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Landgericht Traunstein Urteil vom 20.10.2008 - 7 O 2602/06 - Zur Kausalität eines Unfalls für ein HWS-Schleudertrauma und zu einzelnen Schadenspositionen, die teil ersatzfähig, teils nicht ersatzfähig sind
LG Traunstein v. 20.10.2008: Zur Kausalität eines Unfalls für ein HWS-Schleudertrauma und zu einzelnen Schadenspositionen, die teil ersatzfähig, teils nicht ersatzfähig sind
Das Landgericht Traunstein (Urteil vom 20.10.2008 - 7 O 2602/06) hat entschieden:
Zur Kausalität eines Unfalls für ein HWS-Schleudertrauma und zu einzelnen Schadenspositionen, die teil ersatzfähig, teils nicht ersatzfähig sind
Siehe auch Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung und Einzelne Schadenspositionen in der Unfallregulierung
Zum Sachverhalt: Die Klägerin begehrte Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall.
Der Ehemann der Klägerin ist Halter des Pkw BMW, amtliches Kennzeichen …, welcher am 15.03.2006 gegen 21 Uhr in Trostberg von der Klägerin gesteuert wurde. Die Klägerin, welche angegurtet war, steuerte den Pkw auf der B 299 in Trostberg in Richtung Stadtmitte. Sie beabsichtigte in Höhe des Marienplatzes nach links abzubiegen, ordnete sich in die Linksabbiegerspur ein und bremste verkehrsbedingt ab. Nachdem die Klägerin mit dem Pkw bereits einige Zeit stand, prallte von hinten her … mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw auf. Die 100 prozentige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig, der Fahrzeugschaden wurde vollständig reguliert.
Die Klägerin trägt vor, sie habe bei dem Unfall eine Schleuderverletzung der HWS, Erdmann I–II, eine Steilstellung der HWS, muskulär bedingte skoliotische Fehlhaltung der thoracocervicalen Wirbelsäule, eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenks, Mitbeteiligung der oberen BWS (Hyperflexionstrauma) sowie neurologische Auffälligkeiten (verzögerte Pupillenreaktion) erlitten. Dabei werde seitens der behandelnden Ärzte nicht ausgeschlossen, dass es sich um einen Dauerschaden handele. Die Klägerin leide unter ständigen Schwindelgefühlen, die eine kernspintomografische Abklärung erforderlich gemacht hatten. Aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes sei von einem protrahierten Krankheitsverlauf aufzugehen. Diese Verletzungen seien auch unfallursächlich, insbesondere sei die Geschwindigkeit des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges groß genug gewesen, um eine entsprechende Unfallverletzung herbeizuführen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin vorgeschädigt gewesen sei. Es habe eine Instabilität der Halswirbelsäulenmuskulatur bestanden, aufgrund deren sie bereits längere Zeit vor dem Unfall ständig physiotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen habe. Unter Berücksichtigung der Vorschädigung der Klägerin im HWS-Bereich, der Kopfhaltung der Klägerin beim Unfall und der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung seien die beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seit dem Unfall erklärbar. Auch habe die Klägerin sofort nach dem Unfall über HWS-Beschwerden und Schwindelgefühl geklagt. Auch könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Vorschädigung Ansprüche gegen den Unfallschädiger ausschließe oder auch nur einschränke.
Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin zudem bis 31.07.2006 krankgeschrieben gewesen sei, sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.500,00 € angemessen.
Insgesamt sei auch ein materieller Schaden in Höhe von 7.925,64 € entstanden. Auf ärztliche Anordnung habe sich die Klägerin zwanzigmal in der Praxis für Krankengymnastik und Osteopathie in Wasserburg vorstellen müssen, dies seien 20 Fahrten à 50 km à 0,25 €, entspreche 250,00 €. Auf den Fahrten zu den anderweitig beteiligten Ärzten habe die Klägerin insgesamt 213 km zurückgelegt (× 0,25 €) ergibt insgesamt 53,25 €. Aufgrund der Unfallverletzung habe die Klägerin ein fest gebuchtes Architektenseminar nicht besuchen können, die Seminargebühren in Höhe von 100,00 € habe sie dennoch bezahlen müssen. Unfallbedingt habe die Klägerin einen fest gebuchten Urlaub im Zeitraum 24.04. bis 02.05.2006 stornieren müssen, die Stornokosten für das Hotel hätten sich auf 499,00 € belaufen und für den Flug auf 136,00 €. Der beim Unfall ebenfalls verletzte Ehemann der Klägerin habe die Flugreise nicht alleine antreten wollen, entsprechende Schadensersatzansprüche habe er an die Klägerin abgetreten. Nachdem auch geplant gewesen sei, den Urlaub teilweise mit der Schwester der Klägerin und deren Lebensgefährten zu verbringen, sei auch geplant gewesen, für diesen Zeitraum die Kosten des Mietfahrzeuges zu teilen.
Auf die Klägerin sei hierbei ein Anteil in Höhe von 149,50 € entfallen. Aufgrund der langen Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin derzeit Prämien für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlt, für die sie keinen Gegenwert habe. Bei einem Jahresbeitrag von 2.152,00 € ergäbe dies für die Monate April bis Juli 2006 frustrierte Zahlungen in Höhe von 717,33 €. Für die Kostenrechnung des- Herrn … für sein Gutachten habe sie einen Betrag in Höhe von 342,20 € ausgelegt. Da die Klägerin seit dem Unfall nicht mehr in der Lage gewesen sei, als freiberufliche Architektin Zeichentätigkeiten selbst auszuüben, habe sie für Hilfskräfte 452,40 € und 382,80 € verauslagt. Die Klägerin bewohne mit ihrem ebenfalls berufstätigen Ehemann ein großes Haus mit 170 m² Wohnfläche und Garten. Der Haushaltsführungsschaden ergebe sich aus Tabelle 8, Haushaltstyp 11 der Veröffentlichung Schulz-Bork/Hofmann. Für die Zeit vom 15.03. bis vorerst 31.07.2006 ergebe dies bei 27,1 Wochenstunden und einem Stundensatz von 9 Euro einen Aus fall schaden in Höhe von 4.843,16 € (139 Tage: 7 × 27,1 × 9). Mit Schreiben vom 23.05.2006 habe die Klägerin eine Vorschusszahlung in Höhe von 12.387,57 € unter Fristsetzung zum 06.06.2006 gefordert, die Beklagte befände sich seit spätestens 07.06.2006 in Verzug.
Weiterhin wird noch von der Klägerin Verdienstausfall geltend gemacht. Aufgrund der Unfallverletzungen haben die Klägerin seit dem 15.03.2006 keine Architektenaufträge mehr annehmen können. So habe sie hier in 2 Fällen entsprechende Angebote zurückweisen müssen. Es handele sich hierbei um das Bauvorhaben des Herrn … für einen Dachgeschoßausbau in München, hier sei der Klägerin eine Gesamtnettosumme entgangen in Höhe von 3.500,00 €. Weiterhin habe die Klägerin einen weiteren Auftrag der Bauunternehmung Dipl.-Ing. … nicht annehmen können. Die Klägerin sei bereits mit den Leistungsphasen I–IV des Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage in Altenmarkt beauftragt gewesen und habe diese Leistungsphasen noch vor dem Unfall zu Ende bringen können. Wegen des Unfalles habe sie die Leistungsphase V (Werkplanung) nicht mehr ausführen können, hierbei sei ihr ein Honorar in Höhe von netto 23.000,00 € entgangen. Der entgangene Gewinn allein dieser beiden Aufträge belaufe sich somit auf 26.500,00 €. Aufgrund er Unfallverletzungen habe die Klägerin täglich Krankengeld in Höhe von 51,13 € bezogen. Im Zeitraum 15.03.2006 (Unfalltag) bis 31.07.2006 habe die Klägerin also folgenden Verdienstausfall erlitten: 26.500,00 € abzüglich tägliches Tagegeld (137 Tage) in Höhe von 7.004,81 €, ergebe einen Verdienstausfall bis 31.07.2006 in Höhe von mindestens 19.495,19 €. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, da über die Frage, ob ein Dauerschaden vorliegt, zum jetzigen Zeitpunkt noch keine endgültige Aussage getroffen werden könne.
Die Klägerin hat beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.925,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit 23.05.2006 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Verdienstausfall in Höhe von 19.495,19 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle aus dem Verkehrsunfall vom 15.03.2006 noch entstehenden Folge- und Spätschäden zu erstatten hat, und zwar für die Zeit ab 01.08.2006.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie trug vor, dass der Anstoß des bei der Beklagten versicherten Pkw auf den Pkw der Klägerin sehr geringfügig gewesen sei, wie sich aus Art und Umfang der Schäden an beiden Fahrzeugen ergäbe. In Anbetracht der Schäden an beiden Fahrzeugen könne die Anstoßgeschwindigkeit auf eine Größenordnung von maximal 8 bis 9 km/h eingegrenzt werden. Durch die Stoßfängersysteme beider Fahrzeuge und das Eigengewicht des klägerischen Pkw sei die Anstoßenergie erheblich absobiert worden, so dass auf die Insassen im klägerischen Pkw BMW maximal eine Geschwindigkeitsänderung von 5 bis 6 km/h eingewirkt habe. Unter Berücksichtigung der geringen Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Pkw werde daher bestritten, dass unfallbedingt Verletzungen der Halswirbelsäule aufgetreten seien. Dementsprechend habe es in den letzten Jahren auch zahlreiche Untersuchungen zu der hier streitigen Frage gegeben, ob und ab welcher Geschwindigkeitsänderung und bei welchen Unfallkonstellationen Verletzungen der Halswirbelsäule auftreten können. Auf Grundlage dieser Untersuchung gehe die Rechtssprechung überwiegend davon aus, dass bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung bis 10 km/h die Entstehung eines HWS-Schleudertraumas nicht zu beweisen sei und bei Geschwindigkeitsänderungen bis 15 km/h besondere, für den Eintritt der Verletzung sprechende Umstände vorliegen müssten. Dabei habe der geschädigte nicht nur die Körperverletzung, sondern auch die Ursächlichkeit des Unfalls für diese Körperverletzung zu beweisen. Hierbei müsse der Vollbeweis geführt werden. Verbleiben ernsthafte Zweifel an diesem Umstand, gehen diese ausschließlich zu Lasten der Klagepartei. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die Ärzte bei der Klägerin objektiv keine Beeinträchtigungen hätten feststellen können, die auf eine unfallbedingte Verletzung hindeuten würden. Vielmehr hätten sich die Ärzte nur auf subjektive Angaben der Klägerin verlassen. Der Umstand, dass die vermeintlichen Beschwerden bei der Klägerin immer noch andauern würden, spreche übrigens dafür, dass eine Unfallbedingtheit zu verneinen sei.
Nachdem die Klägerin unfallbedingt nicht verletzt worden sei, sei auch der hier geforderte Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 5.500,00 € unangemessen. Fahrtkosten sowie der geplante Besuch eines Architektenseminars werden ebenfalls bestritten sowie die geltend gemachten Kosten hinsichtlich des fest gebuchten Urlaubes. Es werde auch bestritten, dass die Klägerin bezüglich der Berufshaftpflichtversicherung Aufwendungen habe. Wenn sie eine aktiv tätige Architektin sei, sei sie ständig wegen laufenden Projekten möglichen Haftpflichtschäden ausgesetzt. Es bestehe daher ein Haftungsrisiko, dass durch die Haftpflichtversicherung tatsächlich abgedeckt sei. Darüber hinaus sei diese Haftpflichtversicherung auch Grundlage für die Zulassung als Architektin. Allenfalls könnte die Klägerin diese Position im Rahmen des entgangenen Gewinns geltend machen. Im übrigen werde bestritten, dass die Klägerin von April bis Juli 2006 unfallbedingt nicht habe arbeiten können, insofern seien auch keine Kosten für Zeichenhilfskräfte, Kosten zur Haushaltsführung und Verdienstentgang zu bezahlen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen …, durch Einholung eines unfallanalytischen schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … sowie durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Gutachtens des Sachverständigen ….
Entscheidungsgründe:
"Die zulässige Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Nach Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin tatsächlich unfallbedingt Verletzungen davongetragen hat, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie von der Klägerin behauptet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Traunstein sachlich und örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.
1. Haftung dem Grunde nach:
Nachdem die Beklagtenpartei bestritten hatte, dass der Unfall aufgrund der geringen Anstoßgeschwindigkeit nicht geeignet gewesen sei, die von der Klägerin beschriebenen Verletzungen herbeizuführen, wurde der Sachverständige … mit der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Dabei führt der Sachverständige aus, dass das klägerische Fahrzeug in verformungsmechanischer Hinsicht nennenswert in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Das Beklagtenfahrzeug müsse auf das klägerische Fahrzeug mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 19 bis 22 km/h aufgefahren sein. Hierdurch sei am klägerischen Fahrzeug eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von gerundet 13 bis 14 Kilometer hervorgerufen. Das klägerische Fahrzeug sei anstoßbedingt mit einer Spitzenbeschleunigung von bis zu 6 bis 7 Gramm nach vorne gestoßen. In kollisionsdynamischer Hinsicht habe ein durchaus heftiger Anprall stattgefunden. Die Klägerin habe beim belastungsfreien Sitzversuch im Vergleichsfahrzeug eine nach vorne gebeugte und nach rechts gedrehte Körperhaltung angegeben. Wegen der nach vorne gebeugten Körperhaltung ergebe sich für die Klägerin in der Tendenz jedoch eine verletzungsmindernde und keine verletzungsbegünstigende Ausgangs Situation. Eine extrem verletzungsbegünstigende Ausgangssituation lag jedenfalls nicht vor. Am Kopf-Hals-System der Klägerin sei es zudem zu einer Spitzenbeschleunigung von bis zu 7 Gramm gekommen. Zwischen Kopf und Hals seien Kräfte von etwa 80 N und zwischen Hals und Brust zwischen 130 Newton aufgetreten (zur Veranschaulichung: eine Kraft von 100 N entspricht einem Gewicht von etwa 10 Kilogramm). Die Belastungen, welche die Klägerin unfallbedingt zu ertragen gehabt habe, seien in biomechanischer Hinsicht erhöht gewesen. Der streitgegenständliche Unfall sei deshalb dazu geeignet gewesen, bei der Klägerin eine HWS-Distorsion mit den entsprechenden Begleiterscheinungen (Fehlhaltung Wirbelsäule, eingeschränkte Beweglichkeit) auszulösen, aus sachverständiger Sicht sei diesbezüglich von einem Kausalzusammenhang auszugehen.
Der Sachverständige … führte jedoch auch aus, dass an der Klägerin verursachte Belastungsniveau jedoch nicht so hoch gewesen sei, dass es im Regelfall zu Verletzungen an ligamentären Strukturen oder an Gelenkkapseln komme. Inwiefern die durch eine MRT-Untersuchung festgestellten Flüssigkeitseinlagerungen infolge einer anlagenbedingten Veranlagung mit neurologischen Auffälligkeiten kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zurückgeführt werden könne, wäre aus Sicht des Sachverständigen … ggf. im Zuge einer medizinischen Zusatzbegutachtung zu beurteilen. Welchen Anteil die vorbestehenden und die unfallbedingt entstandenen Beschwerden am Gesamtbeschwerdebild der Klägerin habe, wäre dabei ggf. ebenfalls voneinander zu trennen.
Im Ergebnis kommt der Sachverständige … somit dazu, dass aufgrund des Unfalls bei der Klägerin eine HWS-Distorsion vorliegen könne, Verletzungen an ligamentären Strukturen oder an Gelenkkapseln konnte er grundsätzlich nicht bestätigen, verwies jedoch diesbezüglich auf eine zusätzliche medizinische Begutachtung.
Dementsprechend wurde der Sachverständige … mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Sachverständige … kommt in seinen schriftlichen Zugaben zu dem Ergebnis, dass durch den Unfall bei der Klägerin eine HWS-Distorsion (I. bis II. nach Erdmann) verursacht worden sei. Dabei führt der Sachverständige aus, dass bei der Beurteilung der Unfallfolgen zunächst den Erstbefunden ausschlaggebende Bedeutung zukomme. Schlüssigkeit von anamnetischen Angaben, unfalltechnischen Gutachten sowie klinischen und radiologischen Befund sei hierbei zu überprüfen. Dabei sei im Bereich der Brustwirbelsäule nach dem Unfall eine Seitverbiegung radiologisch objektiviert. Die Kernspinaufnahmen blieben ohne Nachweis einer knöchernen oder weichteiligen Unfallfolge. Die Abgrenzung von einem Vorschaden sei nicht möglich, der Unfallmechanismus spreche jedoch eindeutig gegen eine relevante Kausalität. Hinsichtlich der Beschwerden an der rechten Schulter müsse ein Unfallzusammenhang eindeutig negiert werden. Es lägen hier beginnend degenerative Muskelirritationen im subakromialen Raum (Abstand zwischen Oberarmkopf und Schulterdach) sowie ein Verschleiß des Schultereckgelenks vor.
Der Sachverständige … führt weiter aus, dass in Zusammenschau der Befunde es durch den erlittenen Unfall es zu einer vorübergehenden, nicht richtungsweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gekommen sei. Es sei bei dem klagegegenständlichen Unfall unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Ergebnisse des unfallmechanischen Gutachtens zu einer I. bis II. gradigen Distorsionsverletzung der HWS gekommen. Unter Hinweis auf die aktuell anerkannte Fachliteratur sei eine derartige Verletzung „innerhalb weniger Wochen, spätestens nach 3 Monaten“ ausgeheilt (Krämer, Seite 348). Da bei der Klägerin eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche und eine degenerative Vorschädigung der HWS bestehe, müsse von einem vergleichsweisen langen, d.h. 3-monatigen Behandlungsverlauf ausgegangen werden. Der Anteil der vorbestehenden bzw. der unfallbedingt entstandenen Beschwerden am Gesamtbeschwerdebild der Klägerin sei für die ersten 3 Monate nach dem Unfall mit jeweils 50 % einzuschätzen. Es handele sich hierbei um eine Integralbetrachtung bei anfangs überwiegendem, später kontinuierlichen abnehmendem Anteil der Unfallfolgen. Dies bedeute, dass nach ca. 6 Wochen der unfallbedingte Beschwerdeanteil bei etwa 50 % sei. Auf die Grafik auf Seite 23 des Sachverständigengutachtens vom 01.03.2008 wird ausdrücklich Bezug genommen. Nach Ablauf von spätestens 3 Monaten seien somit keine relevanten Unfallfolgen mehr anzunehmen.
Weiter führt der Sachverständige … aus, dass die in den MRT-Aufnahmen nachvollziehbaren Flüssigkeitseinlagerungen sich im Bereich des Facettengelenks C1/2 links befänden. Hier müsse vom Vorliegen eines Gelenkergusses ausgegangen werden. Der Verlauf habe eine kaum veränderte Flüssigkeitseinlagerung in der Gelenkskapsel Cl/2 links 6 Monate nach dem Unfall ergeben. Dies müsse als Indiz einer nicht unfallbedingten Flüssigkeitsbildung gewertet werden, da unfallbedingte Gewebeeinblutungen sich in aller Regel nach 6 Monaten zurückgebildet hätten. Letztlich müsse hier vom Vorliegen eines degenerativen Vorschadens ausgegangen werden, der durch die erlittene HWS-Distorsion im Sinne eines posttraumatischen Reizzustandes vorübergehend verschlimmert worden sei. Die beschriebene Ödematisierung des Lig. Transfersom rechts lasse sich nur begrenzt nachvollziehen. Bei im Rahmen der Nativdiagnostik festzustellenden Rechtsversatz des Denzachsis wäre – falls der Versatz unfallbedingt sei – mit einer linksseitigen Ödematisierung zu rechnen, was auch den Unfallmechanismus entsprechen würde.
Der Sachverständige … kommt somit zu dem Ergebnis, dass bedingt durch den Unfall bei der Klägerin eine HWS-Distorsion nach Typ Erdmann I. bis II. vorgelegen habe, und dass nach spätestens 3 Monaten keine relevanten Unfallfolgen mehr anzunehmen seien. Dies bestätigte der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vom 15.09.2008.
Zusammenfassend hat daher die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach, da unfallbedingt bei der Klägerin eine HWS-Distorsion vorlag.
2. Höhe des Schadensersatzanspruches
Nachdem jedoch ein Dauerschaden nicht vorliegt und die unfallbedingten Verletzungen letztendlich nach spätestens 3 Monaten (15.06.2006) ausgeheilt waren, kann die Klägerin nicht der volle Schadensersatz, wie von ihr begehrt, zugesprochen werden.
a. Schmerzensgeld
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen hält das Gericht einen Schmerzensgeldanspruch von 2.500,– Euro für angemessen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein Dauerschaden nicht vorliegt und die unfallbedingten Verletzungen nach spätestens 3 Monaten ausgeheilt waren. Auch war die Klägerin nicht während des gesamten Zeitraumes zu 100 % arbeitsunfähig. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der unfallbedingte Beschwerdeanteil nach ca. 6 Wochen nur noch 50 % ausgemacht hat (vgl. die Grafik auf Seite 23 des Sachverständigengutachtens vom 01.03.2008) und im Laufe der Zeit auch immer weiter abgenommen hat bis zum vollständigen Abklingen der unfallbedingten Beschwerden erachtet das Gericht einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 2.500,– Euro für angemessen.
b. Fahrtkosten
Die zu den Ärzten geltend gemachten Fahrtkosten sind grundsätzlich erstattungsfähig, soweit sie im Zeitraum seit dem Unfall bis zum 15.06.2006 geltend gemacht werden, da in diesem Zeitraum unfallbedingte Beschwerden vorlagen. Sämtliche hier geltend gemachten Fahrten zu den Ärzten finden jedoch in diesem Zeitraum statt, so dass sie voll erstattungsfähig sind.
Ausweislich der Anlagen K 5 und K 6 fanden die Besuche in der Praxis … in diesem Zeitraum statt, dies sind insgesamt 20 Fahrten gewesen. Nachdem die Klägerin in … wohnt und die Praxis in … ist, sind jeweils 50 km angefallen, unter Berücksichtigung ein km – Pauschale von 0,25 Euro ergibt dies 250,– Euro.
Wie aus den Anlagen Kl, 2, 3, 7 und 8 ersichtlich ist, fanden auch die weiteren Arztbesuche in dem fraglichen Zeitraum statt. Erstattungsfähig sind somit weitere 213 km, somit 53,25 Euro.
c. Seminargebühren
Ausweislich der Anlage K 10 hätte die Klägerin am 06.04.2006 an einem Seminar „Fallstricke im Baugenehmigungsverfahren“ bei der Bayerischen Architektenkammer in München teilnehmen wollen, entsprechend der Anlage K 9 betragen die Seminargebühren 100,– Euro. Das Seminar hätte zu einem Zeitpunkt stattfinden sollen, als die Klägerin noch Beschwerden hatte, die zu ca. 70 % unfallbedingt waren. Die Klägerin konnte daher aufgrund der unfallbedingten Beschwerden nicht an dem Seminar teilnehmen. Jedoch kann die Klägerin nicht die vollen Seminargebühren in Höhe von 100 Euro verlangen, sondern lediglich die Stornogebühr in Höhe von 50,– Euro, nachdem diese ausweislich der Anlage K 10 50 % der Teilnahmegebühr beträgt.
d. Urlaubskosten
Aufgrund der Aussage des Zeugen … ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass die Klägerin tatsächlich im Zeitraum 24.04. bis 02.05.2006 einen Urlaub geplant hatte. Dieser Urlaub hätte in einem Zeitraum stattfinden sollen, in welchem die Beschwerden noch zum größeren Teil auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen sind. Die wegen der Stornierung angefallenen Kosten sind daher grundsätzlich erstattungsfähig. Insgesamt sind ausweislich der Anlage K 12 Stornokosten für das Hotel in Höhe von 499,– Euro und für den Flug in Höhe von 136,– Euro angefallen. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass nicht nur die Klägerin ihren Urlaub storniert hat, sondern auch der Ehemann der Klägerin. Dessen Schaden ist jedoch entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht erstattungsfähig, auch nicht aus abgetretenem Recht. Es handelt sich um einen Fall des mittelbaren Schadens, bei dem grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch nicht besteht. Ein Ausnahmefall, wie in Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage, Rn. 108 ff. zu vor § 249 beschrieben, liegt nicht vor. Erstattungsfähig sind daher auch nur die Hälfte der Stornokosten, somit 317,50 Euro. Diese Ausführungen treffen auch zu auf die geltend gemachten Mietwagenkosten. Der Zeuge … hat dem Gericht glaubhaft geschildert, dass man sich die Mietwagenkosten mit der Schwester der Klägerin und dessen Lebensgefährten geteilt habe. Aber auch hier kann nur die Hälfte angesetzt werden, da der Schaden bei dem Ehemann der Klägerin ein lediglich nicht ersatzfähiger mittelbarer Schaden ist, somit 74,75 Euro.
e. Berufshaftpflichtversicherung
Das Gericht vertritt die Ansicht, dass dieser Posten nicht erstattungsfähig ist. Es könnte maximal ein Zeitraum von 3 Monaten geltend gemacht werden, wobei bereits daran Zweifel bestehen, da die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Unfalles nach Angaben des Sachverständigen … im Laufe der Zeit immer weniger geworden ist. Es mögen frustrierte Aufwendungen vorliegen, doch nicht jede frustrierte Aufwendung ist auch eine Schadensposition. In der Rechtssprechung ist anerkannt, dass jemand, der Im Krankenhaus ist, während dieses Zeitraumes nicht die Miete seiner Wohnung ersetzt verlangen kann, obwohl er diese nicht nutzt und vielleicht eine Kündigungsmöglichkeit gehabt hätte. Dies kann hier als Parallele herangezogen werden. Die Kläger hat selber ausgeführt, dass die Kündigung ihr einen Nachteil erbracht hätte, auch ist unklar, ob dann vielleicht auch höhere Beitragsgebühren notwendig gewesen wären bei Neuabschluss einer Versicherung.
Das Gericht geht aber auch davon aus, dass die Versicherung weiter notwendig war, da die Klägerin auch während der Zeit der Erkrankung tätig war. Dafür spricht nämlich, dass die Klägerin unter anderem auch als Schadensposition Hilfskräfte für Zeichnungen geltend macht (vgl. unten), dies bedeutet im Umkehrschluss, dass weiterhin an Projekten gearbeitet wurde und eine Versicherung daher sogar notwendig war. Dementsprechend besteht kein Ersatzanspruch.
f. Gutachterkosten
Nachdem die Klägerin unfallbedingte Verletzungen davongetragen hat, sind auch die angefallenen Gutachterkosten des … in Höhe von 342,20 Euro zu erstatten.
g. Hilfskräfte
Ausweislich der Rechnungen entsprechend der Anlagen K 17 und 18 sind im Zeitraum 27.03.2006 und 30.04.2006 Ausgaben für Zeichentätigkeiten angefallen (insgesamt 48 Stunden). Es handelt sich um einen Zeitraum, in welchem die Klägerin aufgrund des Unfalles in der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit erheblich beeinträchtigt war. Diese Kosten sind daher zu erstatten (452,40 Euro und 382,80 Euro).
h. Haushaltsführungsschaden
Dieser ist grundsätzlich erstattungsfähig, jedoch nicht in dem Umfang, wie von der Klägerin eingefordert. Hierbei muss nämlich berücksichtigt werden, dass die Klägerin nicht während des gesamten Zeitraumes in vollem Umfang in der Möglichkeit der Haushaltsausübung eingeschränkt war. Der Sachverständige … führte in der mündlichen Verhandlung am 15.09.2008 (Seite 6 des Protokolls) aus, dass auch hinsichtlich der Haushaltsführung und der entsprechenden Einschränkung auf die Grafik auf Seite 23 seines Gutachtens Bezug genommen werden könne, dies bedeute nach 6 Wochen ca. 50 % Einschränkung, nach 3 Monaten keinerlei Einschränkungen mehr.
Unter Zugrundelegung der Grafik bedeutet dies: In den ersten drei Wochen eine Einschränkung von 100 %, in der 4. bis 6 Woche von 75 %, in der 7. bis 9. Woche 50 % und in den letzen drei Wochen noch eine Einschränkung von 25 % (Schätzung).
Unter Zugrundelegung eines Hauses mit einer Wohnfläche von 170 qm sowie einem Garten sind die seitens der Klägerin angesetzten 27,1 Wochenstunden grundsätzlich angemessen. In den ersten drei Wochen sind 27,1 Stunden ersatzfähig, in den weiteren drei Wochen 20,32 Stunden, in den weiteren drei Wochen 13,55 Stunden und in den letzten drei Wochen 6,77 Stunden. Ausgehend von einem angemessenen Stundensatz von 9,– Euro ergibt dies 731,70 Euro (Woche 1–3) + 548,54 Euro (Woche 4–6) + 365,85 Euro (Woche 7–9) + 182,79 Euro (Woche 10–12), zusammen also 1.828,88 Euro.
i. Verdienstentgang
Hinsichtlich der Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingt durch den Unfall kann auf die Ausführungen zum Haushaltsführungsschaden Bezug genommen werden. Auch dort führte der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2008 (Seite 6 des Protokolls) aus, dass hinsichtlich der Prozentzahlen die Grafik auf Seite 23 seines Gutachtens herangezogen werden könne. Das Gericht schätzt daher unter Zugrundelegung der Grafik in Woche 1–3 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 100 %, Woche 4–6 auf 75 %, Woche 7–9 auf 50 % und Woche 10–12 auf 75 %.
Mit Schreiben vom 10.07.2006 (Anlage K 20) bestätigte … die Rücknahme der Beauftragung für das Objekt „Dachgeschossausbau in München“, Mit Schreiben vom 10.07.2006 (Anlage K 21) bestätigte … die Nichtausführung der Leistungsphase 5 für das Objekt in Altenmarkt. Die Klägerin führte auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2008 aus, dass hinsichtlich des Bauvorhabens Altenmarkt der Arbeitsbeginn kurz nach dem Unfall gewesen sei, bezüglich des Dachgeschossausbaus im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bestätigungsschreiben vom 10.07.2006.
Es erscheint dem Gericht nachvollziehbar, dass Arbeitsbeginn bzgl. des Objektes in Altenmarkt kurz nach dem Unfall gewesen wäre, nachdem die Leistungsphasen 1–4 bereits von der Klägerin ausgeführt worden sind. In diesem Zeitraum war die Klägerin zu 100 % in der Erwerbsfähigkeit gemindert. Entsprechend der vorgelegten Bestätigung liegt ein Gewinnentgang von 23.000,– Euro vor.
Nicht erstattungsfähig ist der entgangene Verdienst für den Ausbau der Dachgeschosswohnung in München. Anfang Juli lag unfallbedingt keine Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr vor, daher ist eine Kausalität nicht gegeben.
Von den 23.000,– Euro ist das Krankengeld in Höhe von 7.004,81 Euro in Abzug zu bringen, verbleiben somit 15.995,19 Euro.
Zusammenfassend besteht ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 2.500,– Euro, Anspruch auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 3.751,78 Euro und auf Verdienstentgang in Höhe von 15.995,19 Euro.
3. Feststellungsantrag
Der Feststellungsantrag ist unbegründet, da ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen … die unfallbedingten Beschwerden nach spätestens 3 Monaten abgeklungen waren.
4. Zinsen
Die Zinsentscheidung beruht auf § 288 Abs. 1 BGB. Diese waren jedoch hinsichtlich Ziffer 2) des Klageantrages erst ab dem 07.06.2006 zuzusprechen, da die Beklagte sich erst ab diesem Zeitpunkt in Verzug befunden hat. Mit Schreiben vom 23.05.2006 wurde nämlich Zahlungsfrist gesetzt bis zum 06.06.2006.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO."