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OVG Koblenz Beschluss vom 21.07.2009 - 10 B 10508/09 - Zur Fristbestimmung für die Beibringung eines Gutachtens wegen der Annahme von Alkoholmissbrauchs
OVG Koblenz v. 21.07.2009: Zur Fristbestimmung für die Beibringung eines Gutachtens wegen der Annahme von Alkoholmissbrauchs
Das OVG Koblenz (Beschluss vom 21.07.2009 - 10 B 10508/09) hat entschieden:
Zu einer MPU-Anordnung gehört - als wesentlicher Bestandteil - auch die Setzung einer Frist, bis zu der spätestens das Gutachten vorzulegen ist. Ist diese Frist angemessen und der Fahrerlaubnisinhaber nicht bereit, bis zu ihrem Ablauf das Gutachten beizubringen, so weigert er sich unabhängig davon, ob er sich eine spätere Vorlage des Gutachtens vorbehält, sich untersuchen zu lassen. Wird das Gutachten dann auch nicht innerhalb der Frist beigebracht, so ist zudem die 2. Alternative der genannten Bestimmung erfüllt. Die für die Beibringung des in den Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV zwingend vorgeschriebenen medizinisch-psychologischen Gutachtens zu bestimmende Frist ist damit ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Es ergeben sich aus den Gründen der Beschwerde keine rechtlichen Bedenken an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung ausreichend begründet hat. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob die gesonderte Begründung der Sofortvollzugsanordnung in der Verfügung vom 23. Februar 2009 - für sich allein, ohne die Aussagen zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung mit in den Blick zu nehmen - hinreichend deutlich macht, warum unter den hier gegebenen Umständen das öffentliche Interesse die sofortige Unterbindung der weiteren Verkehrsteilnahme des Antragstellers gebietet. Im Fahrerlaubnisrecht decken sich nämlich häufig - und das gilt auch hier - die Gründe für den Erlass der vom Gesetzgeber zwingend geforderten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung weitestgehend mit den Gründen für deren sofortige Durchsetzung, weswegen sich in Fällen dieser Art die Begründung zur Anordnung des Sofortvollzugs sogar in der bloßen Bezugnahme auf die Ausführungen zur Fahrerlaubnisentziehung erschöpfen kann, sofern aus der Begründung der Verfügung bereits die besondere Dringlichkeit des Einschreitens auch unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen hervorgeht. Genügt dies aber dann, so kann nichts anderes gelten, wenn in einem solchen Fall statt einer Bezugnahme auf die Darlegungen in der Sache selbst eine lediglich formelhafte Sofortvollzugsbegründung erfolgt; auch dann wird der Betroffene in die Lage versetzt, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abschätzen zu können, und erschließt sich aus dem Bescheid, dass der Behörde der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst gewesen ist und sie sich zur Prüfung veranlasst gesehen hat, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse gegeben ist.
Eine „weitestgehende Übereinstimmung“ zwischen den Gründen für die Fahrerlaubnisentziehung mangels Fahreignung und den Gründen für deren sofortige Durchsetzung hat der Senat namentlich in den Fällen gesehen, in denen sich die Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr aus dem Konsum von Betäubungsmitteln - auch der gelegentlichen Einnahme von Cannabis bei fehlendem Trennungsvermögen in Bezug auf Konsum und Fahren - herleitet, da es dann regelmäßig darum geht, den von einem solchen zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden ständigen erheblichen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer möglichst umgehend und nicht erst nach dem Abschluss eines gegebenenfalls mehrere Jahre dauernden gerichtlichen Verfahrens zu begegnen. Genauso liegen aber auch die Dinge, wenn - worauf die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers gestützt ist - der Fahrerlaubnisinhaber das „Rauschmittel“ Alkohol missbräuchlich zu sich nimmt, d.h. das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (vgl. Textziffer 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung - im Folgenden nur: Anlage 4). Die keinen weiteren Aufschub duldende besondere Dringlichkeit des Einschreitens gegen den Antragsteller hat der Antragsgegner in der zur Fahrerlaubnisentziehung gegebenen Begründung unter dem Gesichtspunkt der seitens des Antragstellers begehrten vorläufigen Zurückstellung der medizinisch-psychologischen Begutachtung noch einmal deutlich hervorgehoben.
Auch soweit der Antragsteller mit der Beschwerde in der Sache selbst erneut geltend macht, er habe sich nicht geweigert, sich der geforderten medizinischpsychologischen Untersuchung zu unterziehen, nur sei die Frist zur Beibringung des Gutachtens zu kurz bemessen worden, weil es ihm in der hierzu eingeräumten Zeit nicht möglich gewesen sei, seine Kraftfahreignung nachzuweisen, vermag er mit seinem Vorbringen nicht die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend festgestellt, dass die dem Antragsteller gegenüber ergangene Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu seiner Fahreignung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Zu einer solchen Anordnung gehört - als wesentlicher Bestandteil - auch die Setzung einer Frist, bis zu der spätestens das Gutachten vorzulegen ist (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 der Fahrerlaubnisverordnung - FeV -). Ist diese Frist angemessen und der Fahrerlaubnisinhaber nicht bereit, bis zu ihrem Ablauf das Gutachten beizubringen, so weigert er sich unabhängig davon, ob er sich eine spätere Vorlage des Gutachtens vorbehält, sich untersuchen zu lassen (§ 11 Abs. 8 Satz 1, 1. Alternative FeV). Wird das Gutachten dann auch nicht innerhalb der Frist beigebracht, so ist zudem die 2. Alternative der genannten Bestimmung erfüllt.
Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller, was die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeht, allein gegen die Angemessenheit der ihm zur Gutachtenbeibringung gesetzten Frist. Diese begegnet jedoch keinen rechtlichen Bedenken.
Wird - wie hier - auf der Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Fahreignung verlangt, so dient dieses der Hilfestellung bei der Beurteilung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (vgl.z.B. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., Rdnr. 17 zu § 13 FeV). Im Besonderen geht es dabei um die Klärung der Frage, ob aufgrund der Tatsache, dass der betreffende Fahrerlaubnisinhaber in der Vergangenheit schon mindestens zweimal Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat, davon auszugehen ist, dass er „ heute „ das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann. Da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer inmitten steht, ist den Eignungszweifeln unter dem Gesichtspunkt des Alkoholmissbrauchs so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen. Die für die Beibringung des in den Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV zwingend vorgeschriebenen medizinisch-psychologischen Gutachtens zu bestimmende Frist ist damit ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt.
Soweit sich der Antragsteller hierzu auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2007 - 11 CS 06.3132 - (Juris) beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass der dort rechtlich gewürdigte Sachverhalt - anders als dies offenbar auch das Verwaltungsgericht gemeint hat - mit den Gegebenheiten im vorliegenden Fall nicht zu vergleichen ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in der besagten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu der Frage zu befinden, ob der Betroffene nach einem - feststehenden - Verlust der Fahreignung infolge des Konsums von Betäubungsmitteln die Fahreignung inzwischen wiedererlangt hat - was regelmäßig den Nachweis einer einjährigen Abstinenz nach Entgiftung und Entwöhnung voraussetzt (vgl. Textziffer 9.5 der Anlage 4). Diese Frage kann sich regelmäßig erst in einem Fahrerlaubniswiedererteilungsverfahren stellen. In einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren - wie allerdings auch im Falle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - ist sie nur entscheidungserheblich, wenn die vormalige Fahrungeeignetheit mit Rücksicht darauf, dass sich der Betroffene im Entziehungsverfahren auf eine spätere Verhaltensänderung beruft und zugleich die in Textziffer 9.5 der Anlage 4 genannte Jahresfrist nach der behaupteten Einstellung des Konsums verstrichen ist, allein nicht mehr dazu ausreicht, um ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Hier liegen die Dinge jedoch anders. Die Beantwortung der im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs möglichst zeitnah zum Aufkommen des entsprechenden Verdachts zu klärenden Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen im hier behandelten Sinne missbräuchlichen Alkoholkonsums nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, hängt nicht - für den Regelfall - davon ab, ob er über eine gewisse Zeit Alkoholabstinenz geübt hat oder nicht. Eine Alkoholenthaltung über einen bestimmten Zeitraum wird in Fällen des Alkoholmissbrauchs nicht einmal dann vorausgesetzt, wenn - dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gewürdigten Sachverhalt entsprechend - festzustellen ist, ob nach einer - „erwiesenen“ - Fahrungeeignetheit wegen Alkoholmissbrauchs die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zurückgewonnen werden konnte (vgl. Textziffer 8.2 der Anlage 4). Die Einhaltung einer einjährigen Abstinenz ist von Gesetzes wegen nur in den Fällen vorausgesetzt, in denen die Wiedererlangung der Fahreignung nach einer Alkoholabhängigkeit in Rede steht (vgl. Textziffer 8.4 der Anlage 4).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Fahrerlaubnisentziehung nicht in Betracht kommt, wenn sich die Begutachtungsstelle im Rahmen einer Gutachtenerstattung nach Maßgabe des § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV aus welchen Gründen auch immer der allein ihr insoweit vorbehaltenen sachverständigen Einschätzung zufolge zum Begutachtungszeitpunkt noch nicht dazu in der Lage sieht, verlässlich Auskunft zur Frage der Eignung des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers aus Gründen eines Alkoholmissbrauchs zu geben, d.h. weder die Geeignetheit noch die Ungeeignetheit feststellen kann, die Frage der Geeignetheit aus sachverständiger Sicht mithin offen bleiben muss. Eine Fahrerlaubnis kann nur entzogen werden, wenn die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers erwiesen ist. Die materielle Beweislast trägt insofern die Fahrerlaubnisbehörde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.