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Verwaltungsgericht Köln Urteil vom 03.04.2008 - 20 K 4941/07 - Gehwegparken allein ist für ein rechtmäßiges Umsetzen nicht ausreichend

VG Köln v. 03.04.2008: Zum Abschleppen bei sichtbehinderndem Gewegparken




Das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 03.04.2008 - 20 K 4941/07) hat entschieden:

   Ein bloßer Verstoß gegen das Verbot des Gehwegparkens allein reicht nicht aus, um eine Abschleppmaßnahme zu rechtfertigen. Steht allerdings aufgrund vorgelegter Lichtbilder von der Parksituation außer Zweifel, dass das abgestellte Fahrzeug in erheblicher Weise die Sicht der abbiegenden Autofahrer und den Fußgängerüberweg benutzender Fußgänger behinderte, so ist das Abschleppen dieses Fahrzeugs rechtmäßig. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kreuzungsbereich und der Bereich in unmittelbarer Nähe von Fußgängerüberwegen freigehalten werden sollen.

Siehe auch
Abschleppkosten - Kfz.-Umsetzungsgebühren
und
Stichwörter zum Thema Halten und Parken

Zum Sachverhalt:


Die Klägerin stellte ihr Kraftfahrzeug (SU-00 0000) am Vormittag des 20.12.2006 im Kreuzungsbereich Schillingsrotter Straße/Ringstraße auf den Bürgersteig ab. Auf Veranlassung des Beklagten wurde ein Abschleppunternehmen bestellt, da nach Einschätzung des Außendienstmitarbeiters des Beklagten durch das abgestellte Fahrzeug am Fußgängerüberweg die Sicht behindert wurde. Gleichzeitig mit dem Abschleppwagen traf die Klägerin vor Ort ein und entfernte das Fahrzeug.

Mit Leistungs- und Gebührenbescheid vom 17.04.2007 nahm der Beklagte die Klägerin auf Zahlung der entstandenen Kosten für die Leerfahrt in Höhe von 65,00 EUR sowie einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 52,00 EUR (insgesamt 117,00 EUR) in Anspruch. Hiergegen ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch einlegen. Allein ein Verstoß gegen § 12 Abs. 4 StVO reiche zur Rechtfertigung der Abschleppmaßnahme nicht aus. An der betreffenden Stelle parkten täglich Kraftfahrzeuge. Der Unterzeichner könne sich nicht erinnern, dass in den letzten fünf Jahren trotz fast täglicher Kontrolle des ruhenden Verkehrs ein Kraftfahrzeug abgeschleppt worden sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 18.10.2007 zurückgewiesen. Neben einer bedeutsamen Sichtbehinderung für Straßenüberquerer sei ein behinderungsfreier Fußgänger- Begegnungsverkehr (z.B. Mütter mit Kinderwagen) an dieser Stelle nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen könne der Beklagte aus personellen Gründen nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort gleichzeitig Parkverstöße sanktionieren.

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben. Unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens führte sie aus, ihr Fahrzeug habe keine bedeutsame Sichtbehinderung verursacht und auch keine Behinderung des Fußgängerbegegnungsverkehrs. Nur ca. 10 m entfernt auf der Ringstraße seien auf dem Gehweg Parkstreifen eingezeichnet, die unmittelbar bis an die Fußgängerampel reichten. Wenn auf den gekennzeichneten Flächen Kraftfahrzeuge abgestellt würden, sei der für Fußgänger verbleibende seitliche Bereich nicht breiter als der neben dem Kraftfahrzeug der Klägerin verbliebene Bereich.

Die Klage blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Leistungs- und Gebührenbescheid des Beklagten vom 17.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 18.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Kostenpflicht der Klägerin beruht auf § 77 VwVG NW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 7 KostO NW i.V.m. § 24 OBG NW, § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 PolG NW bzw. § 14 OBG NW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NW. Hiernach hat der Ordnungspflichtige die durch die - vorliegend: eingeleitete - Sicherstellung oder Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu erstatten.

Voraussetzung für ein Eingreifen nach diesen Vorschriften ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der mit den Mitteln des Ordnungsrechts begegnet werden kann. Zur öffentlichen Sicherheit im Sinne des Ordnungsrechts gehören die Unverletzlichkeit der geschriebenen Rechtsordnung. Im Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten bestand hier eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit, denn das Fahrzeug der Klägerin war entgegen § 12 Abs. 4 StVO auf einem Gehweg geparkt.




Die Anordnung der Entfernung des Fahrzeuges der Klägerin war zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und entsprach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser Frage entschieden, dass zwar auf der einen Seite ein bloßer Verstoß etwa gegen das Verbot des Gehwegparkens allein nicht ohne weiteres eine Abschleppmaßnahme rechtfertige und auch allein eine Berufung auf eine bloße Vorbildwirkung des fehlerhaften Verhaltens und auf den Gesichtspunkt der Generalprävention nicht ausreiche, auf der anderen Seite aber nicht zweifelhaft sein könne, dass regelmäßig ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten erscheine. Letzteres könne - ohne Beschränkung auf diese Fallgruppen - etwa der Fall sein beim Verstellen des gesamten Bürgersteigs oder einem Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn, bei Funktionsbeeinträchtigungen einer Fußgängerzone oder beim rechtswidrigen Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz, in Feuerwehranfahrzonen oder - selbstverständlich -bei einem Abschleppen zur Verhinderung von Straftaten. Dies lasse sich jeweils nur unter besonderer Berücksichtigung der Örtlichkeit und unter Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles beurteilen, wobei eine rechtmäßige Abschlepppraxis in zulässiger Weise auch generalpräventive Zwecke verfolgen dürfe.

   Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.02.2002 -3 B 149/01-, NJW 2002, 2122.

Im vorliegenden Fall hat die Kammer aufgrund der im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos keinen Zweifel, dass das Fahrzeug der Klägerin in erheblicher Weise die Sicht behinderte, und zwar sowohl die Sicht der abbiegenden Autofahrer auf die den Fußgängerüberweg benutzenden Fußgänger als auch umgekehrt. Dass gerade der Kreuzungsbereich bzw. der Bereich in unmittelbarer Nähe von Fußgängerüberwegen von abgestellten Kraftfahrzeugen freigehalten werden soll, zeigen auch die Regelungen in § 12 Abs. 1 Nr. 4 sowie Abs. 3 Nr. 1 StVO, die hier deshalb nicht einschlägig sind, weil das Parken auf dem Gehweg an der fraglichen Stelle ohnehin nicht erlaubt ist.

Des Weiteren dürfte auf der Grundlage der genannten Fotos davon auszugehen sein, dass eine Funktionsbeeinträchtigung des Fußweges vorliegt, weil auf dem verbleibenden Bereich zwischen Fahrzeug der Klägerin und Mauer ein problemloser Begegnungsverkehr zwischen Fußgängern und Kinderwagen oder Rollstuhl wohl nur noch eingeschränkt möglich gewesen wäre, in keinem Fall aber ein Begegnungsverkehr etwa zwischen zwei Kinderwagen. Dieser Bewertung steht nicht das Argument der Klägerin entgegen, dass in der Nähe der fraglichen Stelle der Gehweg von vorneherein nur eine entsprechende Breite habe. Ob eine Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, ist auf der Grundlage des vorhandene Gehweges und nicht eines fiktiven Gehweges zu bestimmen; denn es liegt nicht in der Hand des Verkehrsteilnehmers, die rechtlich relevante Breite eines Gehweges festzulegen. Die tatsächliche Gehwegbreite hätte jedoch den genannten Begegnungsverkehr erlaubt.


Die Maßnahme begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit ist - wie im Widerspruchsbescheid bereits ausgeführt - zu berücksichtigen, dass der Beklagte schon aus personellen Gründen nicht in der Lage ist, alle Straßen permanent zu überwachen. Von daher kommt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nur in Betracht, wenn sich feststellen ließe, dass die oder ein Außendienstmitarbeiter des Beklagten in bestimmten gleich gelagerten Fällen willkürlich einmal Abschleppmaßnahmen veranlassten, in anderen Fällen aber davon absehen. Für diese Annahme bietet der Vortrag der Klägerin jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte. Denn der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in den letzten Jahren im fraglichen Bereich keine entsprechenden Abschleppmaßnahmen wahrgenommen haben, besagt nicht, dass bei Feststellung entsprechender Verstöße durch Außendienstmitarbeiter des Beklagten keine entsprechenden Maßnahmen veranlasst worden sind. Insoweit hat der Beklagte auch in seinem Vorlagebericht an die Bezirksregierung Köln (der Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung war) ausgeführt, in der Schillingsrotter Straße seien in den vergangenen Jahren mehr als 90 Kfz abgeschleppt worden.

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Kosten für die Leerfahrt des Abschleppwagens bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die angesetzten 65,00 EUR entsprechen der im fraglichen Jahr geltenden vertraglichen Vereinbarung zwischen der Stadt Köln und den beauftragten Abschleppunternehmen. Gegen diese Vereinbarung und den entsprechenden Ansatz pauschalierter Kosten sind grundsätzlich keine Einwände zu erheben.

Die eingeleitete Maßnahme hat auch nicht zu Nachteilen geführt, die zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis standen. Sie belastete die Klägerin insgesamt lediglich mit Kosten für die Leerfahrt in Höhe von 65,00 EUR (zuzüglich 52,00 EUR Verwaltungsgebühr), die Größenordnung dieses Betrages bleibt eher geringfügig. Diese Belastung steht zu dem angestrebten Zweck der Maßnahme, den Gehweg freizumachen und Behinderungen zu vermeiden, in keinem Missverhältnis.



Die vom Beklagten erhobene Gebühr von 52,00 EUR ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Gebührenpflichtigkeit der Klägerin beruht auf § 7a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW bzw. § 7a Abs. 2 KostO NRW. Hiernach hat der Ordnungspflichtige die Gebühren einer Ersatzvornahme oder Sicherstellung zu erstatten.

Die Bemessung der Höhe der Gebühr liegt im nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Ermessen der Behörde.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.11.2000 -5 A 2625/00-, NWVBl. 2001, S. 181 (182 ff.)

Dass hier die Berechnung die Gebühr durch den Beklagten ermessensfehlerhaft sein sollte, ist nicht ersichtlich. Sie ergibt sich aus einem von der Stadt - in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung - erarbeiteten Stufensystem, das in der hier einschlägigen zweiten Stufe dem Umstand Rechnung trägt, dass hier sowohl vor Ort als auch beim Verwaltungspersonal ein zeitlicher Aufwand für die Einleitung der Abschleppmaßnahme und die spätere Bearbeitung entstanden ist. ..."

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