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Kammergericht Berlin Beschluss vom 02.08.2010 - 12 U 49/10 - Zur Einheitlichkeit des verkehrsrechtlichen Schadensersatzanspruchs und zur Klage auf Neuwagenbasis

KG Berlin v. 02.08.2010: Zur Einheitlichkeit des verkehrsrechtlichen Schadensersatzanspruchs und zur Klage auf Neuwagenbasis


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 02.08.2010 - 12 U 49/10) hat entschieden:
Der Geschädigte, der für seinen neuwertigen Pkw Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall auf Neuwagenbasis begehrt, hat die dafür erforderlichen Voraussetzungen (insbes. einen erheblichen Schaden und die Anschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs) darzulegen und zu beweisen.

Sieht das Erstgericht von der Aufklärung des Unfallhergangs ab und weist es die Klage, mit der der Kläger Abrechnung auf Neuwagenbasis fordert, allein mit der Begründung ab, die dafür erforderlichen Voraussetzungen könnten nicht festgestellt werden und dem Kläger könne auch nicht Schadenersatz auf Reparaturkostenbasis zugesprochen werden, weil er seine Klage nicht entsprechend "umgestellt habe", liegt darin ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten betrifft nämlich denselben Streitgegenstand und ist lediglich ein minus (nicht aliud) gegenüber dem Ersatz des Neupreises des neu angeschafften Ersatzfahrzeugs.

Daher steht auch § 308 ZPO einer Verurteilung auf Ersatz der Reparaturkosten nicht entgegen.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch aus einem Verkehrsunfall vom 4. März 2009, gegen 05.35 Uhr, in der Breite Straße in Berlin-Pankow; die seitliche Kollision zwischen dem auf ihn am 16. Februar 2009 zugelassenen, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in seinem Eigentum stehenden und von seiner Tochter geführten Pkw Toyota Yaris, … (Sport Edition, 5-türig, 1 298 ccm Hubraum, 64 kW <87 PS>, Kilometerstand: 587) und dem von der Erstbeklagten gehaltenen, vom Zweitbeklagten geführten und bei der Drittbeklagten versicherten Lkw Mitsubishi ereignete sich im gleichgerichteten Verkehr beim parallelen Abbiegen aus der Wollankstraße nach rechts in die Breite Straße (Hauptanstoßstelle beim klägerischenToyota hinten links, beim Lkw Mitsubishi vorne rechts).

Die Parteien werfen sich gegenseitig einen sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel beim parallelen Rechtsabbiegen vor, streiten um die Haftung dem Grunde nach sowie darum, ob der Kläger Schadensersatz auf Neuwagenbasis verlangen kann; wegen des vom Kläger im Einzelnen vorgetragenen Schadens (u. a. Reparaturkosten 3.534,67 EUR netto, 4.206,26 EUR brutto; merkantiler Minderwert 900 EUR; Wiederbeschaffungswert 14.000 EUR; Restwert 7.790 EUR) wird auf die Rn 10 des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger könne von den Beklagten wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nicht Schadensersatz im Wege der Abrechnung auf Neuwagenbasis verlangen; die streitige Haftungsquote könne dahinstehen, denn die Klage sei bereits unschlüssig, weil der klägerische Vortrag seinen Klageantrag nicht rechtfertige; die vom Kläger begehrte Art der Schadenbehebung scheide aus, weil die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis (erhebliche Beschädigung sowie Erwerb eines gleichwertigen Neuwagens als Ersatz) nicht vorlägen.

Eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis scheide aus, weil der Kläger dies trotz ausführlicher Erörterungen nicht geltend mache, insbesondere die Klage auch nicht entsprechend umgestellt habe (Rn 51 des angefochtenen Urteils).

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er primär die Verurteilung der Beklagten nach seine erstinstanzlichen Anträgen (Schreibfehler auf S. 1 der Berufungsbegründung im Antrag zu 4.: richtig 41,65 EUR) erstrebt, hilfsweise die Zurückverweisung an das Landgericht und weiter hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Reparaturkosten netto, des merkantilen Minderwerts, der Kosten der Sachverständigengutachten, Nutzungsausfall für 5 Tage, die Auslagenpauschale sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden.

Sein unfallgeschädigtes Fahrzeug sei neuwertig gewesen; er habe den Kaufvertrag am 21. 02. 2009 geschlossen (Beweis: „1. Kaufvertrag“ – gemeint wohl: Rechnung vom 21. Februar 2009 der Auto P... GmbH; 2. M... P...); der Kaufvertrag sei nicht schriftlich, sondern nur mündlich geschlossen worden (Beweis: wie vor). Zuvor habe der Händler des Importfahrzeugs die Zulassungsbescheinigung II beantragen müssen; daher erkläre sich der Eintrag der Kreisverwaltung Cochem am 26. 01. 2009 (Berufungsbegründung sub 14 mit Rechnung der Auto P... GmbH vom 21. 02. 2009 für den Kauf des geschädigten TOYOTA YARIS über 12.900 EUR brutto, 10.840,34 EUR netto).

Die Beschädigungen am Fahrzeug seien auch erheblich; das Landgericht habe die Beweiserhebung über die Behauptung, das gesamte Seitenteil hinten links müsse ausgewechselt werden, zu Unrecht als Ausforschungsbeweis abgelehnt; jedenfalls habe es einen erforderlichen Hinweis auf einen Widerspruch zum Inhalt des privaten Sachverständigengutachtens unterlassen (sub 10); er habe auch vorgetragen, dass das Heckabschlussblech neu eingeschweißt und die Fahrzeugidentitätsnummer neu eingeschlagen werden müsse; dies ergäbe sich zwar nicht aus dem Gutachten, das LG habe jedoch darauf hinweisen oder Beweis erheben müssen (sub 12).

Das Landgericht habe zu Unrecht festgestellt, das sein Anspruch daran scheitere, weil kein gleichwertiges Ersatzfahrzeug angeschafft worden sei (Berufungsbegründung sub 1, 4, 5, 8, 9).

Das Landgericht habe übersehen, dass zu Gunsten des Klägers die Vermutung des § 1006 BGB wirke (sub 2), jedenfalls aber sei er im Schluss der mündlichen Verhandlung durch die Rückabtretung Eigentümer des Fahrzeugs gewesen (sub 3).

Das Landgericht habe pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass die Drittbeklagte mit Schreiben vom 6. Mai 2009 ein Anerkenntnis dem Grunde nach abgegeben habe; durch das Unterlassen habe der Kläger dann seinen Schaden nicht auch zugleich ggf. zur quotalen Feststellung des Reparaturschadens etc. geltend gemacht. Daher sei der Antrag auf Zurückverweisung begründet. Denn ihm stehe zumindest Schadensersatz auf Reparaturkostenbasis nebst Nebenkosten zu (Berufungsbegründung sub 6, 7).

Aber auch bereits wegen des Klageantrags zu 3 (Berufungsantrag zu 4) auf Erstattung der Kosten der Restwertermittlung von 41, 65 EUR gemäß Rechnung vom 29. 09. 2009, deren Bezahlung am 21. 12. 2009 er erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 05. 02. 2009 belegt habe, hätte das Landgericht zum Unfallhergang Beweis erheben müssen (sub 7, 13).

Schließlich habe das Landgericht seine Aktivlegitimation bezüglich der Sachverständigenkosten, Restwertermittlungskosten und Nebenkosten zu Unrecht verneint, weil diese im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch Rückabtretung erworben worden sei (sub 11). Ebenso sei er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aktivlegitimiert gewesen, ein wirksames Angebot auf Übereignung des beschädigten Fahrzeugs abzugeben und die Beklagten in Verzug zu setzten (sub 15).


II.

Zutreffend hat das Landgericht zwar einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz im Wege der Abrechnung auf Neuwagenbasis verneint (1.).

Zu Unrecht hat es allerdings gemeint (Rn 23, 51 des angefochtenen Urteils), es dürfe dem Kläger nicht einen etwaigen Betrag zusprechen, der sich für den Kläger nach Feststellung des Unfallhergangs zum Ausgleich der Beschädigung an seinem Pkw Toyota ergeben kann (also weniger als er beantragt hat), weil der Kläger dies nicht geltend mache, insbesondere die Klage auch nicht entsprechend umgestellt habe (2.).

1. Abrechnung auf Neuwagenbasis

Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch auf Abrechnung auf Neuwagenbasis verneint.

a) Neuwertigkeit

Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landgericht dies nicht damit begründet, dass der Pkw im Unfallzeitpunkt nicht neuwertig (Grundsatz: Erstzulassung auf den Kläger liegt nicht länger als 1 Monat zurück und Laufleistung überschreitet nicht 1.000 km) gewesen sei.

Das Landgericht hat dies vielmehr zu Recht dahinstehen lassen (vgl. Rn 31), so dass das darauf gerichtete Berufungsvorbringen (sub 14) ins Leere geht.

b) Erhebliche Beschädigung

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass nach dem Vorbringen des Kläger die erforderliche erhebliche Beschädigung nicht festgestellt werden könne und insoweit auch nicht Beweis zu erheben sei.

An dieser Stelle ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger erstinstanzlich nicht behauptet hat, zur Behebung des Unfallschadens müsse das Heckabschlussblech neu eingeschweißt und die Fahrzeugidentitätsnummer neu eingeschlagen werden; insoweit hat er auf S. 5 der Klageschrift lediglich einen vom LG Mönchengladbach entschiedenen Fall referiert, um dann auf S. 6 zu behaupten, die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug seien gravierender, weil beim klägerischen Fahrzeug „das gesamte Seitenteil hinten links ausgetauscht werden“ und damit massiv in die Fahrzeugstruktur eingegriffen werden müsse.

Soweit er unter 12.) der Berufungsbegründung nunmehr die Erforderlichkeit von Schweißarbeiten behauptet ist sein Vortrag ein neues Angriffsmittel (Folge: § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) und auch nicht mit dem von ihm erstinstanzlich vorgelegten Privatgutachten belegt.

Über die bestrittene Behauptung, das gesamte Seitenteil hinten links müsse ausgetauscht werden, hat das Landgericht zu Recht nicht Beweis erhoben, da sie nicht durch das gleichzeitig vorgelegte Gutachten des vom Kläger beauftragten Sachverständigen vom 6. März 2009 belegt ist; laut S. 5, 6 des Gutachten ist lediglich ein Teilersatz des Seitenteils links unter Verwendung eines Seitenteils hinten links erforderlich.

Darüber hinaus ist die erstinstanzliche Behauptung der Erforderlichkeit des Austauschs des „gesamten Seitenteils hinten links“ nicht geeignet eine erhebliche Beschädigung zu belegen.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08 – BGHZ 181, 242 = NJW 2009, 3022 = VersR 2009, 1092 = DAR 2009, 452 = NZV 2009, 487) gilt insoweit:
„Eine erhebliche Beschädigung wird in aller Regel dann anzunehmen sein, wenn beim Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis, beschädigt wurden und die fachgerechte Instandsetzung nicht völlig unerhebliche Richt- oder Schweißarbeiten am Fahrzeug erfordert. Denn durch derartige Arbeiten wird in erheblicher Weise in das Gefüge des Fahrzeugs eingegriffen“ (BGH, aaO, RN 20).
Im vom BGH, aaO, entschiedenen Fall wurde eine erhebliche Beschädigung bejaht, weil die gesamte linke Seite des Fahrzeugs der Klägerin bei dem Verkehrsunfall in Mitleidenschaft gezogen worden war und die Reparatur Richtarbeiten an der A-Säule des Fahrzeugs – einem tragenden, für die Stabilität des Fahrzeugs bedeutsamen Teil – mit einer Dauer von mindestens 30 Minuten erforderte. Der durch den Unfall eingetretene merkantile Minderwert belief sich auf 3.500,00 €.

Ein derartiger oder vergleichbarer Schaden ist am klägerischen Fahrzeug nach dem erstinstanzlichen Klägervortrag, zu dem auch der Inhalt des Privatgutachtens vom 6. März 2009 gehört, nicht eingetreten. Bereits deshalb scheidet ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz im Wege der Abrechnung auf Neuwagenbasis aus.

c) Anschaffung eines vergleichbaren Neufahrzeuges

aa) Gleichwertiges Neufahrzeug

Es kommt daher letztlich nicht mehr darauf an, dass das Landgericht die Berechtigung des Klägers zur Abrechnung auf Neuwagenbasis auch deshalb verneint hat, weil der Kläger kein gleichwertiges Neufahrzeug gekauft hat. Auf die Ausführungen unter Rn 40 – 45 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Soweit der Kläger unter 8.) der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass er ein Importfahrzeug gekauft habe und dieses Modell nicht mehr produziert werde, ist zu bemerken, dass er selbst für die Wiederbeschaffung 17.247,21 EUR brutto fordert und zum Beleg ein Kaufangebot vom 1. April 2009 (Anlage K 3) über das Nachfolgemodell seines beschädigten Fahrzeugs, nämlich einen „Toyota Yaris, 5-Türer, 1, 3 5-Gang Sol 4 EU“ vorlegt, den er für 16.045 EUR hätte kaufen können, aber dies gerade nicht getan hat.

Das Landgericht hat mit vertretbarer Begründung angenommen, dass der vom Kläger dann unter einer aufschiebenden Bedingung gekaufte Ford Fiesta Trend (3-türig, Preis 14.004 EUR brutto) nicht dem Unfallfahrzeug (Sport Edition, 5-türig) gleichartig und damit gleichwertig ist, dessen Ersatzbeschaffung (Nachfolgemodell) nach dem Vortrag des Klägers 17.247, 21 EUR oder 16.045 EUR brutto gekostet hätte.

Denn nach der Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 9. Juni 2009 -VI ZR 110/08 –, aaO., ist zu beachten:

Es ist zutreffend,
„dass sich der Eigentümer eines Neuwagens im Falle von dessen Beschädigung nicht immer mit der Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Ausgleichszahlung für den merkantilen Minderwert begnügen muss, sondern unter Umständen berechtigt sein kann, Ersatz der in aller Regel höheren Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs zu verlangen…

Gemäß § 249 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen dem Geschädigten regelmäßig zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Reparatur des Unfallfahrzeugs oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs“ (BGH, aaO, Rn13, 14).
Danach ist der Erwerb eines billigeren Fahrzeugs, das auch nur geringere Nutzungsbedürfnisse erfüllt, nicht ausreichend (vgl. Nugel, Anm. zu BGH, aaO., jurisPR-VerkR 23/2009 sowie Osterloh, Anm. zu BGH, aaO., jurisPR-BGHZivilR 15/2009).

Denn Ziel des Schadensersatzes ist die Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, § 249 Abs. 1 BGB. In diesem Falle wäre der Kläger Eigentümer eines fabrikneuen Pkw Toyota Yaris (5-türig), nicht aber eines der Art nach nicht vergleichbaren Ford Fiesta (3-türig), dessen Preis (14.004 EUR brutto, Anlage K 13) auch erheblich unter der Forderung des Klägers für die Anschaffung eines neuen Toyota Yaris von 17.247,21 EUR (laut vom Kläger eingereichten Angebot 16.045 EUR brutto, Anlage K 3, incl. Überführung, Zulassung und Zubehör) liegt.

Der vom Kläger geforderte Geldbetrag ist aber nur „erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB zur Herstellung des Zustandes ohne das schädigende Ereignis, wenn der Kläger tatsächlich einen Toyota Yaris anschafft, für dessen Neukauf er den erforderlichen Geldbetrag fordert.

Ließe man den Kauf eines anderen, billigeren Fahrzeugs als Beleg für das erforderliche Interesse des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines gleichwertigen Neufahrzeugs (BGH, aaO, Rn 13, 26) ausreichen, würde auch verstoßen gegen das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern; der Geschädigte darf zwar vollen Ersatz verlangen, soll aber an dem Schadensfall nicht verdienen (vgl. BGH, aaO., Rn 14).

bb) Tatsächliche Neuanschaffung

Das Landgericht hat es unter Rn 43 des angefochtenen Urteils dahinstehen lassen, ob der schuldrechtliche Kauf unter einer Bedingung ausreichend ist für das nach BGH, aaO, Rn 26, erforderliche „besondere Interesse des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs“.

Nach Sinn und Zweck der erforderlichen Erfüllung der Bedingung der Neuanschaffung, ist „die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot“ nur dann zu vereinbaren, wenn der Geschädigte sein besonderes Interesse in die Tat umsetzt und ein Neufahrzeug tatsächlich beschafft (BGH, aaO, Rn 24-26).

Nach der Auffassung des OLG München reicht daher weder das Unterlassen einer Neuanschaffung aus finanziellen Gründen noch das Vorlegen einer schriftlichen Bestellung aus; erst bei Aushändigung des Neuwagens an den Geschädigten ist das erforderlich besondere Interesse in die Tat umgesetzt und die Bedingung erfüllt (so OLG München, Beschlüsse vom 8. Oktober 2009 – 10 U 4364/09 – und vom 1. Dezember 2009 – 10 U 4364/09 – NJW Spezial 2010, 298 =BeckRS 2010, 11302 und 11303).

Darüber hinaus ist es auch zweifelhaft, dass die Bestellung eines Neufahrzeuges erst sieben Monate nach dem Unfall (hier Bestellung des Ford Fiesta am 13. Oktober 2010 nach dem Unfall am 4. März 2010), und nach der Aufforderung an die Drittbeklagte zur Übernahme der Reparaturkosten mit Anwaltsschriftsatz vom 11. März 2010 (Anlage K 12) nach dem zeitlichen Ablauf noch geeignet ist, das unfallbedingte besondere Interesse an der Nutzung eines Neufahrzeugs zu belegen.


2. Zurückverweisung an das Landgericht

Es ist beabsichtigt, auf den Hilfsantrag des Klägers die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; denn das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, auf Grund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist.

Der Senat vermag die Auffassung des Landgerichts (Rn 23, 51 des angefochtenen Urteils), nicht zu teilen, es dürfe dem Kläger aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht einen etwaigen Betrag zusprechen, der sich für den Kläger nach Feststellung des Unfallhergangs zum Ausgleich der Beschädigung an seinem Pkw Toyota ergeben kann (also weniger als er beantragt hat), weil der Kläger dies (Abrechnung auf Reparaturkostenbasis) nicht geltend mache, insbesondere die Klage auch nicht entsprechend umgestellt habe.

a) Wesentlicher Verfahrensmangel

Ein wesentlicher Verfahrensfehler liegt vor, wenn das Erstgericht unter Verstoß gegen eine Verfahrensnorm entscheidet und dies für das Urteil ursächlich ist. Dies ist insbesondere der Fall bei Unterlassen einer erforderlichen Beweisaufnahme ohne zulässigen Ablehnungsgrund (vgl. Senat, MDR 2998, 588 = VRS 114, 135 = KGR 2008, 438; Urteil vom 3. November 2008 – 12 U 177/08 –; KG, Urteile vom 4. März 2010 – 22 U 142/09 und vom 22. März 2010 – 22 U 168/09 –; OLG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 7 U 45/07 – OLGR Schleswig 2008, 314 = MDR 2008, 684 L).

aa) Es kann dahinstehen, ob, das Landgericht bereits wegen der Zahlung der Sachverständigenkosten von 41,65 EUR am 21. 12. 2009 durch den Kläger die Einzelheiten des Verkehrsunfalls und die Haftungsquote klären müssen (vgl. Berufungsangriff unter 7.), 13.) der Berufungsbegründung).

Die FFS Bank GmbH hat zwar mit Schreiben vom 9. November 2009 (Anlage K9) erklärt, das Fahrzeug stehe nicht mehr in ihrem Sicherungseigentum, sondern sei an den Kläger zurück übereignet worden und „ Ersatzansprüche wegen der Beschädigung des vorbezeichneten Fahrzeugs anläßlich des Verkehrsunfalls vom 04. 03. 2009 sind von uns an Herrn R... zurückübertragen worden, zur Geltendmachung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch Herrn R... selbst“.

Das Landgericht hat unter Rn 46 seines Urteils hinsichtlich der Sachverständigenkosten einschließlich der Kosten der Restwertermittlung und der Nebenkostenpauschale darauf hingewiesen, der Kläger sei im Zeitpunkt der Entstehung dieser Kosten nicht Eigentümer des Fahrzeugs gewesen und habe nicht vorgetragen, dass und aus welchem Rechtsgrund er im Verhältnis zum wahren Eigentümer verpflichtet gewesen wäre, diese Kosten aufzuwenden.

Bezüglich der Bezahlung der Rechnung vom 29. 09. 2009 (Anlage K 6) für die Restwertermittlung durch den Kläger ist ferner auf Folgendes hinzuweisen: Nach dem Text dieser Rechnung hat nicht der Kläger den abgerechneten Auftrag erteilt, sondern die „Anwaltskanzlei R..., L..., G... …“, an die auch die Rechnung adressiert ist.

Der Hinweis unter 11.) Berufungsbegründung, hinsichtlich der Restwertermittlungskosten sei keine Zahlung an den Kläger verlangt worden, sondern an den Sachverständigen direkt, übersieht die Antragsänderung mit klägerischem Schriftsatz vom 5. Februar 2010.

Richtig ist zwar, dass es für die Begründetheit des Anspruch ausreicht, dass der Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Anspruchsinhaber war; allerdings hat der Kläger zum Erwerb seiner Berechtigung nicht hinreichend vorgetragen (Landgericht, Rn 46); sollten die Ansprüche (auf Ersatz von Sachverständigenkosten einschließlich Restwertermittlung und Nebenkostenpauschale) von der Abtretung durch die Bank umfasst sein, müsste diese Zedentin zuvor diese Ansprüche besessen haben. Auch insoweit fehlt jeder konkrete Sachvortrag.

Nicht zutreffend ist jedenfalls die Auffassung des Klägers unter 2.) der Berufungsbegründung, das Landgericht wegen der Vermutung des § 1006 BGB nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt und bis zur Rückübertragung des Eigentums durch die Bank nicht Eigentümer des Toyota war. Denn diese Vermutung kann dann nicht eingreifen, wenn – wie hier – zwischen den Parteien im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 10. 12. 2009 mit Anlage K 9) unstreitig ist, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht Eigentümer des Fahrzeugs war.

bb) Es bedeutet aber einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), dass das Landgericht die Klage abgewiesen hat, ohne über die teilweise streitigen tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs des Kläger auf Ersatz der erforderlichen Kosten der Reparatur seines unfallbedingten Schadens Beweis erhoben zu haben (vgl. Rn 23 des angefochtenen Urteils).

Die dafür vom Landgericht unter Rn 51 gegebene Begründung, eine Abrechnung des Schadens auf Reparaturkostenbasis scheide aus, weil der Kläger dies trotz ausführlicher Erörterungen nicht geltend mache, insbesondere die Klage auch nicht entsprechend umgestellt habe, wäre nur dann richtig, wenn die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis gegen über der Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht ein minus (weniger), sondern ein aliud (etwas anderes) wäre, der Kläger also eine Klageänderung hätte vornehmen und das Landgericht dann über einen anderen Streitgegenstand hätte entscheiden müssen.

Dies ist jedoch nicht der Fall.
„Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (…). Wenn ein Gericht seinem Urteilsausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Unterlassungsantrag begründet hat, entscheidet es deshalb (unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO) über etwas anderes (aliud) als beantragt ist (…)“ (BGHZ 154, 324 = NJW 2003, 2317).
Der Kläger hat im Streitfall einen einheitlichen prozessualen Anspruch geltend gemacht; er hat nämlich Schadensersatz für sein durch den Unfall vom 4. März 2009 beschädigtes Fahrzeug verlangt.

Der Umstand, dass der Kläger in der Klageschrift den Wiederbeschaffungswert für ein Neufahrzeug fordert, bindet das Gericht nicht dahin, dass es nicht Weniger, also die erforderlichen Reparaturkosten, zusprechen darf, wenn es die Voraussetzungen einer Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht feststellen kann. Denn der Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten beruht auf demselben Lebenssachverhalt, ist ebenfalls ein Zahlungsanspruch und bleibt lediglich der Höhe nach hinter einem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für ein Neufahrzeug zurück.

Das Landgericht hat unter Rn 10 seines Urteils auch vollständig dargestellt, was der Kläger als Schaden geltend macht, wobei es auch die vom Kläger vorgetragene Höhe der Reparaturkosten, den merkantilen Minderwert, den Wiederbeschaffungswert sowie den Restwert aufgeführt hat.

Es entspricht der erkennbaren Interesse des Klägers, für den Fall, dass die Voraussetzungen einer Neupreisentschädigung nicht vorliegen, eine Verurteilung der Beklagten auf Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten … zu erwirken. Da das ein minus und nicht ein aliud ist, bedarf es dafür auch nicht einer ausdrücklichen Erklärung oder eines ausdrücklichen Hilfsantrages. Denn das Gericht ist stets berechtigt und auch verpflichtet, dem Kläger weniger zuzusprechen als beantragt, wenn es die Voraussetzungen der Mehrforderung nicht feststellen kann.

Es ist nicht einmal zulässig, dass der Kläger die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen durch das Gericht bindend ausschließt (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 308 Rn 4). Das gilt erst Recht für die Art der Schadensberechnung aus ein und demselben Verkehrsunfall.

So hat auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 17. 10. 2006 – VI ZR 249/05 – BGHZ 169, 263 = VersR 2007, 82 = NJW 2007, 67 = NZV 2007, 27) festgestellt, dass es sich bei der Ersatzbeschaffung und der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs um gleichwertige Arten der Naturalrestitution handelt; verlangt der Geschädigte den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag, so kann er diesen in gewissem Rahmen auf der Basis einer Ersatzbeschaffung oder einer Reparatur berechnen; insoweit handelt es sich lediglich um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung (BGH, aaO., Rn 14).

b) Umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme

Eine Fortführung des Verfahrens in zweiter Instanz kommt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in Betracht.

a) Nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist neben dem Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels und dem Antrag einer Partei auch das Erfordernis einer umfangreichen oder aufwändigen Beweisaufnahme als Voraussetzung einer Zurückverweisung geregelt. Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich des Anwendungsbereichs darauf beschränkt, festzustellen, dass die einfache Vernehmung eines Zeugen im Inland keine umfangreiche Beweisaufnahme darstellt, während die Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen oder Sachverständigen als Beispiel für eine umfangreiche Beweisaufnahme genannt ist (BT-Ds. 14/4722 S. 102 f.).

Konkrete Vorgaben zur Zahl der Beweismittel oder der beweisbedürftigen Tatsachen sind dort also erkennbar unterblieben.

Die Vorschrift dient dem Interesse der Parteien an der Erhaltung einer (ihnen zu Unrecht genommenen) Überprüfungsmöglichkeit der Berufungsinstanz, die nach der Neufassung des § 513 ZPO keine umfassende zweite Tatsacheninstanz eröffnet, sondern in erster Linie einer Fehlerprüfung dient (BGH NJW 2010, 370).

Bei der Betrachtung des Umfanges oder Aufwandes der erforderlichen Beweisaufnahme ist daher auch darauf abzustellen, ob es den Parteien zumutbar ist, auf eine (tatsächliche) Nachprüfungsinstanz zu verzichten. Das (mögliche) Prozessbeschleunigungs – oder Kosteninteresse nur einer Partei steht dabei mit Rücksicht auf das Antragserfordernis eher im Hintergrund.

Deshalb kommt es – soweit nicht der Umfang im Einzelfall bereits erheblich ist – jedenfalls auch entscheidend einerseits auf die Anzahl der Beweismittel und andererseits die Zahl der beweisbedürftigen Tatsachen an, um zu beurteilen, ob es einer Partei zuzumuten ist, angesichts des Aufwandes bzw. des Umfanges der erforderlichen Beweisaufnahme auf eine Instanz zu verzichten. In der Regel sind die Voraussetzungen gegeben, wenn eine gestufte Beweisaufnahme in Betracht kommen kann.

b) Im Streitfall ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand eine umfangreiche Beweisaufnahme zum Unfallhergang und ggf. auch zur Schadenshöhe erforderlich.

So wird zum Unfallhergang der Zweitbeklagte als Fahrzeugführer persönlich zu hören, die vom Kläger benannte Führerin seines Fahrzeugs (S. 2 der Klageschrift) sowie möglicherweise auch zwei Polizeibeamte (vgl. S. 2 des Schriftsatzes des Zweitbeklagten vom 1. 10. 2009) als Zeugen zu vernehmen sowie ggf. auch ein Unfallrekonstruktionsgutachten (Antrag des Klägers auf S. 2 seines Schriftsatzes vom 10. 11. 2009 sowie der Beklagten auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 28. 10. 2009) einzuholen sein.

Das Landgericht wird dann ggf. auch zu entscheiden haben, ob über die vom Kläger behauptete Höhe der Reparaturkosten (vgl. S. 4 des Schriftsatzes des Zweitbeklagten vom 1. 10. 2009) sowie möglicherweise über die Höhe des Restwerts wird Beweis erhoben werden müssen durch Einholung von Gutachten.


III.

Die Parteien werden binnen eines Monats um Mitteilung gebeten, ob sie einer schriftlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 2 ZPO zustimmen.