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Landgericht Detmold Urteil vom 14.04.2010 - 10 S 150/09 - Die Haftung des Halters endet, wenn das Kfz auf einem Privatgrundstück ordnungsgemäß - Automatik auf Stellung P - abgestellt wird

LG Detmold v. 14.04.2010: Die Haftung des Halters endet, wenn das Kfz auf einem Privatgrundstück ordnungsgemäß - Automatik auf Stellung P - abgestellt wird


Das Landgericht Detmold (Urteil vom 14.04.2010 - 10 S 150/09) hat entschieden:

   Stellt der Halter sein Fahrzeug auf einem Privatgelände ordnungsgemäß gesichert - Automatikschalthebel auf Stellung P und angezogene Handbremse - ab, so endet damit seine Haftung aus der verschuldensunabhängigen Betriebsgefahr, auch wenn das Fahrzeug sodann witterungsbedingt ins Rutschen gerät.



Siehe auch

Betriebsgefahr

und

Schadensersatzthemen


Gründe:


A.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Vorfall vom 23.12.2007 auf dem Parkplatz des Hotels M in C.

Der Kläger stellte seinen Pkw Volvo mit dem amtlichen Kennzeichen LIP-... gegen 11.00 Uhr in einer von fünf nebeneinanderliegenden Parkbuchten rechtsseitig der Hotelzufahrt, welche eine Steigung von 10 % aufweist, ab.

In der Nacht vom 22. auf den 23.12.2007 hatte es gefroren. Es war zudem Schnee gefallen. Der Parkplatz des Hotels war nicht geräumt oder gestreut worden, so dass auf der Hotelzufahrt und den Bürgersteigen eine dünne Schneedecke und Straßenglätte vorhanden waren.

Der Beklagte zu 1.) parkte seinen Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen HF-... kurz nach 11.00 Uhr in der Parkbucht oberhalb des Fahrzeugs des Klägers. Er stellte das Automatikgetriebe in die Position "P", zog die Handbremse an und ließ die Vorderräder nach links eingeschlagen.

Gegen 14.20 Uhr stellte der Kläger fest, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) ca. 70 – 80 cm seitwärts und leicht nach hinten versetzt abgerutscht und gegen die linke Fahrzeugseite seines Pkw geprallt war. Der rechte Kotflügel des Fahrzeugs des Beklagten zu 1.) befand sich in Höhe der Fahrertür des klägerischen Pkw, wobei dieser durch das Beklagtenfahrzeug nicht weggedrückt worden war und sich nach wie vor innerhalb der gekennzeichneten Parkfläche befand. Durch den Abschleppdienst der Fa. S wurden die Fahrzeuge voneinander getrennt, wobei der Pkw des Klägers durch den Abschleppwagen 30 cm seitwärts nach unten verschoben wurde.




Der Kläger begehrt von den Beklagten Reparaturkosten in Höhe von 1.838,27 € netto gemäß Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... vom 30.12.2007 sowie Gutachterkosten in Höhe von 376,04 € brutto und eine Kostenpauschale von 25,00 €.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, der Beklagte zu 1.) habe seinen Pkw nicht ordnungsgemäß gesichert. Er hat die Auffassung vertreten, ein Verschulden des Beklagten zu 1.) sei daraus zu folgern, dass es nicht gelungen sei, das klägerische Fahrzeug nach dem Zusammenprall zu bewegen. Der Beklagte zu 1.), der Kenntnis von der Wetterlage besessen habe, habe sich auf alle Eventualitäten einstellen und insbesondere berücksichtigen müssen, dass er sein Fahrzeug bei glattem Untergrund auf einem Gefälle abgestellt habe.

Der Kläger hat in I. Instanz beantragt,
   die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.239,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2008 zzgl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 148,33 € zu zahlen.


Die Beklagten haben in I. Instanz beantragt,
   die Klage abzuweisen.


Sie haben im Wesentlichen vorgetragen, der Pkw des Beklagten zu 1.) sei nicht in Betrieb gewesen. Es habe sich ein gänzlich unwahrscheinlicher Schadensverlauf ereignet, mit dem der Beklagte zu 1.) nicht habe rechnen können und müssen.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S vom 20.02.2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 7 StVG seien nicht gegeben, denn ein Betrieb eines Kraftfahrzeugs habe nicht vorgelegen. Die Fahrzeuge hätten sich außerhalb des öffentlichen Verkehrs befunden. Das Fahrzeug des Beklagten sei auch ordnungsgemäß durch das Stellen der Automatik auf die Position "Parken" in der gekennzeichneten Parkfläche geparkt worden. Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1.) habe nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können. Ein Verschulden durch nicht ausreichende Sicherung des parkenden Fahrzeugs sei nicht gegeben. Die Kombination von glatter Fläche auf dem Parkplatz, dem Gefälle und seitlich neben dem Beklagtenfahrzeug auftretendem Blitzeis sei eine so unwahrscheinliche Kombination, dass der Beklagte zu 1.) über die von ihm vorgenommenen Sicherheitsvorkehrungen hinaus keine weiteren Vorkehrungen habe treffen müssen. Aus dem Abstellen des Pkw auf einer möglicherweise eis- oder schneeglatten Fläche an einem Gefälle könne kein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1.) folgern, andernfalls träfe den Kläger gleiches Verschulden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 21.07.2009 bei Gericht eingegangenen Berufung sowie der – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – am 29.09.2009 eingegangenen Berufungsbegründung.

Der Kläger beantragt,
   unter Abänderung des am 19.06.2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Lemgo – Az: 19 C 45/08 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.239,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2009 zzgl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 148,33 € zu zahlen.


Die Beklagten beantragen,
   die Berufung zurückzuweisen.


Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Der Beklagte zu 1.) habe das seitliche Abrutschen seines BMW in der gesamten Länge ebenso wenig vorhersehen wie verhindern können. Es sei nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen er hätte ergreifen sollen, um den Schadenfall zu vermeiden. Insbesondere hätte ein Lenkeinschlag in die Gegenrichtung oder auch eine gerade Position der Vorderräder das seitliche Abrutschen des BMW nicht verhindern können.




B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.


I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG a.F..

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind nicht erfüllt, denn der Unfall hat sich – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 1.), das bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, ereignet.

1. Grundsätzlich umfasst die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2005 – VI ZR 168/04 -). Auch parkende Kraftfahrzeuge sind in Betrieb, soweit sie den Verkehr irgendwie beeinflussen können (vgl. Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 Rand-Nr. 8). Jedoch endet der Betrieb mit dem verkehrsmäßig ordnungsgemäßen Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf einem Privatgrundstück (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2005, 2318).

2. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu 1.) sein Kraftfahrzeug in einer Parkbox auf dem Parkplatz des Hotels M in C abgestellt. Bei dem Hotelparkplatz handelt es sich um einen privaten – ausschließlich Hotelgästen vorbehaltenen – Parkplatz, der vom öffentlichen Verkehrsraum durch eine lange Zufahrt getrennt ist.

3. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) war, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, in der gekennzeichneten Parkfläche ordnungsgemäß geparkt. Insbesondere war die Automatik auf die Parkposition "P" eingestellt. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens. Danach kann bei der Automatik des hier in Rede stehenden Fahrzeugtyps der Zündschlüssel erst dann abgezogen werden, wenn die Automatik auf "P" gestellt ist, wodurch zumindest ein Rad blockiert ist.

4. Darüber hinaus war – in II. Instanz nunmehr unstreitig - die Handbremse des Fahrzeugs des Beklagten zu 1.) festgestellt.

5. Soweit der Kläger das Einschlagen der Räder des Beklagtenfahrzeugs nach links für den Unfall verantwortlich macht, hat der Sachverständige für die Kammer überzeugend und schlüssig dargelegt, dass es auch zu dem Schadenfall gekommen wäre, wenn die Räder nicht bzw. in eine andere Richtung eingeschlagen worden wären. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 14.04.2010, denen die Kammer folgt, ist davon auszugehen, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) auch in diesem Fall gegen das Fahrzeug des Klägers bewegt hätte. Dies ergebe sich daraus - so der Sachverständige -, dass das Fahrzeug hinten zu rutschen begonnen habe und der vordere Wagenteil lediglich gefolgt sei. Insoweit sei vorstellbar, dass das Fahrzeug sich weiter nach hinten bewegt hätte, die Anstoßstelle somit eine andere gewesen wäre. Darüber hinaus ist nach den Feststellungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, angesichts des Gefälles nach rechts im Übrigen ein Einschlagen der Räder nach links die richtige Radstellung um ein eventuelles Losrollen des Fahrzeugs zu verhindern.


II.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu 1.) aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

Es ist nicht erwiesen, dass der eingetretene Schaden durch ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1.) verursacht worden ist.

1. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, scheidet ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 1.) von vorneherein aus.

2. Dem Beklagten zu 1.) kann aber auch kein fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dabei gilt im Zivilrecht kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiver Sorgfaltsmaßstab (vgl. BGH NJW 2000, 2812). Maßgeblich ist danach, welche Sorgfalt von einem besonnenen und gewissenhaft Handelnden in der Lage des Beklagten zu 1.) erwartet werden konnte.

a) Ein fahrlässiges Verhalten des Beklagten zu 1.) durch nicht ausreichende Sicherung des Fahrzeuges ist nicht gegeben. Der Beklagte zu 1.) hat sein Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt, in dem er die Automatik auf die Parkposition "P" stellte und die Handbremse anzog. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. 3. und 4. verwiesen werden.

b) Allein aus dem Abstellen des Fahrzeugs des Beklagten zu 1.) auf einer möglicherweise eis- oder schneeglatten Fläche an einem Gefälle ist kein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1.) zu folgern. Der glatte Untergrund der Parkfläche hat nach dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dem sich die Kammer anschließt, nur eine geringe unmerkliche Rutschbewegung verursacht, die für sich genommen aufgrund der Sicherung des Pkw den vorliegenden Schaden nicht herbeigeführt hätte. Auch ist das Gefälle des Hotelparkplatzes nicht so stark, dass angesichts der von den Parteien geschilderten Witterungsverhältnisse beim Abstellen des Fahrzeugs mit einem Abrutschen zu rechnen war.

c) Das Auftreten des Blitzeises hat nach physikalischen Grundsätzen nicht zu dem vorliegenden Schadensfall geführt, wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat. Da das Fahrzeug unstreitig bereits vor Einsetzen des Blitzeises abgestellt wurde, konnte kein Eis in die Kontaktzone zwischen Reifenfläche und Straßenoberfläche eindringen, auf dem das Fahrzeug dann ins Rutschen hätte kommen können.

d) Die Kammer teilt die Ansicht des Amtsgerichts, dass der konkrete Schadenseintritt in seinem Verlauf und seinem Ergebnis ein so unwahrscheinliches und so außergewöhnliches Ereignis darstellt, dass der Beklagte zu 1.) damit nicht habe rechnen können und müssen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat ausgeführt, dass das Unfallgeschehen nur dadurch erklärbar sei, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) von vornherein auf einer glatten Fläche geparkt worden sei, auf der es sich extrem langsam und zunächst praktisch unmerkbar über einen längeren Zeitraum in Bewegung gesetzt habe. Dabei sei durch das auf dem Parkplatz vorhandene Gefälle eine Beschleunigung nahe bei Null entstanden. Durch das Einsetzen des Blitzeises erkläre sich, so der Sachverständige, dass das Fahrzeug dann schneller beschleunigt habe, als es auf eine noch glattere Fläche getroffen sei. Für diese Rutschbewegung spreche auch der flache Anstoßwinkel zwischen den Fahrzeugen.

e) Nach dem Gutachten des Sachverständigen, dem die Kammer auch insoweit folgt, war die Rutschbewegung des Beklagtenfahrzeuges unmerkbar, so dass daraus ebenfalls kein Verschulden des Beklagten zu 1.) abzuleiten ist.




f) Es ist überdies nicht erkennbar, welche weiteren Sorgfaltsanforderungen über die von ihm getroffenen hinaus der Beklagte beim Parken hätte beachten müssen. Vorliegend handelt es sich vielmehr um ein außergewöhnliches Ereignis, für das eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht kommt.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.


IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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