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Amtsgericht Magdeburg Urteil vom 14.04.2010 - 180 C 2545/09 - Zur Beschädigung eines Leasing-Lkw in einer Autowaschanlage

AG Magdeburg v. 14.04.2010: Zur Beschädigung eines Leasing-Lkw in einer Autowaschanlage und zur Reparaturfreigabe der Versicherung als Anerkenntnis


Das Amtsgericht Magdeburg (Urteil vom 14.04.2010 - 180 C 2545/09) hat entschieden:
Bestätigt ein Haftpflichtversicherer, dass mit der Reparatur im Rahmen der Kalkulation der Reparaturschäden eines in einer Waschanlage beschädigten Leasing-Lkw begonnen werden könne, so liegt hierin mindestens ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.


Siehe auch Fahrzeugbeschädigung in der Autowaschanlage und Stichwörter zum Thema Schadensersatz


Tatbestand:

Die Beklagte, als Leasingnehmerin, und die ..., als Leasinggeberin, schlossen am 26.10.2006 einen Leasingvertrag über acht Lkw ... mit ... monatiger Laufzeit (Bl. 82-86 d.A.). Am 16.02.2007 wurden die Lkw DAF ... SC mit den amtlichen Kennzeichen ... und ... übergeben (Bl. 87 d.A.).

Am 22.12.2008 wurde der Lkw ... in der Lkw-Waschstraße des Beklagten in ... gewaschen. Während des Waschvorgangs wurde der rechte Außenspiegel gegen die Beifahrertür des Lkw gedrückt, wobei Schäden am rechten Außenspiegel und an der Beifahrertür des Lkw entstanden.

Die Klägerin ließ einen Kostenvoranschlag der ... vom 14.01.2009 über die Reparaturkosten erstellen (Anlage K3; Bl. 12 d.A.), der mit einem Nettobetrag in Höhe von 2 110,85 € abschloss.

Mit Schreiben vom 15.01.2009 (Anlage K4; Bl. 13 d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung folgender Schadenpositionen auf:

Reparaturkosten 2.110,85 €
Vorhaltekosten für 1 Tag 150,00 €
allgemeine Bearbeitungspauschale 25,00 €
  2.285.85 €


Die Haftpflichtversicherung des Beklagten, die ... übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 28.04.2009 (Anlage K9; Bl. 21 d.A.), das im Auftrag der ... Versicherung AG unter dem 28.04.2009 erstellte Gutachten des Kfz-Sachverständigen, der ... Versicherung AG, Herrn Dipl.-Ing. ... über den Schaden am Lkw (Anlage K9; Bl. 22-27 d.A.). In dem Gutachten wurden die notwendigen Reparaturkosten mit 1 048,62 € netto ermittelt. Auf Seite 1 des Gutachtens heißt es unter „Beurteilung“: „Reparaturfreigabe“. Auf Seite 3 unten des Gutachtens findet sich folgender Text:
„Die Gegenüberstellung von Wiederbeschaffungswert/Reparaturkosten rechtfertigt aus wirtschaftlicher Sicht die Durchführung der Reparatur. Mit der Reparatur kann – soweit ein Reparaturauftrag vorliegt – begonnen werden.“
In dem Anschreiben der ... Versicherung AG vom 28.04.2009 (Anlage K9; Bl. 21 d.A.) ist folgender Text enthalten:
„Bei Fragen rund um die Schadenregulierung steht Ihnen der Sachbearbeiter gern zur Verfügung. Technische Fragen, die das Gutachten betreffen, beantwortet Ihnen der verantwortliche Sachverständige.“
Die Klägerin macht folgende Forderung geltend:

Reparaturkosten 1.048,62 €
Kostenpauschale 25,00 €
  1.073,62 €


Darüber hinaus begehrt der Kläger Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wie folgt:

[folgt die Gebührenberechnung]
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1 073,62 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2009 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,30 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (18.09.2009) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin.

Der Beklagte behauptet, dass der Schaden an dem Lkw nicht auf den Zustand der Waschanlage, sondern auf einen nicht ordnungsgemäßen Zustand des Spiegels zurückzuführen sei.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin – selbst dann, wenn ihr Schadenersatzansprüche zustünden – eine Kostenpauschale nicht beanspruchen könne, da dies nur bei der Regulierung von Verkehrsunfällen der Fall sei. Aber auch für den Fall, dass die Klägerin eine Kostenpauschale beanspruchen könne, sei sodann eine Pauschale in Höhe von 15,00 € ausreichend.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 1 073,62 € aus § 280 BGB zu.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Die Leasinggeberin hat der Klägerin jedenfalls mit Schreiben vom 16.03.2010 (Bl. 81 d.A.) bestätigt, dass die Ansprüche an die Klägerin abgetreten wurden. Möglicherweise ergibt sich die Aktivlegitimation auch aus dem, dem Gericht nicht vorliegenden „Kleingedruckten“ zum Leasingvertrag, was jedoch dahinstehen kann. Dahinstehen kann auch, dass es etwas befremdlich anmutet, wenn die Haftpflichtversicherung des Beklagten mit der Klägerin außergerichtlich umfangreich korrespondiert, ohne die Berechtigung der Klägerin in Zweifel zu ziehen, den Anspruch geltend zu machen und dies sodann im Prozess geschieht.

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten, die ... Versicherung AG, hat den Anspruch der Klägerin, für den Beklagten bindend, „anerkannt“.

Die ... Versicherung AG hat im Rahmen der Schadenkalkulation vom 28.04.2009, die sie der Klägerin mit Schreiben vom 28.04.2009 zugeschickt hat, die Reparaturfreigabe erteilt (Anlage K9; Bl. 21-27 d.A.). Dem Anschreiben vom 28.04.2009 lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass die Haftpflichtversicherung des Beklagten irgendwelche Einwände erheben will, so dass sich aus der Reparaturfreigabe ein Anerkenntnis ersehen lässt. Auch aus dem Text auf Seite 3 unten des Gutachtens, „Die Gegenüberstellung von Wiederbeschaffungswert/Reparaturkosten rechtfertigt aus wirtschaftlicher Sicht die Durchführung der Reparatur. Mit der Reparatur kann – soweit ein Reparaturauftrag vorliegt – begonnen werden.“, lässt sich nichts anderes entnehmen. Einerseits ist selbst für einen Laien von vornherein offensichtlich, dass ein Schaden am Außenspiegel rechts und an der Beifahrertür bei einem, zum Zeitpunkt des Schadeneintritts noch nicht einmal zwei Jahre alten Lkw nicht zu einem Totalschaden führen kann und somit ein Gutachten in einem solchen Fall kaum ernsthaft den Zweck haben kann, die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs zu prüfen. Die Haftpflichtversicherung hat mit dem Satz: „Mit der Reparatur kann – soweit ein Reparaturauftrag vorliegt – begonnen werden.“ zu erkennen gegeben, dass nur noch ein Reparaturauftrag erteilt werden müsse. Dieser wird jedoch durch den Geschädigten erteilt. Jedenfalls soweit sich die Reparaturkosten im Rahmen des Gutachtens halten, werden sie von der Haftpflichtversicherung des Beklagten getragen.

Es handelt sich dabei zumindest um ein deklaratorisches Anerkenntnis durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten. Dieses hat zur Folge, dass der Anerkennende mit sämtlichen ihm bekannten Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art, die er bei Abgabe des Anerkenntnisses kannte bzw. mit deren Vorhandensein er rechnen musste, ausgeschlossen ist (vgl. Palandt-Sprau 69. Auflage § 781 BGB RN 4).

Gemäß § 5 Nr. 2 AHB 2008 (vgl. auch § 3 II Nr. 1 + 3 AHB a.F.) ist der Versicherer bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer, ist der Versicherer zur Prozessführung bevollmächtigt. Er führt den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten.

Die Erklärungen der Haftpflichtversicherung binden also auch den Beklagten, wobei die Haftpflichtversicherung sodann – im Innenverhältnis zum Beklagten – ohnehin den Schaden und die Kosten zu tragen hat.

Neben den Nettoreparaturkosten in Höhe von 1 048,62 € hat der Beklagte auch eine Kostenpauschale zu tragen (vgl. Palandt-Grüneberg 69. Auflage § 249 BGB RN 79), wobei das Gericht eine solche in Höhe von 20,00 € für ausreichend hält.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus § 280 BGB i.V.m. § 308 Abs. 1 ZPO.

Es kommt nicht darauf an, ob sich der Beklagte bei Einschaltung der Prozessbevollmächtigten in Verzug befunden hat oder nicht. Rechtsanwaltskosten fallen bei Schadenersatzansprüchen aus Vertragsverletzungen und unerlaubter Handlung in den Schutzbereich der verletzten Norm. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes erforderlich und zweckmäßig war. Das trifft in einfach gelagerten Fällen nur zu, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt oder die Schadenregulierung verzögert wird (vgl. Palandt-Grüneberg 69. Auflage § 249 BGB RN 57; Geigel/Knerr Der Haftpflichtprozeß 25. Auflage Kapitel 3 RN 115).

Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG ist unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Danach bleibt eine bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet. Durch die hälftige Anrechnung verringert sich eine (später) nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (so auch BayVGH NJW 2006, 1990; Schultze-Rhonhof, RVGreport 2005, 374; Hansens, RVGreport 2005, 392). Soweit in der Rechtsprechung eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt und stattdessen eine hälftige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr befürwortet wird (z.B. KG JurBüro 2006, 202; OVG NRW NJW 2006, 1991, wobei übersehen wird, dass der Kostenschuldner durch die gegenteilige Auffassung nicht begünstigt wird, weil er einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist), mögen dafür prozessökonomische Gründe sprechen. Denn bei einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr wird die obsiegende Partei darauf verwiesen, die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei – gegebenenfalls gerichtlich – geltend zu machen, weil die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG – anders als die Verfahrensgebühr – im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2007, Az.: VIII ZR 86/06; BGH, Urteil vom 14.03.2007, Az.: VIII ZR 184/06).

Die Rechtsanwaltskosten hätten sich also wie folgt errechnet:

[folgt die Gebührenberechnung]
Es gilt dabei der Grundsatz, dass auf Schadenersatzforderungen durch vorsteuerabzugsberechtigte Gläubiger keine Umsatzsteuer geltend gemacht werden kann (vgl. Palandt-Grüneberg 69. Auflage § 249 BGB RN 27, 54; MüKo-Oetker 4. Auflage Band 2a § 249 BGB RN 240, 434; § 251 BGB RN 21; Geigel/Haag Der Haftpflichtprozeß 25. Auflage Kapitel 5 RN 18, 21); diese macht die Klägerin jedoch auch nicht geltend.

Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich jedoch, dass der Klägerin die Rechtsanwaltskosten nur in der beantragten Höhe zugesprochen werden können.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.

§ 288 Abs. 2 BGB ist auf Schadenersatzansatzansprüche nicht anwendbar (vgl. Palandt-Grüneberg 69. Auflage § 288 BGB RN 8 i.V.m. Palandt-Grüneberg 69. Auflage § 286 BGB RN 27).

Dass sich der Beklagte vor Zugang des Ablehnungsschreibens seiner Vertreterin, der Haftpflichtversicherung, vom 07.05.2009 (vgl. hierzu Anlage K5, Bl. 14 d.A.), den das Gericht am Montag, den 11.05.2009 annimmt, in Verzug befunden hätte, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.