Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines bei einem Verkehrsunfall Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Teil der Schadensabwicklung ist dabei auch die Entscheidung, den Schadensfall dem eigenen Versicherer zu melden, wobei es sich gebührenrechtlich um eine andere Angelegenheit i.S.d. RVG handelt als die Inanspruchnahme des Unfallgegners. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalls bei dem eigenen Versicherer.
Gründe:
I.
Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die – nach Zulassung der Berufung durch das Amtsgericht – zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht in voller Höhe abgewiesen, soweit die Klägerin die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 € für die Inanspruchnahme ihrer eigenen Vollkaskoversicherung beantragt hat.
Durch das angefochtene Urteil wurden der Klägerin bereits 325,00 € nebst Zinsen für die Selbstbeteiligung der Klägerin bei Ihrer Vollkaskoversicherung und für allgemeine Auslagen sowie 89,73 € nebst Zinsen für außergerichtliche Anwaltsgebühren im hier streitgegenständlichen Verfahrensgegenstand zugesprochen, was von der Berufung nicht angegriffen wurde, auch soweit das Urteil hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltsgebühren hinter dem Antrag zurück blieb. Daneben steht der Klägerin aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 VVG aber grundsätzlich auch ein Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Rechtsanwaltskosten für die Korrespondenz mit ihrer Vollkaskoversicherung zu. Dieses Anwaltshonorar wurde im diesbezüglichen Klageantrag jedoch zu hoch bemessen. Angemessen ist lediglich ein Honorar in Höhe von 257,04 €, welches zur Hälfte (128,52 €) zusätzlich zu erstatten ist.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines bei einem Verkehrsunfall Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Dabei hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind (BGH, NJW 2005, 1112; NJW 2006, 1065). Teil der Schadensabwicklung ist dabei auch die Entscheidung, den Schadensfall dem eigenen Versicherer zu melden (BGH, aaO; OLG Hamm, 27 U 161/82, zit. nach beck-online) wobei es sich gebührenrechtlich um eine andere Angelegenheit i.S.d. RVG handelt als die Inanspruchnahme des Unfallgegners (OLG Hamm, aaO). An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt maßgeblich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalls bei dem eigenen Versicherer (BGH, aaO).
Vorliegend ist keine Ausnahme von dieser grundsätzlich bestehenden Erstattungspflicht hinsichtlich der anwaltlichen Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung der Klägerin gegeben. Angesichts der Unfallsituation, in der beide Fahrer behaupteten, sie seien bei "grün" gefahren, war aus Sicht der Klägerin mit erheblichen Problemen bei der Schadensregulierung zu rechnen. Als Laie durfte sie daher durchaus auch Zweifel haben, ob die eigene Vollkaskoversicherung anstandslos zahlen würde. Denn es erschien nicht fernliegend, dass die Vollkaskoversicherung im Interesse der eigenen Wirtschaftlichkeit einer Schadensregulierung ablehnend gegenüber stehen würde. Ferner bedurfte die Klägerin auch anwaltlicher Beratung dahingehend, ob und wie sich die Inanspruchnahme der eigenen Versicherung auf den Anspruch gegen den Unfallgegner auswirken würde.
Allerdings betraf der Schwerpunkt der Beratung das Verhältnis zum Unfallgegner, wobei in diesem Rahmen auch das Verhältnis zur eigenen Versicherung zu berücksichtigen war. Die anwaltliche Tätigkeit in der Angelegenheit "Klägerin ./. Vollkaskoversicherung" wies bei einer fachkundigen juristischen Betrachtung keine größeren Schwierigkeiten auf. Daher war die Abrechnung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die einen nach Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich gelagerten Fall voraussetzt (OLG Düsseldorf, AnwBl 1989, 293), unangemessen hoch, was sich schon daran zeigt, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch für die ungleich bedeutendere, umfangreichere und schwierigere Tätigkeit im hier streitgegenständlichen Verfahrensgegenstand ("Klägerin ./. Unfallgegner") ebenfalls die Mittelgebühr berechnete. Unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien war vorliegend lediglich eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angemessen. Die danach im Rahmen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zu berücksichtigenden Anwaltskosten berechnen sich wie folgt:
Gegenstandswert: 3.717, 65 € 0,8-fache Geschäftsgebühr VV 2300: 196,00 € Auslagen VV 7002: 20,00 € 19 % USt. VV 7008: 41,04 € 257,04 €
Die Berufungskammer ist auch zur Festsetzung der angemessenen Anwaltskosten berechtigt. Ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG zur Höhe der Gebühr ist nur im Rechtsstreit zwischen Anwalt und Mandant einzuholen (Hartmann, KostenG, 38. Aufl., § 14 RVG, Rn. 28; BVerwG v. 17.08.2005, 6 C 13/04, zit. nach juris). Ob die Höhe der angemessenen Anwaltskosten unabhängig davon entschieden werden kann, dass die Parteien die Höhe der Gebühren streitig verhandeln, weil es sich hierbei um eine Rechtsfrage (Höhe des erstattungsfähigen Schadens) handelt, kann offenbleiben. Denn auch wenn vorliegend die Beklagten die ordnungsgemäße Ausübung des nach § 14 Abs. 1 RVG eingeräumten Ermessens nicht ausdrücklich angegriffen haben, so haben sie – wie dem erstinstanzlichen Urteil zu entnehmen ist – die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Inanspruchnahme der klägerischen Vollkaskoversicherung insgesamt beanstandet, was denklogisch auch eine Beanstandung der in Ausübung des Ermessens als angemessen festgesetzten Gebühren erfasst. In diesem Sinne hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seinen Vortrag in der Berufungsverhandlung auch nochmals erläutert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte in der Verhandlung auch die Gelegenheit, die Angemessenheit einer Mittelgebühr darzustellen, hat dies jedoch nicht, auch nicht im – nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 18.03.2010, getan.
Von den vorgenannten angemessenen Anwaltskosten in Höhe von 257,04 € kann die Klägerin entsprechend der unstreitigen Haftungsquote von 50/50 die Hälfte (also 128,52 €) ersetzt verlangen. Ein Ersatz dieser Schadensposition in voller Höhe trotz der hälftigen Mitverursachung käme nur im Rahmen des sog. "Quotenvorrechts" in Betracht. Dieses Quotenvorrecht beschränkt sich jedoch auf denjenigen Teil des Ersatzanspruchs, der dem versicherten Risiko entspricht (sog. Kongruenzprinzip). Nicht erfasst ist daher der Sachfolgeschaden (Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Kostenpauschale, pp), der vielmehr nur mit der Verantwortungsquote reguliert wird (Burmann pp, StVR, 21. Aufl., § 254 BGB, Rn. 135). Demgemäß besteht auch für die Anwaltskosten kein Quotenvorrecht (vgl. i.E. BGH, NJW 2005, 1112).
Der vom Amtsgericht festgesetzte Zeitpunkt des Beginns der Zinszahlungspflicht aus §§ 286, 288 BGB für die Schadensersatzforderung von 453,52 € (300,00 € + 25,00 € + 128,52 €) seit dem 05.05.2009 wurde von der Berufung nicht angegriffen.
Hinsichtlich der Verzinsung des Anspruchs auf Erstattung von 89,73 € für außergerichtliche Anwaltsgebühren im hier streitgegenständlichen Verfahrensgegenstand war – wie beantragt – nach § 291 BGB der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit anzusetzen, was im erstinstanzlichen Urteil offenbar versehentlich unterblieben war.
Die Entscheidung über den Feststellungsantrag wurde von der Berufung nicht angegriffen.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Streitwert für den Rechtsstreit:
Antrag zu 1.: 727,82 € Antrag zu 2.: 100,00 € 827,82 €
Streitwert für die Berufungsinstanz: 402,82 €