Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Oldenburg Beschluss vom 01.10.2008 - 7 B 2577/08 - Fahrtenbuchauflage - angemessene Ermittlungsmaßnahme

VG Oldenburg v. 01.10.2008: Fahrtenbuchauflage - angemessene Ermittlungsmaßnahme


Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschluss vom 01.10.2008 - 7 B 2577/08) hat entschieden:
  1. Die Fahrerfeststellung war nicht unmöglich, wenn ein Ermittlungsbeamter der Bußgeldbehörde beim Halter einen Verdächtigen angetroffen hat, der der Person des Fahrers auf einem deutlichen Beweisfoto ähnelt, und der Beamte dennoch nicht die Personalien dieses Verdächtigen festgestellt oder sonstige Ermittlungsschritte gegen ihn unternommen hat.

  2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Einstellung des Bußgeldverfahrens gerade einmal circa die Hälfte der Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage: Erforderlicher Ermittlungsaufwand und Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen


Zum Sachverhalt:

Am 8. Mai 2008 um 20:59 Uhr wurde mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen PKW mit dem Kennzeichen AUR … außerhalb einer geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 40 km/h überschritten. Der Verstoß wurde von einem Radargerät dokumentiert; als Beweismittel wurde ein Foto von Fahrzeug und Fahrer gefertigt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2008 übersandte die Bußgeldabteilung des Antragsgegners der Antragstellerin einen Zeugenfragebogen, auf dem auch eine Kopie des Beweisfotos war, und bat, die Personalien des Fahrzeugführers anzugeben.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass das Foto auf dem Zeugenfragebogen zu undeutlich sei, um den Fahrer zu identifizieren. Sie bat um Übersendung eines deutlicheren Fotos. Daraufhin übersandte die Bußgeldbehörde am 3. Juni 2008 das Beweisfoto. Unter dem 9. Juni 2008 erwiderte die Antragstellerin, dass auch das neue Foto zu undeutlich sei. Man wolle gerne bei der Identifizierung des Fahrers helfen, brauche dafür aber ein besseres Foto.

Am 23. Juni 2008 suchte eine Bedienstete des Ermittlungsdienstes des Antragsgegners im Auftrag der Bußgeldbehörde die Auricher Niederlassung der Antragstellerin auf, um dort den Fahrzeugführer festzustellen. Laut einem Vermerk im Verwaltungsvorgang (Bl. 11) traf sie dort eine Person an, die der auf dem Beweisfoto abgebildeten ähnelte. Sie vermutete daher, dass der Fahrer dort tätig ist. Dennoch gab sie gegenüber der Bußgeldabteilung schriftlich an, sie habe den Fahrzeugführer nicht ermitteln können. Daraufhin stellte die Bußgeldabteilung am 24. Juni 2008 das Verfahren wegen Nichtfeststellbarkeit des Täters ein.

Nachdem der Vorgang der Straßenverkehrsabteilung übersandt worden war, hörte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 25. Juni 2008 zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug für die Dauer von 6 Monaten an. In der Folge legitimierte sich für die Antragstellerin ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter und nahm Akteneinsicht. Eine Stellungnahme erfolgt nicht.

Am 19. August 2008 ordnete der Antragsgegner die Führung eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug AUR-… für die Dauer von 6 Monaten an. Mit dem Fahrzeug sei ein schwerer Verkehrsverstoß begangen worden; der Fahrzeugführer habe nicht festgestellt werden können. Angesichts der Weigerung der Antragstellerin, den möglichen Täterkreis zu bezeichnen, hätten die Polizei und der Antragsgegner keine Möglichkeit gehabt, den Fahrer zu ermitteln. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet.

Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 21. August 2008 per Postzustellungsurkunde zugestellt. Ihr Verfahrensbevollmächtigter erhielt von Antragsgegner eine Abschrift des Bescheides übersandt, die am 22. August 2008 in seiner Kanzlei einging.

Die Antragstellerin hat am 17. September 2008 Klage gegen den Bescheid vom 19. August 2008 erhoben. Die Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig, da sie - die Antragstellerin - die Nichtfeststellung des Fahrzeugführers nicht zu vertreten habe. Sie habe circa 40 Mitarbeiter und sei erst geraume Zeit nach dem Verkehrsverstoß von der Bußgeldbehörde informiert worden. Aufgrund des undeutlichen Fotos habe sie den Fahrer nicht erkennen können. Eigentlich führe sie eine Liste darüber, welcher Mitarbeiter wann welches Firmenfahrzeug benutze, jedoch fehle gerade für die Tatzeit eine Eintragung für das Tatfahrzeug.

Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung des Antrags beantragt. Die Fahrtenbuchauflage sei rechtmäßig. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei unmöglich gewesen. Trotz des deutlichen Beweisfotos habe die Antragstellerin keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht; auch der Ermittlungsdienst des Antragsgegners habe den Fahrer nicht feststellen können. Das sofortige Vollzugsinteresse sei bei einer Fahrtenbuchauflage regelmäßig gegeben. Abweichende Umstände seien hier nicht ersichtlich.

Der Eilantrag war erfolgreich.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO ist im Hinblick auf die Begründetheit entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse.

In dem hier zu überprüfenden Umfang ist der angegriffene Bescheid mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.

Formell ist der angefochtene Bescheid allerdings rechtmäßig; insbesondere ist er wirksam bekannt gegeben worden. Die Zustellung an die Antragstellerin selbst vom 21. August 2008 war zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nds. VwZG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG unwirksam, da sich die schriftliche Vollmacht des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für die Angelegenheit „Fahrtenbuchanordnung für Kraftfahrzeug AUR-…“ vom 30. Juni 2006 bei den Akten des Antragsgegners befand (vgl. Bl. 16 des Verwaltungsvorgangs) und somit zwingend an den Verfahrensbevollmächtigten hätte zugestellt werden müssen. Dieser Mangel wurde allerdings gemäß § 8 VwZG geheilt, als der Verfahrensbevollmächtigte am 22. August 2008 die ihm vom Antragsgegner formlos übermittelte Durchschrift des Bescheides erhielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - 8 C 8/86 -, NJW 1988, 1612; vgl. ferner die Vfg. „Durchschrift an RA“ auf Bl. 25 des Verwaltungsvorgangs und den Eingangsstempel der Kanzlei auf dem Bescheid, Bl. 4 d. A).

Die materiellen Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches sind vorliegend aber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Mit dem Kraftfahrzeug der Antragstellerin wurde zwar am 8. Mai 2008 eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h wurde an diesem Tag um 20:59 Uhr außerorts um 40 km/h überschritten.

Die Feststellung des Fahrzeugführers war allerdings nicht unmöglich.

Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO „nicht möglich“, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Es kommt mithin darauf an, ob die zuständige Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen veranlasst, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466; Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, VRS 74, 233). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Darin liegt die konkludente Erklärung, sich zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Behörde werden in diesen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet. Zusätzliche Bemühungen der Behörde zur Feststellung des Fahrzeugführers ändern an dieser Rechtslage nichts. Sie deuten nicht darauf hin, weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers seien geboten gewesen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, diese Feststellung sei im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich (st. Rspr. des Nds. Oberverwaltungsgerichts, vgl. etwa Beschluss vom 25. Mai 2007 - 12 ME 141/07 - V.n.b.; Beschluss vom 31. Oktober 2006 - 12 LA 463/05 -, juris; Beschluss vom 2. November 2004 - 12 ME 413/04 -, ZFSch 2005, 268; Beschluss vom 8. November 2004 - 12 LA 72/04 -, DAR 2005, 231). Insbesondere in Fällen, in denen der Verkehrsverstoß mit einem Firmenfahrzeug begangen worden ist, es Sache der Leitung des Betriebes ist, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass unzweifelhaft festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Firmenfahrzeug benutzt hat (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 15. August 2007 - 12 ME 236/07 - und 16. Mai 2008 - 12 ME 96/08 - V.n.b.; Beschluss vom 20. November 2000 - 12 M 4036/06 -, juris). Die Behörde ist nur dann zu weiteren Ermittlungen gezwungen, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. Oktober 2006 - 12 LA 463/05 -, juris; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466).

Nach diesen Maßstäben spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsgegner nicht ausreichend versucht hat, den Fahrzeugführer festzustellen. Die Verfolgungsbehörde ist zwar „regelmäßig“ und „grundsätzlich“ nicht verpflichtet, Ermittlungsmaßnahmen anstellen, die „wahllos“, „zeitraubend“ und kaum Erfolg versprechend sind, wenn der Fahrzeughalter keine Angaben zum Fahrzeugführer macht oder ein Unternehmen nicht die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat, um den Führer eines Firmenfahrzeuges festzustellen. Sie ist aber auch in solchen Fällen ausdrücklich nicht davon befreit, gezielte, Erfolg versprechende und wenig aufwendige Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, wenn diese ausnahmsweise einmal auf der Hand liegen sollten. Hat die Behörde trotz des Schweigens des Halters Ermittlungen unternommen und sind diese erfolglos geblieben, deutet dies zwar nicht darauf hin, dass weitere Ermittlungen geboten gewesen wären. Wenn die bisherigen Ermittlungsbemühungen aber zu Fortschritten bei der Aufklärung führen, so dass sich nun gezielt gegen einen bestimmten Verdächtigen gerichtete, Erfolg versprechende und wenig aufwendige weitere Maßnahmen aufdrängen, darf die Verfolgungsbehörde davor nicht die Augen verschließen, indem sie dennoch das Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weiteres einstellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Einstellung gerade erst einmal gut die Hälfte der Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG abgelaufen ist. Würde man es den Behörden erlauben das Ordnungswidrigkeitenverfahren auch in Fällen, in denen trotz des Schweigens des Fahrzeughalters ausnahmsweise gute Chancen auf rechtzeitige Ermittlung des Fahrzeugführers bestehen, vorschnell einzustellen und den Weg der Fahrtenbuchauflage zu gehen, wäre dies mit Sinn und Zweck des § 31a StVZO nicht vereinbar. Die Vorschrift soll dann, wenn ein Verkehrsverstoß wegen der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers nicht geahndet werden konnte, sicherstellen, dass sich solches in Zukunft nicht mehr wiederholt (vgl. zum Zweck der Vorschrift Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 31a StVZO Rn. 2). Würde man sie dagegen auch in Fällen anwenden, in denen trotz des Schweigens des Halters ausnahmsweise gute Chancen bestanden, den Fahrzeugführer noch innerhalb der Verjährungsfrist mit geringem Aufwand zu identifizieren, und in denen dies aller Wahrscheinlichkeit nur daran gescheitert ist, dass die Verfolgungsbehörde auf der Hand liegende Ermittlungsschritte unterlassen hat, wäre die Fahrtenbuchauflage letztendlich eine bloße Sanktion für das Schweigen des Halters.

Ein Ausnahmefall der beschriebenen Art liegt beispielsweise vor, wenn die Bußgeldbehörde einen Abgleich des Radarfotos mit dem Passfoto des Halters durchgeführt hat, dabei selbst zu dem Ergebnis kam, der Halter sei auch der Fahrer gewesen, dieser Schluss auch objektiv nachvollziehbar ist und die Behörde dennoch das Bußgeldverfahren eingestellt hat (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 28. April 2003 - 7 B 1422/03 -, juris). Gleiches gilt, wenn die Bußgeldbehörde einen Abgleich des Beweisfotos mit dem Passbild eines Familienangehörigen des Halters durchführt, der Familienangehörige aufgrund dessen ernsthaft als Fahrer in Betracht kommt, genügend Zeit bis zum Eintritt der Verjährung gegeben ist und dennoch keine weiteren Schritte in Bezug auf die Person des Angehörigen unternommen werden (vgl. VG München, Beschluss vom 20. September 2002 - M 23 S 02.3925 -, juris). Dagegen reicht es noch nicht aus, wenn ein Ermittlungsbeamter der Bußgeldbehörde nach einem persönlichen Besuch bei einem Halter, der bereits bestritten hat, selbst der Fahrer gewesen zu sein, subjektiv meint, den Halter als Fahrer erkannt zu haben, die schlechte Qualität des Beweisfotos es aber nicht erlaubt, diesen Schluss objektiv nachzuvollziehen (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 17. Juli 2007 - 6 A 433/06 -, juris).

Auch aus dem Zeitpunkt der Einstellung des Bußgeldverfahrens kann sich ergeben, dass trotz des Schweigens des Halters ein Ermittlungsdefizit vorliegt, welches der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage entgegensteht. Zwar ist die Anwendung des § 31a StVZO nicht zwingend schon deswegen ausgeschlossen, weil das Bußgeldverfahren schon vor Eintritt der Verfolgungsverjährung eingestellt wurde (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 31a StVZO Rn. 4; VG Oldenburg, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 7 B 2838/98 -, ZfS 1999, 40 für eine Einstellung fünf Tage vor Verjährungseintritt). Wenn das Bußgeldverfahren aber schon einen Monat und 19 Tage nach der Zuwiderhandlung und vor Ausschöpfung auf der Hand liegender Ermittlungsmöglichkeiten vorschnell eingestellt wird, steht dies der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage entgegen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 23. Januar 2007 - 2 K 3862/04 -, juris).

Hier ergibt sich aus einer Zusammenschau des Zeitpunktes der Verfahrenseinstellung und der bis dahin von der Bußgeldbehörde gewonnenen Erkenntnisse, dass ein Ermittlungsdefizit vorliegt.

Der Bußgeldbehörde lag ein Beweisfoto vor (Bl. 3 d. Verwaltungsvorgangs), das entgegen der Auffassung der Antragstellerin von ausreichender Qualität ist, um den Fahrzeugführer zu identifizieren. Auch der Antragsgegner betont die gute Qualität des Fotos (vgl. Schriftsatz vom 25. September 2008). Dies gilt jedenfalls dann, wenn man einen konkreten Verdächtigen als Vergleich hat. Schwierigkeiten, anhand des Fotos zu verifizieren oder zu falsifizieren, ob ein bestimmter Verdächtiger der Fahrer war, könnte es allenfalls geben, wenn gleich zwei sich sehr ähnlich sehende Personen ernsthaft als Fahrer in Betracht kämen. Trotz gewisser Unschärfen im Mund- und Augenbereich lässt das Foto die Kopfform, die Frisur, die Ohren, die Nase und die Grundcharakteristika der Gesichtszüge des Betroffenen sowie sein Geschlecht gut erkennen.

Da die Antragstellerin trotz Vorlage dieses Fotos behauptet hat, sie könne den Fahrer nicht identifizieren, hätte die Bußgeldbehörde möglicherweise nach den oben dargelegten Grundsätzen keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen mehr ergreifen müssen. Darauf kommt es hier aber nicht an. Denn sie hat weitere Schritte eingeleitet. Am 23. Juni 2008 suchte eine Bedienstete des Ermittlungsdienstes des Antragsgegners die Auricher Niederlassung der Antragstellerin auf, um dort im Auftrag der Bußgeldbehörde „den verantwortlichen Fahrer festzustellen und anzuhören, sowie dessen vollständige Personalien mitzuteilen“ (vgl. Bl. 8 f. des Verwaltungsvorgangs). Die Ermittlungsbedienstete verfügte dabei über das Beweisfoto (vgl. Bl. 9 f. des Verwaltungsvorgangs). Laut dem Vermerk auf Bl. 11 des Verwaltungsvorgangs traf die Ermittlungsbedienstete in der Niederlassung der Antragstellerin eine Person an, die dort anscheinend beschäftigt war und der auf dem Beweisfoto abgebildeten Person ähnelte, so dass die Ermittlungsbedienstete vermutete, es handle sich hierbei um den Fahrer. Bei dieser Sachlage hätte die Ermittlungsbedienstete unproblematisch nach § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO die Personalien der verdächtigen Person feststellen können. So lautete auch ausdrücklich ihr Ermittlungsauftrag. Wieso die Personalienfeststellung dennoch unterblieben ist und die Ermittlungsbedienstete stattdessen angab, sie habe den Fahrzeugführer nicht ermitteln können (Bl. 9 des Verwaltungsvorgangs), ist aufgrund des Verwaltungsvorgangs unerklärlich. Dies geht jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Lasten des Antragsgegners.

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Gerichts hätte es auf der Hand gelegen, die Personalien einer Person festzustellen, die in der Auricher Niederlassung der Antragstellerin angetroffen wird, dort anscheinend beschäftigt ist und der Person auf dem Beweisfoto ähnelt. Selbst ohne verjährungsunterbrechende Maßnahmen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG - die bereits einen konkreten Tatverdacht voraussetzen (Nds. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2007 - 12 ME 141/07 -, V.n.b.) - wären dann noch 46 Tage (23. Juni bis 8. August) Zeit verblieben, um den Verdächtigen vor Verjährungseintritt anzuhören und in seine Richtung zu ermitteln. Solche Ermittlungen wären durchaus Erfolg versprechend gewesen: Zum einen spricht aufgrund der guten Qualität des Beweisfotos viel dafür, dass schon allein der Vergleich des Verdächtigen mit dem Foto ausgereicht hätte, um ihn für den Verkehrsverstoß zur Verantwortung zu ziehen. Zum anderen ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass der Verdächtige den Verstoß eingeräumt hätte, wenn man ihn mit dem Verdacht konfrontiert und ihm das Beweisfoto vorgehalten hätte. Der Verdächtige hatte bislang noch keine Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Nur die Geschäftsleitung der Antragstellerin in Saarlouis hatte sich bislang als Halterin des Fahrzeugs geäußert. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von demjenigen, den das VG Braunschweig im Urteil vom 17. Juli 2007 - 6 A 433/06 -, juris zu entscheiden hatte: Dort war die vom Ermittlungsbeamten anhand eines undeutlichen Beweisfotos angeblich identifizierte Person der Halter selbst, der die Vorwürfe bereits abgestritten hatte. Dort durfte die Bußgeldbehörde daher annehmen, den Verdächtigen allein anhand des Fotos überführen zu müssen; da ihr dies angesichts der schlechten Fotoqualität nicht hinreichend sicher erschien, durfte sie das Bußgeldverfahren einstellen. Hier wurde der Verdächtige dagegen von der Ermittlungsbeamtin anhand eines deutlichen Fotos identifiziert; es handelte sich um eine Person, die bislang noch keine Gelegenheit zur Äußerung gehabt hatte. Hier ist nicht nachvollziehbar, wieso die Bußgeldbehörde bei dieser Sachlage nur einen Monat und 15 Tage nach der Tat - also nach gerade einmal der Hälfte der Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) - schon zu der Auffassung kam, der Täter sei nicht ermittelbar, und das Verfahren am 24. Juni 2008 einstellte (vgl. Bl. 11 des Verwaltungsvorgangs). ..."