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Landgericht Halle Urteil vom 16.12.2008 - 2 S 178/08 - Zur Wahrung der Schriftform durch faksimilierte und aufgedruckte Unterschriften
LG Halle v. 16.12.2008: Zur Wahrung der Schriftform durch faksimilierte und aufgedruckte Unterschriften
Das Landgericht Halle (Urteil vom 16.12.2008 - 2 S 178/08) hat entschieden:
Das Schriftformerfordernis für die Kündigung eines Versicherungsvertrages ergibt sich aus § 4d AKB. Diese Regelung ist entsprechend §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass es einer eigenhändigen Unterschrift nicht bedarf, sondern eine faksimilierte Unterschrift genügt. Bei Erklärungen, die gegenüber einer Vielzahl von Personen abgegeben werden, reichen für die gewillkürte Schriftform ein Faksimilestempel bzw. vorgedruckte Unterschriften aus. Denn die vereinbarte Schriftform soll hier vorrangig dazu dienen, dass die jeweiligen Vertragspartner Dokumente zur Verfügung haben, mit denen sie den Nachweis der erfolgten Kündigung führen können. Hierfür ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Kündigung eine eigenhändige Unterschrift trägt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrages.
Wegen des Tatbestandes nimmt die Kammer gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug und führt ergänzend aus:
Unverzüglich nachdem die Klägerin Kenntnis von der Alkoholisierung des Beklagten zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalis erlangt hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 30.10.2006 den Versicherungsvertrag des Beklagten. Dieses Schreiben ist unterzeichnet mit Faksimile von zwei Prokuristen, nämlich … und … die Gesamtvertretungsmacht besitzen. Diese Vertretungsregelung ist im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht worden.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der von ihr bereits mit Rücksicht auf den Verkehrsunfall erbrachten 2 602,74 € aus § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 9 PflVG a.F.. Die Leistungsfreiheit bis zur Höhe von 5 000 € ergibt sich aus § 2b Abs. 2 und 3 der hier geltenden AKB.
Der Beklagte hat gemäß § 2b Abs. 2e) AKB eine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag verletzt, da er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das versicherte Fahrzeug sicher zu führen.
Die Klägerin ist es auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 S. 3 VVG verwehrt, sich auf den Eintritt der Leistungsfreiheit zu berufen. Die Klägerin hat innerhalb eines Monats, nachdem sie von der Verletzung der Obliegenheit Kenntnis erlangt hat, den Versicherungsvertrag gekündigt. Zwei Prokuristen der Klägerin haben die außerordentliche Kündigung vom 30.10.2006 wirksam unter Einhaltung der Formvorschriften im Namen der Klägerin erklärt. Sie scheitert nicht an der fehlenden Vollmachtsvorlage. Der Beklagte ist von der Bevollmächtigung durch ihre Eintragung in das Handelsregister und deren Bekanntmachung in Kenntnis gesetzt worden. Er muss diese Tatsache gemäß § 15 Abs. 2 HGB gegen sich gelten lassen.
[Name1] und [Name2] waren als Prokuristen der Klägerin gemäß § 49 HGB zur Vertretung der Klägerin berechtigt Für den Beklagten war durch den die Prokura andeutenden Zusatz der Unterschriften klar erkennbar, dass die Erklärenden jeweils in ihrer Eigenschaft als rechtsgeschäftliche Vertreter in Ausübung der einem Prokuristen zustehenden Vertretungsmacht unterzeichnet haben.
Die faksimilierten Unterschriften stehen der vereinbarten Schriftform nicht entgegen. Die Schriftform der Kündigung eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrages ist nicht gesetzlich vorgesehen, sodass die strengen Vorschriften des § 126 BGB gemäß § 127 Abs. 1 BGB nur im Zweifel gelten.
Das Schriftformerfordernis ergibt sich aus § 4d AKB. Diese Regelung ist entsprechend §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass es einer eigenhändigen Unterschrift nicht bedarf, sondern eine faksimilierte Unterschrift genügt. Bei Erklärungen, die gegenüber einer Vielzahl von Personen abgegeben werden, nimmt die ganz herrschende Meinung an, dass für die gewillkürte Schriftform ein Faksimilestempel bzw. vorgedruckte Unterschriften ausreichen (vgl. MüKo-Einsele, BGB, 5. Aufl., § 127, Rdn. 7 m.w.N., der Kündigungs- oder Mahnschreiben einer Versicherungsgesellschaft ausdrücklich als Beispiel anführt). Denn die vereinbarte Schriftform soll hier vorrangig dazu dienen, dass die jeweiligen Vertragspartner Dokumente zur Verfügung haben, mit denen sie den Nachweis der erfolgten Kündigung führen können. Hierfür ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Kündigung eine eigenhändige Unterschrift trägt.
Einer Lesbarkeit der faksimilierten Unterschrift bedarf es zur Wahrung der (gewillkürten) Schriftform indessen nicht. Der Erklärungsempfänger erhält durch die Unterschrift nur die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist. Selbst das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf der Grundlage von § 126 BGB verlangt nicht, dass unmittelbar bei Abgabe der schriftlichen Erklärung für den Erklärungsempfänger die Person des Ausstellers feststehen muss; dieser soll nur identifiziert werden können ( BAG, Urt.v. 24.01.2008 – 6 AZR 519/07, NJW 2003, 2521).
Die Kündigung wurde nicht wirksam gemäß § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen. Zwar wurden der Kündigung keine Originalvollmachten der unterzeichnenden Prokuristen beigelegt. Jedoch kann sich der Beklagte hierauf nicht berufen, da § 174 S. 2 BGB eingreift. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, weil die Klägerin den Beklagten von der Bevollmächtigung durch die Eintragung der Prokura im Handelsregister und deren Bekanntmachung in Kenntnis gesetzt hat.
§ 15 Abs. 2 S. 1 HGB gilt nach seinem Wortlaut wie seinem Sinn und Zweck nach auch im Rahmen des § 174 S. 2 BGB ( BAG, Urt.v. 11.07.1991, 2 AZR 107/91, NZA 1992, 497). Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs geht die Vorschrift von der tatsächlichen Kenntnisnahme des Dritten von der eingetragenen Tatsache aus, unabhängig davon, ob dieser das Handelsregister tatsächlich eingesehen oder in sonstiger Weise von der eingetragenen Tatsache Kenntnis erlangt hat oder nicht. Dem Schutzbedürfnis des Dritten wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass er sich nach dieser Vorschrift nur richtige Tatsachen entgegen halten lassen muss.
Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 HGB sind erfüllt. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass die Prokuraerteilung der beiden Unterzeichnenden eingetragen und bekannt gemacht worden ist.
Es ist auch in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob die beiden Unterschriften der Prokuristen lesbar waren und den Personen, die im Handelsregister als Prokuristen eingetragen waren, eindeutig zugeordnet werden konnten. § 15 Abs. 2 HGB dient gerade dazu, in dem Fall der nicht erfolgen Einsichtnahme in das Handelsregister die Kenntnis von der eingetragenen Tatsache zu fingieren. Die fehlende Lesbarkeit der Unterschriften stellt sich wiederum nur als Problem der mangelnden Nachvollziehbarkeit dar und kann keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des § 174 S. 2 BGB haben. Dieses Problem der mangelnden Erkennbarkeit dessen, ob tatsächlich der Bevollmächtigte der Urheber der Erklärung ist, ergäbe sich auch, wenn unter Vorlage einer Vollmachtsurkunde gekündigt worden wäre und damit § 174 S. 1 BGB Anwendung fände. Denn in diesem Fall würde sich aus der Vollmachtsurkunde ebenfalls nicht ergeben, mit welchem Schriftzug der Bevollmächtigte unterzeichnet und es würde sich in gleicher Weise die Frage nach der Identität des Unterzeichners stellen.
Für den Feststellungsantrag besteht das notwendige Feststellungsinteresse. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Ansprüche wegen des Verkehrsunfalls gegen die Klägerin geltend gemacht werden. Nach § 2b Abs. 3 der AKB ergibt sich die Leistungsfreiheit der Klägerin bis zur Höhe von 5 000 €, sodass sich der Freistellungsanspruch aus der sich daraus ergebenden Differenz zur Klageforderung ergibt.
Die Widerklage ist unbegründet. Dieser Rechtsstreit hat keine Erledigung gefunden. Die Widerklage war bereits bei Erhebung unbegründet. Das Versicherungsverhältnis wurde durch die Kündigung beendet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Insbesondere hält die Kammer die hier maßgebliche Frage, ob die Verlautbarung der Bevollmächtigung im Handelsregister auch im Rahmen des § 174 Satz 2 BGB gilt, durch die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die auch in der Literatur Zustimmung gefunden hat, für hinreichend gerecht.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 47 GKG, 3 ZPO. Hinsichtlich der Widerklage entspricht der Streitwert den Rechtsanwalts- und Gerichtskosten, die der Kläger aufgrund des angegriffenen Urteils hätte leisten müssen.