Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Berlin Urteil vom 27.08.2009 - 4 K 173.09 - Keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Gebühr für die Einzugsanordnung

VG Berlin v. 27.08.2009: Keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Gebühr für die Einzugsanordnung


Das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 27.08.2009 - 4 K 173.09) hat entschieden:
Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Gebühr für die Zwangsgeldanordnung bei Nichtabgabe des Führerscheins nach einem Entzug der Fahrerlaubnis. Eine den fachsprachlichen Wortsinn verlassende Auslegung des Begriffs „Entziehung einer Fahrerlaubnis“ hin zu „Einziehung des Führerscheins“ verbietet sich, weil (auch) der Verordnungsgeber zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein unterscheidet. Das steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen, so dass es nicht einmal darauf ankommt, dass durch Analogie Gebührentatbestände nicht geschaffen werden können.


Siehe auch FE-Entzug durch Verwaltung und Fahrerlaubnis-Themen


Tatbestand:

Nach teilweiser Klagerücknahme geht es nur noch um eine Gebühr für einen Zwangsgeldfestsetzungsbescheid.

Im Februar 2009 entzog der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis und forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins auf. Widrigenfalls drohte er ihm die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 511 € zuzüglich einer Verwaltungsgebühr an.

Der Kläger gab den Führerschein nicht ab. Die Polizei suchte die Wohnanschrift des Klägers fünfmal auf, um den Führerschein einzuziehen, traf den Kläger jedoch nie an.

Darauf setzte der Beklagte mit Bescheid des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 19. März 2009 gegen den Kläger ein Zwangsgeld von 511 € fest und drohte ihm an, die Ersatzzwangshaft zu beantragen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich sei. Damit verband er eine Gebühr für die zwangsweise Einziehung des Führerscheins von 200 €. Dazu berief er sich auf Nr. 254 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr, deren Gegenstand er mit „Gebühr für die zwangsweise Einziehung eines Führerscheins“ beschrieb. Am 14. April 2009 gab der Kläger bei dem Beklagten die eidesstattliche Versicherung über den Verlust seines Führerscheins ab. Am Tag darauf erhob der Kläger gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, gegen den Gebührenbescheid und die „angedrohte Anordnung einer Ersatzzwangshaft“ Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 17. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und erklärte den Zwangsgeldfestsetzungs- und den Gebührenbescheid für rechtmäßig. In dem Widerspruchsbescheid heißt es, in Folge der eidesstattlichen Versicherung werde nun lediglich die Gebühr von 200 € fällig; auf das Zwangsgeld werde naturgemäß verzichtet. Als Grundlage für die Gebühr nannte der Beklagte nun die Gebührennummer 206 für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am gleichen Tag zugestellt.

Am Montag, dem 18. Mai 2009, hat der Kläger Klage erhoben.

Nach der auf die (schon vor Widerspruchserhebung erledigte) Zwangsgeldfestsetzung bezogenen Teilrücknahme der Klage beantragt der Kläger,
den Gebührenbescheid vom 19. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Bescheide und darauf, dass die Gebührenfestsetzung für die Zwangsgeldfestsetzung seiner ständigen Praxis entspreche.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 29. Juni 2009 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der Verwaltungsvorgang hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe:

Über die durch Rücknahme beschränkte Klage hat infolge des Beschlusses vom 29. Juni 2009 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Einzelrichter zu entscheiden. Das könnte bedenklich sein, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hätte. Das ist indessen trotz der hier zur Prüfung stehenden Verwaltungsübung nicht der Fall. Denn grundsätzliche Bedeutung setzt nicht nur eine über den Einzelfall hinausgehende Auswirkung voraus, was bei einer Verwaltungsübung gegeben sein dürfte. Sondern sie verlangt auch eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, woran es fehlt, wenn sich die Beantwortung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. So aber liegt es hier.

Die Klage ist begründet, weil der Gebührenbescheid mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Vermögensrechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Erfolglos stützt sich der Beklagte auf die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die Verordnung will für Amtshandlungen einschließlich Prüfungen und Untersuchungen etwa nach § 6a StVG (die anderen Normen kommen hier nicht in Betracht) Gebührentatbestände schaffen. § 6a Abs. 1 StVG führt verschiedene Maßnahmen auf, für die Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben werden. Näherer Prüfung zu unterziehen ist hier allenfalls der in § 6a Abs. 1 Buchstabe a) StVG genannte Tatbestand, wonach für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften Gebühren und Auslagen erhoben werden. Die Zwangsgeldfestsetzung ist aber nicht im Straßenverkehrsgesetz oder darauf beruhenden Rechtsvorschriften geregelt, sondern im landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsrecht (hier vermittelt über § 5a VwVfG Bln in den §§ 11 und 14 VwVG). Auch deshalb kann sich der Beklagte nicht – wie im Widerspruchsbescheid geschehen – auf die Gebührennummer 206 berufen. Denn diese betrifft nur die Versagung der Erteilung oder Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, die Versagung der Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis oder Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sowie die Entziehung, den Widerruf oder die Rücknahme einer Fahrerlaubnis oder Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und schließlich das Untersagen des Führens von Kraftfahrzeugen oder Tieren. Die Zwangsgeldfestsetzung ist davon nicht erfasst. Sie wird es auch nicht dadurch, dass sie auf die Vollstreckung einer sich an die Entziehung einer Fahrerlaubnis anschließenden Pflicht (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) bezogen ist. Eine den fachsprachlichen Wortsinn verlassende Auslegung des Begriffs „Entziehung einer Fahrerlaubnis“ hin zu „Einziehung des Führerscheins“ verbietet sich, weil (auch) der Verordnungsgeber zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein unterscheidet. Das steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen, so dass nicht zu vertiefen ist, dass durch Analogie Gebührentatbestände nicht geschaffen werden können.

Die im Ausgangsbescheid angeführte Gebührennummer 254 trägt die streitige Gebühr ebenfalls nicht. Sie betrifft sonstige Anordnungen nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung und der Fahrerlaubnis-Verordnung. Auch dazu gehört die Zwangsgeldfestsetzung nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht nicht. Die im Ausgangsbescheid angeführte „Gebühr für die zwangsweise Einziehung eines Führerscheins“ ist nicht Wiedergabe des Normtextes, sondern Ergebnis der (fehlerhaften) Auslegung dieses Textes durch die Behörde. Die in der Gebührennummer 254 genannten Normengesamtheiten regeln die Festsetzung eines Zwangsgelds nicht. Unerheblich ist auch hier, dass mit ihr die Pflicht aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, die auch in § 47 Abs. 1 FeV anklingt, vollstreckt bzw. deren Erfüllung erzwungen werden soll. Denn nicht die Anordnung, den Führerschein abzugeben, soll hier der Ansatz für die Gebühr sein, sondern die Festsetzung des darauf bezogenen Zwangsmittels. Zu den bereits dargestellten Hinderungsgründen für eine – wie im Ausgangsbescheid vertretene – erweiternde Auslegung auf „die zwangsweise Einziehung eines Führerscheins“ tritt im Falle der Gebührennummer 254, dass dieser Tatbestand weiter regelt, dass die Gebühr auch die im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Anordnungen entstehenden Kosten umfasst. Löst eine bestimmte Anordnung eine Gebühr aus, die die Kosten der Vollstreckung der Anordnung umfasst, schließt das es aus, diesen Gebührentatbestand als Grundlage für eine Gebühr für eine Maßnahme zur Vollstreckung einer solchen Anordnung heranzuziehen.

Das Berliner Gesetz über Gebühren und Beiträge und die darauf beruhende Verwaltungsgebührenordnung geben für die Erhebung einer Gebühr für die Festsetzung eines Zwangsgelds ebenfalls nichts her. Andere Rechtsgrundlagen, die die Maßnahme tragen könnten, gibt es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die außergerichtlichen Kosten des Klägers nach einem Wert zu bemessen sind, der höher liegt als der Anteil seines Erfolgs. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.