Das Verkehrslexikon
OLG Köln (Beschluss vom 12.08.2009 - 83 Ss-OWi 63/09 - Zur unzulässigen Handybenutzung durch Musikhören am Ohr
OLG Köln v. 12.08.2009: Zur unzulässigen Handybenutzung durch Musikhören am Ohr
Das OLG Köln (Beschluss vom 12.08.2009 - 83 Ss-OWi 63/09) hat entschieden:
Die Vorschrift über das verbotene Benutzen eines Funktelefons soll gewährleisten, dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobiltelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Das ist nicht der Fall, wenn der Betroffene das Gerät aufnimmt, um Musik zu hören. Dies setzt zunächst (mindestens) einen Bedienvorgang der Tastatur voraus, der die Aufmerksamkeit des Fahrers bereits in nicht unerheblichem Maße in Anspruch nimmt.
Siehe auch Mobiltelefon - Handy-Benutzung - Gebrauch des Funktelefons
Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 7. Mai 2009 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 40 € verhängt worden.
Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 5. September 2008 mit einem PKW in L. öffentliche Straßen. Dabei benutzte er ein Mobiltelefon, indem er es an sein linkes Ohr hielt, um auf dem Gerät im MP3-Format gespeicherte Musikdateien zu hören.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. Mai 2009 hat er die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und dazu geltend gemacht, mit der Entscheidung sei das Analogieverbot verletzt.
II.
Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250 € festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG ohne weiteres statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind hier allerdings nicht gegeben.
Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden, soweit dies nämlich geboten ist, um den Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Sinn der Regelung ist mithin nicht die Herstellung der rechtlich richtigen Entscheidung im Einzelfall (vgl. SenE v. 24.01.2000 – Ss 191/99 Z –; SenE v. 10.11.2000 – Ss 462/00 Z – = VRS 100, 33 = NZV 2001, 137 [138]; SenE v. 08.01.2001 – Ss 545/00 Z – = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 16 f.; Steindorf, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 80 Rdnr. 1 m.w. Nachw.).
Im Einzelnen sieht die Bestimmung des § 80 Abs. 1 OWiG vor, dass die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden kann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2). Beträgt – wie im vorliegenden Fall – die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100 €, so ist die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 OWiG noch weiter, nämlich in der Weise eingeschränkt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das sachliche Recht die Zulassung rechtfertigt.
Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.
Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen wäre (st. Senatsrechtsprechung; vgl. SenE 04.02.1999 – Ss 45/99 Z – = NZV 1999, 264 = VRS 96, 451; SenE v. 15.04.1999 – Ss 144/99 Z – = VRS 97, 187 = NZV 1999, 436; SenE v. 08.01.2001 – Ss 545/00 Z – = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; SenE v. 11.01.2001 – Ss 532/00 Z – = VRS 100, 204; OLG Düsseldorf VRS 97, 55 = NZV 1999, 437 L.; OLG Hamm VRS 98, 117 f.), ist weder dargetan noch sonst erkennbar.
Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.
Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1a) StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Welche Handlungen im Einzelnen der Vorschrift unterfallen, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung durch zahlreiche Entscheidungen (vgl. die umfangreichen Nachweise in der SenE v. 26. Juni 2008 – 81 Ss-OWi 49/08 – = NJW 2008, 3368 f.; vgl. auch SenE v. 14.04.2009 – 83 Ss-OWi 32/09 – = NZV 2009, 302) hinreichend geklärt. Danach schließt der Begriff der Benutzung die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen der nach üblichem Verständnis als Mobiltelefon bezeichneten Geräte ein (OLG Hamm NJW 2005, 2469; OLG Jena DAR 2006, 636 = NJW 2006, 3734 = VRS 111, 215; OLG Bamberg DAR 2008, 217 = NJW 2008, 599).
Das Amtsgericht hat vorliegend das Halten des Mobiltelefons an das Ohr und das Abhören dort gespeicherter Musikdateien zur verbotswidrigen Nutzung gezählt. Damit überschreitet der Tatrichter nicht die Grenzen der noch zulässigen Auslegung der Bestimmung des § 23 Abs. 1a) StVO. Mit der Darstellung von Daten hat der Betroffene das Mobiltelefon in einer der zur Verfügung stehenden Funktionen verbotswidrig genutzt. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobiltelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat (vgl. OLG Stuttgart NJW 2008, 3369 f.). Das ist nicht der Fall, wenn der Betroffene das Gerät aufnimmt, um Musik zu hören. Dies setzt zunächst (mindestens) einen Bedienvorgang der Tastatur voraus, der die Aufmerksamkeit des Fahrers bereits in nicht unerheblichem Maße in Anspruch nimmt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht von demjenigen, bei dem ein Telefongespräch, etwa durch Anwahl der Rufnummer (vgl. dazu OLG Hamm NZV 2007, 483), vorbereitet wird. Auch während des anschließenden Hörens der Dateien mit dem am Ohr gehaltenem Gerät ist der Fahrer in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass er auf eventuelle Gefahrensituationen nicht angemessen reagieren kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.