Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 21.10.2009 - 112 C 3022/09 - Zur Haftung eines alkoholisierten Fußgängers der bei Rot einen Zebrastreifen betritt

AG Berlin-Mitte v. 21.10.2009: Zur vollen Haftung eines alkoholisierten Fußgängers, der bei Rot einen Zebrastreifen betritt




Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 21.10.2009 - 112 C 3022/09) hat entschieden:

   Betritt ein alkoholisierter Fußgänger bei für ihn rotem Ampellicht einen Zebrastreifen und veranlasst dadurch eine Gewaltbremsung eines Kfz-Führers, haftet er voll auch für den Schaden, den ein dadurch auf das erste Fahrzeug auffahrender Dritter erleidet.

Siehe auch
Auffahrthemen
und
Fußgängerunfälle

Tatbestand:

Am 09.08.2008 um 09.30 Uhr befuhr die Tochter der Klägerin mit dem Pkw Seat mit dem amtl. Kennzeichen B- die … in Berlin in östlicher Richtung. In Höhe der … Einmündung der straße stand der Beklagte mit mehreren anderen Personen an der Fußgängerampel und zwar aus der Sicht der Fahrzeugführerin des klägerischen Fahrzeugs am rechten Fahrbahnrand: Unmittelbar bevor der vor dem klägerischen Fahrzeug fahrende Pkw des Zeugen R die Fußgängerfurt erreichte, machte der Beklagte einen Schritt auf die Straße und dann wieder zurück auf den Bürgersteig. Der Zeuge R musste deshalb bis zum Stillstand abbremsen. Das klägerische Fahrzeug bremste ebenfalls ab, fuhr aber trotzdem noch auf das Heck des Pkw des Zeugen R auf. Eine Stunde nach dem Unfall wies der Beklagte eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 Promille auf. Mit der Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten Ersatz der nachfolgenden Schadenspositionen:

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sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 EUR brutto.

Die Klägerin trägt vor, sie sei im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls Eigentümerin des von ihrer Tochter geführten Pkw Seat mit dem amtl. Kennzeichen B-… gewesen. Sie behauptet, das klägerische Fahrzeug sei auf die grüne Ampel … straße zugefahren, habe unmittelbar vor der Einmündung … straße vom linken in den rechten Fahrstreifen zwischen die Fahrzeuge der Zeugen R und S gewechselt und sei mit den anderen Fahrzeugen ca. 50 km/h gefahren, als der Beklagte plötzlich die Fahrbahn betreten habe.

Die Klägerin beantragt,

  1.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1 434,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2009 zu zahlen,

  2.  der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Fahrzeuge der Zeugen R, S und der Klägerin haben zunächst an der roten Ampel straße gestanden. Bei grünem Ampellicht seien die Fahrzeuge angefahren, hätten jedoch kurz danach bremsen müssen, da der Beklagte einen Ausfallschritt auf die Straße habe machen müssen. Er habe die Straße nicht absichtlich betreten, sondern sei gestolpert. Da eine Menschengruppe am Fahrbahnrand gestanden habe, habe die Führerin des klägerischen Fahrzeuges mit einem Betreten der Fahrbahn durch diese Personen rechnen müssen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Pol.Präs. in Berlin -…- lag zu lnformationszwecken vor.




Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz von 100 % ihrer Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 09.08.2008 auf der … gemäß den § 823 ff. BGB zu. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat durch Vorlage des Kaufvertrages vom … über den streitgegenständlichen Pkw Seat mit dem amtl. Kennzeichen B-… nebst Zahlungsvermerk hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie vor dem hiesigen Unfall Eigentum an dem Pkw erworben hat.

Nach dem Vortrag der Parteien steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO fest, dass der Beklagte den Verkehrsunfall allein verursacht und verschuldet hat. Denn unstreitig betrat der Beklagte die Fußgängerfurt bei für Fußgänger rotem Ampellicht, wodurch das erste von links herannahende Fahrzeug, der Pkw des Zeugen R, bis zum Stillstand abbremsen musste. Desgleichen musste das klägerische Fahrzeug abbremsen und fuhr auf das Heck des Pkw des Zeugen R auf. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Fahrzeuge der Klägerin und des Zeugen Richter im fließenden Verkehr mit ca. 50 km/h fuhren oder aber an der Haltelinie anfuhren, als der Beklagte die Straße betrat. Denn wenn die Fahrzeuge im fließenden Verkehr fuhren, fehlt jeglicher Vortrag des Beklagten dazu, dass und wieso das klägerische Fahrzeug rechtzeitig und mühelos hätte anhalten können. Allein die pauschale Behauptung, das klägerische Fahrzeug sei zu schnell, mit zu geringem Sicherheitsabstand oder die Fahrzeugführerin zu unaufmerksam gefahren, reicht insoweit nicht aus. Der Anscheinsbeweis der § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 2 StVO gegen den Auffahrenden gilt nur im Verhältnis zum voranfahrenden Fahrzeug, nicht aber im Verhältnis zu einem verbotswidrig die Straße betretenden Fußgänger.

Sollten die Fahrzeuge, wie der Beklagte behauptet, erst im Anfahren begriffen gewesen sein, konnte und musste das klägerische Fahrzeug noch keinen ordnungsgemäßen Sicherheitsabstand erreicht haben, so dass ein Mitverschulden des klägerischen Fahrzeugs nicht in Betracht kommt.




Soweit der Beklagte behauptet, er sei gestolpert und habe nur um sein Stürzen zu verhindern die Straße betreten, entlastet ihn diese bestrittene Behauptung nicht. Es obliegt der Sorgfalt des Fußgängers derart weit vom Fahrbahnrand zu warten, dass er auch innerhalb einer möglicherweise drängelnden Menschengruppe nicht auf die Straße geschoben wird oder stolpert. Ein entsprechender Vorgang kann jedenfalls nicht ein Verschulden eines vorbeifahrenden Pkw begründen. Dass sich die Fahrzeugführerin des klägerischen Fahrzeuges nicht darauf eingestellt hätte, dass aus der wartenden Menschengruppe plötzlich jemand auf die Fahrbahn treten könnte, trägt der Beklagte schon selbst nicht schlüssig vor. Denn nach seinem Vortrag war das klägerische Fahrzeug im Anfahren begriffen, mithin noch sehr langsam. Darüber hinaus hat das klägerische Fahrzeug gebremst. Es ist nicht ersichtlich, wie sich die Fahrzeugführerin noch auf die Menschen am Fahrbahnrand hätte einstellen sollen.

Der Höhe nach kann die Klägerin von den Beklagten Ersatz der nachfolgenden Schadenspositionen verlangen:

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sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 EUR brutto entsprechend der in der Klageschrift befindlichen Berechnung. Eine Kostenpauschale hält das Gericht in Höhe von 20,00 EUR für angemessen und ausreichend (§ 287 ZPO), so dass die Klage in Höhe von 5,00 EUR abzuweisen war. Soweit der Beklagte die Kompatibilität aller geltend gemachten Schäden und die Erforderlichkeit der kalkulierten Reparaturkosten bestreitet, erfolgt dies erkennbar ins Blaue hinein und ohne jegliche Substanz. Eine Abtretung der Schadensersatzansprüche an den Sachverständigen in Höhe seiner Gutachterkosten ist nicht ersichtlich. Der Beklagte legt trotz des Bestreitens der Klägerin keine Abtretungserklärung vor.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 286, 288 bzw. 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.

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