Das Verkehrslexikon

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OLG Naumburg Urteil vom 06.06.2008 - 10 U 72/07 - Zum Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen auf der Autobahn und zur Einhaltung der Richtgeschwindigkeit

OLG Naumburg v. 06.06.2008: Zum Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen auf der Autobahn im Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden und zur Einhaltung der Richtgeschwindigkeit


Das OLG Naumburg (Urteil vom 06.06.2008 - 10 U 72/07) hat entschieden:
  1. Wechselt ein Verkehrsteilnehmer ohne sorgfältige Rückschau auf nachfolgende Fahrzeuge den Fahrstreifen und gefährdet damit nachfolgende Verkehrsteilnehmer und ereignet sich in einem engen zeitlichen Zusammenhang ein Auffahrunfall, so ist dies auf das riskante Fahrmanöver des Fahrbahnwechslers zurück zu führen. Der Anscheinsbeweis, der grundsätzlich gegen den auffahrenden Hintermann spricht, wird damit ausgeräumt.

  2. Die Richtgeschwindigkeitsverordnung von 130 km/h stellt einen Appell an die Verantwortung des Verkehrsteilnehmers dar, den ein Kraftfahrer, der den erhöhten Anforderungen eines Idealfahrers genügen will, nicht unbeachtet lassen darf. Jedoch kann deren Nichtbeachtung gegenüber einem besonders verkehrswidrigem Verhalten gänzlich zurücktreten.


Siehe auch Auffahrunfälle auf der Autobahn und Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen


Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz ihrer materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12. Januar 2005 gegen 17:15 Uhr auf der BAB 9 in Fahrtrichtung München in Höhe km 80,8 ereignete, in Anspruch.

Die Klägerin ist Halterin des unfallgeschädigten Pkw Opel Vectra, amtliches Kennzeichen ..., der zur Unfallzeit am 12. Januar 2005 von ihrem Sohn, dem Drittwiderbeklagten, geführt wurde.

Die Beklagte zu 1) ist Halterin des unfallbeteiligten Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ..., den der Beklagte zu 2) seinerzeit auf der BAB 9 als Fahrer steuerte und der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war.

Der Drittwiderbeklagte fuhr am 12. Januar 2005 mit dem von der Klägerin gehaltenen Kfz. Opel Vectra an der Anbindungsstelle Dessau Süd hinter dem von dem Zeugen S. auf der rechten Fahrspur gelenkten Lastzug auf die BAB 9 in Fahrtrichtung München auf. Der Beklagte zu 2) war mit dem Pkw BMW der Beklagten zu 2) in gleicher Fahrtrichtung auf der mittleren Fahrspur der BAB 9 unterwegs. Die Autobahn verläuft in diesem Streckenabschnitt dreispurig, eine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht nicht. Der Drittwiderbeklagte wechselte zum Zwecke des Überholens des Lkw auf die mittlere Fahrspur, dort kollidierte er mit dem von hinten auf der mittleren Fahrspur herannahenden Pkw BMW der Beklagten zu 1). Der von dem Beklagten zu 2) gesteuerte BMW stieß mit der rechten Frontpartie seitenversetzt gegen den linken Bereich des Fahrzeughecks des Pkw Opel Vectra. Durch den Aufprall wurde das klägerische Fahrzeug nach rechts gegen den Anhänger des auf der rechten Fahrspur fahrenden Lastzuges geschleudert. Das Beklagtenfahrzeug schleuderte kollisionsbedingt auf die linke Fahrspur und prallte gegen die Mittelleitplanke, wo es quer zur Fahrtrichtung zum Stehen kam.

An dem Pkw Opel Vectra trat ein wirtschaftlicher Totalschaden ein. Die Klägerin ließ das unfallgeschädigte Fahrzeug begutachten und mietete für den Zeitraum vom 13. Januar bis 27. Januar 2005 bei der Firma C. Autovermietungs-GmbH einen Mietwagen an. Sie macht gegen die Beklagten den von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes in Höhe von insgesamt 6.590,00 Euro geltend und verlangt ferner Ersatz ihrer Mietwagenkosten in Höhe von 873,48 Euro für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, des Gutachterhonorars des Kfz-Sachverständigen in Höhe von 643,13 Euro, der An- und Abmeldekosten und der Gebühren für neue Kennzeichen in Höhe von 92,40 Euro. Von der Automeisterei Dessau wurde die Klägerin mit Rechnung vom 04. Juli 2005 auf Zahlung des Instandsetzungsaufwandes für die Reparatur der geschädigten Stahlschutzplanke in Höhe von 761,16 Euro in Anspruch genommen. Den Ausgleich dieser Aufwendungen sowie die Erstattung der Unkostenpauschale in Höhe von 20,45 Euro sowie ferner die Anwaltskosten für die außergerichtliche Einschaltung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe einer halben Geschäftsgebühr hat sie gegenüber den Beklagten gleichfalls geltend gemacht.

Ihre Ansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten sowie des Gutachterhonorars trat sie mit Sicherungsabtretungserklärungen vom 13. Januar 2005 an das Mietwagenunternehmen einerseits und an den Kfz-Sachverständigen andererseits ab.

Die Regulierung der mit Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2005 angemeldeten Schadenspositionen lehnte die Beklagte zu 3) mit Schreiben vom 06. März 2005 endgültig ab.

Die Klägerin hat behauptet, dass der unfallgeschädigte Pkw Opel Vectra zur Unfallzeit in ihrem Eigentum gestanden habe, was sich auch dadurch belegen lasse, dass sie sich im Besitz des Kfz-Briefes befunden habe. Das Fahrzeug sei weder finanziert noch geleast. Den Unfallwagen habe sie am 26. Januar 2005 veräußert. Sie ist der Meinung gewesen, dass die Beklagten für die geltend gemachten Schäden voll einstandspflichtig seien, denn den Beklagten zu 2) treffe die alleinige Verantwortung an dem Unfallgeschehen. Hierzu hat sie behauptet, ihr Sohn, der Drittwiderbeklagte habe sich nach Einfahrt auf die BAB 9 zunächst hinter dem von dem Zeugen S. geführten Lkw auf der rechten Fahrspur eingeordnet. Nachdem er sich dem vorausfahrenden Lkw auf 150 bis 200 m angenähert habe, habe er zum Überholen angesetzt. Zu diesem Zweck habe der Drittwiderbeklagte seinen linken Blinker betätigt und seinen Pkw gefahrlos auf die mittlere Fahrspur gelenkt. Auf der mittleren Fahrspur sei er bereits einige Zeit gefahren und habe sich bereits in Höhe des Anhängers des Lastzuges befunden, als er wahrgenommen habe, dass der Fahrbahnabschnitt hinter ihm durch die Abblendlichter des unmittelbar danach schon auffahrenden Pkw BMW der Beklagten zu 1) hell erleuchtet gewesen sei. Der BMW sei gegen sein Heck geprallt und der Pkw Opel Vectra infolge der Kollision auf die rechte Fahrspur geschleudert, wo er mit dem Lkw zusammen prallte. Im Zeitpunkt der Kollision hätten sich die Fahrzeuge bereits seitlich neben dem LKW-Anhänger befunden. Zu dem Auffahrunfall sei es nur deshalb gekommen, weil der Beklagte zu 2) den BMW mit weitaus überhöhter Geschwindigkeit geführt und nicht die gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit habe obwalten lassen, so dass er auf das bereits seit geraumer Zeit auf der mittleren Fahrspur fahrende Klägerfahrzeug aufgefahren sei. Hätte der Beklagte zu 2) die Richtgeschwindigkeit für Autobahnen von 130 km/h eingehalten, so hätte er den Unfall in jedem Fall vermeiden können. Sie hat zudem vorgetragen, dass sie von dem Mietwagenunternehmen zwischenzeitlich auf Zahlung in Anspruch genommen worden sei und sowohl die Mietwagenkosten als auch das Gutachterhonorar des Kfz-Sachverständigen ausgeglichen habe.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 8.980,62 Euro nebst Zinsen hieraus zu einem 5 Prozentpunkte oberhalb des Basiszinssatzes liegenden Satz seit dem 09. Mai 2005 sowie vorgerichtliche Nebenkosten in Höhe von 333,85 Euro nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Aktivlegitimation der Klägerin, insbesondere deren Eigentümerstellung an dem unfallgeschädigten Pkw Opel Vectra, bestritten und ferner vorgetragen, dass der Zweitbeklagte seinerzeit in Höhe der Anschlussstelle Dessau-Süd die mittlere Fahrspur der BAB 9 mit einer Fahrtgeschwindigkeit von rund 130 km/h befahren habe, um eine auf der rechten Fahrspur fahrende Fahrzeugkolonne zu überholen. Plötzlich und für den Beklagten zu 2) völlig unerwartet habe der Drittwiderbeklagte den von ihm geführten Pkw Opel Vectra auf die mittlere Fahrspur gezogen und bei dem Fahrspurwechsel mit seinem Heck die rechte Frontpartie des Beklagtenfahrzeuges erfasst. Der Zweitbeklagte habe die Kollision trotz eines sofort eingeleiteten Bremsmanövers nicht mehr verhindern können und sei aufgrund des Aufpralls sodann nach links auf die linke Fahrspur geschleudert worden und mit der Mittelleitplanke kollidiert. Der Unfall sei für den Beklagten zu 2) unabwendbar gewesen, denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass der Drittwiderbeklagte in einem Zuge unmittelbar von der Auffahrt auf die mittlere Fahrspur wechsele. Der Drittwiderbeklagte habe die Kollision allein verschuldet. Denn er hätte sich nach Einfahrt auf die BAB 9 zunächst auf die rechte Spur hinter dem Lkw einordnen und sicher gehen müssen, dass der nachfolgende Verkehr bei einem Spurwechsel nicht gefährdet werde. Die Beklagten sind daher der Ansicht gewesen, dass zugunsten der Klägerin kein Anscheinsbeweis aufgrund des Auffahrgeschehens streite, es habe sich hier nämlich nicht um einen klassischen, typischen Auffahrunfall gehandelt. Vielmehr müsse sich der Fahrer der Klägerin wegen des Fahrspurwechsels entlasten. Dieser Entlastungsbeweis sei der Klägerin indessen nicht gelungen. Der Drittwiderbeklagte habe nämlich bei seinem unvorsichtigen Fahrspurwechsel jedenfalls seiner Rückschaupflicht nicht ausreichend genügt. Betriebsgefahrerhöhend komme hier hinzu, dass sich die Kollision im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einfahren auf die Bundesautobahn ereignet habe. Die Klägerin müsse sich daher auch ein Verstoß gegen § 18 Abs. 3 StVO anrechnen lassen. Die Beklagten haben zudem die Meinung vertreten, dass die Klägerin die Ersatzansprüche im Hinblick auf die Gutachterkosten und der Mietwagenaufwendungen aufgrund der Sicherungsabtretung der Forderungen an die jeweiligen Unternehmen nicht mehr geltend machen könne. Sie haben überdies bestritten, dass die Klägerin die Instandsetzungskosten für die Reparatur der Stahlplanke bereits an die Autobahnmeisterei entrichtet habe.

Der Beklagte zu 2) hat widerklagend von der Klägerin und den Drittwiderbeklagten Schmerzensgeld und eine Auslagenpauschale beansprucht und hierzu behauptet, dass er durch den Verkehrsunfall eine behandlungsbedürftige HWS-Verletzung sowie eine Kapselbandläson am rechten Ringfinger erlitten habe.

Widerklagend hat der Beklagte zu 2) beantragt,
die Klägerin und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 425,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Klägerin sowie der Drittwiderbeklagte haben beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 2) und den Drittwiderbeklagten persönlich angehört und gemäß Beweisbeschluss vom 06. März 2006 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. und POM G. . Wegen des Ergebnisses dieser erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Mai 2006 Bezug genommen. Ferner hat das Landgericht die staatsanwaltliche Ermittlungsakte 551 Js 23632/05 der Staatsanwaltschaft Dessau zu Informationszwecken beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Das in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren 2 Owi 18/05 – 551 Js 23632/05 erstattete verkehrsunfallanalytische Sachverständigengutachten hat das Landgericht zum Zwecke der Beweisverwertung hinzu gezogen und mit dem am 03. September 2007 verkündeten Urteil sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus den straßenverkehrsrechtlichen Haftungsnormen der §§ 7, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVG nicht zustehe. Denn die insoweit gebotene Schadensabwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge müsse hier zu Lasten der Klägerin ausgehen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme sei auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen S. und G. sowie dem unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen K. festgestellt, dass der Drittwiderbeklagte den Verkehrsunfall durch seinen riskanten Fahrspurwechsel allein verschuldet habe. Offen bleiben könne, ob der Drittwiderbeklagte unmittelbar in einem Zuge von dem Beschleunigungsstreifen auf die mittlere Fahrspur gewechselt oder sich zunächst auf der rechten Fahrspur eingeordnet habe, denn in jedem Fall habe er das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 2) missachtet. Demgegenüber sei dem Beklagten zu 2) ein Fahrfehler nicht nachzuweisen. Dem Beklagten zu 2) könne insbesondere eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht angelastet werden. Auch seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Drittwiderbeklagte bereits über eine geraume Zeit auf der mittleren Fahrspur gefahren sei, bevor es zu der Kollision gekommen sei. Die Widerklage sei unbegründet, denn der Beklagte zu 2) habe die Unfallursächlichkeit der vorgetragenen Verletzungen nicht zu beweisen vermocht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt.

Sie beanstandet die Tatsachenwürdigung des Landgerichts und trägt – unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – ergänzend vor, dass das Landgericht im Rahmen der Schadensabwägung betriebsgefahrerhöhend hätte berücksichtigen müssen, dass der Beklagte zu 2) die Richtgeschwindigkeit für das Fahren auf Autobahnen von 130 km/h weit überschritten habe, denn der Sachverständige habe festgestellt, dass der Beklagte zu 2) zur Unfallzeit mit einer Fahrtgeschwindigkeit von mindestens 180 km/h auf der mittleren Fahrspur gefahren sei. Das Landgericht habe bei Würdigung der Aussage des Zeugen S. überdies nicht bedacht, dass dieser das Verkehrsgeschehen hinter seinem Lastzug ausschließlich über die Rückspiegel habe wahrnehmen können und aus diesem Grunde zu einer verlässlichen Auskunft darüber, ob und wie lange sich der Drittwiderbeklagte auf der rechten Fahrspur bewegt habe, gar nicht in der Lage gewesen sei. Ausschlaggebend sei aber, dass der Fahrspurwechsel zum Zeitpunkt der Kollision bereits vollständig abgeschlossen gewesen sei und er bereits einige Zeit auf der mittlerer Fahrspur seine Fahrt fortgesetzt habe. Es stehe gerade nicht fest, dass der Drittwiderbeklagte nur wenige Augenblicke vor dem Anstoß den Fahrstreifen gewechselt habe. Darüber hinaus habe das Landgericht auch nicht hinreichend gewürdigt, dass sich die Kollisionsstelle links neben dem Lkw, und zwar zwischen Zugmaschine und Anhänger und eben nicht hinter dem Lkw oder auf Höhe des Endes des Anhängers befunden habe.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dessau-Rosslau vom 03. September 2007 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 8.980,62 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. Mai 2005 sowie vorgerichtliche Nebenkosten in Höhe von 333,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung der Klägerin zurück zu weisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


B. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 4 Nr. 2 PflVG) wegen des Verkehrsunfalls vom 12. Januar 2005 auf der BAB 9 mit Recht aus den straßenverkehrsrechtlichen Haftungsnormen der §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVG verneint.

Die Beklagte zu 1) haftet der Klägerin nicht als Halterin der unfallbeteiligten Pkw BMW auf Ersatz ihrer materiellen Schäden aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, weil der Unfall in ganz überwiegendem Maße von dem Drittwiderbeklagten verursacht und verschuldet worden ist und die Betriebsgefahr der Erstbeklagten gegenüber diesem, der Klägerin zurechenbaren Verschuldensbeitrag vollständig zurücktritt. Die Klägerin kann aus diesem Grunde auch nicht den Beklagten zu 2) aus einer Fahrerhaftung nach § 18 Abs. 1 StVG wegen vermuteten Verschuldens in Anspruch nehmen. Ein versicherungsrechtlicher Direktanspruch gegen die Beklagte zu 3) aus § 3 Nr. 1 PflVG scheidet gleichfalls aus.


I.

Die Aktivlegitimation der Klägerin begegnet allerdings keinen Bedenken. Denn die Klägerin hat in erster Instanz schlüssig dargetan und durch Vorlage des Kfz-Briefes, der Abmeldebescheinigung vom 25. Januar 2005 sowie des Kaufvertrages über das unfallgeschädigte Fahrzeug vom 26. Januar 2005 nachvollziehbar belegt, dass der Pkw Opel Vectra zur Unfallzeit in ihrem Alleineigentum gestanden hatte. Aus den vorgelegten Unterlagen geht die Eigentümerstellung der Klägerin hinreichend eindeutig hervor. Anhaltspunkte dafür, dass der Pkw zur Unfallzeit geleast oder wegen Fremdfinanzierung sicherungsübereignet war, sind nicht ersichtlich. Die Beklagten haben die Aktivlegitimation der Klägerin in zweiter Instanz auch nicht weiter angegriffen.


II.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Haftungstatbestände der §§ 7 Abs. 1 und 18 Abs. 1 StVG sind erfüllt.

Die Klägerin hat durch den Verkehrsunfall mit dem Beklagtenfahrzeug einen Totalschaden an dem in ihrem Eigentum stehenden Pkw Opel Vectra erlitten. Der eingetretene Sachschaden ist auf das Unfallgeschehen kausal zurück zu führen. Denn der Verkehrsunfall stand in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Betriebsvorgängen des Beklagtenfahrzeug und in ihm realisierte sich letztlich die betriebstypische Gefahr der beiden unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr auf einer Bundesautobahn.

Die insoweit dem Grunde nach gegebene Halterhaftung der Beklagten zu 1) ist im Streitfall ersichtlich nicht wegen höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen.


III.

Das Landgericht hat mit Recht auf eine Schadensabwägung nach §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG abgestellt.

1. Denn der Verkehrsunfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 und S. 3 StVG dar. Keine der Parteien kann für sich in Anspruch nehmen, dass die Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge den gesteigerten Verkehrsanforderungen eines idealtypischen Fahrzeugführers entsprochen und sich in der konkreten Verkehrslage insbesondere auf ein etwaiges Fehlverhalten des jeweils anderen mit der gebotenen Sorgfalt eingestellt hätten.

Unabwendbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG bedeutet zwar nicht absolute Unvermeidbarkeit, verlangt von dem Fahrzeugführer allerdings besonders sorgfältige Reaktion. Unabwendbar ist ein Schadensereignis, das auch durch äußert mögliche und gebotene Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfallgeschehens einwenden möchte, muss sich wie ein "Idealfahrer" verhalten haben und in der bestimmten Verkehrssituation insbesondere auch alle möglichen und naheliegenden Gefahrenmomente sowie fremde Fahrfehler in die von ihm anzustellende Gefahrenprognose einstellen (vgl. BGH NVZ 1992, 229, 230 m. w. N.; König in Hentschel, StVG, 39. Aufl., § 17 StVG Rdn. 22 m. w. N.). Dies erfordert sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus. Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses setzt dabei eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung voraus, die unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen hat. Die Prüfung darf sich dabei allerdings nicht nur auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Verkehrslage geraten wäre (vgl. BGH NZV 1992, 229, 230).

a) Diesen an einen idealtypischen Fahrzeugführer zu stellenden, gesteigerten verkehrsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen hat der Drittwiderbeklagte nicht zu genügen vermocht. Durch sein riskantes Fahrmanöver hat er vielmehr die wesentliche Ursache für das Verkehrsunfallgeschehen gesetzt.

Der von dem Drittwiderbeklagten zum Zwecke des Überholens vorgenommene verkehrsgefährdende Fahrstreifenwechsel von der rechten auf die mittlere Fahrspur der BAB 9 stellt sich vielmehr als ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 5 StVO dar.

aa) Gemäß § 5 Abs. 4 StVO muss sich derjenige, der zum Überholen ausscheren will, so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Der

Überholende ist vor dem Ausscheren zur Einhaltung der äußerst möglichen Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet. Derjenige, der zum Überholen ausscheren will, hat mithin auf den nachfolgenden Verkehr sorgfältig zu achten und mit der gebotenen Gründlichkeit und Aufmerksamkeit an der rückwärtigen Verkehrslage zu informieren. Insbesondere muss er sich durch eine sorgfältige Rückschau vergewissern, ob sich auf dem Überholstreifen ein nachfolgendes Fahrzeug befindet, dass seinerseits überholen will. Ein Fahrstreifenwechsel darf wegen der insoweit auf der Hand liegenden Gefahren nur unter Beachtung der äußerst möglichen Sorgfalt durchgeführt werden. Er ist untersagt, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen oder sogar zu gewärtigen ist (vgl. OLG Jena NZV 2006, 147, 148; Saarländisches OLG Saarbrücken MDR 2006, 329 - 330; OLG Hamm NZV 2002, 373; OLG Hamm NZV 1995, 194). Dahin gestellt bleiben kann hier, ob die Vorschrift des § 7 Abs. 1 StVO auch unmittelbar für Autobahnen gilt. Denn selbst wenn man die unmittelbare Anwendung des § 7 StVO bei Autobahnen verneinen wollte, so ergibt sich die Qualifizierung als grobe Verkehrswidrigkeit jedoch zumindest aus der mit unvermuteten Fahrstreifenwechseln im Schnellverkehr verbundenen deutlich erhöhten Unfallgefahr (vgl. OLG Hamm NZV 2002, 373). Das grundsätzliche Einhalten von Fahrstreifen und ein Spurwechsel nur unter der Voraussetzung äußerster Vorsicht und Umsicht sind Kernbedingungen für einen berechenbaren und möglichst gefahrlosen Verkehrsfluss.

Der Fahrer des klägerischen Pkw Opel hat gegen diese sich aus §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 5 S. 1 StVO ergebenden Pflichten verstoßen, da er den Fahrstreifen gewechselt hat, obwohl eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern in hohem Maße durch ihn begründet war.

bb) Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich der Auffahrunfall in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignete und letztlich auf das riskante Fahrmanöver des Drittwiderbeklagten zurück zu führen ist.

Die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung des Landgerichts sind nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen und eine Wiederholung der Beweisaufnahme nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebieten könnten, sind weder schlüssig dargetan noch nach Lage der Akten ersichtlich. Der Senat sieht dementsprechend auch keine Veranlassung für eine Neubewertung der erstinstanzlich zutreffend festgestellten Tatsachengrundlage.

(1) Das Landgericht hat sich bei seiner Überzeugungsbildung zu Recht in erster Linie auf die Aussage des Zeugen S. gestützt. Der Zeuge hat das Unfallgeschehen als Gegenstand unmittelbar eigener Wahrnehmung lebensnah und hinreichend detailliert zu schildern vermocht und dabei glaubhaft bekundet, dass er den Drittwiderbeklagten erstmals auf dem Beschleunigungsstreifen bei Einfahrt auf die Autobahn wahrgenommen habe; der Drittwiderbeklagte habe sich mit dem von ihm geführten Pkw Opel Vectra nicht mehr vor den Lastzug setzen können und sei deshalb unmittelbar hinter seinem Gefährt auf die Autobahn aufgefahren. Der Zeuge habe schon "im nächsten Moment" in dem linken hinteren Rückspiegel Lichter auf der Mittelspur aufstrahlen sehen, und dann sei es auch schon zur Kollision gekommen. Der Zeuge hat überdies angegeben, dass der Drittwiderbeklagte in einem Zug von dem Beschleunigungsstreifen unmittelbar auf die mittlere Fahrspur zum Zwecke des Überholens gewechselt sei. Angesichts seiner eigenen Fahrtgeschwindigkeit könne der Opel Vectra noch nicht lange auf der mittleren Fahrspur gefahren sein, als er mit dem BMW kollidiert sei.

Der Senat hegt keine Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S. . Der Zeuge hat die an ihn gerichtete Beweisfrage eindeutig und bestimmt zu beantworten vermocht. Seine Angaben sind in sich stimmig und frei von inneren Widersprüchen. Nach der Aussage des Zeugen S. ereignete sich die Kollision zeitlich in unmittelbaren Anschluss an den Fahrstreifenwechsel des Drittwiderbeklagten. Dass er das rückwärtige Unfallgeschehen überwiegend über seinen linken Seitenspiegel verfolgt hat, spricht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht gegen die Sachdarstellung des Zeugen und die von diesem geschilderte zeitliche Abfolge. Wie der Zeuge S. bei seiner Vernehmung glaubhaft versichert hat, hat er das Verkehrsgeschehen in seinen Seiten- und Rückspiegeln ohne weiteres beobachten können. Dabei hat er in sich stichhaltig angegeben, dass er den Pkw Opel Vectra auf dem Beschleunigungsstreifen der Auffahrt bemerkt habe, wie dieser hinter ihm auf die Autobahn eingefahren sei und "im nächsten Moment" habe er schon im linken Spiegel die Lichter mit anschließender Kollision gesehen.

(2) Die Angaben des Zeugen stehen im übrigen im Einklang mit der Unfallschilderung der Unfallbeteiligten aus der Verkehrsunfallanzeige, deren korrekte Aufnahme der Zeuge POM G. im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung bestätigt hat.

(3) Darüber hinaus wird die Bekundung des Zeugen S. durch das unfallanalytische Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. K. , das dieser in dem Owi-Verfahren des AG Bitterfeld 2 Owi 18/05 (Jug) am 05. Januar 2006 erstattet hat, gestützt. Das Landgericht hat das Sachverständigengutachten seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei nach § 411 a ZPO zugrunde gelegt. Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass sich nicht mehr verlässlich feststellen lasse, über welchen Zeitraum der Pkw Opel Vectra bereits auf der mittleren Fahrspur gefahren worden sei. Seiner Plausibilitätsprüfung hat er allerdings nach Würdigung aller Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt, dass sich der Unfall zwischen den beiden Fahrzeugen direkt nach erfolgtem Spurwechsel zugetragen habe. Auf dieser Tatsachengrundlage hat er seine Berechnung überzeugend durchgeführt. Dabei spricht auch das von dem Sachverständigen festgestellte Schadensbild mit der bloßen Teilüberdeckung der Stoßflächen für eine Kollision im Zuge des behaupteten Fahrspurwechsels (vgl. ebenso: KG DAR 2006, 322, 323).

Soweit die Klägerin als Beleg dafür, dass der Drittwiderbeklagte vor der Kollision bereits geraume Zeit auf der mittleren Fahrspur gefahren sei, behauptet hat, dass sich die unfallbeteiligten Fahrzeuge zur Zeit der Kollision bereits in Höhe des Lkw zwischen dessen Zugmaschine und dem Anhänger befunden hätten, hat der Sachverständige diese Behauptung so indessen nicht bestätigen können. Aus dem Gutachten geht nicht hervor, dass die unfallbeteiligten Fahrzeuge zur Zeit der Kollision bereits bis zur Zugmaschine aufgeschlossen hätten. Nach den Feststellungen des Sachverständigen setzte die Sekundärkollision des klägerischen Fahrzeuges mit dem Lastzug vielmehr im hinteren linken Seitenbereich des Anhängers an, wie in der Anlage 2 des Gutachtens dargestellt. Durch den Erstkontakt wurde die Halterung der hinteren Beleuchtungseinrichtung beschädigt. Anhand der Schadensbilder hat der Sachverständige den in Anlage 3 dargestellten Bewegungsablauf ermittelt, wonach der Pkw Opel infolge des Aufpralls auf das Beklagtenfahrzeug nach rechts abgelenkt wurde und dort mit der linken hinteren Seite des Anhängers kollidierte. Mit dem durch den Sachverständigen K. festgestellten Bewegungsablauf lässt sich die Unfalldarstellung der Klägerin, wonach sich ihr Pkw zur Zeit des Auffahrunfalles bereits in Höhe der Mitte des Lastzuges befunden habe, indessen nicht in Einklang bringen.

Auf der Grundlage der glaubhaften Aussage des Zeugen S. und den Feststellungen des Sachverständigen K. steht danach aber auch zur Überzeugung des Senates fest, dass sich die Kollision im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Einleitung des Überholvorganges durch den Drittwiderbeklagten ereignete.

cc) Nicht plausibel ist, weshalb dem Drittwiderbeklagten bei Vornahme des Fahrspurwechsels das sich auf der mittleren Fahrspur annähernde Fahrzeug des Zweitbeklagten verborgen blieb. Nach der überzeugenden Aussage des Zeugen S. näherten sich seinerzeit nämlich von hinten bereits Fahrzeuge, die den Zeugen selbst veranlassten, auf seiner Fahrspur zu verbleiben und nicht in Höhe der Autobahnauffahrt auf die mittlere Fahrspur zu wechseln. Der Zeuge hat hierzu glaubhaft bekundet, dass er bereits unmittelbar vor der Auffahrt des Opels Vectra auf die Autobahn hinter sich auf beiden Fahrspuren Lichter bemerkt habe. Deshalb habe er sich auch verkehrsbedingt außerstande gesehen, seinen Lkw auf die mittlere Fahrspur zu lenken, um dem klägerischen Pkw für eine gefahrlose Auffahrt vor dem Lastzug Platz zu machen.

Bei Beobachtung der gebotenen äußersten Sorgfalt hätte der Drittwiderbeklagte ebenfalls die sich nähernden Fahrzeuge wahrnehmen und diesen zunächst Vorrang geben müssen. Die klägerseits behauptete Fahrtgeschwindigkeit des Beklagten zu 2) von 180 km/h allein erklärt die verspätete Wahrnehmung in diesem geraden Streckenabschnitt jedenfalls nicht, zumal der Zeuge S. auf beiden Fahrspuren herannahende Fahrzeuge erkannt hatte. Dass der Drittwiderbeklagte die Fahrtgeschwindigkeit des von dem Zweitbeklagten gesteuerten BMW unterschätzt haben mag, entlastet ihn letztlich nicht. Denn der nachfolgende Verkehr genießt den Schutz des § 5 Abs. 4 StVO selbst dann, wenn er sich mit hoher Geschwindigkeit nähert (vgl. BGH NJW 1986, 1044; Saarländisches OLG Saarbrücken MDR 2006, 329 - 330 zitiert nach juris; OLG Hamm DAR 2001, 165).

Die Klägerin, die als Halterin des unfallbeteiligten Pkw Opel Vectra ihrerseits aus einer Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG einstandspflichtig wäre, hat den Entlastungsbeweis aus § 17 Abs. 3 StVG nach alledem nicht zu führen vermocht.

b) Auch die Beklagten haben sich nicht nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 3 StVG zu entlasten vermocht.

Unabwendbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG verlangt nämlich zugleich, dass der Idealfahrer bei seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden. Solche Erkenntnisse haben unter anderem in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-VO ihren Niederschlag gefunden (vgl. BGH NZV 1992, 229, 230; OLG Hamm NZV 2002, 373 m. w. N.). Die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-VO enthält zwar lediglich eine Empfehlung, auf Autobahnen auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen nicht schneller als 130 km/h zu fahren. Sie ist damit anders als § 3 StVO keine Vorschrift für das im Straßenverkehr erforderliche Fahrverhalten, an deren Verletzung unmittelbar Sanktionen geknüpft werden. In ihr kommt allerdings Erfahrungswissen zum Ausdruck, das bei der Auslegung des Begriffs des unabwendbaren Ereignisses gleichfalls mit zu berücksichtigen ist. Denn die Empfehlung des Verordnungsgebers stellt sich letztlich als ein Appell an die Verantwortung des Verkehrsteilnehmers dar, den ein Kraftfahrer, der den erhöhten Anforderungen eines Idealfahrers genügen will, nicht unbeachtet lassen darf (vgl. BGH NZV 1992, 229, 230; OLG Hamm NZV 2002, 373; OLG NZV 2000, 373). Denn wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts können die für den Entlastungsbeweis aus § 17 Abs. 3 StVG darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten im Streitfall aber nicht nachweisen, dass der Beklagte zu 2) wesentlich langsamer als 180 km/h gefahren ist. Denn die Fahrtgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges hat sich mangels einer hinreichenden Spurenlage nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren lassen. Der Sachverständige Dipl. Ing. K. , dessen im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahren 2 Owi 18/05 (Jug) - Amtsgericht Bitterfeld - erstattetes unfallanalytisches Gutachten das Landgericht nach § 411 a ZPO verwertet hat, hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass sich die Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen, wie beispielsweise Spuren auf der Fahrbahnoberfläche oder die Endstellung der verunfallten Fahrzeuge, zwar nicht mehr verlässlich ermitteln lasse. Er hat allerdings auf der Grundlage der Unfalldarstellung des Drittwiderbeklagten eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen und dabei festgestellt, dass nach seiner Berechnung durchaus darstellbar sei, dass sich der von dem Beklagten zu 2) gelenkte BMW mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von oberhalb 180 km/h dem Unfallbereich genähert habe. Seiner Berechnung hat der Sachverständige eine Fahrtgeschwindigkeit des Drittwiderbeklagten von 100 bis 120 km/h und eine Differenzgeschwindigkeit zwischen den Fahrzeugen von 50 bis 55 km/h zu Grunde gelegt; unter Berücksichtigung der Reaktions-, Bremsansprech- und Schwellzeit hat er alsdann eine Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 180 km/h errechnet.

Diese auf der Grundlage der Behauptungen der Klägerin angestellte Geschwindigkeitsberechnung haben die Beklagten nicht zweifelsfrei widerlegen können und insbesondere nicht den Beweis erbracht, dass der Zweitbeklagte die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingehalten habe. Darüber hinaus haben die Beklagten auch nicht den Nachweis angetreten, dass sich der Unfall bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 130 km/h gleichfalls ereignet hätte.

Die Frage, ob sich die Kollision für den Beklagten zu 2) als ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 2 StVG mit der Folge eines Haftungsausschlusses der Beklagten darstellte, kann der Senat für die Entscheidung des Rechtsstreites aber letztlich auch dahin gestellt sein lassen. Denn die nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ergibt hier, dass die wesentlich erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Pkw Opel Vectra die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges vollständig verdrängt.

2. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG bestimmt sich die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. In die Abwägung dürfen neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur erwiesene Umstände eingestellt werden (vgl. OLG Schleswig NZV 1993, 152 - 153 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf Schadens-Praxis 2000, 408 - 409 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf NZV 2006, 415 - 418 zitiert nach juris; KG NZV 2002, 230 - 232 zitiert nach juris; KG Berlin Urteil vom 13. August 1999, 12 U 1760/97 zitiert nach juris).

Die nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG gebotene Schadensabwägung der unfallursächlichen Momente stellt die Klägerin im Streitfall anspruchslos, weil die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges letztlich nicht haftungsbegründend ins Gewicht fällt.

a) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf einen gegen den Beklagten zu 2) als Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis, der sich letztlich auf die Nichteinhaltung eines der Geschwindigkeit entsprechenden Sicherheitsabstandes oder auf Unaufmerksamkeit des Fahrers gründen würde.

Zwar spricht der Anscheinsbeweis grundsätzlich gegen den auffahrenden Hintermann. Jedoch ist der Prima-Facie Beweis bereits dann erschüttert, wenn die Möglichkeit eines atypischen Verlaufs besteht, also Tatsachen vorliegen, die einen abweichenden Geschehensablauf nicht nur theoretisch denkbar, sondern mit einer empirisch nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit für möglich erscheinen lassen.

Der Anscheinsbeweis ist hier bereits deshalb ausgeräumt, weil die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben hat, dass sich der Auffahrunfall in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zu dem Fahrstreifenwechsel des Drittwiderbeklagten zutrug (vgl. OLG Jena NZV 2006, 147, 148; Saarländisches OLG Saarbrücken MDR 2006, 329 - 330 zitiert nach juris; OLG Schleswig NZV 1993, 152 - 153 zitiert nach juris; OLG Hamm NZV 1992, 320; OLG Naumburg NJW-RR 2003, 809, 810; OLG Köln VersR 1978, 143; KG DAR 2006, 322, 323; OLG Düsseldorf Schadens-Praxis 2003, 335 - 336 zitiert nach juris). Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt nämlich voraus, dass beide Fahrzeuge – unstreitig oder erwiesenermaßen – so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können (vgl. KG DAR 2006, 322, 323). Diese Voraussetzungen sind bei einem kurz zuvor vollzogenen Fahrspurwechsel des Vordermanns indessen nicht gegeben. Von einem Verschulden des Auffahrenden kann hier nicht prima facie ausgegangen werden.

Auch im übrigen ist ein betriebsgefahrerhöhendes Verschulden des Zweitbeklagten, das sich die Beklagte zu 1) anrechnen lassen müsste, nicht festzustellen. Es sind insbesondere keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Beklagten zu 2) ein Beobachtungsverschulden zur Last zu legen wäre. Dem Beklagten zu 2) hat zwar die Pflicht oblegen, die auf der Normalspur vor ihm fahrenden Fahrzeuge sorgfältig zu beobachten. Er brauchte allerdings nicht damit zu rechnen, dass ein Vorausfahrender – wie hier der Drittwiderbeklagte – sein Fahrzeug ohne Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes plötzlich verkehrswidrig auf die von ihm befahrene Überholspur lenken würde (vgl. OLG Jena NZV 2006, 147, 148). Zum Überholen auf der Autobahn darf der Überholer nämlich dann nicht mehr ansetzen, wenn dadurch ein nachfolgender schnellerer Kraftfahrer, der sich seinerseits, wie hier, auf der Überholspur befindet, zu einem raschen und erheblichen Herabsetzen seiner Geschwindigkeit genötigt und dadurch gefährdet wäre (vgl. OLG Jena NZV 2006, 147, 148). Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist das Ausscheren zum Zwecke des Überholens unzulässig, wenn nachfolgende Fahrzeuge zu scharfen Bremsen oder anderen ungewöhnlichen Fahrmanövern gezwungen werden.

Fahrfehler oder sonstige Versäumnisse des Beklagten zu 2) bei Erkennen der Gefahrenlage hat die Klägerin bereits nicht schlüssig behauptet. Auch ist weder eine verspätete, noch eine unangemessene Reaktion des Beklagten zu 2) auf die Gefahrenlage feststellbar.

Soweit die Klägerin behauptet hat, der Beklagte zu 2) habe sich dem Unfallbereich mit einer Fahrtgeschwindigkeit von oberhalb 180 km/h genähert, vermag diese - von Beklagtenseite im übrigen substantiiert bestrittene - Überschreitung der Autobahn-Richtgeschwindigkeit einen Schuldvorwurf zwar noch nicht zu begründen (vgl. BGH NZV 1992, 229, 230; OLG Hamm NZV 2002, 373; OLG Schleswig NZV 1993, 152 - 153 zitiert nach juris; OLG Hamm NZV 1992, 33). Dieser Umstand wäre allerdings - soweit erwiesen - im Rahmen der Schadensabwägung grundsätzlich durchaus als ein betriebsgefahrerhöhender Faktor zu berücksichtigen (vgl. BGH NZV 1992, 229, 231; OLG Hamm NZV 1992, 33; OLG Düsseldorf Schadens-Praxis 2003, 335 - 336 zitiert nach juris; OLG Hamm NZV 1995, 194; OLG Hamm NZV 2000, 373; OLG Schleswig NZV 1993, 152 - 153 zitiert nach juris). Denn nicht geleugnet werden kann, dass die hierdurch bedingten verhältnismäßig langen Reaktions- und Bremswege eine Verminderung der Reaktionsmöglichkeiten auf die Gefahrenlage zur Folge hätte; eine deutliche Geschwindigkeitsdifferenz wäre für Fahrzeugführer erheblich schwerer zu beherrschen.

Die von Klägerseite behauptete Fahrtgeschwindigkeit darf im Streitfall indessen nicht in die Schadensabwägung zu Ungunsten der Beklagten eingestellt werden. Denn in der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG können nur unstreitige oder aber erwiesene Tatsachen Berücksichtigung finden. Eine Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges von mindestens 180 km/h hat die Klägerin zwar in prozessual beachtlicher Form behauptet, aber im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht beweisen können. Objektive Anknüpfungstatsachen, die Rückschlüsse auf die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeiten erlauben, liegen nicht vor. Auch aus den Aussagen der Zeugen S. und G. lassen sich die gefahrenen Geschwindigkeiten der unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht rekonstruieren. Der Sachverständige Dipl. Ing. K. hat in seinem mit Sorgfalt erstatteten Gutachten hierzu im übrigen ausgeführt, dass die Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht mehr verlässlich ermittelt werden könne. Soweit er im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung des klägerseits behaupteten Unfallverlaufes eine Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges von oberhalb 180 km/h berechnet hat, lagen dieser Geschwindigkeitsberechnung allerdings ausschließlich die von der Klägerseite vorgetragenen, von Beklagtenseite indessen bestrittenen Tatsachen zugrunde. Auch die von dem Sachverständigen festgestellte Differenzgeschwindigkeit von 50 bis 55 km/h spricht nicht notwendig für eine erhebliche Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit durch den Beklagten zu 2). Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang vielmehr unmissverständlich ausgeführt, dass sich die Unfalldarstellung des Beklagten zu 2) mit einer behaupteten Ausgangsgeschwindigkeit von 120 bis 130 km/h ebenfalls technisch nachvollziehen lasse. Danach aber ist die tatsächliche Fahrtgeschwindigkeit des Beklagten zu 2) im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ungeklärt geblieben und muss als Abwägungsfaktor im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG außer Betracht bleiben.

b) Demgegenüber trifft den Fahrer des klägerischen Pkw ein erhebliches Verschulden an dem Verkehrsunfall, da er sich bei dem von ihm vollzogenen Fahrstreifenwechsel nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (§§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 5 StVO). Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Fahrer des Pkw Opel Vectra den auf der Mittelspur herannahenden BMW der Beklagten zu 1) entweder übersehen oder aber dessen Fahrtgeschwindigkeit unterschätzt hat, was beides die Feststellung eines unfallursächlichen Verschuldens begründet. Denn wer sich – wie der Drittwiderbeklagte – ohne sorgfältige Rückschau auf den Überholstreifen begibt und hierdurch ein von hinten nahendes, schnelleres Fahrzeug gefährdet, handelt in jedem Fall grob verkehrswidrig. Durch seine riskante Fahrweise hat er die eigentliche Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt.

Betriebsgefahrerhöhend kommt hier hinzu, dass der Drittwiderbeklagte bereits unmittelbar im Anschluss an das Einfahren auf die Autobahn zum Überholen des mit einer Fahrtgeschwindigkeit von 85 bis 90 km/h gefahrenen Lastzuges angesetzt hat.

Der Zeuge S. hat hierzu in erster Instanz glaubhaft bekundet, dass der Opel Vectra - nach seinem Eindruck - in einem Zuge von dem Beschleunigungsstreifen unmittelbar auf die mittlere Fahrspur gelenkt worden sei. Auch wenn die Aussage des Zeugen S. in diesem Punkt mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sein mag, weil der Zeuge hierzu lediglich seine persönliche Einschätzung kundgetan hat, so lässt sich der Aussage aber jedenfalls entnehmen, dass der Überholvorgang in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit den Einfahren auf die A 9 stand und sich der Auffahrt zeitlich unmittelbar anschloss.

Da der Drittwiderbeklagte unmittelbar nach dem Einfahren auf die Autobahn bereits zum Überholen ansetzte, trafen ihn gesteigerte Sorgfaltsanforderungen (vgl. BGH NJW 1986, 1044; OLG Hamm NZV 1992, 320), denen er indessen nicht in vollem Umfang zu genügen vermocht hat. Der auf die Autobahn Einfahrende muss sich nämlich zunächst komplett in den Verkehrsfluss auf der Normalspur einfügen, um einerseits sich selbst in die konkrete Verkehrssituation auf der Autobahn einzufühlen und zum anderen seine Rolle im Autobahnverkehr für die anderen Verkehrsteilnehmer berechenbar zu machen. Zum Überholen darf er nicht ansetzen, so lange nicht die Gewissheit besteht, dass sich ihm von hinten kein schnelleres Fahrzeug nähert, das durch das Überholen gefährdet werden könnte. Die Inanspruchnahme der Überholspur setzt bei belebter Autobahn nämlich eine gründliche Kenntnis der gesamten Verkehrssituation voraus, über die der gerade erst auf die Autobahn Einbiegende nicht in gleicher Weise verfügen kann wie der Kraftfahrer, der sich bereits einige Zeit auf der durchgehenden Fahrbahn der Autobahn bewegt und dadurch die Möglichkeit hat, sich vor dem beabsichtigten Überholen mit der erforderlichen Gründlichkeit und Ruhe über die rückwärtige Verkehrslage zu orientieren, insbesondere darüber, ob sich Kraftfahrer mit sehr hoher Geschwindigkeit nähern und gleichfalls die Überholspur in Anspruch nehmen. Da auf den Bundesautobahnen in der Regel - so auch im Streitfall - eine Begrenzung der Geschwindigkeit bei übersichtlichen Straßenverhältnissen nicht besteht, muss der Einbiegende bei normalen Straßen- und Sichtverhältnissen zugleich damit rechnen, dass im Hochgeschwindigkeitsbereich gefahren wird (vgl. BGH NJW 1986, 1044; OLG Hamm NZV 1992, 320).

c) Die Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge sowie der betriebsgefahrerhöhenden Umstände nach §§ 17 Abs. 1 S. 2, 18 Abs. 3 StVG muss hier zu Lasten der Klägerin gehen. Denn das grob verkehrswidrige Fahrmanöver des Drittwiderbeklagten bei dem Fahrspurwechsel überwiegt so stark, dass eine Mithaftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr daneben nicht in Betracht kommen kann. Das Übergewicht des von der Klägerseite zu verantwortenden Verursachungsanteils führt vielmehr zu einer völligen Freistellung der Beklagten zu 1), da diese lediglich die Betriebsgefahr des BMW zu verantworten hat und diese gegenüber dem der Klägerin zurechenbaren Verschuldensanteil nicht maßgeblich ins Gewicht fällt und im Ergebnis vernachlässigt werden kann.

Da die Klägerin im Ergebnis der Haftungsabwägung aus § 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG anspruchslos gestellt ist, hat der Senat über die im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes streitigen Schadenspositionen nicht mehr zu befinden.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.



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