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Amtsgericht Weilheim Urteil vom 07.03.2009 - 9 C 1/07 - Zur Erstattung der sog. Verbringunskosten zur Lackiererei bei fiktiver Schadensabrechnung

AG Weilheim v. 07.03.2009: Zur Erstattung der sog. Verbringunskosten zur Lackiererei bei fiktiver Schadensabrechnung


Das Amtsgericht Weilheim (Urteil vom 07.03.2009 - 9 C 1/07) hat entschieden:
Im Hinblick auf die fiktive Schadensabrechnung auf Grundlage der Netto-Reparaturkosten sind auch die anfallenden Verbringungskosten zur Lackiererei mit in Ansatz zu bringen.


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Unfallvorgang. Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Pkw Ford Fiesta mit dem amtlichen Kennzeichen .... Die Beklagte zu 1.) ist Halterin des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das bei der Beklagten zu 2.) am Unfalltag haftpflichtversichert war. Der Sonn des Klägers parkte ordnungsgemäß den Pkw Ford Fiesta am 04.05.2006 auf dem ...-Parkplatz in Schongau. Währenddessen befuhr auch die Beklagte zu 1.) den ...-Parkplatz. Als der Zeuge K. mit seinem Fahrrad dem Fahrzeug der Beklagten zu 1.) auswich, stieß dieser an das Fahrzeug des Klägers.

Als der Sohn des Klägers den Ford Fiesta am 05.05.2006 auf dem ...-Parkplatz abholen wollte, fand er am Pkw einen Zettel von der Beklagten zu 1.) mit folgenden Worten vor: „Bitte melden bei ..., 088.../91... wegen Delle im Auto! Habe Fahrradfahrer übersehen. Beim Ausweichen ist er ins Auto gefahren!“.

Mit schreiben der Beklagten zu 1.) vom 13.05.2006 bat diese den Kläger zunächst einen Kostenvoranschlag zu übersenden. Nach dem Kostenvoranschlag der Firma J. K. GmbH für den dem Kläger 25,00 EURO in Rechnung gestellt wurden, ergibt sich ein Netto-Reparatur-Aufwand in Höhe von 891,90 EURO. Der schriftlichen Aufforderung der Klägerseite vom 12.06.2006 insgesamt einen Betrag von EURO 1.085,60 binnen zwei Wochen zu erstatten, ist die Beklagtenseite nicht nachgekommen.

Die Klägerseite bringt vor, dass es aufgrund des streitgegenständlichen Unfallvorgangs zu einem Kratzer und einer großen Delle auf der linken Seitenwandseite und an der Türseite des klägerischen Fahrzeugs gekommen sei und hierdurch ein Sachschaden in Höhe von 891,90 EURO netto entstanden sei. Da dieser Schaden am Fahrzeug beim Betrieb des Kraftfahrzeugs der Beklagten zu 1.) entstanden sei, komme es auf die Erforderlichkeit einer Ausweichreaktion des anderweitig unfallbeteiligten Fahrradfahrers nicht an. Dem Grunde nach bestehe deshalb der Anspruch auf Grundlage der §§ 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 Satz 1 StVO. Neben den Reparaturkosten seien darüber hinaus die Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 25,00 EURO sowie eine Unkostenpauschale von weiteren 25,00 EURO in Ansatz zu bringen. Ferner seien auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 87,29 EURO zu regulieren.

Der Kläger beantragt deshalb,
die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EURO 941,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2006 zu bezahlen, sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von EURO 87,29.
Hiergegen beantragt die Beklagtenpartei Klageabweisung.

Die Beklagtenpartei bestreitet die Klageforderung der Höhe nach. Sie bringt vor, dass bei dem Anstoß des Fahrrades des Zeugen K. gegen die hintere linke Seitenwand des Klägerfahrzeugs die Türe vorne links nicht berührt und nicht beschädigt worden sei. Zudem bringt die Beklagtenseite vor, der behauptete Schaden von 891,90 EURO liege in dem Bereich eines wirtschaftlichen Totalschadens, sodass nicht die Reparaturkosten, sondern nur auf Basis des Wiederbeschaffungswertes abzüglich Restwerte Ersatz verlangt werden kann. Weiter wird der Ersatz der Kosten für Erstellung des Kostenvoranschlages als nicht unfallbedingt abgelehnt. Die Beklagtenseite bringt vor, dass vorliegend nicht nur ein außergerichtliches Mandat, sondern ein Gesamtauftrag, einschließlich des unbedingten Auftrags zur Prozessführung erteilt worden sei und deshalb außergerichtliche Gebühren nicht verlangt werden konnten. Darüber hinaus scheitere der Zahlungsanspruch auch an fehlender Rechnungserteilung und Bezahlung durch den Kläger.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Anwaltsschriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.06.2007 Bezug genommen.

Es wurde in dieser Sache Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen S. K. und Ch. Z.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.06.2007 Bezug genommen.

Des weiteren wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigen-Gutachtens auf Grundlage des Beweisbeschlusses vom 10.07.2007.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigen-Gutachten des Herrn Dr. Ing. H... S... vom 12.09.2007 Bezug genommen.

Aufgrund der Einverständnis-Erklärung der Klägerseite vom 21.01.2008 und der Beklagtenseite vom 09.01.2008 wurde mit Beschluss vom 24.01.2008 Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angeordnet gemäß § 128 Abs. 2 ZPO. Schriftsatzfrist wurde bestimmt auf 15.02.2008, Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf Freitag, 07.03.2008, 08:40 Uhr.


Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage hat überwiegend in der Sache Erfolg und ist nur in einem geringen Umfang unbegründet.


II.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 1.) ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 867,55 EURO gemäß §§ 7, 18 StVG zu.

1. Die grundsätzliche Einstands-Pflicht der Beklagten zu 1.) als Halterin im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG und als Fahrer wegen vermuteten Verschuldens gemäß § 18 StVG ist zwischen den Parteien nicht weiter streitig. Ein Mithaftungsanteil des klägerischen Fahrzeugs ist vorliegend nicht ersichtlich, nachdem dieses unstrittig ordnungsgemäß auf dem Parkplatzgelände abgestellt war. Evtl. weiter hinzutretende Verschuldensanteile des beteiligten Fahrradfahrers wären hier im Verhältnis zwischen den Parteien nicht zu berücksichtigen gewesen. Strittig zwischen den Parteien ist in erster Linie in welcher Höhe eine Ersatzpflicht besteht.

2. Das Gericht geht auf Grundlage des schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigen-Gutachtens des Dr. Ing. H.… Sattel davon aus, dass Reparatur-Kosten in Höhe von insgesamt 817,55 EURO netto erstattungsfähig sind.

a) Aufgrund der Aussagen der beiden Zeugen und auch auf Grundlage der Feststellung im Sachverständigen-Gutachten geht das Gericht davon aus, dass durch die Kollision des Fahrrads des Zeugen Kögel mit dem Fahrzeug des Klägers am linken Seitenteil ein entsprechender Schaden durch eine Delle entstanden ist. Die Frage, ob darüber hinaus auch noch an der Fahrertüre ein weiterer Schaden entstanden ist, braucht hier nicht abschließend beantwortet zu werden. Insoweit führt der Sachverständige aus, dass auch für den Fall, dass die leichte kleine Delle oberhalb des Türgriffes der Fahrertüre auf den Zusammenstoß mit dem Fahrrad zurückzuführen wäre, keine Schadenserweiterung hierdurch eingetreten sei, da sich unterhalb eine deutlich größere leicht Deformation befindet, sodass keine Instandsetzungsarbeiten vorzusehen sind hierfür.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sind im Hinblick auf die fiktive Schadensabrechnung auf Grundlage der Netto-Reparaturkosten auch die anfallenden Verbringungskosten zur Lackiererei mit in Ansatz zu bringen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage, Rd.-Ziffer 24 zu § 12). Es handelt sich hierbei auch um einen regelmäßig anfallenden Aufwand zur Schadensbehebung.

c) Auch der Einwand der Beklagtenseite, es hätte hier nicht auf Grundlage der Netto-Reparaturkosten, sondern auf Grundlage eines wirtschaftlichen Totalschadens abgerechnet werden müssen, geht angesichts der glaubhaften Darstellung des Sachverständigen, dass auch bei wertmindernder Berücksichtigung der Altschäden an der Fahrzeugfront ein Fahrzeugwiederbeschaffungswert zum Unfallzeitpunkt von ca. 1 500,00 EURO ergebe, ins Leere. Insoweit kann bei weitem nicht von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgegangen werden.

3. Die Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 25,00 EURO sind als Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als erforderlich und erstattungsfähig im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen. Insoweit ist die Klägerseite auch ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte zu 1.) selbst zur Übersendung eines Kostenvoranschlages aufgefordert hatte.

4. Unter Zugrundelegung des durch den Sachverständigen festgestellten erforderlichen Reparaturaufwandes einschließlich Verbringungskosten in Höhe von 817,55 EURO netto sowie der Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 25,00 EURO und einer weiteren Unkostenpauschale von 25,00 EURO, die als erforderlich und angemessen seitens des Gerichtes angesehen wird, ergibt sich ein Forderungsbetrag von 867,55 EURO. Im Hinblick auf den überschießenden Klagebetrag war die Klage als unbegründet abzuweisen.


III.

Die Verzinsungspflicht ergibt sich hier aus den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.


IV.

Hinsichtlich des vorgerichtlichen Gebühren-Anspruchs ging das Gericht davon aus, dass die Klägerpartei, wenngleich auch mündlich, einen Auftrag zur vorgerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erteilt hat. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur vorgerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall sind auch regelmäßig als erforderliche und angemessene vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten anzusehen. Gleichwohl konnte der Zahlungsanspruch hier nicht durchgehen, da weder vorgebracht noch vorgetragen wurde, dass ein entsprechender Gebührenbetrag in Rechnung gestellt wurde. Zwar geht das Gericht davon aus, dass für die Gewährung eines Zahlungsanspruches nicht bereits die Begleichung der Gebührenforderung notwendig erscheint, jedoch müsste zumindest eine Rechnungsstellung gegenüber dem Mandanten vorgebracht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dies führt jedoch vorliegend nicht zur vollständigen Abweisung dieses Klageantrages. Zwar ist ein Zahlungsanspruch damit nicht schlüssig vorgetragen. Dies hindert die Titulierung eines Freistellungsanspruches jedoch nicht. Denn im Zahlungsantrag ist als Minus der Freistellungsantrag enthalten (vgl. Zöller, 26. Auflage, ZPO, Rd.-Ziffer 4 zu § 308).


VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Nachdem die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war, konnte das Gericht der Beklagtenpartei die gesamten Prozesskosten auferlegen.


VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.



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