen nichts her, weil es lediglich auf den zweifelsfrei festgestellten und vom Antragsteller auch eingeräumten unerlaubten Anbau und den unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln gestützt ist und lediglich der Vorwurf des Handeltreibens nicht aufrechterhalten werden konnte; zum Nachweis eines "gelegentlichen" oder gar "regelmäßigen" Konsums verhält es sich gar nicht. ..."



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