Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Köln Urteil vom 28.05.2009 - 20 K 7642/08 - Zur Berechtigung des Abschleppens nach einer Vorlaufzeit von 48 Stunden
VG Köln v. 28.05.2009: Zur Berechtigung des Abschleppens nach einer Vorlaufzeit von 48 Stunden
Das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 28.05.2009 - 20 K 7642/08) hat entschieden:
Das Haltverbotsschild Z 283 als Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt bei Verkehrszeichen durch Aufstellen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Anbringung oder Aufbringung in der Weise erfolgen muss, dass der im Sinne des § 1 StVO sorgfältig handelnde Verkehrsteilnehmer die Anordnung ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen kann. Grundsätzlich reicht schon eine Vorlaufzeit von 48 Stunden aus, um Fahrzeughalter vor überraschenden Abschleppmaßnahmen mit dem Folgeaufwand an Zeit und Geld zu bewahren.
Tatbestand:
Der Kläger ist Halter des Fahrzeugs Typ BMW mit dem amtlichen Kennzeichen C.-T.…. Am Montag, dem 10.11.2008, um 8.00 Uhr fand eine Außendienstmitarbeiterin des Beklagten das Fahrzeug auf dem öffentlichen Parkplatz V.-straße in … C1. vor. Die Einfahrt des Parkplatzes war durch zwei mobile Haltverbotszeichen, die mit einem rot-weißen Flatterband verbunden waren, gesperrt. Die Sperrung diente der Durchführung des alljährlich auf dem Parkplatz stattfindenden Martinsfeuers, das am 10.11.2008 dort abgebrannt wurde. Die Außendienstmitarbeiterin des Beklagten suchte daraufhin zunächst die Wohnanschrift des Klägers auf, traf diesen jedoch nicht an. Ein Abschleppauftrag wurde um 8.30 Uhr erteilt. Der eintreffende Abschleppwagen schleppte das Fahrzeug ab.
Mit Leistungs- und Gebührenbescheid vom 13.11.2008 nahm der Beklagte den Kläger auf Erstattung der entstandenen Abschleppkosten (105,91 EUR) sowie einer Gebühr in Höhe von 50,00 EUR in Anspruch. Am 19.11.2008 sprach der Kläger persönlich beim Beklagten vor und überreichte ein ärztliches Attest vom 17.11.2008, ausweislich dessen er sich in der Zeit vom 30.10.2008 bis 14.11.2008 in stationärer Behandlung im Kreiskrankenhaus X. befand. Der Beklagte erließ darauf hin dem Kläger die Verwaltungsgebühren in Höhe von 50,00 EUR und änderte den Heranziehungsbescheid mit Änderungsbescheid vom 19.11.2008 entsprechend ab.
Am 26.11.2008 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass im Zeitpunkt des Abstellens des PKW keine Haltverbotsschilder vorhanden gewesen seien. Er sei schon im Zeitpunkt des Abstellens schwer und akut erkrankt gewesen und habe sich in stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus X. begeben, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, andere Personen zur späteren Überprüfung der Parksituation heranzuziehen. Im Hinblick auf seine Erkrankung und den stationären Aufenthalt sei es ihm unmöglich gewesen, das mobile Haltverbotszeichen zu erkennen, so dass die Abschleppmaßnahme rechtswidrig gewesen sei. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren sei bereits eingestellt worden. Im Übrigen bestreitet der Kläger, dass die Sperrung rechtzeitig bekannt gegeben worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Leistungsbescheid des Beklagten vom 13.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.11.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, die Verbotsbeschilderung sei entsprechend der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 21.08.2008 ordnungsgemäß am 05.11.2008 durch den Betriebshof aufgestellt worden. Eine Nachkontrolle durch seine Politessen sei ohne Beanstandungen geblieben. Wenn jemand sein Fahrzeug über mehrere Tage auf öffentlichem Straßenland abstelle, könne er sich bei kurzfristiger Änderung der Verkehrsverhältnisse nicht darauf berufen, dass zum Zeitpunkt des Abstellens das Parken erlaubt gewesen sei. Es bestehe vielmehr die Verpflichtung, in Abständen von zwei oder drei Tagen nachzuschauen, ob die verkehrsrechtliche Lage immer noch die alte sei, und bei Veränderungen die Konsequenzen hieraus zu ziehen. Dies sei dem Kläger auch bekannt gewesen, da sich im Jahre 2007 ein ähnlicher Vorfall ereignet habe, bei dem der Kläger dann vom Krankenbett aus die Entfernung seines Fahrzeuges organisiert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.11.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Kostenpflicht des Klägers beruht auf § 77 VwVG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 7 bzw. 8 KostO NRW i.V.m. § 24 OBG NRW, § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 PolG NRW bzw. § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW. Hiernach hat der Ordnungspflichtige die durch die Sicherstellung oder Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu erstatten.
Voraussetzung für ein Eingreifen nach diesen Vorschriften ist unter anderem eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der mit den Mitteln des Ordnungsrechtes begegnet werden kann. Im Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten lag ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6a StVO vor, da das Fahrzeug in einem Bereich abgestellt war, in dem das Halten und Parken durch mobile Haltverbotsschilder (VZ 283) untersagt war. Die hinsichtlich einer wirksamen verkehrsrechtlichen Anordnung zunächst bestehenden Bedenken des Gerichts sind durch die weiteren Erläuterungen des Beklagten im Schriftsatz vom 20.05.2009 und in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt worden.
Das Haltverbotsschild Z 283 als Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG NRW) wird gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG NRW gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt bei Verkehrszeichen durch Aufstellen (§ 39 Abs. 1 und 1a, § 45 Abs. 4 StVO). Sie setzt voraus, dass das Zeichen von demjenigen, der mit seinem Fahrzeug in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne Weiteres wahrgenommen werden kann. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Anbringung oder Aufbringung in der Weise erfolgen muss, dass der im Sinne des § 1 StVO sorgfältig handelnde Verkehrsteilnehmer die Anordnung ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen kann,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12 1996 - 11 C 15.95 -, BVerwGE 102, 316 ff; OVG NRW, Urteil vom 23.05.1995 - 5 A 2092/93 -, NWVBl. 1995, T.. 475 und Urteil vom 15.05.1990, - 5 A 1687/89 -, NJW 1990, T.. 2835; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 30 StVO Rn. 32 ff.
Für den Fall einer zeitlich befristeten Außerkraftsetzung einer Dauerbeschilderung durch eine mobile Beschilderung folgt daraus unmittelbar, dass die zuständige Behörde die vorübergehende Außerkraftsetzung einer entgegen stehenden Dauerbeschilderung für den Verkehrsteilnehmer durch entsprechende Hinweise deutlich machen muss, so dass dieser über die jeweils geltende Rechtslage nicht im Ungewissen bleibt. Solche Hinweise sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine mobile Beschilderung ohne weiteres Geltungsvorrang vor einer Dauerbeschilderung hätte,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 07.12.2005 - 5 A 5109/94 - (veröffentlicht unter www.nrwe.de.); OVG NRW, Beschluss vom 27.03.2009 - 5 A 639/09 -.
Diesen Maßgaben genügt die hier in Rede stehende Beschilderung. An der Einfahrt des Parkplatzes waren zwei Verkehrszeichen 283 mit dem Zusatz „Parkplatz von Sonntag 09.11.2008 - Dienstag 11.11.2008 wegen Martinsfeuer gesperrt“ angebracht. Beide Verkehrszeichen waren derart mit einem rot-weißen Flatterband verbunden, dass die Einfahrt auf den Parkplatz versperrt war. Dies ergibt sich aus den von der Außendienstmitarbeiterin des Beklagten am Morgen des 10.11.2008 gefertigten Lichtbildern und den hierzu vom Beklagten mit Schriftsatz vom 20.05.2009 und in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erläuterungen. Zu der auf dem Parkplatz selbst vorhandenen Erlaubnisbeschilderung hatten die Verkehrsteilnehmer bei dieser Sachlage gar keinen Zugang, so dass zur Überzeugung des Gerichts unter Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes aus § 1 StVO für jeden Verkehrsteilnehmer eindeutig zu erkennen war, welche Verkehrsregelung für den fraglichen Zeitraum maßgeblich sein sollte.
Das Haltverbot war auch dem Kläger gegenüber ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, obwohl er seinen PKW bereits vor Aufstellen der Verbotsbeschilderung auf dem Parkplatz abgestellt und diese daher tatsächlich nicht wahrgenommen hat. Die Fortdauer der Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer und die damit einhergehende Fortdauer der Sorgfaltspflicht des § 1 StVO bei einem Dauerparken haben zur Folge, dass Verkehrsteilnehmer und Fahrzeuge auch dann in den Wirkungsbereich eines Verkehrszeichens gelangen, wenn sie sich im Zeitpunkt der Aufstellung bereits in dem Bereich befinden, für den das Verkehrszeichen Geltung beansprucht. Die Unmaßgeblichkeit der tatsächlichen Kenntnisnahme rechtfertigt sich in derartigen Fällen aus dem Grundprinzip des Straßenverkehrsrechts, eine eindeutige, regelmäßig für alle Verkehrsteilnehmer einheitliche Verkehrsregelung zu treffen. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs lassen grundsätzlich eine Aufspaltung der Wirksamkeit von Verkehrszeichen für verschiedene Kreise von Verkehrsteilnehmern und Fahrzeugen nicht zu,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 ff.
Es kommt des Weiteren nicht darauf an, ob der Kläger in Folge seiner Erkrankung mit der Notwendigkeit einer sofortigen stationären Krankenhausaufnahme schuldhaft gehandelt hat. Anders als im Ordnungswidrigkeitenverfahren, wo es um die Ahndung eines schuldhaften Verkehrsverstoßes geht, ist im ordnungsrechtlichen Verfahren allein der objektive Verkehrsverstoß maßgeblich. Die Verkehrsordnungsbehörden sind grundsätzlich berechtigt, eine objektiv gegebene Behinderung des Verkehrs durch Einleitung eines Abschleppvorgangs zu beseitigen. Die Abschleppmaßnahme stellt sich schließlich als verhältnismäßig dar. Insbesondere war die hier gewahrte Vorlaufzeit von 5 Tagen von der Aufstellung der Verbotsbeschilderung bis zum Abschleppvorgang entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu kurz bemessen. Grundsätzlich reicht schon eine Vorlaufzeit von 48 Stunden aus, um Fahrzeughalter vor überraschenden Abschleppmaßnahmen mit dem Folgeaufwand an Zeit und Geld zu bewahren,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.09.2004 - 5 E 785/04 - m.w.N.
Im übrigen hat sich der Beklagte bemüht, den Kläger sowohl an seiner Wohnanschrift als auch - nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung - im N. in C1., wo er bei einem vergleichbaren Vorgang im Jahr 2007 ausfindig gemacht worden war, aufzusuchen. Weitere Maßnahmen waren unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten weder geboten noch möglich.
Die eingeleitete Maßnahme hat auch sonst nicht zu Nachteilen geführt, die zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis standen. Die für den Kläger eingetretene Kostenbelastung steht zu dem angestrebten Zweck der Maßnahme, die Durchführung des Martinsfeuers auf dem Parkplatz zu ermöglichen, in keinem Missverhältnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.