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BGH Urteil vom 09.09.2008 - VI ZR 279/06 - Kein Schadensersatz wegen Nasenbeintrümmerfraktur bei geführter Quad-Tour trotz fehlendem Schutzhelm
BGH v. 09.09.2008: Kein Schadensersatz wegen Nasenbeintrümmerfraktur bei geführter Quad-Tour trotz fehlendem Schutzhelm
Der BGH (Urteil vom 09.09.2008 - VI ZR 279/06) hat entschieden:
Der Anbieter von Quadfahrten im Gelände muss die Teilnehmer nicht mit einem Integralhelm ausstatten; dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber die Pflicht zum Tragen eines offenen Helms für Quadfahrer erst zum 01.01.2006 eingeführt hat. Ebenso wie für Motorräder im Straßenverkehr genügt auch bei Quads im Gelände ein offener Helm ohne integralen Gesichtsschutz, da die Verletzungsgefahren vergleichbar sind.
Siehe auch Autosportveranstaltungen - Motorsportveranstaltungen - Autorennen und Verkehrssicherungspflicht
Zum Sachverhalt: Die Klägerin machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von vertraglichen Schutzpflichten bzw. Verkehrssicherungspflichten nach einem Unfall im Erlebnispark der Beklagten geltend.
Der Arbeitgeber der Klägerin veranstaltete dort am 7. Dezember 2002 ein Betriebsfest. Im Rahmen dieses Festes fand eine geführte Tour mit so genannten Quads, einsitzigen vierrädrigen, offenen Fahrzeugen, die ähnlich Motorrädern zu fahren und zu bedienen sind, statt. Die Teilnehmer der Tour fuhren nach einer Einweisung in die Bedienung der Fahrzeuge ohne Schutzhelme in einer Kolonne, die von einem Mitarbeiter der Beklagten angeführt wurde. Die Gruppe befuhr zunächst eine aus Sand künstlich hergestellte „Berglandschaft“. Sodann führte ein Weg auf unebenem Waldboden nach oben, links und rechts davon befand sich eine Böschung. Die Klägerin kam vom Weg ab, fuhr in die Böschung und stürzte. Dabei geriet sie unter das Fahrzeug und erlitt eine schwere offene Nasenbeintrümmerfraktur sowie eine Septumtrümmerfraktur mit einer stark blutenden Risswunde im Stirn-/Nasenwurzelbereich.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Revision blieb ebenfalls erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Schadensersatzanspruch weder aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag betreffend die Ausrichtung eines Betriebfestes noch aus § 823 Abs. 1 BGB.
Der Beklagten sei zwar die Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht bzw. der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, weil sie die Teilnehmer der Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet habe. Bei der Fahrt mit einem Quad im Gelände bestehe ein erhöhtes Risiko von Stürzen und eine Verpflichtung des Veranstalters, die Auswirkungen von Stürzen möglichst gering zu halten. Da bei einem Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers besonders gefährdet sei, sei es erforderlich und zumutbar gewesen, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen. Es sei aber nicht notwendig gewesen, diese mit Integralhelmen (Schutzhelm mit einem das Gesicht bedeckenden Visier) auszustatten, auch wenn diese Art des Schutzhelmes gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit biete.
Daher hafte die Beklagte im Ergebnis nicht. Es stehe nämlich nicht fest, dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die Verletzungen der Klägerin kausal geworden sei. Nach dem Gutachten des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin wäre zwar möglicherweise bei einem tief sitzenden offenen Helm die Nasenwurzelregion durch die Breite des Helms geschützt oder zumindest die Schwere des Aufpralls vermindert worden, jedenfalls soweit das anprallende Fahrzeugteil gleichzeitig Kontakt zum Helm gehabt hätte. Die Gutachterin habe dazu mangels Angaben über das auftreffende Fahrzeugteil sowie den genauen Bewegungsablauf jedoch keine weitergehenden Feststellungen treffen können und die Möglichkeit aufgezeigt, dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen habe und auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre.
Eine Beweislastumkehr sei nicht geboten. Bei der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten sei zwar bei verschiedenen Fallgruppen eine Beweislastumkehr anzuerkennen. Das vorliegende Geschehen sei jedoch keiner dieser Fallgruppen zuzuordnen. Für einen Anscheinsbeweis fehle es an einem typischen Geschehensablauf, aus dem gefolgert werden könne, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helmes verhindert worden wäre.
II.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte weder wegen einer Verletzung vertraglicher Schutzpflichten noch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden haftet.
1. Die vertraglichen Schutzpflichten zielen im Streitfall darauf ab, eine Verletzung der Klägerin möglichst zu vermeiden und dadurch ihr Integritätsinteresse zu erhalten. Sie entsprechen mithin inhaltlich den Verkehrssicherungspflichten, so dass die dazu entwickelten Grundsätze anwendbar sind.
Danach ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art -schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 4. Dezember 2001 – VI ZR 447/00 – VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 – VI ZR 294/03 – VersR 2005, 279, 280; vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 – VersR 2006, 233, 234; vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 – VersR 2007, 659, 660; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 – VersR 2008, 1083, Rn. 9, jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senat, Urteile vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 –; vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 –; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 –, jeweils aaO). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 –; vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 –; vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 –; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 –, jeweils aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 –; vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 –; vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 –; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 –, jeweils aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO; vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 – aaO; vom 16. Mai 2006 – VI ZR 189/05 – VersR 2006, 1083, 1084; vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 – aaO; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 – aaO).
Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteile vom 25. April 1978 – VI ZR 194/76 – VersR 1978, 739; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 – aaO, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 – X ZR 87/06 – NJW 2007, 2549, 2551; OLG Köln, VersR 2002, 859, 860; OLG Celle, NJW 2003, 2544).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu Recht bejaht, weil diese die Teilnehmer der Quad-Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet hat. Dies wird weder von Seiten der Revision noch der Revisionserwiderung in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen aber auch ohne Rechtsfehler eine Notwendigkeit verneint, der Klägerin einen so genannten Integralhelm zur Verfügung zu stellen.
a) Im Streitfall hat die Beklagte Quadfahrten im Gelände angeboten. Auch wenn diese in Form einer geführten Gruppenausfahrt und grundsätzlich mit einer relativ geringen Geschwindigkeit durchgeführt wurden, bestand für die ungeübten Quadfahrer ein erhöhtes Risiko von Stürzen. Da bei einem solchen Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers mangels Vorhandenseins einer Knautschzone oder eines Rückhaltesystems besonders gefährdet ist, handelte es sich dabei nicht um eine anlagentypische Gefahr, die von Teilnehmern einer solchen Tour in einem „Fun-Park“ in Kauf genommen wird. Infolgedessen war die Beklagte verpflichtet, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen, um Kopfverletzungen im Falle eines Unfalls möglichst zu vermeiden.
b) Es war aber jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2002 nicht erforderlich, die Fahrer mit Integralhelmen auszustatten, auch wenn diese Art des Schutzhelms gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit geboten hätte. Das Berufungsgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte die Touren hat begleiten lassen, so dass zum einen die Fahrstrecke vorgegeben war und zum andern die Möglichkeit bestand, die Teilnehmer von dem Eingehen zu großer Risiken abzuhalten und sie ggf. zu unterstützen. Daher bestand grundsätzlich nicht die Gefahr, dass aufgrund einer gefährlichen Geländewahl und einer zu hohen Geschwindigkeit eine besondere Verletzungsgefahr bestand, der mit erhöhten Sicherheitsanforderungen hätte begegnet werden müssen.
Unter diesen Umständen gewinnt bei der Abwägung Bedeutung, dass der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit gesehen hat, für Quads das Tragen eines Schutzhelms anzuordnen. Erst mit der am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 21a Abs. 2 StVO durch die Verordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3716) wurden die Fahrer von „Quads“ in die Schutzhelmpflicht einbezogen. Dadurch sollte das Verletzungsrisiko im Kopfbereich für die Benutzer von Quads entsprechend der bisherigen Regelung für Krafträder gemindert werden. Die Beklagte hat mithin zum Unfallzeitpunkt nicht gegen Schutzvorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen, die der Gesetzgeber im Interesse der Vermeidung schwerer Verletzungen erlassen hat.
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht alleine durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Der zur Verkehrssicherung Verpflichtete hat vielmehr grundsätzlich selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren. Solche Bestimmungen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten durchaus von Bedeutung (vgl. Senat BGHZ 103, 338, 342; Urteile vom 29. November 1983 – VI ZR 137/82 – VersR 1984, 164, 165; vom 23. Oktober 1984 – VI ZR 85/83 -VersR 1985, 64, 65; vom 7. Oktober 1986 – VI ZR 187/85 – VersR 1987, 102, 103; vom 13. März 2001 – VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040, 1041). Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Urteile vom 21. März 2000 – VI ZR 158/99 – VersR 2000, 984 f.; vom 3. Juni 2008 – VI ZR 223/07 – aaO, Rn. 18).
Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes würde man indes die Anforderung an die Beklagte überspannen, wenn man über die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen der nicht erfolgten Ausstattung mit offenen Schutzhelmen hinaus für das Jahr 2002 die Ausstattung mit einem so genannten Integralhelm verlangte. Immerhin hat sich der Gesetzgeber erst ca. drei Jahre nach dem hier zu beurteilenden Unfall dazu entschlossen, Fahrer eines Quads überhaupt der Schutzhelmpflicht zu unterwerfen. Im Hinblick darauf ist nicht davon auszugehen und auch von der Revision nicht dargelegt, dass die betroffenen Verkehrskreise schon im Jahre 2002 über die Notwendigkeit, einen Schutzhelm zu tragen, hinaus auch die Ausstattung von Quadfahrern mit Integralhelmen als erforderlich angesehen haben. Bei einer geführten Tour im Gelände bestand nämlich für die Teilnehmer jedenfalls kein größeres Risiko, als dies wegen der höheren gefahrenen Geschwindigkeit und der Gefährdung durch andere Straßenverkehrsteilnehmer für Motorradfahrer im öffentlichen Verkehrsbereich besteht. Bei diesen reicht zur Erfüllung der Helmpflicht das Tragen eines offenen Helms aus; es ist nicht erforderlich, einen Integralhelm zu tragen (vgl. VG Augsburg, DAR 2001, 233, 234). Unter diesen Umständen konnten die von der Revision geltend gemachten höheren Anforderungen von der Beklagten nicht erwartet werden (vgl. auch Senat, Urteil vom 30. Januar 1979 – VI ZR 144/77 – VersR 1979, 369 f.).
3. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie meint, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Kausalität der angenommenen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden verneint, weil es übersehen habe, dass die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises vorliegen.
Das Berufungsgericht hat sich wegen der Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen keine Überzeugung bilden können, dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen kausal geworden ist. Entscheidend dafür war, dass die Sachverständige wegen der fehlenden Angaben keine Feststellungen über den genauen Ablauf und das aufprallende Fahrzeugteil treffen konnte und deshalb die Möglichkeit aufgezeigt hat, dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen hat und auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre. Das Berufungsgericht hat unter diesen Umständen neben der – von der Revision nicht angegriffenen – Ablehnung einer Beweislastumkehr einen für den Anscheinsbeweis typischen Geschehensablauf verneint, aus dem gefolgert werden könnte, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helms verhindert worden wäre. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütungsvorschriften ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift entgegen wirken soll (vgl. Senat, Urteile vom 25. Januar 1983 – VI ZR 92/81 – VersR 1983, 440 f.; vom 22. April 1986 – VI ZR 77/85 – VersR 1986, 916, 917). Der Beweis des ersten Anscheins ist auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 271/92 – VersR 1994, 324, 325). Nach dem Senatsurteil vom 25. Januar 1983 spricht der Beweis des ersten Anscheins für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtbenutzen eines Schutzhelms und den eingetretenen Kopfverletzungen, wenn ein Kraftfahrer, der ohne Schutzhelm fährt, bei einem Unfall Kopfverletzungen erleidet, vor denen der Schutzhelm allgemein schützen soll. Indessen ist ein Anscheinsbeweis nur möglich, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt, sich also aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze der Schluss aufdrängt, die erlittenen Verletzungen seien darauf zurückzuführen, dass der Verletzte keinen (offenen) Schutzhelm getragen hat (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1990 – VI ZR 239/89 – VersR 1991, 195 m.w.N.). Diese Frage unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGHZ 115, 141, 144). Sie ist im Streitfall zu verneinen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein detaillierter Vortrag zum Unfallhergang und zur genauen Entstehung der Verletzungen nicht erfolgt. Zudem liegt eine Gesichtsverletzung vor, die dadurch verursacht wurde, dass ein Fahrzeugteil das Gesicht der Klägerin getroffen hat. Unter diesen Umständen kann nicht typischerweise darauf geschlossen werden, dass ein offener Schutzhelm den Aufprall verhindert oder zumindest vermindert hätte. Ein solcher Helm schützt zwar typischerweise den oberen Kopfteil und den Hinterkopf, kann aber nach den Ausführungen der Sachverständigen nur unter besonderen Umständen die Nasenwurzelregion und die Nase vor aufprallenden Fahrzeugteilen schützen. Daher kann man für die konkreten Verletzungen der Klägerin nicht von einem typischen Geschehensablauf ausgehen, der zu diesen Verletzungen geführt hat. Jedenfalls ist nach den Ausführungen der Sachverständigen von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs auszugehen, so dass auch deshalb ein Anscheinsbeweis nicht angewendet werden kann. ..."