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OLG Saarbrücken Urteil vom 28.01.2009 - 5 U 698/05 - Zur Versagung des Versicherungsschutzes und zum Regress für Vorfahrtunfall bei relativer Fahruntauglichkeit
OLG Saarbrücken v. 28.01.2009: Zur Versagung des Versicherungsschutzes und zum Regress für Vorfahrtunfall bei relativer Fahruntauglichkeit
Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 28.01.2009 - 5 U 698/05) hat entschieden:
Kommt es bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,7 ‰ zu einer Vorfahrtverletzung, ist der Versicherer wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Vollkaskoversicherung leistungsfrei und hat er gegen den Versicherungsnehmer einen Regressanspruch von 5.000,00 €.
Siehe auch Die grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Voll- oder Teilkaskoversicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger Leistungen aus der bestehenden Vollkaskoversicherung zu erbringen, weil sie nach § 61 VVG a.F. - die Vorschrift gilt nach Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG für den im Jahr 2003 eingetretenen Versicherungsfall fort - leistungsfrei ist. Denn der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, und wer auch in subjektiver Hinsicht ein unentschuldbares Fehlverhalten gezeigt hat, das ein gewöhnliches Maß erheblich überschreitet ( BGH, Urt.v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01 - VersR 2003, 364).
Das ist dem Kläger vorzuwerfen. Zwar war er zum Unfallzeitpunkt auf Grund seines Alkoholkonsums nicht nachweisbar absolut fahruntüchtig, weil seine Blutalkoholkonzentration unter 1,1 Promille lag. Nach dem Befundbericht des Instituts für Rechtsmedizin der TU D. vom 18.6.2003 (Bl. 233 d.A.) wurde für die Zeit der Blutentnahme am Unfalltag um 22.35 Uhr ein Mittelwert von 0,6 Promille ermittelt. Legt man gemäß den Angaben des Klägers ein Trinkende um 19.30 Uhr zu Grunde, so errechnet sich hieraus - nach den insoweit im Versicherungsrecht auch geltenden Rückrechnungsregeln bei Annahme eines Abbauwerts von höchstens 0,1 Promille pro Stunde ab Beendigung der zwei Stunden nach Trinkende abgeschlossenen Resorptionsphase ( BGH, Urt.v. 26.9.1990 - IV ZR 176/89 - VersR 1990, 1268 ff.) - für den Unfallzeitpunkt um 20.30 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,7 Promille. Damit war der Kläger relativ fahruntüchtig.
Dennoch hat er grob fahrlässig gehandelt. Denn er hat schwerwiegend gegen grundlegende Verhaltensregeln des Straßenverkehrsrechts verstoßen. Zu ihnen zählt das Verbot, sich in deutlich alkoholisiertem Zustand ans Steuer eines Kraftfahrzeugs zu setzen und am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Denn nach § 24a Abs. 1 StVG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 19.3.2001 (BGBl. I, 386) - galt auch zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls als - gewichtig sanktionierte - Ordnungswidrigkeit, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl sein Blut einen Anteil von 0,5 Promille oder mehr Alkohol enthält. Damit hat der Kläger in objektiver und subjektiver Hinsicht schwer schuldhaft gehandelt (Senat , Urt.v. 7.4.2004 - 5 U 688/03-66 - VersR 2004, 1262).
Während allerdings in Fällen absoluter Fahruntüchtigkeit ein Anscheinsbeweis für die vom Versicherer zu beweisende Ursächlichkeit der Alkoholisierung für den Versicherungsfall spricht, muss der Versicherer in Fällen relativer Fahruntüchtigkeit alkoholtypische Ausfallerscheinungen beweisen, die den Schluss auf die alkoholbedingte Herbeiführung des Versicherungsfalls rechtfertigen ( BGH, Urt.v. 5.12.1990 - IV ZR 13/90 - VersR 1991, 289; Senat Urt.v. 22.11.2000 - 5 U 563/00 - 46 - zfs 2001, 214).
Das kann allerdings nicht dazu führen, dass jede beliebige Erklärung eines Kraftfahrers, durch welche alkoholunabhängige Ursache es zu dem Unfall gekommen sein soll, genügt, um die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 VVG beweisrechtlich auszuschließen. Vielmehr muss die Darlegung des Versicherungsnehmers, mit der er belastet ist, einen alkoholunabhängigen Geschehensverlauf plausibel erklären. Er muss - mit zunehmender Höhe des Blutalkoholgehaltes gewichtigere - Anhaltspunkte dafür geben, dass eine andere Erklärung des Unfallverlaufs als seine alkoholbedingte Verursachung nicht fern liegt, sondern eine denkbare Möglichkeit ist. Das ist dem Kläger nicht gelungen. Vielmehr hat die Beklagte bewiesen, dass ein alkoholtypischer Fahrfehler vorliegt.
Zwar hat der Zeuge Sch., wie sich aus seiner (erneuten) Vernehmung ergibt, den eigentlichen Unfallhergang nicht wahrgenommen, weil er sich auf die Straße vor ihm konzentriert und seine Aufmerksamkeit erst mit den Geräuschen des Zusammenstoßes auf das Unfallgeschehen gerichtet hat. Er konnte deshalb keine Aussage zu der Geschwindigkeit machen, mit der der Kläger in die Vorfahrtsstraße eingefahren ist, konnte auch weder bestätigen noch ausschließen, dass der Kläger vor dem Einfahren abgebremst hat. Der Geschädigte U. hat jedoch schon bei seiner erneuten Vernehmung angegeben, er selbst sei mit einer - zulässigen - Geschwindigkeit von rund 60 km/h gefahren. Der Kläger sei ohne anzuhalten zügig in den Kreuzungsbereich eingefahren, so dass er, der Geschädigte, nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können. Schon das indiziert, dass das Verhalten des Klägers von seiner Alkoholisierung beeinflusst war.
Die Angaben des Geschädigten U. stehen mit dem Ergebnis des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens in Einklang. Der Sachverständige hat zunächst unter Berücksichtigung des von dem Kläger eingereichten Fotos zur Unfallörtlichkeit festgestellt, dass der Kläger vor dem Befahren des Kreuzungsbereichs eine Sichtweite von rund 50 Metern nach rechts gehabt habe. In dieser Situation hätte sich der Kläger nach Einschätzung des Sachverständigen schrittweise in den Kreuzungsbereich hineintasten müssen, um das von rechts nahende Fahrzeug des Geschädigten U. zu erkennen und ihm die Vorfahrt gewähren zu können. Das gilt dann in noch höherem Maße, wenn sich die Einsichtsmöglichkeiten bis zum Zeitpunkt der Fertigung des Fotos verbessert haben sollten. Dann wäre zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls in noch größerem Maße Vorsicht angebracht und eine Minimierung der Geschwindigkeit geboten gewesen. Der Sachverständige hat weiter festgestellt, dass der Kläger trotz der eingeschränkten Sichtverhältnisse mit einer Geschwindigkeit von ca. 32 km/h auf die vorfahrtberechtigte Straße gefahren ist. Das hat er auf Grund einer ausführlichen Analyse der Schäden an den Fahrzeugen und der Gegebenheiten an der Unfallstelle ermittelt. Damit steht fest, dass der Kläger keineswegs, wie er ausgeführt hat, sich mit deutlich verringerter Geschwindigkeit vorsichtig und schrittweise nach Vergewisserung über den ankommenden bevorrechtigten Verkehr in die Kreuzung hineinbegeben hat. Der Kläger kann auch damit nicht gehört werden, dass er vorträgt, der Kollisionsort sei im Hinblick auf die seit dem Verkehrsunfall verstrichene Zeit nicht mehr hinreichend exakt nachzuvollziehen, auch er selbst habe anlässlich des Ortstermins lediglich ungefähre Angaben machen können. Der Sachverständige hat dazu ausführlich erläutert, er habe den Kollisionsort anhand der Ausführungen des Klägers, der örtlichen Gegebenheiten an der Unfallstelle im Kreuzungsbereich, der Beschädigungen beider Fahrzeuge und deren Endlagen eingegrenzt. Dabei hätten sich die Angaben des Klägers zum Kollisionsort plausibel mit den übrigen Faktoren in Einklang bringen lassen. Wie sich aus seinem Gutachten ferner ergibt, hat der Sachverständige seinen Ermittlungen zudem die unmittelbar nach dem Unfall durch die Polizeibeamten angefertigte - maßlich fixierte - Verkehrsunfallskizze (Bl. 8 der EA) zu Grunde gelegt. Bei dieser Sachlage ist auszuschließen, dass Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Kollisionsorts zu einer fehlerhaften Einschätzung des Unfallhergangs geführt haben.
Daraus ist zu schließen, dass der Versicherungsfall durch die Alkoholisierung des Klägers herbeigeführt worden ist. Ein nüchterner Fahrer hätte sich bei der eingeschränkten Sicht vorsichtig auf die Vorfahrtsstraße hineingetastet, um gegebenenfalls herannahenden Fahrzeugen die Vorfahrt gewähren zu können. Dass auch nüchterne Fahrer gelegentlich die Vorfahrt missachten, steht dem nicht entgegen. Denn im konkreten Fall steht fest, dass der Kläger die gebotene Vorsicht in hohem Maße missachtet hat und damit einen Fahrfehler begangen hat, der typischerweise Folge einer erheblich gesteigerten Risikobereitschaft mit einer deutlichen Senkung der Hemmschwelle durch Alkohol typisch ist.
C.
Die Widerklage ist begründet. Der Beklagten steht gegen den Kläger nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 3 Nr. 2, 9 Satz 2 PflVG, § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 KfzPflVV, § 2b Abs. 1e, Abs. 2 AKB ein Anspruch auf Zahlung von 5 000 € zu. In dieser Höhe darf die Beklagte den Kläger wegen der von ihr geleisteten Schadensersatzzahlungen an den Geschädigten U. in Regress nehmen. Denn im Innenverhältnis zwischen den Beklagten und dem Kläger, die dem Geschädigten U. gegenüber gesamtschuldnerisch haften, ist die Beklagte leistungsfrei.
1. Die Beklagte ist gemäß § 6 Abs. 1 VVG i.V.m. § 2b Abs. 1e AKB von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden, weil der Kläger seine Obliegenheit, kein Kraftfahrzeug zu führen, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage gewesen es sicher zu führen, verletzt hat. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls alkoholbedingt fahruntüchtig. Das ergibt sich daraus, dass sein Blutalkoholgehalt mindestens 0,7 Promille betrug und ihm ein alkoholtypischer Fahrfehler, das Einfahren in eine bevorrechtigte Straße bei unübersichtlichen Sichtverhältnissen mit nicht angepasster Geschwindigkeit, unterlaufen ist. Sein Verschulden an diesem Geschehen, das nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. vermutet wird, hat er nicht widerlegt. ..."