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OVG Lüneburg Beschluss vom 10.05.2010 - - 12 LA 351/08 - Kein Bestandsschutz für Führerscheinklassen C und CE bei nach 1998 ausgestellten Führerscheinen
OVG Lüneburg v. 10.05.2010: Ist eine Umstellung der einem Führerscheininhaber vor dem 31.12.1998 erteilten alten Fahrerlaubnisklasse 2 bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres nicht vorgenommen, kann sie später nicht mehr nachgeholt werden
Das OVG Niedersachsen in Lüneburg (Beschluss vom 10.05.2010 - 12 LA 351/08) hat entschieden:
Ist eine Umstellung der einem Führerscheininhaber vor dem 31.12.1998 erteilten alten Fahrerlaubnisklasse 2 bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres nicht vorgenommen, kann sie später nicht mehr nachgeholt werden, weil ab Vollendung des 50. Lebensjahres Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen der Klassen C oder CE nicht mehr ohne erneute Erteilung geführt werden dürfen. Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gründe:
I.
Dem am 6. September 1954 geborenen Kläger wurde am 12. Oktober 1972 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) erteilt. Diese wurde am 15. September 1975 auf die Klasse 2 und am 14. Juli 1976 auf die Klasse 1 erweitert. Mit Antrag vom 31. Oktober 2005 begehrte der Kläger von der Beklagten die Umstellung seines Führerscheins auf den EU-Kartenführerschein. Ein solcher wurde ihm am 13. Januar 2006 ausgehändigt. Darin ist für die Klassen A1, B, C1, BE, C1E, M und L als Erteilungsdatum jeweils der 12. Oktober 1972, für die Klassen T/S der 15. September 1975 und für die Klasse A der 14. Juli 1976 als Erteilungsdatum angegeben. Hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen C und CE ist als Erteilungsdatum der 13. Januar 2006 eingetragen, wobei für diese Klassen zusätzlich vermerkt ist, dass sie bis zum 9. November 2010 Geltung haben.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 wandte sich der Kläger unter anderem dagegen, dass für die Klassen C und CE nicht das Erteilungsdatum der ursprünglichen Fahrerlaubnis eingetragen worden war. Dem hielt die Beklagte entgegen, dass das Erteilungsdatum nur im Falle einer Verlängerung der Fahrerlaubnis eingetragen werden könne. Die Fahrerlaubnis der früheren Klasse 2 sei jedoch mit Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers ungültig geworden. Insoweit sei eine Neuerteilung erforderlich gewesen. Der Kläger, der seine gegenteilige Rechtsauffassung aufrechterhielt, beantragte ferner, nachdem ein umfangreicher Schriftwechsel vorausgegangen war, unter dem 20. Dezember 2006, dass neben dem ursprünglichen Erteilungsdatum der Klasse 2 (alt) auch die Schlüsselzahl 172 nachgetragen werde, um zu erreichen, dass die neue Fahrerlaubnis die gleiche Berechtigung darstelle wie die alte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9. Januar 2007 u. a. die Eintragung des Ausstellungsdatums der früheren Klasse 2 in den EU-Kartenführerschein ab. Die dagegen erhobene und mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, in den EU-Kartenführerschein des Klägers das Datum der Ersterteilung der früheren Fahrerlaubnisklasse 2 (15. September 1975) sowie die nationale Schlüsselzahl 172 in Spalte 12 einzutragen, geführte Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse C unter Hinzufügung der Schlüsselzahl 172. Mithin sei eine entsprechende Eintragung im EU-Kartenführerschein nicht möglich. Das gelte auch für die vom Kläger begehrte Eintragung des Ausstellungsdatums der alten Klasse 2 für die Fahrerlaubnisklassen C und CE. Der Kläger könne sich auf § 6 Abs. 6 und 7 FeV nicht zu seinen Gunsten berufen. Das Recht auf Umstellung auf die Fahrerlaubnisklassen C und CE sei wegen § 76 Nr. 9 Satz 13 FeV mit Vollendung seines 50. Lebensjahres am 5. September 2004 erloschen. Unter diesen Umständen komme auch die Eintragung der Schlüsselzahl 172 - wenn wie hier eine Umstellung ausgeschlossen sei - nicht mehr in Betracht.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ( § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO ) und der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache ( § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) liegen nicht vor.
Ohne Zuordnung seines Vorbringens zu einem der genannten Zulassungsgründe wendet sich der Kläger in der Art einer Berufungsbegründung gegen die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und wiederholt im Kern insoweit sein erstinstanzliches Vorbringen. Die mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Gründe geben ebenso wenig wie die bloße schriftsätzliche Bezugnahme „auf den gesamten rechtlichen Vortrag erster Instanz“ Anlass, die Berufung zuzulassen, denn die dafür in Anspruch genommenen Voraussetzungen sind nicht gegeben. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das Zulassungsvorbringen überhaupt den formalen Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt.
Gemäß § 6 Abs. 6 FeV bleiben Fahrerlaubnisse, die - wie im Falle des Klägers - bis zum 31. Dezember 1998 erteilt worden sind (Fahrerlaubnisse alten Rechts) im Umfang der bisherigen Berechtigung vorbehaltlich der Bestimmungen in § 76 FeV bestehen. Solche Fahrerlaubnisse, die bis zum 31. Dezember 1998 erteilt worden sind, werden gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 FeV auf Antrag des Inhabers auf die neuen Fahrerlaubnisklassen umgestellt. Über sie wird ein neuer Führerschein ausgefertigt, wobei sich der neue Umfang der Fahrerlaubnis aus Anlage 3 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ergibt ( § 6 Abs. 7 Satz 2 und 3 FeV ). Ferner ist in § 6 Abs. 7 Satz 4 und 5 FeV bestimmt, dass nach der Umstellung Kraftfahrzeuge nur noch in dem neuen Umfang geführt werden dürfen, sofern sie der Fahrerlaubnispflicht unterliegen, und die Bestimmungen in § 76 FeV zu den §§ 4 bis 6 FeV unberührt bleiben.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche scheitern an § 76 FeV. Wenn § 6 Abs. 7 Satz 1 FeV bestimmt, dass auf Antrag des Inhabers die bisherigen Berechtigungen auf die neuen Fahrerlaubnisklassen umgestellt werden und hierüber ein neuer Führerschein ausgefertigt wird ( § 6 Abs. 7 Satz 2 FeV ), so ergibt sich der neue Umfang aus § 6 Abs. 7 Satz 3 FeV i. V. m. Anlage 3. Daraus folgt grundsätzlich, dass bei der Fahrerlaubnisklasse 2 (alt) und der Erteilung der Fahrerlaubnis - wie hier - vor dem 1. April 1980 die Fahrerlaubnis auf die Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, M, S, L und T umgestellt und als weitere Berechtigung die Schlüsselzahl 172 gemäß Anlage 9 zur Fahrerlaubnis-Verordnung eingetragen wird. Diese nationale Schlüsselzahl bedeutet wiederum nach Anlage 9 zu § 25 Abs. 3 FeV, dass die Klasse C auch für Kraftfahrzeuge der Klasse D gültig ist, jedoch ohne Fahrgäste. Grundsätzlich wird bei der Umstellung einer bis zum 31. Dezember 1998 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse 2 oder einer entsprechenden Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis der Klassen C und CE bis zu dem Tag befristet, an dem der Inhaber das 50. Lebensjahr vollendet ( § 76 Nr. 9 Satz 10 FeV ). Für die Verlängerung der Fahrerlaubnis und die Erteilung nach Ablauf der Geltungsdauer ist § 24 FeV entsprechend anzuwenden ( § 76 Nr. 9 Satz 11 FeV ). Wird hingegen die bis zum 31. Dezember 1998 erteilte Fahrerlaubnis nicht umgestellt, darf der Inhaber ab Vollendung des 50. Lebensjahres keine Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen der Klassen C oder CE mehr führen. Für die Erteilung einer Fahrerlaubnis dieser Klassen ist anschließend § 24 Abs. 2 FeV entsprechend anzuwenden ( § 76 Nr. 9 Satz 13 und 14 FeV ). So verhielt es sich hier. Die dem Kläger erteilte (alte) Fahrerlaubnisklasse 2 war bis zur Vollendung seines 50. Lebensjahres nicht umgestellt worden. Angesichts der Bestimmung, ab Vollendung des 50. Lebensjahres keine Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen der Klassen C oder CE mehr führen zu dürfen, und dem Wegfall der bis dahin bestehenden Befugnis war eine Umstellung nach Vollendung des 50. Lebensjahres nicht mehr möglich. Gegen diese Übergangsregelungen sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben; sie verstoßen insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse der Verkehrssicherheit nicht gegen das Übermaßverbot (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 6 FeV Rn. 10; Senat, Beschl. v. 4.5.2006 - 12 LA 76/05 -, juris).
Nicht anders verhält es sich im Ergebnis mit dem weiteren Begehren des Klägers, es möge die nationale Schlüsselzahl 172 in Spalte 12 des EU-Kartenführerscheins eingetragen werden. Auch insoweit gilt, dass die Schlüsselzahl 172 nur bei der Umstellung von Fahrerlaubnissen, die bis zum 31. Dezember 1998 erteilt worden waren, verwendet werden darf, eine Umstellung hingegen ausgeschlossen ist, wenn § 76 Nr. 9 Satz 13 FeV eingreift. Das ergibt sich zum einen aus der Anlage 3 (zu § 6 Abs. 7 FeV ), die die Eintragung der Berechtigung gemäß Schlüsselzahl 172 auf die Fälle der Umstellung von Fahrerlaubnissen alten Rechts auf die neuen Klassen und den Umtausch von Führerscheinen nach den bisherigen Mustern beschränkt. Das gleiche folgt im Übrigen aus § 25 Abs. 3 FeV i. V. m. Anlage 9 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, wo unter II. Buchst. b (zu Schlüsselzahl 181) ausdrücklich bestimmt ist, dass unter anderem die Schlüsselzahlen 171 bis 175 - also auch 172 - nur bei der Umstellung von Fahrerlaubnissen, die bis zum 31. Dezember 1998 erteilt worden sind, verwendet werden dürfen.
Der Vortrag des Klägers in seinem Zulassungsantrag ist nicht geeignet, diese bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend vorgenommene rechtliche Beurteilung in Zweifel zu ziehen. Insbesondere verkennt der Kläger die Bedeutung der Regelung in § 76 Nr. 9 Satz 14 FeV, wo es heißt, dass für die Erteilung einer Fahrerlaubnis dieser Klassen - also C und CE - anschließend - also nach Wegfall der Befugnis, von diesen Klassen Gebrauch zu machen - § 24 Abs. 2 FeV entsprechend anzuwenden ist. Es handelt sich dabei eben um die Erteilung einer Fahrerlaubnis, nicht jedoch um die Verlängerung. Während bei einer Verlängerung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 24 Abs. 1 FeV die Schlüsselzahl 172 noch weiterhin als Besitzstand hätte zugeteilt werden dürfen, ist dies bei einer erneuten Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 24 Abs. 2 FeV nicht mehr möglich, weil mit dem Erlöschen der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE mit Vollendung des 50. Lebensjahres auch alle sich aus diesen Fahrerlaubnisklassen und der alten Klasse 2 ergebenden Besitzstände erloschen sind. Dass die bis zum 29. Oktober 2008 geltende Fassung des § 24 Abs. 2 FeV geändert und die darin enthalten gewesene Zweijahresfrist mit Wirkung vom 30. Oktober 2008 aufgehoben worden ist (Änderungsverordnung vom 18.7.2008, BGBl. I S. 1338), erlaubt eine dem Kläger günstigere Beurteilung nicht. Die frühere Zweijahresfrist, innerhalb derer seit dem Ablauf der Geltungsdauer der vorherigen Fahrerlaubnis ein Neuerteilungsantrag unter erleichterten Voraussetzungen gestellt werden konnte, wurde aufgehoben, weil die Befristung der Fahrerlaubnis nicht den Zweck hat, die Befähigung regelmäßig erneut zu prüfen, sondern weil die Eignung in regelmäßigen Abständen überprüft werden soll (vgl. Dauer, a. a. O., § 24 FeV Rn. 13). Von dieser Änderung bleibt die Anwendbarkeit des § 76 Nr. 9 Satz 13 und 14 FeV gänzlich unberührt. Auch hat die Änderung nichts an dem Befund geändert, dass es sich in den Fällen des § 24 Abs. 2 FeV - anders als nach Abs. 1 der Vorschrift - nicht um einen Fall der Verlängerung der Fahrerlaubnis, sondern um einen der Erteilung, wenn auch unter erleichterten Umständen, handelt.
Dass die Fahrerlaubnisklassen T/S mit dem Erteilungsdatum des 15. September 1975 in den EU-Kartenführerschein eingetragen worden sind, ist ebenfalls nicht geeignet, die Rechtsauffassung des Klägers zu stützen. Vielmehr ergibt sich aus Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV, dass die Fahrerlaubnisklasse 2 (alt) - sofern vor dem 1. April 1980 erteilt - unter anderem - wie erwähnt - auf die Klassen S und T umgestellt wird. Insoweit ordnet jedoch § 76 Nr. 9 Satz 13 FeV im Falle der Nichtumstellung das Erlöschen dieser Fahrerlaubnisklassen ab Vollendung des 50. Lebensjahres - im Gegensatz zu den Klassen C oder CE - nicht an. Dass sich schließlich auch aus der 2. Führerscheinrichtlinie eine abweichende Beurteilung nicht ergeben kann, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend ausgeführt.
2. Die Berufung ist auch nicht - wie vom Kläger geltend gemacht - wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Abgesehen davon, dass es der Zulassungsantrag insoweit an jeglicher auf diesen Zulassungsgrund bezogener konkreter Begründung fehlen lässt, verleihen die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Rechtssache besondere, also überdurchschnittliche rechtliche Schwierigkeiten nicht. Vielmehr sind die hier anzulegenden rechtlichen Maßstäbe bereits bei verständiger Lektüre der einschlägigen Rechtsvorschriften und ihrer Auslegung in dem rechtlichen Zusammenhang, in dem sie stehen, zu gewinnen.