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OLG Köln Urteil vom 22.02.1999 - 16 U 33/98 - Kein auch nur teilweiser Ersatz für Unfallschäden bei Verschweigen inkompatibler Vorschäden
OLG Köln v. 22.02.1999: Kein auch nur teilweiser Ersatz für Unfallschäden bei Verschweigen inkompatibler Vorschäden
Das OLG Köln (Urteil vom 22.02.1999 - 16 U 33/98) entschieden:
Ist davon auszugehen - wie hier auf Grund überzeugender sachverständiger Feststellungen -, dass nicht sämtliche Schäden, die das Fahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Antragsteller zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben, bzw. bestreitet er das Vorliegen solcher Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten.
Gründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht auf Grund des Verkehrsunfalls vom 1. Februar 1997 kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 BGB, 7, 18 StVG, 3 PflVG gegen die Beklagte zu. Der Kläger kann nicht den Nachweis führen, dass die Schäden an seinem Kraftfahrzeug, die zu einem wirtschaftlichen Totalschaden geführt haben, ganz oder teilweise aus dem Unfallgeschehen herrühren.
1. Zwar haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein gestelltes Unfallgeschehen, wie es die Beklagte behauptet, ergeben. Allerdings liegen nach wie vor gewisse Indizien vor, wie die widersprüchlichen Angaben des Klägers zum Unfallort, der behauptete Unfallhergang selber, der im Wesentlichen auf ein Verhalten eines unbekannt gebliebenen Verursachers beruht, die fehlende Inanspruchnahme des Fahrers des gegnerischen Unfallfahrzeugs sowie die an dem Unfall beteiligten Fahrzeugtypen; gleichwohl reichen diese Hinweise nicht zum Nachweis einer Manipulation aus. Aus den sachverständigen Ausführungen des Gutachters B. ergibt sich nämlich, dass aus sachverständiger Sicht kein Zweifel an einem tatsächlich erfolgten Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen besteht. Der Sachverständige hat dies im Einzelnen dargelegt und an Hand der Fotos der unfallgeschädigten Fahrzeuge erläutert. Für die Kompatibilität der Schäden sprechen verschiedene Einzelheiten, wie z.B. der an dem Klein-Lkw befindliche Eindruck in Höhe des kleinen Mercedes-Sternes von der hohen Heckkante des Mazda oder Schäden unterhalb des Kfz-Kennzeichens des Lkw's, die durch das rostige Auspuffrohr des Mazda verursacht worden sind.
2. Der klägerische Anspruch ist gleichwohl nicht begründet.
Es wäre Voraussetzung für einen materiellen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte, dass er darlegen und beweisen kann, dass durch das Unfallgeschehen am 1. Februar 1997 der nun geltend gemachte Schaden, der zu einem wirtschaftlichen Totalschaden geführt hat, insgesamt verursacht worden ist. Diesen Beweis hat der hierzu darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht führen können. Ferner ist auch nicht schlüssig dargetan, dass wenigstens ein bestimmter, genau abgrenzbarer Teil des Schadens auf die Kollision mit dem bei der Beklagten versicherten Lkw zurückzuführen ist.
Der vom Senat beauftragte Sachverständige hat in seinem mündlichen Gutachten, das er vor dem Senat erstattet hat, ausgeführt, dass die Beschädigungen an der linken Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs, wie sie aus dem Lichtbild Blatt 45 oben erkennbar sind - eine Deformierung der Tür, so dass diese nicht mehr ordnungsgemäß schließt - nicht durch den Unfall vom 1. Februar 1997 verursacht worden sein kann. Vielmehr resultierten diese Schäden aus einem Knick im Türholm, der mit einer Kollision mit dem Lkw nicht in Einklang gebracht werden kann. Dieser Schaden müsse aus einem anderen Ereignis herrühren. Der Senat hat keine Bedenken, diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu folgen. Diese sind ohne weiteres schon deshalb nachvollziehbar, da der Einstoß des Lkw im Heckbereich, und nicht an der linken Seite des Pkw erfolgt ist.
Der Kläger hat auf Befragen erklärt, auch dieser Schaden sei auf das Unfallereignis zurückzuführen; eine Vorschädigung durch ein anderes Ereignis hat er ausdrücklich verneint. Im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen werden diese Angaben jedoch widerlegt. Hinzu kommt, dass bereits der vom Kläger beauftragte Sachverständige Ba. in seinem Gutachten vom 7. Februar 1997, das der Kläger mit der Klageschrift vorgelegt hat, einen (unreparierten) Schaden an der Tür links ("eingedrückt im Griffbereich") als Vorschaden angegeben hat (Bl. 14 R d. GA). Der Kläger hat sich zu diesem Passus des Gutachtens Ba. weder in der Klageschrift noch im weiteren Verlauf des Verfahrens geäußert. Immerhin spricht einiges dafür, dass es sich hierbei um denselben Vorschaden handelt, den auch der Sachverständige B. festgestellt hat.
Dass es sich um ein mit dem Unfallgeschehen unvereinbaren Vorschaden handelt, wird durch die Aussage des Zeugen H. nicht infrage gestellt. Seine Angabe, der Türschaden sei bei der Motorüberholung, bei der er mitgeholfen habe, noch nicht vorhanden gewesen, bezieht sich auf einen deutlich vor dem Unfallgeschehen liegenden Zeitpunkt und schließt demnach spätere Schadensereignisse vor dem eigentlichen Unfall nicht aus. Die Motorüberholung hat nämlich bei einem Kilometerstand von maximal 174.0000 km stattgefunden, während das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt bereits einen Kilometerstand von 181.922 km aufwies.
Ist davon auszugehen - wie hier auf Grund überzeugender sachverständiger Feststellungen -, dass nicht sämtliche Schäden, die das Fahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Antragsteller zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben, bzw. bestreitet er das Vorliegen solcher Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten. Denn auf Grund dieses Vorschadens lässt sich nicht ausschließen, dass auch die kompatiblen Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind und/oder dass dort bereits erhebliche Vorschäden vorhanden waren (vgl. dazu Senat, Urteil vom 05.02.1996 - 16 U 54/95 = OLGR 96, 202; Urteil vom 14.07.1997 - 16 U 7/97). Der hier nicht aufgeklärte Vorschaden betrifft nämlich die linke Fahrzeugseite, die auch durch das Unfallgeschehen vom 1. Februar 1997 in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Somit kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, welche Schäden auf welche Ereignisse zurückzuführen sind.
In diesem Zusammenhang kann nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass er im vorliegenden Verfahren den Schaden an der linken Tür nicht als Unfallschaden angegeben, sondern mit der Klageschrift durch Bezugnahme auf das Gutachten Ba. vom 7. Februar 1997 diesen Schaden als unreparierten Vorschaden deklariert hat, wenn zu Gunsten des Klägers, obgleich sich auch insoweit Zweifel ergeben, eine Identität zwischen dem vom Sachverständigen B. konstatierten und dem vom Sachverständigen Ba. angegeben Vorschaden angenommen wird. Mithin hätte der Kläger die mit dem Unfallgeschehen nicht in Einklang zu bringende Vorschädigung zwar nicht als Schaden geltend gemacht, so dass sich der Sachverhalt von denen in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen unterscheidet. Gleichwohl ist dem Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats der Schadensersatz in vollem Umfang zu versagen. Denn die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegende Überlegung gilt auch für den hier vorliegenden Fall. Die oben aufgezeigte theoretische Möglichkeit, die sich als in das Unfallgeschehen einfügenden Schäden könnten ebenfalls ihre Ursache in dem nicht bekannten, zeitlich vorangegangenen Ereignis haben, besteht hier ebenso. Die daraus resultierenden Bedenken gegen eine Zurechnung der festgestellten Schäden zu dem Unfall vom 1. Februar 1997 hätte der Kläger durch einen substantiierten Sachvortrag zur Ursache der Vorschäden begegnen können, wobei er insbesondere Art und nähere Umstände der Schadensverursachung sowie das Ausmaß des damaligen Schadens hätte angeben müssen. Auf dieser Grundlage hätte gegebenenfalls sachverständig geklärt werden können, ob und welche Schäden dem hier im Verfahren gegenständlichen Unfall zugeordnet werden können. Dem ist der Kläger weder in seiner Klageschrift - trotz der erklärungsbedürftigen Angaben im Gutachten Ba. - noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat - trotz entsprechenden Befragens - nachgekommen. Demnach war eine Erstattung seines materiellen Schadens einschließlich der geltend gemachten Unkostenpauschale abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert und Beschwer des Klägers: 12.040,00 DM