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OLG Stuttgart Urteil vom 21.04.2010 - 3 U 218/09 - Zur Verpflichtung des Vorfahrtberechtigten zum rechts- und defensiv-Fahren

OLG Stuttgart v. 21.04.2010: Zur Verpflichtung des Vorfahrtberechtigten zum rechts- und defensiv-Fahren


Das OLG Stuttgart (Urteil vom 21.04.2010 - 3 U 218/09) hat entschieden:
Der Vorfahrtberechtigte muss aufmerksam und äußerst rechts fahren, sobald er erkannt hat, dass ein an sich ihm gegenüber wartepflichtiger Fahrzeugführer sich anschickt, aus einer Anliegerstraße in die von ihm befahrene Straße einzubiegen. Die Tatsache allein, dass es sich um eine Anliegerstraße handelt, wirkt sich nicht haftungserhöhend aus, wie dies bei einer Grundstücksausfahrt oder einem verkehrsberuhigten Bereich der Fall wäre.


Siehe auch Verkehrsberuhigter Bereich und Stichwörter zum Thema Vorfahrt


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden restlichen Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall, der sich am 16.09.2008 in R…-W… ereignete. Wegen des an seinem Pkw entstandenen Sachschadens holte der Kläger ein schriftliches Gutachten des Sachverständigenbüros M.… ein, das auf den 24.09.2008 datiert. Mit Schreiben vom 26.09.2008 bezifferte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dessen Schaden gegenüber der Beklagten Ziff. 2 mit insgesamt 11.176,13 € (Anl. K 5, Bl. 33 d.A.). In diesem Betrag war eine Nutzungsausfallentschädigung von 1.495,00 € enthalten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte in dem Schreiben an, einen Nachweis des Nutzungswillens in Form eines Kaufvertrages eines Ersatzfahrzeuges vorzulegen. Zur Regulierung des Schadens setzte er eine Frist bis zum 10.10.2008. Am 01.10.2008 reichte er Klage über eine Hauptforderung von 9.681,13 € beim Landgericht T.… ein. Weiter beantragte er, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger Nutzungsausfall wegen des Verkehrsunfalls vom 16.09.2008 zu 100 % zu ersetzen. Seinen Schaden berechnet er in der Klageschrift wie folgt:

Fahrzeugschaden 8.900,00 €
Gebühren für Gutachter 756,13 €
Auslagenpauschale 25,00 €
Gesamtbetrag 9.681,13 €


Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 haben die Beklagten einen Betrag von 6.454,09 € hinsichtlich der Hauptforderung des Klägers und einen Betrag in Höhe von 603,93 € hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anerkannt und am 24.10.2008 einen Betrag von 7.058,34 € an den Kläger ausbezahlt.

In der Folgezeit hat der Kläger seinen Pkw reparieren lassen und macht zuletzt einen restlichen Schadensersatz von 5.648,71 € geltend. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Fahrzeugschaden 10.900,00 €
Gutachterkosten 756,13 €
Nutzungsausfall 27 Tage à 65,00 € 1.755,00 €
Auslagen 25,00 €
Gesamtschaden (ohne Rechtsanwaltskosten) 13.436,13 €
abzüglich anerkannter und bezahlter 6.454,09 €
abzüglich vorgerichtlich anerkannter und bezahlter 1.333,33 €
Restschaden 5.648,71 €


Daneben hat der Kläger zuletzt noch einen Betrag von 295,47 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 192 d.A.).

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, insbesondere zum Unfallgeschehen, sowie wegen des Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 30.11.2009 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen H…, H.… und S.… sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.170,00 € nebst Zinsen und 56,91 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, diese ebenfalls nebst Zinsen, zu bezahlen; die weitergehende Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger zu 6/7 und den Beklagten zu 1/7 auferlegt.

Der Kläger müsse 1/3 der Unfallfolgen selber tragen. Der Erstbeklagte habe die Vorfahrt des Klägers verletzt. Als Vorfahrtsberechtigter habe der Kläger auf der ganzen Straßenseite Vorfahrt gehabt. Die örtlichen Gegebenheiten hätten es auch nicht erfordert, so weit und in so einem weiten Bogen in den K...weg einzufahren, wie es der Erstbeklagte getan habe. Auch den Kläger treffe ein Verschulden an dem Unfall. Er sei gehalten gewesen, durch ein Abbremsen oder Ausweichen zu reagieren, sobald er habe erkennen können, dass der Erstbeklagte sich nicht an seine Wartepflicht halten und dadurch zu einer Gefahr werde. Der Kläger habe nach seinen eigenen Ausführungen das Fahrzeug des Erstbeklagten schon beobachten können, als es aus der Senke herausgekommen sei. Schon im eigenen Interesse sei es daher geboten gewesen, zumindest etwas weiter nach rechts auszuweichen. Dabei könne es dahinstehen, wo man im vorliegenden Fall den genauen Verlauf der Fahrbahnmitte annehmen müsse. Auf jeden Fall sei der Kläger sehr weit links gefahren und habe nach rechts einen erheblichen Spielraum zum Ausweichen gehabt. Dass sich dort Kinder oder Fahrradfahrer aufgehalten hätten, sei eine in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal auftauchende Schutzbehauptung. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe der Kläger 1 1/2 Sekunden zwischen der Erkennbarkeit der Gefahr und dem späteren Aufprall zur Verfügung gehabt. Einschließlich Reaktionszeit wäre in diesem Zeitpunkt noch ein Ausweichen von 1/2 m nach rechts möglich gewesen. Der Unfall wäre dann vermieden worden. Unter Abwägung der Unfallbeiträge erscheine es angemessen, wenn die Beklagten 2/3 und der Kläger 1/3 der Unfallfolgen zu tragen hätten. Der Erstbeklagte trage die Hauptverantwortung. Von einem groben Verkehrsverstoß könne jedoch keine Rede sein. Es habe sich um einen einfachen „rechts-vor-links-Unfall“ gehandelt. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, in der Abwägung den verschuldeten Unfallbeitrag des Klägers ganz zurücktreten zu lassen. Zu Lasten des Klägers sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Unfall im Parkplatzbereich und in der Nähe eines Kiosks ereignet habe. Hier sei immer mit besonderen Gefahren zu rechnen. Der Kläger habe daher vorsichtig fahren müssen. Wenn der Kläger zudem gewusst habe, dass an der Einmündung – wie der Zeuge H.… bekundet hat – häufig zu schnell gefahren werde und er den Erstbeklagten frühzeitig erkannt habe, habe er sich rechtzeitig darauf einstellen müssen und können.

Bis auf den Nutzungsausfall seien die streitgegenständlichen Posten, soweit die Beklagten hierfür einzustehen hätten – also in Höhe von 2/3 der geforderten Beträge – in der Zwischenzeit bezahlt. Der Kläger habe Anspruch auf Nutzungsausfall für 27 Tage, da ihm das mit 65,00 € pro Tag einzustufende beschädigte Fahrzeug in dieser Zeit nicht zur Verfügung gestanden habe. 9 Tage habe das Fahrzeug dem Kläger bis zum Eingang des Gutachtens gefehlt, weitere 18 Tage könnten für die Reparatur zu Grunde gelegt werden. Von diesem Nutzungsausfallschaden stehe dem Kläger 2/3 zu, also 1.170,00 €. An einem fehlenden Nutzungswillen scheitere dieser Anspruch nicht. Seinen Nutzungswillen habe der Kläger durch die Reparatur dokumentiert. Ein zweiter Pkw habe ihm zunächst nicht zur Verfügung gestanden. Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, dass sein zweites Fahrzeug damals wegen eines Motorschadens nicht zu nutzen gewesen sei. Wegen des zugesprochenen Betrages in Höhe von 1.170,00 € stünden dem Kläger wie beantragt Rechtshängigkeitszinsen ab 09.10.2009 zu. Der weitere ursprünglich eingeklagte und von den Beklagten bezahlte Betrag von 6.454,09 € sei frühestens am 13.10.2008 durchsetzbar gewesen und daher vom 13.10.2008 bis zur Bezahlung am 24.10.2008 zu verzinsen. Der Beklagten Ziff. 2 habe das Recht zur ausreichenden Prüfung des Unfallgeschehens zugestanden. Ihr müsse daher eine Prüfungszeit von mindestens 4 Wochen eingeräumt werden, vor deren Ablauf keine Zahlung durchgesetzt werden könne. So lange fehle es an einer Fälligkeit im Sinne des § 291 Abs. 1 S. 1 BGB. Die dem Kläger zustehenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechneten sich aus einem Gegenstandswert von 7.450,75 € und beliefen sich auf 661,16 €. Hierauf habe die Beklagte Ziff. 2.604,25 € bezahlt, sodass noch ein Restbetrag von 56,91 € offen sei. Die spätere Klageerweiterung und Konkretisierung der Nutzungsentschädigung auf 1.755,00 € führe zu keiner Erhöhung der zu ersetzenden Vergütung des Klägervertreters. Der Klägervertreter habe einen Schaden von 11.176,13 € vorgerichtlich geltend gemacht, wovon dem Kläger lediglich 2/3 zustünde. Soweit sich der Rechtsstreit durch Zahlung vom 24.10.2008 erledigt habe, habe der Kläger die Kosten gemäß §§ 91a Abs. 1, 93 ZPO zu tragen. Die Klage sei mit genau 14 Tagen nach dem Verkehrsunfall viel zu früh erhoben worden. Der Haftpflichtversicherung müsse Gelegenheit gegeben werden, die Sache sorgfältig zu prüfen. Es entspreche herrschender Meinung, dem Versicherer eine Prüfungszeit von 4 bis 6 Wochen einzuräumen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das Landgericht verkenne die Haftungsquote des der Höhe nach unstreitigen Schadens. Zwar habe das Landgericht richtig erkannt, dass der Beklagte Ziff. 1 einen Vorfahrtsverstoß begangen habe. Es trage jedoch bei seiner Abwägung dem Umstand, dass der Beklagte Ziff. 1 aus einer untergeordneten Straße in die Hauptstraße eingebogen sei, nicht ausreichend Rechnung. Der Beklagte Ziff. 1 habe einen untergeordneten Feldweg befahren, den nur berechtigte Anwohner zur Zufahrt ihrer Häuser nutzen dürften. Für ihn hätten daher die Sorgfaltsmaßstäbe des § 10 StVO gegolten. Der Beklagte Ziff. 1 sei bei freier Sicht nach rechts in die bevorrechtigte Straße eingefahren, obwohl sich der Kläger dort befunden habe. Aus diesem besonders groben Verkehrsverstoß des wartepflichtigen Beklagten Ziff. 1 ergebe sich die volle Haftung der Beklagten. Der Kläger habe auf seine Vorfahrtberechtigung vertrauen dürfen. Soweit das Landgericht ausführe, der Kläger hätte nach Erkennen des herannahenden Beklagten Ziff. 1 ausweichen müssen, handle es sich insoweit um reine Spekulationen, die keine Grundlage in der durchgeführten Beweisaufnahme oder dem unstreitigen Tatsachenvortrag fänden. Die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2009, dass sich auch eine Geschwindigkeit von 30 km/h des Beklagtenfahrzeugs in dem Augenblick, als die Einmündungslinie überschritten wurde, denken lasse, sei eine rein hypothetische Möglichkeit, die der Abwägung nicht zu Grunde gelegt werden dürfe. Im schriftlichen Gutachten habe der Sachverständige ausgeführt, dass es keine objektiven oder objektivierbaren Anknüpfungstatsachen dafür gebe, mit welcher Geschwindigkeit sich das Beklagtenfahrzeug der Einmündung genähert habe.

Die Überlegungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten führten allesamt zu keinem Verschulden des Klägers. Die weitere Begründung des Landgerichts, dass sich der Unfall im Parkplatzbereich in der Nähe eines Kiosks ereignet habe und hierbei mit besonderen Gefahren zu rechnen sei und deshalb vorsichtig gefahren werden müsse, begründeten keine Haftung des Klägers. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei beim Kläger nicht festgestellt worden. Der Sachverständige habe insoweit eine Geschwindigkeit von ca. 25 bis 30 km/h ermittelt, welche nicht unangemessen gewesen sei. Neben dem vollen Ersatz des der Höhe nach unstreitigen Schadens stünden dem Kläger auch die begehrten Zinsen zu. Der aus Delikt haftende Schädiger komme bereits durch die erste Fristsetzung in Verzug, diese sei auch angemessen gewesen. Die Beklagte Ziff. 2 habe sich nicht nur im Verzug befunden, sondern habe auch Anlass zur Klage gegeben. Die vom Landgericht angenommene Prüfungszeit für einen Verkehrsunfall von 4 Wochen sei übersetzt und privilegiere eindeutig den befassten Versicherer. Der Versicherte selber habe gegenüber seinem Versicherer eine Wahrheitspflicht und müsse diesem nach den Versicherungsbedingungen den Verkehrsunfall mit sämtlichen seiner Einzelheiten innerhalb einer Frist von einer Woche anzeigen. Es sei der Beklagten Ziff. 2 daher auch zumutbar gewesen, innerhalb der gesetzten Frist den geltend gemachten Betrag anzuerkennen. Es habe sich nicht um einen besonders komplizierten Fall gehandelt, sondern um eine Entscheidung zu einem Vorfahrtsverstoß. Die Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte sei nicht nötig gewesen.

Der Kläger beantragt:
  1. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 30. November 2009, Az. 7 O 574/08 wird abgeändert.

  2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den zuerkannten Betrag in Höhe von 1.170,00 € hinaus weitere 4.478,71 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Betrag von 9.681,13 € ab 27. September 2008 bis 24. Oktober 2008 aus 3.297,04 € ab 25. Oktober 2008 und aus 2.421,67 € ab 09. Oktober 2009 zu bezahlen.

  3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den zuerkannten Betrag in Höhe von 56,91 € hinaus weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 238,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 09. Oktober 2009 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil, soweit es vom Kläger angegriffen wird. Die Haftungsabwägung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers habe für ihn eine Aufforderung zur Reaktion bestanden. Er habe das Beklagtenfahrzeug bereits von unten aus der Senke herauskommen sehen. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass dem Kläger über die vom Sachverständigen technisch zugebilligte Reaktions- und Ausweichzeit weitere Zeit zur Verfügung gestanden habe, die Kollision zu vermeiden. Dabei habe das Landgericht noch nicht einmal berücksichtigt, dass der Sachverständige einen Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot festgestellt habe. Hätte der Kläger das Rechtsfahrgebot beobachtet, hätte er allein aus diesem Grund die Kollision vermeiden können. Die Beklagten seien zum Zeitpunkt der Klagerhebung nicht im Verzug gewesen. Aus der versicherungsvertraglich geregelten Pflicht des Beklagten Ziff. 1, den Unfall spätestens nach einer Woche zu melden, folge nicht, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers innerhalb dieser Zeit von der Beklagten Ziff. 2 zu erfüllen wäre. Vielmehr handle es sich um eine Obliegenheit des Beklagten Ziff. 1, die keinerlei Wirkung zu Gunsten des Klägers entfalte. Im Übrigen habe noch nicht einmal der Kläger selbst die von ihm in seinem Anspruchsschreiben vom 26.09.2008 gesetzte Frist bis zum 10.10.2008 beachtet, sondern bereits am 01.10.2008 Klage erhoben.

Außerdem greifen die Beklagten das landgerichtliche Urteil im Wege der Anschlussberufung an. Der geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.170,00 € sei nicht begründet. Das Fahrzeug des Klägers sei mit einem sog. Saison-Kennzeichen versehen. Dieses Kennzeichen habe es dem Kläger ermöglicht, sein Fahrzeug jedes Jahr in der Zeit vom 01. Mai bis 31. Oktober zu nutzen. Der streitgegenständliche Verkehrsunfall habe am 16.09.2008 stattgefunden. Bei einer Nutzungsausfalldauer von 27 Tagen wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, sein Fahrzeug noch vor Ende der Gültigkeit seines Saison-Kennzeichens weiter zu nutzen. Dies habe er jedoch nicht getan, wodurch er belegt habe, keinen Nutzungswillen für sein Fahrzeug gehabt zu haben. Soweit der Kläger die Reparatur außerhalb der Gültigkeit des Saison-Kennzeichens ausgeführt habe, sei ihm insoweit kein Nutzungsausfallschaden entstanden, da er sein Fahrzeug dann ohnehin nicht hätte nutzen können. Im Übrigen könne sich der Kläger hinsichtlich der Nutzungsausfalldauer nur an der Wiederbeschaffungsdauer gemäß dem als Anl. B 4 vorgelegten Schadensgutachten orientieren. Da der ermittelte Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert deutlich übersteige, habe dem Kläger nur der Wiederbeschaffungsaufwand zugestanden. Auch hinsichtlich des Nutzungsausfalls komme es daher auf die durchgeführte Reparatur nicht an.

Die Beklagten beantragen im Wege der Anschlussberufung,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Er erwidert auf die Anschlussberufung, er habe sein weiteres Fahrzeug wegen eines Motorschadens bis Mitte November nicht nutzen können. Mit der Reparatur des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe er zeitnah begonnen. Soweit die Beklagten dieses Vorbringen des Klägers erstmals in der Berufungsinstanz bestreite, sei dies verspätet. Sein Nutzungswille sei belegt durch die Reparaturdurchführung. Die Beklagte Ziff. 2 habe sich ausdrücklich mit der Durchführung der Reparatur einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.


II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg (1.), die Anschlussberufung der Beklagten nur zum Teil (2.).

1. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreits auferlegt hat, ist das Urteil des Landgerichts nicht zu beanstanden.

a) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und entsteht dieser bei einem der beteiligten Fahrzeughalter, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist ( § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG ).

Die Verpflichtung zum Ersatz nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtung beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeuges je nach den Umständen des Falls die gebotene Sorgfalt beobachtet hat ( § 17 Abs. 3 StVG ).

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass den Kläger auch ein Verschulden an dem Unfall trifft, sodass ihm eine Entlastung gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht möglich ist. Zum einen hatte der Kläger, wie er in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht selbst eingeräumt hat, das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 kommen sehen und darüber nachgedacht, dass dieser hoffentlich auch stehen bleibe. Zum anderen hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten festgestellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision so gefahren ist, dass sich die linke Seite seines Fahrzeuges links der gedachten Straßenmitte befand, während der Beklagte Ziff. 1 in seinem Abbiegevorgang so gefahren ist, dass er zum Zeitpunkt der Kollision mit der linken vorderen Ecke noch nicht die gedachte Straßenmitte erreicht und diese auch nicht überschritten hatte (Bl. 172 d.A.). Die Klägerseite hat die Prämisse des Sachverständigen, dass die Straßenmitte durch die verbleibende Durchfahrtstraße zwischen dem in Fahrtrichtung des Klägers gesehen links markierten Parkplatz und der Parkplatzmarkierung, die den hinteren Rand der in dieser Fahrtrichtung gesehen rechts befindlichen Parkplätze angibt, definiert sei, angegriffen. Auf den Fotos sei noch eine verblasste Fahrbahnmarkierung zu sehen, welche die Fahrbahn zu den rechten Parkplätzen hin abgegrenzt habe. Der Kläger habe sich an diese Fahrbahnmarkierung gehalten und sei insoweit äußerst rechts gefahren. Unabhängig davon, wie nun die Fahrbahn und dementsprechend die Fahrbahnmitte vorliegend definiert werden muss, ist jedoch aus der vom Sachverständigen gefertigten Unfallskizze (Bl. 171 d.A.) gut ersichtlich, dass sich das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision deutlich links der Mitte des gesamten asphaltierten Bereichs befunden hat. Rechts von ihm waren zum Zeitpunkt der Kollision jedenfalls keine Fahrzeuge abgestellt, sodass ihm ein Ausweichen nach rechts gefahrlos möglich gewesen wäre. Wenn nun der Kläger – wie selbst eingeräumt – das herannahende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 schon sieht und darüber nachdenkt, ob dieser auch anhalten werde, hätte er bei Einhaltung der ihm gemäß § 1 Abs. 2 StVO obliegenden Pflichten sein Fahrzeug vorbeugend weiter nach rechts lenken müssen.

Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hätte der Kläger die Kollision aber auch selbst dann noch vermeiden können, wenn er erst beim Einfahren des Beklagtenfahrzeugs in den Einmündungsbereich (bei einer unterstellten Geschwindigkeit von 30 km/h – sehr viel schneller wird der Beklagte Ziff. 1 kaum um die Kurve fahren können) ein Ausweichmanöver eingeleitet hätte. Es liegt also nahe, dass der KIäger, obwohl er das herannahende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 bereits im Vorfeld gesehen hatte, zum Zeitpunkt der Kollision nicht mehr aufmerksam war und in der konkreten Situation zu weit links fuhr. Jedenfalls aber war das Unfallereignis für den Kläger nicht unabwendbar.

Im Rahmen der somit erforderlichen Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG müssen die Verursachungsbeiträge der beteiligten Kfz-Halter zueinander bewertet werden. Der jeweilige Verursachungsbeitrag wird gebildet durch die Summe der Gefahren, die in der konkreten Unfallsituation von den beteiligten Kraftfahrzeugen ausgegangen sind und sich bei dem Unfall ausgewirkt haben. Hierzu ist das Gewicht des Verursachungsbeitrages des einen und des anderen Kfz-Halters zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass insoweit zum Nachteil der einen oder der anderen Seite nur feststehende Umstände berücksichtigt werden dürfen, und zwar nur solche, die sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. BGH NJW 2000, 3069; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 17 StVG Rn. 12).

Der Beklagte Ziff. 1 hat die Vorfahrt des Klägers verletzt ( § 8 Abs. 1 S. 1 StVO ). Ein Verstoß gegen § 10 StVO ist ihm jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht anzulasten. Bei dem B…weg handelt es sich zwar um eine sog. Anliegerstraße, die jedoch nicht in den Anwendungsbereich des § 10 StVO fällt. Zwar können „andere Straßenteile“ i.S.d. § 10 StVO auch Straßen sein, die nur für die Zufahrt einiger Grundstücke bestimmt sind. Für die Anwendbarkeit des § 10 StVO kommt es aber insoweit darauf an, dass dies an äußeren, für jeden erkennbaren Merkmalen (wie z.B. Anlage der Gehwege, die Bordsteineinfassung oder andersartige Oberflächenbeschaffenheit) deutlich wird (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, § 10 StVO Rn 4). Derlei ist jedoch vom Kläger weder vorgetragen noch aus den in der Akten befindlichen Lichtbildern zu erkennen. Richtig ist zwar, dass zu Beginn des B...weges (aus Sicht des Klägers) auf der rechten Straßenseite das Verbotszeichen 260 Anlage gem. § 41 StVO mit dem Zusatz „Anlieger frei“ sowie das Zeichen 357 gem. § 42 StVO (Sackgasse) aufgestellt war. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem B...weg um eine Anliegerstraße handelt, folgt aber noch nicht die Anwendbarkeit des § 10 StVO, da nicht jede Anliegerstraße eine derart untergeordnete Verkehrsbedeutung hat, dass sie mit einer Grundstücksausfahrt, einem verkehrsberuhigten Bereich o.ä. gleichzusetzen wäre. Den Beklagte Ziff. 1 trafen somit keine über die normalen Sorgfaltspflichten, die aus § 8 StVO folgen, hinausgehenden besonderen Sorgfaltspflichten.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass den Beklagten Ziff. 1 die Hauptverantwortung an dem Unfall trifft. Der Beklagte Ziff. 1 hatte – wie bereits dargelegt – dem Kläger die Vorfahrt zu gewähren, da dieser von rechts kam und die Vorfahrt an dieser Kreuzung nicht durch Verkehrszeichen besonders geregelt war. Wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten festgestellt hat, hatte der Beklagte Ziff. 1 nach rechts, an dem möglicherweise rechts von ihm parkenden Fahrzeug vorbei, bereits uneingeschränkte Sicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Beklagte Ziff. 1 das Unfallgeschehen vermeiden können, wenn er zu einem früheren Zeitpunkt reagiert und zu einem früheren Zeitpunkt angehalten hätte. Es hätte insoweit ausgereicht, wenn der Beklagte Ziff. 1 etwa 0,5 m früher angehalten hätte. An dieser Stelle hatte der Beklagte Ziff. 1 bereits nach rechts uneingeschränkte Sicht. Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass er warten wird. Er darf nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Kann er das nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf er sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineintasten, bis er die Übersicht hat ( § 8 Abs. 2 StVO).

Nach den durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen feststehenden Tatsachen hat der Beklagte Ziff. 1 mithin deutlich gegen seine Pflichten gemäß § 8 Abs. 2 StVO verstoßen.

Der Kläger hat dagegen, obwohl er das herannahende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 erkannt hat, sein Fahrzeug nicht äußerst rechts gesteuert. Zwar kann im Hinblick auf die unklaren Straßenmarkierungen nicht sicher davon ausgegangen werden, dass er hierbei einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot begangen hat. Gemäß § 2 Abs. 2 StVO ist jedoch möglichst weit rechts zu fahren. Wie sich aus der vom Sachverständigen gefertigten Unfallskizze ergibt, hätte er ohne Probleme weiter rechts fahren können. Hinzu kommt, dass er gemäß § 1 Abs. 2 StVO gehalten gewesen wäre, aufmerksam in den Einmündungsbereich hineinzufahren, da er zuvor den herannahenden Beklagten Ziff. 1 erkannt hat. Des Weiteren hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht dargelegt, dass der Kläger den Unfall hätte vermeiden können, wenn er zum Zeitpunkt, als der Beklagte Ziff. 1 die Einmündungslinie überschritten hat, ein Ausweichmanöver eingeleitet hätte. Dass hierbei nicht feststeht, mit welcher Geschwindigkeit der Beklagte Ziff. 1 tatsächlich in den Einmündungsbereich hineingefahren ist, hindert eine solche Wertung nicht. Denn dass der Beklagte Ziff. 1 mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit als 30 km/h in den Einmündungsbereich hineingefahren ist, ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (der B…weg zweigt in einem Winkel von weniger als 90° von dem K...weg ab) nicht anzunehmen. Die Annahme einer Geschwindigkeit von 30 km/h beim Überschreiten der Einmündungslinie ist somit für den Kläger günstig und nicht ungünstig gerechnet. Dass der Kläger – wie er dem Grunde nach zu Recht einwendet – auf sein Vorfahrtsrecht vertrauen durfte, entbindet ihn nicht davon, im Kreuzungsbereich aufmerksam zu fahren und eine Kollision zu vermeiden, wenn dies – wie vorliegend der Fall – möglich ist.

Die somit festgestellten wechselseitigen Verursachungsbeiträgen abwägend, ist die Wertung des Landgerichts, den Beitrag des Klägers mit 1/3 anzunehmen, nicht zu beanstanden (vgl. OLG Hamburg VersR 1952, 376; OLG Köln VersR 2001, 1042).

b) Unstreitig ist dem Kläger folgender Schaden entstanden:

Wiederbeschaffungswert Pkw 10.900,00 €
Gutachten M ... 756,13 €
Auslagenpauschale 25,00 €
Gesamtbetrag 11.681,13 €


Daneben macht der Kläger Nutzungsausfall für 27 Tage à 65,00 €, insgesamt also in Höhe von 1.755,00 € geltend. Das Landgericht hat den zwischen den Parteien strittigen Nutzungsausfall bei der Schadensberechnung berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Berufung nicht (zur Anschlussberufung der Beklagten siehe unter II. 2.).

Der Gesamtschaden des Klägers errechnet sich (vorbehaltlich der Überprüfung der Nutzungsausfallentschädigung aufgrund der Anschlussberufung) wie folgt:

unstreitiger Schaden (siehe oben) 11.681,13 €
Nutzungsausfallentschädigung (27 Tage à 65,00 €) 756,13 €
Nutzungsausfall 27 Tage à 65,00 € 1.755,00 €
  13.436,13 €
davon 2/3 = 8.957,42 €
hiervon bereits durch die Beklagte Ziff. 2 bezahlt 6.454,09 €
  2.503,33 €
abzüglich unstreitigen, nicht eingeklagten Abzug von 1.333,33 €
verbleibender Schadensersatzanspruch des Klägers 1.170,00 €


Dies entspricht dem vom Landgericht gemäß Ziff. 1 des Tenors dem Kläger zugesprochenen Betrag.

c) Der noch offene Betrag ist, wie beantragt und auch zugesprochen, ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung, also dem 09.10.2009, zu verzinsen.

Für den bereits am 24.10.2008 bezahlten Schadensersatzbetrag in Höhe von 6.454,09 € hat das Landgericht in Ziff. 1 des Tenors einen weiteren Zinsanspruch vom 13.10.2008 bis 24.10.2008 zugesprochen. Soweit der Kläger Zinsen ab 27.09.2008 bis 12.10.2008 begehrt hat, hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

aa) Zwar ist entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Schadensersatzanspruch sofort fällig, § 271 BGB. Eine Verzinsung des Schadensersatzes ist jedoch erst ab Verzug, also wenn die Voraussetzungen des § 286 BGB erfüllt sind, geschuldet (Palandt-Heinrichs, BGB, 69. Aufl. 2010, § 271 Rn. 16). Weder durch die Schadensbezifferung mit Schreiben vom 26.09.2008 noch durch die darin enthaltene Fristsetzung bis zum 10.10.2008 sind die Beklagten in Verzug geraten. Solange und soweit ein Haftpflichtversicherer trotz ordnungsgemäßer Behandlung das Regulierungsbegehren eines Anspruchstellers nicht abschließend beurteilen kann, beruht das Nichtzahlen der Regulierungsleistung auf einem vom Schuldner nicht zu vertretenen Umstand mit der Wirkung, dass kein Verzug eintritt ( § 286 Abs. 4 BGB – vgl. BGH VersR 1964, 749). Vor Ablauf der dem Haftpflichtversicherer zustehenden Prüfungsfrist fehlt es damit regelmäßig an einem Verzugseintritt.

Insoweit ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen ein Prüfungszeitraum des Haftpflichtversicherers von 4 bis 6 Wochen abgewartet werden muss ( LG Karlsruhe VersR 1969, 865; OLG Hamm, VersR 1971, 187; LG München VersR 1973, 87; LG München VersR 1974, 69; OLG Köln VersR 1974, 268; OLG Schleswig VersR 1974, 271; OLG Nürnberg VersR 1976, 1052; OLG München VersR 1979, 479; OLG Karlsruhe, LG Hannover ZfS 1986, 176, Schaden-Praxis 2003, 391; OLG Düsseldorf DAR 2007, 611; vgl. auch Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 6 Rn. 60 f m.w.N. und Himmelreich/Halm-Kuhn, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 2009, A 173). Zuzugeben ist dem Kläger, dass die Praxis der Schadensregulierung im Allgemeinen nicht von starren Bearbeitungsfristen ausgeht. Es hängt vielmehr von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls ab, welche Regulierungsfrist angemessen ist. Dem Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen ist jedoch regelmäßig – d.h. selbst bei einfachen Sachverhalten – eine Bearbeitungsfrist von einigen Wochen einzuräumen (Himmelreich/Halm-Kuhn a.a.O., A 179 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hatten die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten sowohl gegen den Beklagten Ziff. 1 als auch gegen den Kläger ein Ordnungsmittelverfahren eingeleitet. Bei einer solchen Sachlage ist dem Haftpflichtversicherer jedenfalls im Rahmen seines Prüfungsrechtes zuzubilligen, zunächst die Ermittlungsakten einzusehen. Der vom Landgericht insoweit gewählte Verzugszeitpunkt 13.10.2008 dürfte die Untergrenze des der Beklagten Ziff. 2 zustehenden Prüfungszeitraums darstellen, eine 4-wöchige Prüfungsfrist ab Kenntnis des Unfalls wäre erst am 16.10.2008 abgelaufen. Die Beklagten haben jedoch den vom Landgericht zugesprochenen Zinsanspruch in der Anschlussberufung nicht angegriffen.

bb) Die der Beklagten Ziff. 2 zuzubilligende Prüfungsfrist steht auch einer Verzinsung vor dem 13.10.2008 gem. § 291 BGB entgegen. Zwar ist nach dieser Vorschrift eine Geldschuld nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit auch dann zu verzinsen, wenn der Schuldner nicht in Verzug ist. Auch steht dem Zinsanspruch nicht die fehlende Fälligkeit entgegen (§ 291 Satz 1 2. Halbsatz BGB). Doch ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch vor Ablauf der Prüfungsfrist redlicherweise nicht durchsetzbar, weshalb eine Verzinsung der verfrüht gerichtlich geltend gemachten Geldschuld gem. § 291 BGB ohne Verzugseintritt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ( § 242 BGB ) ausscheidet.

d) Die Berechnung der von den Beklagten geschuldeten vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten des Klägers durch das Landgericht ist korrekt. Der Gesamtschaden des Klägers beträgt 13.436,13 € (siehe oben). Vorgerichtlich hatte der Kläger jedoch nur 11.176,13 € geltend gemacht, wobei er von einer 100 %igen Schadensregulierungsquote ausgegangen ist. Tatsächlich haften die Beklagten lediglich mit einer Quote von 2/3, sodass vorgerichtlich berechtigt ein Betrag von 7.450,75 € geltend gemacht worden ist. Das Landgericht hat also richtigerweise eine 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert bis 8.000,00 € zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt also 661,16 € zu erstattende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu Grunde gelegt. Hierauf wurden von der Beklagten Ziff. 2.604,25 € bezahlt, sodass noch 56,91 € zur Zahlung offen sind. Für die Verzinsung dieses Betrages und des ursprünglich geschuldeten Betrages von 661,16 € gilt das zur Verzinsung der Hauptforderung Gesagte.

e) Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Der Kläger ist insoweit der Auffassung, dass die Kosten den Beklagten aufzuerlegen waren, soweit sich der Rechtsstreit durch Zahlung vom 24.10.2008 erledigt hat.

Das Landgericht hat jedoch zu Recht im Rahmen der insoweit nach § 91a ZPO zu treffenden Entscheidung die Grundsätze des § 93 ZPO angewendet. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 21.10.2008 innerhalb der gesetzten Frist gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO die Hauptforderung in Höhe von 6.454,09 € und die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € anerkannt. Sie haben keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben, sodass dem Kläger gemäß § 93 ZPO die Kosten aufzuerlegen waren.

Zum einen hat der Kläger nicht einmal die selbst von ihm im Anspruchsschreiben vom 26.09.2008 gesetzte Frist bis zum 10.10.2008 eingehalten, als er am 01.10.2008 die Klage einreichte. Zum anderen ist im vorliegenden Fall der Beklagten Ziff. 2 eine Prüfungsfrist von mindestens 4 Wochen ab Kenntnis des Unfalls, mithin mindestens bis zum 16.10.2008, zuzubilligen (siehe oben). Vor Ablauf dieser Prüfungsfrist hat sie mithin keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben.

Die vom Landgericht gemäß §§ 92, 91a, 93 ZPO ausgesprochene Kostenquote (Kläger 6/7 , Beklagte 1/7) ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat den Streitwert bis zur Klagereduzierung durch den Kläger zunächst mit 10.877,00 € und ab 06.10.2009 mit 5.648,00 € festgesetzt. Aus dem höheren Streitwert sind die Gerichtskosten sowie die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten, insgesamt ca 4.600,00 €, angefallen, wovon der Kläger 90 % (1.070,00 € × 100: 10.877,00 €), also 4.140,00 € zu tragen hat. Aus dem niedrigeren Streitwert sind lediglich die RVG-Terminsgebühren mit insgesamt ca. 960,00 € angefallen, wovon der Kläger 80 % (10.70,00 × 100: 5.648,00 €), also 768,00 € zu tragen hat. Den Gesamtkosten des Rechtsstreits von ca. 5.560,00 € stehen demnach die vom Kläger zu tragenden Kosten von etwa 4.900,00 € gegenüber, woraus das Landgericht zutreffend eine Kostenquote von 6/7 zu Lasten des Klägers gebildet hat.

2. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg.

a) Die Beklagten haben ihre Anschlussberufung gemäß I. des Anschlussberufungsschriftsatzes ohne Datum, der am 05.03.2010 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, auf die dem Kläger zugesprochene Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.170,00 € beschränkt (Bl. 264 d.A.). Soweit sich aus ihrem Klagabweisungsantrag ergibt, dass sie sich auch gegen die zugesprochenen Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) wenden, fehlt es an einer Begründung, was nur deshalb nicht zu einer Verwerfung der Anschlussberufung insoweit führt, weil die prozessual selbständigen Nebenforderungen unter die Beurteilungsform der mit der Anschlussberufung angegriffenen Hauptsache fallen und daher „im Übrigen“ zurückgewiesen werden ( BGH FamRZ 1995, 357; Zöller- Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 520 Rn. 38).

b) Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von insgesamt 1.755,00 € entstanden ist, da ihm 27 Tage das beschädigte Fahrzeug infolge der Reparatur (18 Tage) und der Gutachteneinholung (9 Tage) nicht zur Verfügung gestanden habe. Der vom Landgericht angesetzte Tagessatz von 65,00 € ist zwischen den Parteien unstreitig.

aa) Die Beklagten machen geltend, dass dem Kläger der erforderliche Nutzungswille gefehlt habe. Dies habe er dadurch dokumentiert, dass er die Reparatur des Fahrzeugs nicht vor Ablauf des Saisonkennzeichens, das noch bis zum 31. Oktober 2008 gültig war, veranlasst hat. Er habe das Fahrzeug trotz vorhandener Möglichkeit nicht reparieren lassen und anschließend bis zum Ablauf des Saisonkennzeichens genutzt, woraus zu schließen sei, dass er keinen Nutzungswillen für sein Fahrzeug gehabt habe. Jedenfalls könne er Nutzungsausfall nur für die Dauer der im Schadensgutachten angegebenen Wiederbeschaffungsdauer beanspruchen.

bb) Der Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallentschädigung scheitert nur zum Teil am fehlenden Nutzungswillen. Da der Kläger sein Fahrzeug erst am 17.10.2008 zur Reparatur gegeben hat (vgl. Bestätigung der Fa. B.… GmbH vom 29.09.2009, Anl. K 10, Bl. 154 d.A.), kann er lediglich eine Nutzungsausfallentschädigung bis zum Ablauf des Saisonkennzeichens am 31.10. zuzüglich der Dauer der Gutachtenerstellung, insgesamt also für 24 Tage beanspruchen. Der ihm zustehende Nutzungsausfall reduziert sich hierdurch auf 1.040,00 € (2/3 von 1.560,00 €).

Die Nutzungsausfallentschädigung soll den Vermögensnachteil kompensieren, der dadurch entsteht, dass dem Geschädigten Wirtschaftsgüter von allgemeiner zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung entzogen werden, auf deren ständige Verfügbarkeit dieser für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist ( BGHZ 98, 212 ff ). Dies setzt voraus, dass der Geschädigte die Fühlbarkeit der Gebrauchsentbehrung nachweisen kann, denn nur dann ist eine Gleichstellung der eigenwirtschaftlichen mit der erwerbswirtschaftlichen Nutzung gerechtfertigt (BGH a.a.O.). Die abstrakte Nutzungsausfallentschädigung setzt daher zwingend voraus, dass ein Nutzungswille und auch eine Nutzungsmöglichkeit, also eine tatsächliche Gebrauchsvereitelung vorliegt. Der Gebrauch des für die Lebensführung zentralen Gutes Pkw wird u.a. dann nicht „fühlbar“ beeinträchtigt, wenn dem Geschädigten eine zumutbare andere Gebrauchsmöglichkeit eines Pkw, z.B. in Form eines Zweitwagens, zur Verfügung steht. Vorliegend hat der Kläger jedoch von den Beklagten unwidersprochen (entgegen den Ausführungen des Klägers wird dieser Vortrag auch im Schriftsatz der Beklagten mit Eingangsstempel vom 05.03.2009, Bl. 263 d.A., nicht bestritten) dargelegt, dass sein Zweitwagen wegen eines Motorschadens nicht nutzbar gewesen sei. Der gelegentliche Gebrauch des Fahrzeuges seiner Tochter steht einer fühlbaren Beeinträchtigung nicht entgegen.

Da der Kläger sich zur Reparatur des beschädigten und nicht zum Kauf eines neuen Fahrzeugs entschlossen hat, ist seine Nutzungsbeeinträchtigung für die Zeit der Reparaturdauer zu entschädigen. Die vom Sachverständigen M.… angegebene Wiederbeschaffungsdauer stellt insoweit keine Obergrenze dar (und beträgt ohnehin nur einen Tag weniger als die zu entschädigende Reparaturdauer). Vielmehr kommt es auf die tatsächlich entstandene Nutzungsbeeinträchtigung an, die der Kläger aufgrund des Unfallgeschehens hinnehmen musste, nachdem er sich berechtigterweise zur Reparatur entschlossen hat. Dass die von der Fa. B... GmbH bestätigte Dauer der Reparatur nicht angemessen ist, haben die Beklagten nicht behauptet.

Zu Recht hat das Landgericht bei der Ermittlung der dem Kläger zustehenden Nutzungsausfallentschädigung die Zeit bis zur Vorlage des Gutachtens berücksichtigt. Darüber hinaus kann der Kläger – wie das Landgericht im Grundsatz richtig ausführt – Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur ab 17.10.2008, an dem er das Fahrzeug in Reparatur gegeben hat, beanspruchen. Für die Zeit, die der Kläger ab Vorliegen des Gutachtens brauchte, um sich für die Durchführung der (wirtschaftlich eigentlich nicht mehr sinnvollen) Reparatur zu entschließen, kann er keine Nutzungsentschädigung beanspruchen. Dabei kann offen bleiben, ob dem Geschädigten grundsätzlich eine Frist zuzubilligen ist, innerhalb derer er zu entscheiden hat, ob er eine Reparatur durchführt (Himmelreich/Halm-Schäpe/Heberlein, a.a.O., F 374 m.w.N.) oder ob er den Reparaturauftrag unverzüglich zur Geringhaltung des Schadens erteilen muss (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 12 StVG, Rn 43). Liegt nämlich – wie vorliegend – ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, bei dem sich der Geschädigte gleichwohl zu Reparatur entschließt, kann er, sobald ihm der Umfang des Schadens bekannt ist, für die Dauer der Entscheidungsfindung keine Nutzungsentschädigung mehr beanspruchen. Denn nach Feststellung des wirtschaftlichen Totalschadens – welchen vorliegend der Sachverständige M.… ermittelt hat – gibt es nur eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung, so dass der Geschädigte gar keine Entscheidung mehr zu treffen braucht. Entschließt er sich gleichwohl für eine Reparatur, muss er jedenfalls die Dauer seiner Überlegungen nicht zu lasten des Unfallgegners gehen.

Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach Ablauf des Saisonkennzeichens am 31.10. noch einen Nutzungswillen hatte, da er das Fahrzeug ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Straßenverkehr benutzen durfte. Dass er ohne das Unfallgeschehen eine Zulassungsänderung dergestalt vorgenommen und das streitgegenständliche Fahrzeug so auch über den 31.10. hinaus genutzt hätte, hat er selbst nicht vorgetragen.

Dem Kläger ist somit eine Entschädigung für die Zeit, in der das Fahrzeug bis zum 31.10. in Reparatur war, also 15 Tage, zuzüglich der Dauer der Erstellung des Gutachtens von 9 Tagen, insgesamt mithin für 24 Tage zuzubilligen. Der Anspruch des Klägers errechnet sich wie folgt: 24 Tage × 65,00 € = 1.560,00 € , davon 2/3 = 1.040,00 €. Auf die Anschlussberufung des Klägers war das landgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92Abs. 1 und 2 ZPO. Da die Anschlussberufung nur in geringem Umfang Erfolg hatte, war eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung nicht angezeigt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht.