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OLG Köln Beschluss vom 22.10.2009 - 82 Ss-OWi 93/09 - Die Benutzung eines Festnetz-Mobiltelefons verstößt nicht gegen das Handy-Benutzungsverbot

OLG Köln v. 22.10.2009: Die Benutzung eines Festnetz-Mobiltelefons verstößt nicht gegen das Handy-Benutzungsverbot


Das OLG Köln (Beschluss vom 22.10.2009 - 82 Ss-OWi 93/09) hat entschieden:
Schnurlostelefone sind für den Einsatz während der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wegen ihres geringen räumlichen Einsatzbereichs praktisch nicht geeignet. Die Möglichkeit ihrer Verwendung beschränkt sich vielmehr auf Bereiche, in denen herkömmlicher Weise Festnetztelefone Verwendung finden. Deren Benutzung während einer Fahrt verstößt daher nicht gegen das Handy-Benutzungsverbot.


Siehe auch Mobiltelefon - Handy-Benutzung - Gebrauch des Funktelefons


Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen ist in dem angefochtenen Urteil wegen „Nichtbeachtung des Telefonverbots“ ( §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO ) eine Geldbuße von 40,00 € verhängt worden. Dem liegen folgende Feststellungen des Amtsgerichts zugrunde:
„Am 26.11.2008 um 12:21 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug der Marke Porsche, amtliches Kennzeichen … in C. die B. Allee in Fahrtrichtung G.F.- Allee. Der Betroffene führte zu dieser Zeit in seiner Jackentasche sein mobiles Telefon seiner Hausfestnetzanlage T- Com Sinus 702 K (schwarz-silber) mit sich. Dieses Telefon gab zum Zeitpunkt der Tat einen Piepton ab, woraufhin der Betroffene es aus seiner Jackentasche nahm, es ansah, an sein Ohr hielt, es nochmal ansah und wiederum an sein Ohr hielt. Hierbei wurde der Betroffene von Polizeibeamten beobachtet, die eine gezielte Handykontrolle durchführten. Der PKW des Betroffenen ist mit einer Freisprecheinrichtung für Handys ausgerüstet. Bei der sich anschließenden Kontrolle zeigte der Betroffene den Polizeibeamten das mobile Telefon seiner Hausfestnetzanlage. Die Entfernung zwischen dem Tatort und dem Wohnort des Betroffenen beträgt in etwa 3 Kilometer. Das Gericht unterstellte es aufgrund dieser Entfernung für wahr, dass aus technischer Sicht kein Telefonat über den Festnetzanschluss des Betroffenen geführt werden konnte.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach den §§ 23 Absatz 1a, 49 StVO, 24 StVG schuldig gemacht. Rechtsfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

Entgegen der vom Betroffenen geäußerten Rechtsansicht umfasst die Vorschrift des1 § 23 Absatz 1a StVO auch das von ihm aufgenommene und gehaltene mobile Telefon einer Festnetztelefonanlage. Nach dem Wortlaut des § 23 Absatz 1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobil- oder Autotelefon aufnimmt oder hält. Der Begriff des Mobiltelefons ist gesetzlich nicht definiert. Maßgebendes Merkmal eines Telefons ist es, den Benutzer durch Übermittlung von Tönen in die Lage zu versetzten, mit einem anderen in Echtzeit sprachlich zu kommunizieren (Vgl. Hentschel/Kön/gr, StVG 39. Auflage 2007, § 23 StVO Rn. 13a). Das Gerät muss nach Ausstattung, Funktion und Zweck generell und konkret zum Führen von Telefonaten geeignet und bestimmt sein (Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.11.2006 – 3 Ss 219/05 = NJW 2007, 240). Nach dem Wortlaut ist ein Mobiltelefon ein mobiles Telefon, d.h. ein schnurrloses, nicht unmittelbar durch ein Kabel mit einer Telefonleitung verbundenes Gerät, mit dem Telefonate geführt werden können. Diese Voraussetzung erfüllt das von dem Betroffenen aufgenommene und gehaltene mobile Telefon seiner Festnetzanlage. Die Tatsache, dass der Betroffene mit diesem an der Tatörtlichkeit aufgrund der gegebenen Entfernung zu seinem Wohnhaus aus technischen Gründen kein Telefonat über seinen Festnetzanschluss entgegennehmen oder führen konnte, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Geräts als Mobiltelefon im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 23 Absatz 1a StVO ist die Gewährleistung, dass der Fahrzeugführer während der Benutzung beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat (Vgl. BR-Drs. 599/00, Seite 18). Voraussetzung des Tatbestandes des § 23 Absatz 1a StVO ist nicht, dass mit dem Gerät in der konkreten Tatsituation ein Telefonat geführt werden kann. Auch ein nicht betriebsbereites Telefon, in Folge beispielsweise eines leeren Akkus oder technischer Störungen, fällt unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Darauf, dass das verwendete Gerät in der konkreten Situation technisch tatsächlich als Telefon eingesetzt werden kann, um rechtlich unter den Begriff des Mobil- oder Autotelefons im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO subsumiert zu werden, kommt es nicht an. Auch der Umstand der unterschiedlichen Frequenzbereiche des von dem Betroffenen aufgenommenen und gehaltenen mobilen Telefons seiner Festnetzanlage und dem eines Handys führt nicht zu einer anderen rechtlichen Einordnung des Geräts als Mobiltelefon im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO.

Die Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung des gesetzlich nicht definierten Begriffs des Mobiltelefons werden durch die vorliegende Subsumierung nicht überschritten. Das Risiko einer bußgeldrechtlichen Ahndung ist für den Normadressaten bei der hier konkret gegebenen Fallkonstellation voraussehbar. Eine Überdehnung des Wortlautes des § 23 Absatz 1a StVO zu Lasten des Betroffenen gemessen am allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis und damit einen Verstoß gegen Artikel 103 Absatz 2 GG vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Der Betroffene hat das Mobiltelefon seiner Festnetzanlage auch im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO benutzt. Die Benutzung schließt neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz sämtliche Bedienfunktionen ein (Vgl. BR-Drs. 599/00, Seite 18). Er umfasst nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung (Vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.06.2008, 81 Ss – Owi 49/08 = NJW 2008, 3368 ff. (3369)). Dem Wortsinn der Vorschrift unterfällt es danach, wenn der Fahrzeugführer das Gerät zwecks Vorbereitung eines Gesprächs oder Abhörens eines Signaltons an das Ohr hält. Diese Betätigungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Mobiltelefons in seiner eigentlichen Funktion als Instrument der Kommunikation (Vgl. OLG Köln, aaO). Eine sogenannte funktionsneutrale Handhabung – wie etwa bei einer reinen Ortsverlagerung des Geräts innerhalb des Fahrzeugs – ohne Bezug der Handhabung zu einer der vom Mobiltelefon zur Verfügung gestellten Funktionen, ist vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall nicht gegeben.“
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 08.06.2009 hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und dazu in einem weiteren Schriftsatz vom 14.07.2009 geltend gemacht, der vorliegende Fall gebe Anlass zur Fortbildung des Rechts. Er rügt die Verletzung des sachlichen Rechts und führt dazu aus, das von ihm mitgeführte Gerät unterfalle nicht dem Begriff des Mobiltelefons im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO; zudem liege keine Benutzung im Sinne dieser Bestimmung, sondern lediglich eine funktionsneutrale Tätigkeit vor.

Durch Beschluss vom 19.10.2009 hat der Einzelrichter des Senats die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und die Sache dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen ( § 80a Abs. 3 OWiG ).


II.

Das nach seiner Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsmittel begegnet hinsichtlich der Erfüllung seiner weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Es hat auch in der Sache Erfolg.

Die Verurteilung des Betroffenen wegen Verstoßes gegen eine Pflicht des Kraftfahrzeugführers nach § 23 Abs. 1a StVO kann keine Bestand haben. Der Schuldspruch findet in den tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellungen, die eine abschließende rechtliche Bewertung ermöglichen, keine Grundlage. Denn bei dem von dem Betroffenen mitgeführten und während der Fahrt aufgenommenen Gerät handelt es sich nicht um ein Mobil- oder Autotelefon im Sinne dieser Bestimmung.

Das Mobiltelefon kann auf der Grundlage der technischen Zusammenhänge als ein tragbares Telefongerät definiert werden, das über Funk mit dem Telefonnetz kommuniziert und daher ortsunabhängig eingesetzt werden kann (vgl. dazu etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Telefon#Mobiltelefon). Darunter können demnach neben den umgangssprachlich als „Handy“ bezeichneten Geräten für Gespräche im Mobilfunknetz auch Einrichtungen mit mobilen Hör-/Sprechvorrichtungen für Gespräche im Festnetz erfasst werden (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mobiltelefon_(Begriffserklärung)), die über eine Basisstation mit dem Festnetz verbunden sind und nur in einer Entfernung von maximal ca. 200 Meter von dieser Basisstation eingesetzt werden können.

Eine solche Begriffsbestimmung entspricht allerdings nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis und damit den Vorstellungen der Normadressaten. Danach werden vielmehr Geräte der zuletzt bezeichneten Art – der von den Herstellern und im Handel üblicherweise verwendeten Bezeichnung entsprechend – als „Schnurlostelefon“ angesprochen, deren Bedieneinrichtung als „Mobilteil“ oder „Handgerät“. Dieser Begrifflichkeit ist ersichtlich auch der Verordnungsgeber gefolgt, als in dem Bestreben, den Gefahren des „Telefonierens am Steuer“ zu begegnen, die Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO eingeführt worden ist.

Schnurlostelefone sind für den Einsatz während der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wegen ihres geringen räumlichen Einsatzbereichs praktisch nicht geeignet. Die Möglichkeit ihrer Verwendung beschränkt sich vielmehr auf Bereiche, in denen herkömmlicher Weise Festnetztelefone Verwendung finden. Für eine einschränkende Regelung ihrer Benutzung durch Fahrzeugführer im Straßenverkehr bestand von daher kein Anlass. Sie finden deshalb auch in der Begründung zur 33. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks. 599/00 Seite 14, 18 ff.) an keiner Stelle Erwähnung. Dort zeigt sich vielmehr, dass der Verordnungsgeber allein die gemeinhin „Handy“ genannten Geräte für den Mobilfunkverkehr ins Auge gefasst hatte und deren Gebrauch während des Fahrens auf öffentlichen Straßen nur noch eingeschränkt zulassen wollte, dass Mobilteile von Festnetzanschlüssen hingegen nicht von seinem Regelungswillen umfasst waren. So heißt es dort (Seite 19) zur Beschreibung des Regelungsbedarfs:
„1996 gab es in Deutschland rund 5,5 Millionen Mobiltelefone, heute dürften es über 20 Millionen sein und es ist davon auszugehen, dass die Zahl in den nächsten Jahren weiter dynamisch ansteigen wird. Zudem ist die Benutzung des Telefons am Steuer nicht mehr – wie noch für 1996 festgestellt – nur bei erfahrenen Fahrzeugsführern mit hohen Jahresfahrleistungen und gut ausgestatteten, relativ neuen Fahrzeugen verbreitet, sondern gehört mittlerweile zum alltäglichen Verhalten im Verkehrsgeschehen. Es wäre zwar eine grobe Vereinfachung, würde man entsprechend der Zunahme der Handy-Besitzer eine parallele Entwicklung bei den auf die Benutzung eines Mobiltelefons am Steuer zurückzuführenden Zahlen der Verletzten und tödlich Verunglückten annehmen. Doch dürfte der Telefonbenutzung am Steuer heute eine wesentlich höhere Relevanz für die Verkehrssicherheit zuzumessen sein als noch 1996.“

Die Zahlen beziehen sich auf die Mobilfunkverkehr verwendbaren, an einer Stelle auch als solche angesprochenen „Handys“.

Eine über den Regelungswillen des Verordnungsgebers hinausgehende Einbeziehung von Schnurlostelefonen in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1a StVO unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks kommt nicht in Betracht.

Zum einen sollte mit der Bestimmung den Gefahren aus der „vom Inhalt eines längeren Telefongesprächs ausgehenden mentalen Überlastung und Ablenkung von der eigentlichen Fahraufgabe“ begegnet werden; längere Telefongespräche während der Fahrt sind über einen Festnetzanschluss aber nicht möglich. „Auch die besonders von der Fahraufgabe ablenkenden weiteren Bedienvorgänge wie z.B. der Wählvorgang“ können bei mitgeführten Mobilteilen nicht als ernsthafte Gefahr angesehen werden, weil sie wegen der allseits bekannten Sinnlosigkeit des Vorgangs schon kurz nach Fahrtantritt in der Praxis nicht in einem nennenswerten Umfang vorkommen. Der in vorliegender Sache tatrichterlich festgestellte Vorgang ist derart ungewöhnlich, dass insoweit ein Regelungsbedarf nicht angenommen werden kann.

Zum anderen hat der Verordnungsgeber gerade davon abgesehen, durch ein weitgefasstes oder allgemeines Verbot der Handhabung technischer Geräte während des Fahrens den Gefahren der Ablenkung und mentalen Überforderung zu begegnen. Daher kommt es nicht darauf an, ob mit der Aufnahme und Handhabung eines im Tatbestand nicht erwähnten anderen Gerätes – selbst einer Freisprecheinrichtung ( OLG Bamberg VM 2008, 11 [Nr. 12] = zfs 2008, 52 = NJW 2008, 599) – in gleicher Weise eine vom Schutzzweck an sich umfasste Gefahrerhöhung aufgrund eingeschränkter Reaktionsfähigkeit des (abgelenkten) Fahrzeugführers einhergeht. Es geht auch nicht darum, einen im Wege der technischen Weiterentwicklung nachträglich entstandenen Sachverhalt, der dem vom Verordnungsgeber bedachten Sachverhalt vergleichbar ist, mit Blick auf den Normzweck dem Verbotstatbestand zuzurechnen und als von ihm mitumfasst zu bewerten. Geräte der hier fraglichen Art waren bei Einführung des § 23 Abs. 1a StVO allgemein bekannt und gebräuchlich. Gleichwohl hat der Verordnungsgeber nicht das Telefonieren am Steuer oder das Aufnehmen eines Telefongeräts generell untersagt, sondern nur die Benutzung von Mobiltelefonen, worunter er ersichtlich „Handys“ verstanden hat.

Das Verhalten des Betroffenen ist somit nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO mit Geldbuße bedroht. Da es auch nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als Ordnungswidrigkeit zu ahnden ist, war der Betroffene freizusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.



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