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Landgericht Ellwangen Beschluss vom 02.07.2001 - 1 Qs 76/01 - Zur Bewertung einer Nachschulung bei der nachträglichen Abkürzung der Sperrfrist

LG Ellwangen v. 02.07.2001: Zur Bewertung einer Nachschulung bei der nachträglichen Abkürzung der Sperrfrist


Das Landgericht Ellwangen (Beschluss vom 02.07.2001 - 1 Qs 76/01) hat entschieden:
  1. Bei der Prüfung, ob eine Aufhebung gemäß § 69 a Abs. VII StGB vorzunehmen ist, ist eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob der Verurteilte zum jetzigen Zeitpunkt noch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Hierbei kann eine erfolgte Nachschulung ein Element bei der erforderlichen umfassenden richterlichen Prüfung der vorzeitigen Erreichung des Maßregelzweckes sein. Alleine hierfür ausreichend ist eine solche Nachschulung jedoch nicht.

  2. Gemäß dem Wortlaut des § 69 Abs. VII StGB kann die Sperre vorzeitig aufgehoben werden, sobald der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Danach ist also erforderlich, dass der Maßregelzweck bereits zum Beschlusszeitpunkt erreicht ist. Eine Abkürzung der Sperrfrist vorzunehmen, obwohl der Maßregelzweck zum Beschlusszeitpunkt noch nicht erreicht ist, wird von diesem Wortlaut gerade nicht erfasst.


Gründe:

1. Der Verurteilte wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Crailsheim vom 22.01.2001 rechtskräftig wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Neben einer Geldstrafe wurde dem Verurteilten die Fahrerlaubnis entzogen und für deren Wiedererteilung eine Sperrfrist von 10 Monaten festgesetzt.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17.05.2001 hat der Verurteilte eine "Gnadenverfügung" beantragt, wonach die durch Strafbefehl festgesetzte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis vorzeitig aufgehoben werden solle. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass er erfolgreich an einem Kurs "Modell Mainz 77" teilgenommen habe.

Die Staatsanwaltschaft Ellwangen, welcher der Antrag vom Amtsgericht Crailsheim zur Entscheidung im Gnadenwege zugeleitet worden war, hat die Prüfung einer Gnadenentscheidung mit der Begründung abgelehnt, dass eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 69 a Abs. VII StGB vorrangig sei, und gegenüber dem Amtsgericht Crailsheim beantragt, die verhängte Sperrfrist um 3 Monate abzukürzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.06.2001, der der Staatsanwaltschaft Ellwangen am 28.06.2001 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht Crailsheim eine solche Entscheidung mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß § 14 Abs. II der Gnadenordnung vorliegend eine Entscheidung gemäß § 69 a Abs. VII StGB nicht vorrangig sei, da der Verurteilte bzw. sein Verteidiger ausdrücklich klargestellt hätten, dass gerade eine Gnadenentscheidung beantragt werde.

Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Crailsheim hat die Staatsanwaltschaft Ellwangen am 28.06.2001 per Telefax zugunsten des Betroffenen sofortige Beschwerde eingelegt, wobei sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, dass nach wie vor die Abkürzung der Sperrfrist um 3 Monate beantragt wird. Begründet wird die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Staatsanwaltschaft Ellwangen der Auffassung ist, dass der Antrag des Verteidigers auch entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur als Gnadenantrag auszulegen sei.

2. Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Ellwangen ist binnen einer Woche und damit fristgemäß eingelegt. Nachdem die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, ist das Rechtsmittel daher zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob vorliegend nicht das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben ist, nachdem das Amtsgericht Crailsheim in der Sache gerade keine Entscheidung getroffen hat.

Das zulässige Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

3. Die von der Staatsanwaltschaft Ellwangen beim Amtsgericht Crailsheim beantragte und mit ihrem Rechtsmittel weiterverfolgte Sperrfristverkürzung kann gemäß § 69 a Abs. VII StGB nicht erreicht werden.

Bei der Prüfung, ob eine Aufhebung gemäß § 69 a Abs. VII StGB vorzunehmen ist, ist eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob der Verurteilte zum jetzigen Zeitpunkt noch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Hierbei kann eine erfolgte Nachschulung ein Element bei der erforderlichen umfassenden richterlichen Prüfung der vorzeitigen Erreichung des Maßregelzweckes sein. Alleine hierfür ausreichend ist eine solche Nachschulung jedoch nicht (vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 50. Auflage, § 69a, Rdnr. 16 m. w. N.). Eine pauschalierte Aufhebung der Sperrfrist, z.B. 3 Monate vor dem eigentlichen Ablauf, mag im Gnadenwege möglich sein - wie vorliegend auch vom Verteidiger des Verurteilten ausdrücklich beantragt -, gemäß § 69 a Abs. VII StGB kommt eine solche Verfahrensweise jedoch nicht in Betracht. Dort ist vielmehr in jedem Einzelfall eine eingehende Prüfung notwendig, ob von der Ausnahmeregelung des § 69 a Abs. VII StGB Gebrauch zu machen ist.

4. Im Übrigen vertritt die Kammer die Auffassung, dass § 69 a Abs. VII StGB bereits grundsätzlich nicht geeignet ist, Sperrfristverkürzungen für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt - also bevor der Maßregelzweck erreicht ist - anzuordnen.

a) Gemäß dem Wortlaut des § 69 Abs. VII StGB kann die Sperre vorzeitig aufgehoben werden, sobald der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Danach ist also erforderlich, dass der Maßregelzweck bereits zum Beschlusszeitpunkt erreicht ist (in diese Richtung: OLG Köln, NJW 1960, S. 2255). Eine Abkürzung der Sperrfrist vorzunehmen, obwohl der Maßregelzweck zum Beschlusszeitpunkt noch nicht erreicht ist, wird von diesem Wortlaut gerade nicht erfasst.

b) Auch die Auslegung der Vorschrift nach systematischen Grundsätzen stützt diese Ansicht, da es auch im sonstigen - vergleichbaren - Maßregelrecht (vgl. § 67 c Abs. I und insbesondere § 70 a Abs. I StGB - anders dagegen der den Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung folgende, nicht vergleichbare Fall der Führungsaufsicht) für eine Aufhebung bzw. Aussetzung der Maßregel unabdingbar ist, dass die Erreichung des Maßregelzieles bereits erfolgt ist. Gegen eine ausweitende Anwendung des § 69 a Abs. VII StGB auch auf die Fälle der Sperrfristverkürzung vor Erreichen des Maßregelzieles spricht auch die rechtskraftdurchbrechende Wirkung einer Anordnung gemäß § 69 a Abs. VII StGB. Rechtskraftdurchbrechungen sind dem deutschen Strafrecht zwar nicht fremd, haben jedoch Ausnahmecharakter (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Auflage, vor § 359, Rdnr. 4), weshalb die Normen, die Rechtskraftdurchbrechungen zulassen, restriktiv auszulegen sind.

c) Da der Bestand einer Maßregel sich nicht an der Schuld des Täters orientiert - die Dauer somit auch nicht schuldangemessen sein kann - sondern ausschließlich - neben Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten - vom Fortbestehen des Maßregelgrundes abhängt, muss die Maßregel sofort nach Erreichen ihres Zweckes aufgehoben werden und kann nicht bis zu einem künftigen Zeitpunkt aufrechterhalten bleiben. Andererseits ließe sich im Rahmen einer Entscheidung nach § 69a Abs. VII StGB, anders als bei der tatrichterlichen Anordnung der Maßregel, auch nicht nachvollziehbar begründen, dass ein Maßregelzweck zwar zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erreicht ist, aber zu einem künftigen, jetzt bereits feststehenden Zeitpunkt erreicht sein wird. § 69a Abs. VII StGB hat gerade nicht den Sinn, eine Urteilsberichtigung vorzunehmen und die ursprüngliche tatrichterliche Prognose bezüglich der Erforderlichkeit der Maßregeldauer durch eine neue zu ersetzen, sondern erlaubt beim ausnahmsweisen, vorzeitigen Erreichen des Maßregelziels deren sofortige Aufhebung.

Aus den dargestellten Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass die von der Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrte Sperrfristverkürzung um 3 Monate, womit diese am 21.08.2001 enden würde, vom Amtsgericht Crailsheim nicht getroffen werden konnte und daher im Ergebnis zu Recht abgelehnt wurde, ohne dass es hierbei auf die Auslegung des Antrages des Verteidigers des Verurteilten ankommt, nachdem § 69 a Abs. VII StGB einen solchen gerade nicht voraussetzt.

5. Das von der Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel verfolgte Ziel einer Abkürzung der Sperrfrist um 3 Monate kann - wie vom Verteidiger von vornherein ausdrücklich beantragt- nur im Gnadenwege erreicht werden. Soweit die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg über die Sperrfristverkürzung nach Teilnahme an einer Nachschulung für erstmals alkoholauffällige Kraftfahrer (VwV Nachschulung) vom 31.05.2001 (7400/0727) von einem Vorrang der gerichtlichen Entscheidung nach § 69 a Abs. VII StGB ausgeht - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift -, überzeugt dieses aus den oben dargestellten Gründen nicht und entfaltet für die gerichtliche Praxis keine Bindungswirkung.



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