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OLG Celle Urteil vom 30.09.2009 - 14 U 63/09 - Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten und Eigenersparnis
OLG Celle v. 30.09.2009: Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten und Eigenersparnis
Das OLG Celle (Urteil vom 30.09.2009 - 14 U 63/09) hat entschieden:
- Bei der Berechnung des Ersatzanspruchs für die unfallbedingt erforderlich gewordene Nutzung eines Mietwagens kann im Rahmen des Vorteilsausgleichs für ersparte Eigenaufwendungen ein pauschaler Abzug von 5 % der Mietwagenkosten angemessen sein.
- Im Rahmen der Schadensschätzung kann – je nach Umständen des Falles – die Wertminderung eines verunfallten Pkw auch nach der Methode Ruhkopf/Sahm ermittelt werden.
- Der durch einen fremdverschuldeten Unfall geschädigte KfzEigentümer kann bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung (hier: CDW = Collision Damage Waiver – Gebühr) grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war.
- Die Gebühr für eine Insassenunfallversicherung PAI (= Personal Accident Insurance) ist nur ersatzfähig, wenn dem Geschädigten vor dem Unfall ein entsprechender Versicherungsschutz zur Verfügung stand.
Siehe auch Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten und Wertminderung / merkantiler Minderwert
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Ersatzfahrzeug:
a) Der Einwand der Beklagten, der Klägerin stehe als Partnerschaftsgesellschaft keine Nutzungsausfallentschädigung zu, ist unerheblich. Die Klägerin begehrt keinen Ersatz für Nutzungsausfall, sondern Ersatz der angefallenen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs.
Die Klägerin hat dargelegt, warum sie den Pkw infolge des Unfalls nicht hat nutzen können. Dass der Pkw danach nicht verkehrssicher war, hat der Sachverständige T. bestätigt (Bl. 20 d.A.). Der Zeuge S. hat darüber hinaus ausgesagt, warum der Wagen zur Reparatur nach Göttingen verbracht und von dort ein Mietwagen abgeholt worden sei, den er dann für die Partnerschaftsgesellschaft genutzt habe (Bl. 136 d.A.). Die Beklagten sind diesem Vortrag bzw. dieser Aussage nicht entgegengetreten (Bl. 136 f.d.A.).
b) Der Senat hat keinen Anlass, die in der Rechnung vom 9. März 2007 (Bl. 76 d.A.) angesetzten 9 Tage für die Nutzung des Mietwagens in Zweifel zu ziehen. Die Nutzungsdauer war nach der Rechnung noch länger (Mietbeginn: 27. Februar 2007, Rückgabe des Fahrzeugs am 9. März 2007). Dass der Sachverständige eine Reparaturdauer von nur 5 Werktagen angenommen hat (Bl. 20 d.A.), ist demgegenüber unbeachtlich. Hier handelte es sich nur um eine vage Schätzung aufgrund des Schadensbildes. die Auslastung der Werkstattkapazität oder ggf. auch der erforderliche Zeitraum, um Ersatzteile zu beschaffen, konnten dabei nicht berücksichtigt werden. Darauf hat der Sachverständige hingewiesen (Bl. 23 d.A.)
c) Auf die Verästelungen der jüngeren BGH-Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit von Unfallersatztarifen kommt es vorliegend nicht an. Denn es wurde lediglich ein Normaltarif
in Höhe von 111,21 € für 9 Tage in Rechnung gestellt (zusammen 1.000,89 €, Bl. 76 d.A.).
d) Ersatzfähig ist über den reinen Mietwagentarif hinaus auch die CDW-Gebühr (= Collision Damage Waiver) von 349,11 €, die zu einem Ausschluss der Eigenbeteiligung bei Unfallschäden führt. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Vollkaskoschutz ist in der Regel eine adäquate Schadensfolge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der durch einen fremdverschuldeten Unfall geschädigte KfzEigentümer bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war (vgl. BGH, Urteil vom 15. Feb. 2005 – VI ZR 74/04, VersR 2005, 568, juris Rdnr. 11). Davon ist hier auszugehen, weil das Ersatzfahrzeug im Vergleich zu dem Unfallwagen (leicht) höherwertig war (Audi A6, 3.0 TDI, 165 KW gegenüber Audi A6, 2.7, 132 KW – vgl. Bl. 21 und 76 d.A.) und die zusätzliche Versicherungsgebühr zu dem abzusichernden Schadensrisiko nicht außer Verhältnis stand. Für einen Abzug unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs sieht der Senat deshalb keinen Anlass (§ 287 ZPO).
e) Die Gebühr für die Insassenunfallversicherung PAI (= Personal Accident Insurance) von 38,79 € ist dagegen nicht ersatzfähig. Sie dient insbesondere dazu, Schäden bei einer Unfallverursachung durch einen Fußgänger oder Radfahrer abzudecken, der über keine private Haftpflichtversicherung verfügt und die aufgetretenen Schäden nicht ersetzen kann, weil er nicht entsprechend leistungsfähig ist. Der Abschluss einer derartigen Zusatzversicherung ist von Rechts wegen nicht geboten. Die Beklagte hat pauschal bestritten, dass die Insassenunfallversicherung geschuldet wird (Bl. 64 d.A.). Die Klägerin hat demgegenüber vorgetragen, die in Rechnung gestellten (Bl. 76 d.A.) Beträge und Versicherungskosten seien angemessen gewesen (Bl. 83 d.A.). Dem sind die Beklagten zwar nicht weiter entgegengetreten. Entscheidend für die Frage, ob diese Position ersatzfähig ist, ist jedoch der Versicherungsschutz, der der Klägerin bzw. ihrem verunfallten Pkw und dessen Fahrzeuginsassen zur Verfügung stand. Wenn die Klägerin tatsächlich ebenfalls eine zusätzliche Insassenunfallversicherung (PAI) abgeschlossen hat für ihren Pkw HJD ..., dann könnte sie insoweit auch einen entsprechenden Schutz bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs in Anspruch nehmen. Verfügte sie jedoch vorher nicht über eine PAI, hätte sie im Ersatzfahrzeug einen höheren Versicherungsschutz genossen, als in dem verunfallten Pkw.
In diesem Fall wäre der Klägerin kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Der Schädiger hat nicht für eine unfallbedingte Besserstellung des Geschädigten einzustehen, sondern nur den Schaden auszugleichen, den der Geschädigte durch den Unfall tatsächlich erlitten hat.
Der Senat hat diesen Gesichtspunkt im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen und darauf hingewiesen, dass ohne weiteren Vortrag zum ursprünglichen Versicherungsschutz für den verunfallten Pkw die PAI nicht zuerkannt werden könnte. Die Klägerin hat darauf nichts vorgetragen. Die Kosten für den Abschluss der PAI sind damit nicht ersatzfähig.
f) Der Senat nimmt von den sich danach ergebenden Mietwagenkosten in Höhe von 1 350, € insgesamt einen 5 %igen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen vor. Da die Klägerin einen im Wesentlichen gleichwertigen Wagen gemietet hat (vgl. Bl. 21 mit Bl. 76 d.A.), muss sie im Rahmen des Vorteilsausgleichs einen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen hinnehmen. In welcher Höhe dieser vorzunehmen ist, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt. In der Vergangenheit wurde die Ersparnis regelmäßig auf 15 bis 20 % der Mietwagenkosten, oft aber auch – insbesondere in jüngster Zeit – im Bereich von 10 % oder deutlich darunter bis zu 3 % oder 4 % geschätzt (vgl. dazu jeweils die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 249, Rdnr. 32).
Der Senat hält hier einen pauschalen Abzug von etwas oberhalb der niedrigsten Prozentsätze für angemessen. Ein höherer Abzug erscheint im Hinblick auf die Ausführungen von Meinig (DAR 1993, 281 f.), der sich mehrere Oberlandesgerichte angeschlossen haben (vgl. OLG Stuttgart, NJWRR 1994, 921. OLG Karlsruhe, DAR 1996, 56. OLG Düsseldorf, VersR 1996, 987. OLG Nürnberg, VersR 2001, 208 – in der letztgenannten Entscheidung insbes. juris Rdnrn. 17 f.), nicht angebracht.
Ein Abzug von nur 3 % – wie ihn Meinig vorschlägt – ist jedoch ebenfalls nicht angemessen. Denn Meinig legt dem von ihm ermittelten Eigenersparnisanteil eine angenommene tägliche Fahrleistung von 55 km zugrunde. Für den Pkw der Klägerin kann davon nicht ausgegangen werden. Er wies zum Unfallzeitpunkt einen Kilometerstand von 19 539 km auf (Bl. 18 R und 84 d.A.). Umgerechnet auf die Nutzungsdauer von gut 9 Monaten kommt man damit schon auf mehr als 2 100 km/Monat. Taggenau berechnet – den Monat zu 30 Tagen käme man auf (9 × 30 zzgl. der 9 Tage vom 18. bis zum 27. Februar 2007 = 279 Tage, d.h. 19 539: 279 =) etwa 70 km/Tag und damit auf eine um mehr als 27 % höhere durchschnittliche tägliche Fahrleistung, als sie Meinig seiner Berechnung zugrunde legt. Dies rechtfertigt einen Aufschlag bei der Schätzung (§ 287 ZPO) des Eigenersparnisanteils. ..."