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OLG Düsseldorf Urteil vom 15.03.2011 - I-1 U 152/10 - Zur Quotenbildung bei den Sachverständigenkosten in Fällen beiderseitiger Mithaftung
OLG Düsseldorf v. 15.03.2011: Zur Quotenbildung bei den Sachverständigenkosten in Fällen beiderseitiger Mithaftung
Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.03.2011 - I-1 U 152/10) hat entschieden:
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensvorteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Ebenso können diese Kosten Bestandteil des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand sein, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig. Ist der geschädigte Fahrzeughalter jedoch in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs.
Anmerkung: Hier findet sich das vollständige Urteil
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist der Verursachungsbeitrag der Beklagten mit 75 % zu bewerten. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts Mühlheim an der Ruhr und des Landgerichts Duisburg im Parallelverfahren, dass der Schwerpunkt der Verursachung auf dem Verhalten des Beklagten zu 3 liegt. Dieser hat durch das verbotswidrige Befahren der Verkehrsinsel die Gefahrenlage herbeigeführt. Dagegen steht ein Vorfahrtsverstoß des Geschäftsführers der Klägerin nicht fest. Dieser durfte darauf vertrauen, dass er - geschützt durch das wartende Mofa - nach links abbiegen kann. Keinen Erfolg hat die Berufung dagegen, soweit die Klägerin in Abweichung der von ihr anerkannten Mithaftungsquote von 25 % die Gutachterkosten zu 100 % ersetzt verlangt. Für diese Auffassung gibt es keine gesetzliche Stütze.
Im Einzelnen:
...
b. Sachverständigenkosten
Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Freistellung von 75% ihrer Gutachterkosten. Denn auch diese Kosten gehören zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden (BGH NJW 2005, S. 356) und sind im Falle der Mithaftung gemäß § 17 StVG anteilig zu erstatten.
Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin insoweit jedoch nicht zu.
Der Senat stimmt der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen und von der Klägerin zitierten Auffassung, nach der der Schädiger auch im Falle einer quotenmäßigen Regulierung seines Schadens die vollen ihm entstandenen Gutachterkosten zur Ermittlung seines Schadens als Rechtsverfolgungskosten vom Schädiger verlangen kann (so AG Siegburg NJW 2010, 2289 f. = DAR 2010, 389 mit Anmerkung von Poppe; Hans-Ulrich Poppe, jurisPR-VerkR 12/2010 Anm. 1, Poppe, DAR 2005, 669 ff., Winnefeld, DAR 1996, Seite 75; zustimmend Kappus, DAR 2010, 727), nicht zu. Denn diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.
(1) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensvorteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356; NJW RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten Bestandteil des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand sein, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356, NJW 1974, 34, 35). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.
(2) Ist der geschädigte Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiert - ebenso wie die §§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG und 4 HaftPflG - eine Ausnahme vom Grundsatz der Totalreparation (Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensrechts). Sie hat zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen kann, wenn sich aus "den Umständen", insbesondere aus der Feststellung, "inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist" (§ 17 Abs. 1 StVG) ein solches Ergebnis rechtfertigen lässt.
(3) Aus den "Umständen", insbesondere den Verursachungsbeiträgen, ergibt sich eine solche Rechtfertigung nicht. Auch die Kosten des Sachverständigengutachtens sind durch den Unfall verursacht. Und wenn den Geschädigten insoweit eine Mitverantwortung trifft, so heißt das, dass er auch für die weiteren Unfallfolgen mitverantwortlich ist. Der Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhang wird durch den Willensentschluss, der der Beauftragung des Sachverständigen zugrunde liegt, nicht unterbrochen. Denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es auch zu dieser Handlung nicht gekommen. Und dass sie ausschließlich durch den Fremdhaftungsanteil bedingt sei (so Winnefeld, DAR 1996, 74), oder allein dem zum Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteil eingeholt würden (so Poppe, DAR 2005, 671; in diesem Sinne auch AG Siegburg NJW 2010, 2289, 2290), lässt sich auch bei normativer Betrachtung nicht sagen. Denn die Einholung eines Sachverständigengutachtens dient selbst dann, wenn der Geschädigte es wirklich nur zur Bezifferung eines berechtigten Teilanspruches in Auftrag geben würde, zwangsläufig immer auch seinen Interessen, weil es auch ihm Gewissheit über das ganze Ausmaß des Schadens und die von ihm zu tragenden Kosten verschafft. Damit fehlt es aber an einem Umstand, der eine vom übrigen Sachschaden abweichende Aufteilung der Kosten des Sachverständigengutachtens rechtfertigen könnte.
(4) Aus der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt auch kein Argument für den ungeschmälerten Ersatz von Sachverständigenkosten. Zwar kann der Geschädigte - auch nach der ständigen Rechtsprechung dieses Senats (vgl. z.B. Urteil vom 16.06.2008, Az.: I - 1 U 246/07) - Ersatz der Rechtsanwaltskosten verlangen, die er zur Verfolgung seines begründeten Anspruchs aufgewandt hat (BGH NJW 2005, 1112; NJW 2008, 1888 f.). Die Rechtfertigung für diese Rechtsprechung liegt allerdings in einer Besonderheit der Forderung selbst. Denn bei dieser Schadensposition handelt es sich um eine Nebenforderung, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist. Das ist bei den Sachverständigenkosten anders. Sie sind Bestandteil des Sachschadens und damit auch Bestandteil der Hauptforderung (BGH NJW 2007, 1752 f.). Ihre Höhe hängt nicht in gesetzlich bestimmter Weise vom Umfang des übrigen Schadens ab. Vor allem aber führen die §§ 17 Abs. 1 u. 2 StVG, 254 Abs. 1 BGB auch hinsichtlich der Anwaltskosten zu einer Einschränkung des Anspruchs. Eine Berücksichtigung der Mitverantwortung erfolgt hier nur nicht durch Quotierung der Kosten, sondern durch eine Quotierung des Streitwerts, der nach dem RVG die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt. Bei den Sachverständigenkosten eröffnet das Gesetz eine solche Differenzierungsmöglichkeit nicht. Hier kann die Mitverantwortung des Geschädigten für die Schadensentstehung nicht anders als durch eine Quotierung dieser Kosten Berücksichtigung finden.
(5) Auch die Differenztheorie kann eine abweichende Behandlung der Sachverständigenkosten nicht rechtfertigen. Die Theorie vermag zu begründen, warum die Sachverständigenkosten einen Schaden darstellen, sie sagt aber nichts darüber aus, wie dieser Schaden zu verteilen ist. Dies ergibt sich erst aus den §§ 7, 17 StVG. Diese lassen eine Trennung zwischen (unmittelbarem) Schaden einerseits und Rechtsverfolgungskosten andererseits, wie sie der Entscheidung des AG Siegburg (NJW 2010, 2289, 2290) zugrunde liegt, nicht zu. Eine solche wird auch in Bezug auf andere Rechtsverfolgungskosten, wie der Unkostenkostenpauschale, hinsichtlich derer der Geschädigte mit gleichem Recht geltend machen könnte, dass er diese Aufwendungen auch zur bloßen Durchsetzung seiner begründeten Teilforderung hätte tätigen müssen, folgerichtig nicht diskutiert.
(6) Auf den Umstand, dass der Geschädigte, der für den Unfallschaden mitverantwortlich ist, auch zur Ermittlung seines begründeten Teilanspruches den Gesamtschaden begutachten lassen muss, kommt es nach dem Gesetz danach nicht an. Der Geschädigte hat nicht auf der Grundlage einer isolierten Betrachtung des § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner zur Realisierung seiner Teilforderung erforderlichen Rechtsverfolgungskosten, sondern er hat auf der Grundlage von §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 u. 2 StVG in Verbindung mit § 249 Abs. 1 BGB auch hinsichtlich des Schadens "Sachverständigenkosten" nur einen beschränkten Anspruch, der sich auf den Ersatz eines Teils der erforderlichen Rechtsverfolgungskosten erstreckt. Dies ist weder unbillig noch systemwidrig. Und es ist auch nicht richtig, dass es kein Argument gibt, weshalb die Einholung eines erforderlichen Gutachtens zum Teil zu Lasten des Geschädigten gehen soll (so Poppe, DAR 2005, 669, 670). Immerhin hätte es ohne das Verhalten dieses Geschädigten diesen Unfall und damit auch diese Kosten nicht gegeben.
Ausgehend von einem Netto-Honorarbetrag von 545,95 € kann die Klägerin daher nur Freistellung von einer Forderung in Höhe von 409,46 € verlangen.
Die Klägerin kann auf den Befreiungsanspruch keine Verzugszinsen verlangen, da der Befreiungsanspruch kein Geldanspruch im Sinne von § 288 Abs. 1 BGB ist.
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