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Kammergericht Berlin Beschluss vom 06.10.2010 - 12 U 24/10 - Zum öffentlichen Straßenverkehr auf Gewerbegelände und zur Geschwindigkeit auf Firmengelände

KG Berlin v. 06.10.2010: Zum öffentlichen Straßenverkehr auf Gewerbegelände, zur Geschwindigkeit auf Firmengelände und zur Haftung des in ein Grundstück Abbiegenden


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 06.10.2010 - 12 U 24/10) hat entschieden:
  1. Ein Gewerbegelände, das mit ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder eine allgemein bestimmte größere Personengruppe nutzbar ist, ist öffentlicher Verkehrsraum, in welchem die StVO gilt.

  2. Die Feststellung, der Unfall sei für den Kläger kein "unabwendbares Ereignis" (§ 17 Abs. 3 StVG) gewesen, begründet nicht zugleich den Vorwurf, schuldhaft gegen Verkehrspflichten verstoßen zu haben.

  3. Das Durchfahren einer scharfen Kurve einer Straße auf einem Betriebsgelände mit 30 km/h begründet nicht den Vorwurf einer überhöhten Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO). Auch muss dabei nicht damit gerechnet werden, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug in die Gegenfahrbahn geraten würde.

  4. Im Falle einer Kollision im Zusammenhang mit dem Abbiegen in ein Grundstück (§ 9 Abs. 5 StVO) kommt eine Mithaftung des Unfallgegners nur bei dessen Verschulden in Betracht, nicht aber allein wegen der Betriebsgefahr des Kfz.

Siehe auch Öffentlicher und nichtöffentlicher Verkehr und Grundstückseinfahrt


Gründe:

I.

Die Parteien streiten klagend und widerklagend um Ansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. In dem Berufungsverfahren steht zwischen den Parteien allein die Haftungsquote im Streit.

Der Kläger befuhr mit seinem Kfz am 19. Juni 2008 eine zweispurige Straße auf dem südlich der Holzhauser Straße in Berlin in Höhe der Hausnummer 180 gelegenen Gewerbegelände in Richtung Norden. In einer aus seiner Sicht im 90 ° Winkel nach links führenden Kurve kollidierte er mit dem aus der Gegenrichtung kommenden, vom Beklagten zu 1) geführten und gehaltenen Pkw. Der Beklagte zu 1) hatte beabsichtigt, unter Überqueren der Gegenfahrbahn geradeaus zu einem dort befindlichen Hotel zu fahren. Im Kollisionszeitpunkt ragte das Kfz des Beklagten zu 1) bereits in die Gegenfahrbahn des Klägers hinein.

Der Kläger hat seine vermeintlichen Ansprüche nach einer angenommenen Haftungsquote zu Lasten des Beklagten zu 1) und des Haftpflichtversichers, der Beklagten zu 2), von 100 % geltend gemacht.

Der Beklagte zu 1) hat seinerseits seine vermeintlichen Ansprüche widerklagend gegen den Kläger und im Wege der Drittwiderklage gegen den zuständigen Haftpflichtversicherer ebenfalls nach einer Quote von 100 % geltend gemacht.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) sowie Beweiserhebung durch Einvernahme der Zeugin P...und des Zeugen A... der Klage nach einer Haftungsquote zu Lasten der Beklagten in Höhe von 100 % teilweise stattgegeben und die Klage im Übrigen sowie die Widerklage vollständig abgewiesen. Zur Begründung der Alleinhaftung der Beklagten hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der Unfall stelle sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis dar. Daher komme es auf eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile an.

Nach dem unstreitigen Sachverhalt habe sich der Unfall ereignet, als der Beklagte zu 1) in eine Hotelzufahrt habe einfahren wollen. Ein Kraftfahrer, der in ein Grundstück abbiegen wolle, müsse sich gemäß § 9 Abs. 5 StVO so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Er habe den Vorrang des entgegenkommenden Längsverkehrs zu beachten. Dass der Beklagte zu 1) diese Sorgfaltsanforderungen beachtet habe, könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. So habe der Beklagte zu 1) eingeräumt, dass gegnerische Kfz erst im letzten Moment bemerkt und angehalten zu haben, als sein Kfz schon ca. 30 cm in die Gegenfahrbahn hineingeragt habe. Dadurch habe der Beklagte zu 1) auch gegen das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO verstoßen.

Ein Verkehrsverstoß des Klägers lasse sich nicht feststellen. Der Beweis einer Verletzung des § 2 Abs. 2 StVO sei nicht erbracht. Das Gericht habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger in einem unzureichenden Abstand zur Mittellinie gefahren sei. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts auch nicht fest, dass der Kläger infolge Unaufmerksamkeit gegen das Beklagtenfahrzeug geraten sei. Selbst wenn der Kläger unmittelbar vor dem Unfall kurz nach rechts geblickt habe, ergebe sich hieraus nicht zwingend, dass sich dieses Verhalten unfallkausal ausgewirkt habe. Denn aus den Angaben des Beklagten zu 1), er habe das klägerische Fahrzeug in einer Entfernung von 6 bis 7 m bemerkt, erschließe sich nicht, dass der Kläger das Beklagtenfahrzeug früher hätte wahrnehmen können und müssen.

Gegenüber dem groben Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) falle die von dem Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr nicht ins Gewicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten zu 1), mit der er nach Maßgabe einer Haftungsquote von je 50 % die weiter gehende Klageabweisung und teilweise Stattgabe der Widerklage erstrebt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Das Landgericht habe die Verursachungs- und Verschuldensanteile unzutreffend bewertet.

Im Ausgangspunkt sei zu berücksichtigen, dass die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten den Kläger als Unfallverursacher geführt hätten. Der Kläger habe gegenüber der Polizei eingeräumt, unaufmerksam gewesen zu sein. Dass sich die Beamtin, die den Unfall aufgenommen hatte, als Zeugin nicht mehr an Details habe erinnern könne, sei zu erwarten gewesen. Aber aus diesem Grund würden Unfallakten geführt. Das Landgericht habe den Akteninhalt negiert. Dementsprechend habe das Landgericht einen Verstoß des Klägers gegen § 1 StVO unberücksichtigt gelassen.

Zudem habe der Kläger auf dem Werksgelände eine gesteigerte Sorgfaltspflicht beachten müssen, weil er jederzeit mit Beeinträchtigungen durch andere Verkehrsteilnehmer hätte rechnen müssen. Eine Geschwindigkeit von 30 km/h könne unter den gegebenen Umständen als zu hoch angesehen werden. Der Verkehrsteilnehmer habe seine Geschwindigkeit so zu wählen, dass er auch bei unvermittelt auftretenden Hindernissen noch rechtzeitig anhalten könne.

Dem Kläger liege weiter entgegen der Annahme des Landgerichts ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO zur Last. Der Kläger habe auf einem Satellitenbild den Unfallort eingezeichnet. Danach müsse er sich jedenfalls hart an der Fahrspurbegrenzung gehalten haben und könne daher nicht möglichst weit rechts gefahren sein. Zudem liege ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot schon deshalb auf der Hand, weil der Pkw des Beklagten zu 1) nur 30 cm in die Fahrspur des Klägers hineingeragt habe.

Da schließlich nicht den Beklagten zu 1), sondern nur den Kläger ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot treffe, seien die Unfallbeteiligten zum jeweils hälftigen Schadensausgleich verpflichtet.


II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzlich Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier indes nicht der Fall.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass allein die Beklagten die Haftung für den Unfallschaden trifft. Die gegen diese Annahme gerichteten Angriffe der Berufung haben keinen Erfolg.

1. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Annahme der Parteien hat das Landgericht die StVO angewendet, weil es sich bei dem Gewerbegelände um einen öffentlichen Verkehrsraum handelt.

Ein Verkehrsraum ist nämlich öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (BGH, NJW 2004, 1965). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, was sich bereits daran zeigt, dass das Gelände als Zufahrt zu einem Hotel genutzt wird und daher regelmäßig einer bestimmten größeren Personengruppe zugänglich ist.

2. Zu Recht hat das Landgericht, weil sich der Unfall für keinen der Beteiligten als unabwendbares Ereignis dargestellt hat, eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile unter Berücksichtigung der von den Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr durchgeführt und ist dabei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagten die Haftung für den Unfall zu 100 % trifft.

Das Landgericht ist dabei von dem richtigen Grundsatz ausgegangen, dass im Rahmen dieser Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVO neben unstreitigen Tatsachen nur bewiesene Umstände berücksichtigt werden dürfen, die auch ursächlich für den Schaden geworden sind (BGH, VersR 1967, 132 f; Senat, NZV 2003, 182; NZV 2002, 230).

a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass sich ein Verkehrsverstoß des Klägers nicht hat feststellen lassen.

aa) Die Berufung hat keinen Erfolg mit ihrer Rüge, das Landgericht habe einen Verstoß des Klägers gegen § 1 StVO außer Acht gelassen, weil es unberücksichtigt gelassen habe, dass der Kläger unaufmerksam gewesen sei, als er in die Kurve gefahren sei. Denn zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass nicht feststeht, dass der Kläger aus Unaufmerksamkeit gegen das Fahrzeug des Beklagten zu 1) geraten ist.

Das Landgericht hat, anders als die Berufung geltend macht, die vom Kläger eingeräumte kurzzeitige Unaufmerksamkeit in Betracht gezogen (UA, S. 15). Dass sich diese Unaufmerksamkeit zudem aus der Unfallakte ergeben soll, ist daher ohne Belang.

Das Landgericht hat aber angenommen, dass nicht zu erkennen sei, dass die Unaufmerksamkeit für den Unfall ursächlich gewesen sei. Denn der Beklagte zu 1) habe angegeben, das klägerische Kfz erst gesehen zu haben, als es noch 6 bis 7 m entfernt gewesen sei. Es könne nicht angenommen werden, dass der Kläger das Kfz des Beklagten zu 1) habe früher erkennen können.

Diese Erwägung greift die Berufung nicht an, und auch der Senat hat hiergegen nichts zu erinnern. Sie ist angesichts der unübersichtlichen in einem 90 ° Winkel geführten Kurve plausibel. Aus dieser Feststellung ergibt sich, dass der Kläger, als er aus einer Entfernung von 6 bis 7 m das Kfz des Beklagten zu 1) erstmals hätte sehen können, bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 30 km/h nicht genügend Zeit gehabt hätte, nämlich nicht einmal eine Sekunde, um unfallvermeidend zu reagieren.

bb) Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers kann, anders als der Beklagte zu 1) geltend macht, auch nicht aus der Feststellung des Landgerichts abgeleitet werden, der Unfall habe sich für den Kläger nicht als unabwendbares Ereignis dargestellt.

Denn der Begriff „unabwendbares Ereignis“ i. S. v. § 17 Abs. 3 StVG meint nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i. S. v. § 276 BGB hinaus (BGH, NZV 2005, 305).

Die Feststellung, der Unfall sei für den Kläger i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG kein unabwendbares Ereignis, begründet daher nicht zugleich den Vorwurf, schuldhaft gegen Verkehrspflichten verstoßen zu haben.

cc) Die Berufung dringt auch nicht mit dem Argument durch, der Kläger sei mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren.

(1) Entgegen der Annahme des Beklagten zu 1) spricht vorliegend nichts dafür, dass den Kläger eine gesteigerte Sorgfaltspflicht getroffen hat, weil er auf einem Werksgelände gefahren ist.

Zwar erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Senats das Befahren eines Privatgeländes mit einer Vielzahl von Parkplätzen besondere Vorsicht, weil stets damit zu rechnen ist, das Fahrzeuge in Parkhäfen ein- und ausfahren und die Sicht durch parkende Fahrzeuge behindert ist, so dass ein Langsamfahren bei ständiger Bremsbereitschaft geboten ist (Senat, NZV 2003, 381, 382; DAR 1988, 271, 272).

Eine vergleichbare Situation lag nach dem Vortrag der Parteien hier jedoch nicht vor. Vielmehr befuhren die Unfallbeteiligten eine Straße, die sich von anderen Straßen nicht unterschied und daher von vornherein keine erhöhte Aufmerksamkeit beanspruchte.

(2) Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Kläger mit 30 km/h angesichts der zu durchfahrenden scharfen Kurve und der eingeschränkten Sicht zu schnell gefahren ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 StVO darf der Fahrzeugführer zwar nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht.

Selbst nach dem Vorbringen der Berufung ist der Kläger aber innerhalb seines Fahrstreifens geblieben („hart an der Fahrspurbegrenzung“), weshalb keinerlei Anzeichen vorliegen, die darauf schließen ließen, der Kläger sei in der Kurve zu schnell gefahren und habe daher die Kontrolle über sein Kfz verloren.

(3) Der Kläger hat auch nicht gegen § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen, indem er sich durch die gefahrene Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, innerhalb der übersehbaren Strecke anzuhalten.

Zwar muss sich der Kraftfahrer darauf einrichten, auch vor unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn noch anhalten zu können. Er braucht aber mit nachträglich von der Seite auftauchenden Hindernissen in der Regel nicht zu rechnen. Ebenso wenig muss er in seine Überlegungen einbeziehen, dass ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer sich mit einem Fahrzeug verkehrswidrig auf ihn zubewegen könnte (Senat, NZV 2002, 230, 231). So liegt der Fall aber hier.

Der Beklagte zu 1) ist in die Gegenfahrbahn des Klägers hinein gefahren. Auf ein derartig grob verkehrswidriges Verhalten musste sich der Kläger nicht einstellen.

dd) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger kein Verstoß gegen das in § 2 Abs. 2 StVO enthaltene Rechtsfahrgebot zur Last gelegt werden kann.

(1) Die Erwägungen des Klägers, es könnten aus dem vom Kläger in das Satellitenbild eingezeichneten Unfallort Rückschlüsse auf den Abstand, der er zuvor zur Fahrbahnmitte gehalten habe, gezogen werden, überzeugt nicht.

Selbst nach den Bekundungen des Beklagten zu 1) gibt die Zeichnung des Klägers die Kollisionstellung der Fahrzeuge nicht zutreffend wieder, weil sich sein, des Beklagten zu 1), Fahrzeug an anderer Stelle befunden habe (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2009). Die Skizze zeigt nämlich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) fast vollständig auf der Gegenfahrbahn des Klägers, obwohl es nach Behauptung des Beklagten zu 1) lediglich 30 cm in die Gegenfahrbahn hineingeragt haben soll.

Abgesehen davon ist die grobe und teils mehrfach nachgezogene Skizze, die die Stellung der Fahrzeuge nach der Kollision verdeutlichen soll, allenfalls geeignet, eine ungefähre Vorstellung von der Kollisionsstellung zu vermitteln, nicht aber, um einen Anhalt für den zuvor vom Kläger zur Fahrbahnmitte gehaltenen Abstand zu gewinnen.

(2) Entgegen der Ansicht der Berufung liegt ein Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot auch nicht deshalb auf der Hand, weil das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nur 30 cm in die Gegenfahrbahn hineingeragt habe, als es zur Kollision kam.

Das Landgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) auch weiter als 30 cm in die Gegenfahrbahn hineingeragt haben könnte. Die Parteien haben in diesem Punkt unterschiedliche Angaben gemacht, ohne dass sich das Landgericht in der Lage sah, zu sagen, welcher Darstellung mehr Glauben zu schenken sei (UA, S. 15).

Damit steht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht fest, dass als unbewiesen anzusehen ist, wie weit das Fahrzeug des Beklagten zu 1) in die Fahrbahn des Klägers hineinragte. Daher können auch keine sicheren Schlüsse auf den Abstand des vom Kläger geführten Fahrzeugs zur Mitte der Fahrbahn gezogen werden.

b) Mit Recht hat das Landgericht ein Verschulden des Beklagten zu 1) bejaht.

Zutreffend und von der Berufung auch nicht angegriffen, hat das Landgericht einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO festgestellt, wonach sich der Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Ob darüber hinaus die Annahme des Landgerichts zutrifft, der Beklagte zu 1) habe zusätzlich gegen das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO verstoßen, kann offen bleiben, weil diesem Verstoß bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile hier kein eigenes Gewicht zukommt. Denn dass der Beklagte zu 1) nicht ohne Rücksicht auf den entgegenkommenden Verkehr in dessen Fahrbahn fahren durfte, ergibt sich schon aus § 9 Abs. 5 StVO.

c) Bei der Haftungsabwägung ist das Landgericht richtiger Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Betriebsgefahr des Kfz des Klägers hinter das Verschulden des Beklagten zu 1) zurücktritt und die Beklagten daher allein haften.

Denn es entspricht ständiger Rechtssprechung beider Verkehrszivilsenate des Kammergerichts, dass bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Abbiegen in ein Grundstück eine Mithaftung des Unfallgegners nur bei dessen nachgewiesenem Verschulden in Betracht kommt, nicht aber allein aufgrund der Betriebsgefahr des unfallbeteiligten Kfz (Senat , Beschluss vom 12. Juli 2010 – 12 U 177/09, Juris-Tz. 22; NZV 2003, 182, 183; KG (22. ZS ), Urteil vom 5. Januar 1998 – 22 U 7353/96, Juris-Tz. 24).


III.

Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.



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