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OLG Hamm Urteil vom 19.02.2010 - 9 U 147/09 - Kein Ersatz der Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung und zum Ersatz von Zustellungs- und Abholkosten bei der Mietwagenanmietung

OLG Hamm v. 19.02.2010: Kein Ersatz der Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung und zum Ersatz von Zustellungs- und Abholkosten bei der Mietwagenanmietung


Das OLG Hamm (Urteil vom 19.02.2010 - 9 U 147/09) hat entschieden:
  1. Rechnet der geschädigte Fahrzeugeigentümer seinen Kraftfahrzeugschaden trotz tatsächlicher Ersatzbeschaffung fiktiv auf der Basis eines sachverständigen Schadensgutachtens ab, ist der Schadensberechnung der Nettowiederbeschaffungswert zu Grunde zu legen (wie BGH VI ZR 312/08). Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem verunfallten Fahrzeug um einen für den deutschen Markt eher fremden Fahrzeugtyp handelt (hier: rechts gelenkter Ford-Pkw eines britischen Halters).

  2. Der Einwand, das Fahrzeug sei zum Nettowiederbeschaffungswert auf dem deutschen wie britischen Markt nicht käuflich, so dass vom Bruttowiederbeschaffungswert auszugehen sei, ändert nichts an der Art der fiktiven Schadensberechnung nach Nr. 1. Inhaltlich richtet sich der Einwand gegen die Verlässlichkeit des Schadensgutachtens.

  3. Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB durch unterlassene Beschaffung eines Interimsfahrzeugs setzt - wenn er begründet werden soll - die Darlegung und den Beweis von konkreten Umständen voraus, die eine temporäre Ersatzbeschaffung zumutbar gemacht hätten.

  4. Ersatzfähig sind die in der Mietwagenrechnung ausgewiesenen Kosten für die Zustellung und die Abholung des Mietwagens. Ein Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch nehmen.

Gründe:

A.

Die Klägerin macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 03. März 2007 geltend.

Der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW beschädigte das ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeug der Klägerin. Die 100 %-ige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden dem Grunde nach ist unstreitig. Die Unfallschäden wurden seitens der Beklagten vorprozessual weitgehend reguliert, auch die seitens der Klägerin fiktiv geltend gemachten Fahrzeugschäden. Streitig zwischen den Parteien sind in der Berufung nur noch die Umsatzsteuer für den verunfallten PKW und Teile der Mietwagenkosten der Klägerin, nachdem die Beklagte den erstinstanzlich ferner geltend gemachten Benzinmehraufwand anerkannt hat.

Ausweislich des vorprozessual eingeholten Schadensgutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. N betrug der Nettowiederbeschaffungswert des beschädigten PKW der Klägerin – einem rechtsgelenkten Ford S-Max – 20.500,00 EUR. In der ergänzenden Stellungnahme vom 20. März 2007 erklärte der Sachverständige, bei den 20.500,00 EUR handele es sich um den Nettowert. Er bezifferte den Bruttowert auf 24.395,00 EUR. Der Restwert des Ford betrug 1.500,00 EUR. Auf diesen Schaden hat die Beklagte 19.000,00 EUR gezahlt (Nettowiederbeschaffungswert 20.500,00 EUR ./. Restwert 1.500,00 EUR). Die Klägerin ist der Ansicht, dass auf Gutachtenbasis wie folgt abzurechnen ist: Bruttowiederbeschaffungswert 24.395,00 EUR ./. Restwert 1.500,00 EUR = 22.895,00 EUR). Entscheidend ist ihrer Ansicht nach allein, wie der beschädigte Wagen steuerrechtlich zu bewerten ist. Die Klägerin hat einen Ersatzwagen angeschafft. Hierfür musste sie keine Umsatzsteuer aufwenden, da sie gem. Art. 67 des Nato-Zusatzabkommens die Möglichkeit hatte, unter bestimmten Abwicklungsvoraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit zu werden.

Die Klägerin hat für die Zeit vom 05. März 2007 bis zum 23. Mai 2007 (d.h. für 80 Tage) einen Mietwagen angemietet. Hierfür wurden der Klägerin 5.891,00 EUR in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat auf diesen Schaden 4.713,00 EUR gezahlt. Mit Schreiben vom 24. Juni 2008 hat sie darauf hingewiesen, dass sie bei der Abrechnung 80 Tage abzüglich Eigenersparnissen, sowie die Kosten der Überführung für das Ersatzfahrzeug berücksichtigt habe.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,

  1. an sie 5.230,09 EUR nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.895,00 EUR seit dem 30. März 2007 und aus weiteren 1.335,09 EUR seit dem 09. Juni 2007 zu zahlen;

  2. an sie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H. von 111,38 EUR nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (= 28. Oktober 2008) zu zahlen.

Die Beklagte hat den Klageanspruch i.H. von 157,09 EUR anerkannt und im Übrigen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass die Klägerin den Mietwagen zu einem Langzeittarif angemietet habe. Sie hat gemeint, es müssten Ersparnisse der Klägerin i.H. von mindestens 10 % berücksichtigt werden. Die Klägerin hätte ferner ein Interimsfahrzeug anschaffen müssen, um den Schaden möglichst gering zu halten.

Das Landgericht hat i.H. von 157,09 EUR ein Anerkenntnisteilurteil erlassen und die Beklagte zur Zahlung von Zinsen und der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe keine Mehrwertsteuer zu, da diese nicht angefallen sei. Hinsichtlich der Mietwagenkosten bestünden schon Zweifel, ob eine Mietzeit von 80 Tagen angemessen sei. Aber selbst wenn 80 Tage angemessen seien, könnten nach der anzuwendenden Tabelle des Fraunhofer Instituts bei der Mietwagengruppe 7 nur 50,71 EUR/Tag angesetzt werden. Dies führe zu Mietwagenkosten i.H. von 4.056,80 EUR. Von diesem Betrag müsste noch eine Eigenersparnis von 10 % abgezogen werden, sodass nur ein angemessener Betrag von 3.651,12 EUR verbleibe. Dieser Anspruch sei durch die unstreitige Zahlung von 4.713,00 EUR erloschen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre Ansicht zur Ersatzfähigkeit der Mehrwertsteuer vertieft. Sie rügt im Hinblick auf die Mietwagenkosten, dass das Landgericht überraschend auf die Tabelle des Fraunhofer Institutes abgestellt habe. Es dürfe auch nicht auf diese Tabelle abgestellt werden. Ferner sei die Beklagte mit ihrem Vortrag präkludiert, dass die Anmietung für 80 Tage unangemessen sei, da sie vorprozessual auf der Basis von 80 Tagen abgerechnet habe. Ein Eigenersparnisabzug der Klägerin könne allenfalls 3 bis 5 % betragen.

Die Klägerin beantragt,
  1. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 5.073,00 EUR nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.895,00 EUR seit dem 30. März 2007 und aus weiteren 1.335,09 EUR seit dem 09. Juni 2007 zu zahlen;

  2. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H. von 75,68 EUR nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Oktober 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.


B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten (weiteren) Mietwagenkosten nebst Zinsen erfolgreich. Über die vorprozessuale Zahlung der Beklagten auf die Mietwagenkosten hinaus hat die Klägerin Anspruch auf weitere 594,90 EUR nebst Zinsen.


I.

Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch auf Ersatz der (fiktiven) Umsatzsteuer.

1. Trotz der Ersatzbeschaffung rechnet die Klägerin (zulässig) fiktiv auf Gutachtenbasis ab. Dies bedeutet, dass sie aber nicht wegen der Ersatzbeschaffung auf Grundlage der BGH-Rechtsprechung (VersR 2006, 238; VersR 2009, 516) Anspruch auf Ersatz des Bruttowiederbeschaffungswertes hat. Der BGH (a.a.O.) hat ausgeführt, dass nur bei der hier nicht vorliegenden konkreten Schadensberechnung im Fall der Ersatzbeschaffung auf den im Gutachten ausgewiesenen Bruttowiederbeschaffungswert abzustellen ist. Nur für die konkrete Schadensberechnung hat der BGH (VersR 2009, 516) entschieden, dass ein vorsteuerabzugsberechtigter Geschädigter nicht verpflichtet ist, beim Erwerb eines Ersatzfahrzeuges ein regelbesteuertes Fahrzeug anzuschaffen. Wenn er ein nur differenzbesteuertes Fahrzeug anschaffe, sei er nicht vorsteuerabzugsberechtigt, so dass auf den Bruttowiederbeschaffungswert abzustellen sei.

Diese Rechtsprechung würde der Klägerin auch bei einer konkreten Schadensberechnung nicht zum Erfolg verhelfen, da die Kosten für den Ersatzwagen deutlich unter dem im Gutachten ausgewiesenen Bruttowiederbeschaffungswert lagen.

2. Da die Klägerin ihren Schaden fiktiv auf Gutachtenbasis berechnet, ist die Umsatzsteuer nicht i.S. von § 249 Abs. 2 S. 2 BGB tatsächlich angefallen und nicht ersatzfähig.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. Entscheidung vom 22.09.2009, Az. VI ZR 312/08) ist die Umsatzsteuer bei der fiktiven Abrechnung kein zu ersetzender Schadensposten. Dies gilt auch im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens. Denn nach der Einführung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB soll die Umsatzsteuer nur noch ersetzt werden, wenn sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt. Sie soll hingegen nicht ersetzt werden können, wenn sie fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung bei einem Fachbetrieb oder einem anderen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer im Sinne des § 2 UStG nicht kommt. Wird eine gleichwertige Sache als Ersatz beschafft und fällt dafür Umsatzsteuer an, so ist die Umsatzsteuer im angefallenen Umfang zu ersetzen. Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache - etwa beim Kauf von Privat - keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/7752 S. 13 f., 23 f.; BGHZ 158, 388, 389; 162, 270, 272 f. ; 164, 397, 399 f.; BGH VersR 2004, 927, 928; VersR 2006, 987, 988; VersR 2009, 654 Rn. 12). In diesem Fall ist sie auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nicht ersatzfähig, weil § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit die Dispositionsfreiheit begrenzt (vgl. BGH vom 9. Mai 2006 - VI ZR 225/05 - aaO).

Nach diesen Grundsätzen ist bei der fiktiven Schadensabrechnung von einem Bruttowiederbeschaffungswert die darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen. Hiervon geht auch die Klägerin aus. Sie ist aber der Ansicht, dass vorliegend auf den im Gutachten des Dipl. Ing. N angegebenen Bruttowiederbeschaffungswert abzustellen sei, weil das verunfallte Fahrzeug der Klägerin auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt nicht zu erwerben sei. Der Wagen könne nur ohne Ausweis der Umsatzsteuer erworben werden. Dies führe dazu, dass auf den Bruttowiederbeschaffungswert abzustellen sei.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Rechtsprechung des BGH – insbesondere auch dem Urteil des BGH vom 09. Mai 2006, Az. VI ZR 225/05 – nicht entnommen werden, dass stets zunächst der Bruttowiederbeschaffungswert zu ermitteln ist, um dann in einem zweiten Schritt zu bestimmen, in welcher Höhe bei der fiktiven Abrechnung die Umsatzsteuer heraus zu rechnen ist. Der BGH hat a.a.O. nur ausgeführt, dass bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis, von einem im Gutachten angegebenen Bruttowiederbeschaffungswert die darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen ist. Für die Frage der Höhe des Abzuges müsse geklärt werden, ob der geschädigte Wagen üblicherweise regel- oder differenzbesteuert gehandelt werde. Hierdurch könne der Nettowiederbeschaffungswert ermittelt werden. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BGH damit bei der fiktiven Abrechnung die korrekte Ermittlung des Nettowiederbeschaffungswertes.

Diesen hat der von der Klägerin eingeschaltete Sachverständige Dipl. Ing. N mit 20.500,00 EUR ermittelt. In seinem Gutachten hat er den Wiederbeschaffungswert "incl. Mehrwertsteuer" zunächst mit 20.500,00 EUR berechnet. In der Ergänzung vom 20. März 2007 hat er angegeben, dass der Wert irrtümlich als incl. Mehrwertsteuer bezeichnet worden sei. Inklusive Mehrwertsteuer betrage der Wiederbeschaffungswert 24.395,00 EUR. Damit hat der Sachverständige einen Nettowiederbeschaffungswert i.H. von 20.500,00 EUR und unter Berücksichtigung einer Umsatzsteuer von 19 % einen Bruttowiederbeschaffungswert i.H. von 24.395,00 EUR ermittelt. Da unstreitig die Umsatzsteuer nicht angefallen ist, ist auf den Nettowiederbeschaffungswert abzustellen.

Dem Schadensgutachten kann nicht entnommen werden, dass der Klägerin eine Ersatzbeschaffung des verunfallten Wagens nur ohne Mehrwertsteuer zum Preis von 24.395,00 EUR möglich gewesen ist. Aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 20. März 2007 ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Er verbleibt bei seiner Wertberechnung und erhöht den Nettowiederbeschaffungswert nur um die Umsatzsteuer i.H. von 19 %.

Damit will die Klägerin letztlich nicht mehr auf der Basis des Schadensgutachtens N fiktiv abrechnen. Sie hätte unter Zugrundelegung ihrer Ansicht das Schadensgutachten mit der Behauptung angreifen müssen, dass der Ersatz des im Schadensgutachten ausgewiesenen Nettowiederbeschaffungswerts zur Schadenskompensation nicht genügend ist, sondern eine Ersatzbeschaffung (ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer) nur zu einem über dem ausgewiesenen Nettowiederbeschaffungswert liegenden Preis möglich gewesen wäre. Dies behauptet die Klägerin aber nicht. Sie behauptet lediglich, dass in dem vom Sachverständigen angegebenen Bruttowiederbeschaffungswert keine Umsatzsteuer enthalten sei. Dies begründet sie damit, dass ein dem verunfallten Fahrzeug der Klägerin entsprechender Wagen auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt nicht zu erwerben sei. Ein solcher Wagen könne nur ohne Ausweis der Umsatzsteuer erworben werden. Diesem Vortrag kann aber nicht entnommen werden, dass zur Schadenskompensation auch bei fiktiver Abrechnung auf den Bruttowiederbeschaffungswert abgestellt werden müsste. Dagegen spricht insbesondere, dass der Sachverständige N einen zur Schadenskompensation seiner Ansicht nach genügenden Nettobetrag angegeben hat.

Ferner ist ausweislich der von der Klägerin eingereichten Rechnung über den angeschafften Ersatzwagen der Nettowiederbeschaffungswert zur Schadenskompensation genügend. Der Nettowiederbeschaffungswert im Schadensgutachten von 20.500,00 EUR entsprach zum Zeitpunkt der Rechnung über den Ersatzwagen (dem 21. Juni 2007) ausweislich der allgemein zugänglichen Umrechnungskurse einem Betrag von 13.778,05 Pfund und damit ungefähr dem ausgewiesenen Rechnungsbetrag von 13.550,00 Pfund. Bei dieser Vergleichsbetrachtung ist zudem außer Betracht geblieben, dass die Klägerin bei der Ersatzbeschaffung einen Neuwagen angeschafft hat, ihr zur Schadenskompensation aber nur ein Gebrauchtwagen zustand. Diese Vergleichsbetrachtung zeigt aber, dass die Schadensberechnung der Klägerin zu einer dem deutschen Schadensrecht fremden Bereicherung der Klägerin führen würde. Hierbei kann dahinstehen, dass bei der Ersatzbeschaffung der Klägerin gem. Art. 67 des Nato-Zusatzabkommens keine Umsatzsteuer angefallen ist. Denn es kann offen bleiben, ob die Klägerin verpflichtet war, bei einer Ersatzbeschaffung trotz der damit verbundenen bürokratischen Schwierigkeiten gem. Art. 67 des Nato-Zusatzabkommens vorzugehen, um so die Umsatzsteuer zu umgehen. Entscheidend ist, dass nicht festgestellt werden kann, dass für die Schadenskompensation der Bruttowiederbeschaffungswert des Gutachtens N erforderlich war.


II.

Die Klägerin hat im Hinblick auf die Mietwagenkosten gegen die Beklagte einen über die vorprozessuale Zahlung i.H. von 4.713,00 EUR hinausgehenden Anspruch i. H. von weiteren 594,90 EUR. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in dem Schreiben des Rechtsanwaltes der Klägerin vom 27. Juni 2008 kein Verzicht auf eine noch offene Restforderung. Aus dem Satz: "Über die Mietwagenkosten sprechen wir gar nicht mehr" kann ein solcher nicht abgeleitet werden.

2. Ersatzfähig sind die in der Mietwagenrechnung ausgewiesenen Kosten für die Zustellung und die Abholung des Mietwagens. Ein Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch nehmen (OLG Köln NZV 2007, 199). Da die Beklagte diese Position nicht konkret angreift, sondern mit Schreiben vom 24. Juni 2008 akzeptiert hat, sind die Kosten der Zustellung und Abholung i.H. von 50,42 EUR (netto) = 60,00 EUR (brutto) in die Schadensberechnung einzustellen.

3. Auch die weitere in der Rechnung vom 24. Mai 2007 aufgeführte Pauschale von 4.900,00 EUR (netto) = 5.831,00 EUR (brutto) ist im Grundsatz ersatzfähig. Allerdings muss sich die Klägerin hierauf 10 % ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen.

a. In dem Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 24. Juni 2008, liegt kein Anerkenntnis, dass Mietwagenkosten für 80 Tage zu erstatten sind. Der Beklagten hätte aber oblegen, die Länge der Anmietung konkret anzugreifen. Dies gilt auch, da nach dem Schadensgutachten und der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 19. April 2007 für die Klägerin keine Möglichkeit bestand, kurzfristig ein vergleichbares Fahrzeug zu erwerben. Ferner hat die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 22. März 2007 mitteilen lassen, dass ein neues Fahrzeug bestellt worden sei, welches sie erst am 23. Mai 2007 erhalten werde. Hierauf hätte die Beklagte wegen der ihr im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses (der Schadensabwicklung) obliegenden Pflichten reagieren müssen.

b. Entgegen der Ansicht der Beklagten, musste die Klägerin gem. § 254 BGB kein Ersatzfahrzeug anschaffen, um die anfallenden Mietwagenkosten zu reduzieren. Der Vortrag der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten ist für die Annahme eines solchen Verstoßes nicht ausreichend. Der Vortrag der Beklagten erschöpft sich in der Behauptung, die Klägerin habe ein Interimsfahrzeug anschaffen müssen, ohne dass sie darlegt, dass dies der Klägerin zumutbar gewesen wäre. Die Beklagte hätte aber darlegen müssen, welches Fahrzeug die Klägerin in der Zeit der Anmietung des Wagens zumutbar zu welchem Preis hätte ankaufen müssen (vgl. Brandenburgisches OLG, VRR 2008, 27). Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin ferner von den Risiken, die mit dem Kauf eines Interimsfahrzeug verbunden gewesen wären (An- und Abmeldekosten, Wertverlust, etc.), hätte freistellen müssen. Zumindest hätte die Beklagte auf die Anzeige der langen Mietdauer mit Schriftsatz vom 22. März 2007 und die Zurverfügungstellung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen am 19. April 2007 auf die Verpflichtung zum Ankauf eines Ersatzwagens dringen müssen.

c. Nach den Erörterungen in der Berufungsverhandlung wird seitens der Beklagten nicht substanziell bestritten, dass die Klägerin den Mietwagen zu einem Langzeittarif angemietet hat. Damit ist von den der Klägerin in Rechnung gestellten Bruttomietwagenkosten i.H. von 5.831,00 EUR auszugehen. Von diesen sind nach der Rechtsprechung des OLG Hamm (z.B. 6. Senat vom 21.04.2008, Az. 6 U 188/07) 10 % für ersparte Aufwendungen in Abzug zu bringen. Zumindest im vorliegenden Fall ist dieser Abzug gerechtfertigt, da der geschädigte Wagen der Klägerin nur ca. 2 Monate alt war und in der langen Mietzeit von 80 Tagen relativ viel an Wert verloren hätte.

Dies führt zu folgender Berechnung:

Zustellkosten 60,00 EUR
Bruttomietwagenkosten 5.831,00 EUR
./. 10 % Ersparnis 583,10 EUR
verbleibt 5.307,90 EUR
./. unstreitige Zahlung 4.713,00 EUR
verbleibt 594,90 EUR


In dieser Höhe hat die Klägerin über das landgerichtliche Urteil hinaus einen weitergehenden Schadensersatzanspruch.


III.

Die Zinsausspruch ist gem. §§ 286, 288 BGB begründet. Der Zinsbeginn hinsichtlich der Mietwagenkosten ab dem 09. Juni 2007 ist unstreitig, da sich die Beklagte sich ausschließlich damit verteidigt, dass die Klägerin angeblich auf diese Kosten verzichtet habe. Dies ist aus den oben aufgeführten Gründen nicht zutreffend.

Durch den um 594,90 EUR höheren Anspruch der Klägerin erfolgt bei den Rechtsanwaltskosten kein Gebührensprung, sodass der Klägerin über die vom Landgericht bereits zugesprochenen Rechtsanwaltsgebühren keine weiteren zustehen.


IV.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO und zur Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem vorliegenden Fall nicht um einen von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Revisionszulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Berechnungsmodalitäten bei fiktiver Schadensabrechnung sind seitens des BGH geklärt. Die Entscheidung auf den im Schadensgutachten N ausgewiesenen Nettowiederbeschaffungswert abzustellen, ist eine Einzelfallentscheidung.








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