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OLG Düsseldorf Beschluss vom 12.11.2010 - IV-3 RBs 177/10 - Zur Darstellung des Tatvorwurfs in der Urteilsformel im Bußgeldverfahren

OLG Düsseldorf v. 12.11.2010: Zur Darstellung des Tatvorwurfs in der Urteilsformel im Bußgeldverfahren und zur Nichtvorlage der Arbeitgeberbescheinigung bei Lenkzeitverstößen


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.11.2010 - IV-3 RBs 177/10) hat entschieden:

1.  In Bußgeldsachen ist die Tat in der Urteilsformel mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen, sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind.

2.  Schon nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 FPersV müssen nachweispflichtige Fahrer, die einen der in Nrn. 1 bis 4 genannten Tatbestände "an einem oder mehreren der vorausgegangenen 28 Kalendertage" erfüllt haben, eine entsprechende Bescheinigung des Unternehmers vorlegen. Der Verstoß gegen diese Vorschrift schließt damit schon tatbestandlich den Fall ein, dass die Bescheinigung für mehr als einen Tag nicht präsentiert werden kann. Unabhängig von der Zahl der betroffenen Tage kann sie bei derselben Kontrolle daher nur einmal verletzt werden.



Siehe auch

Fahrpersonal im Straßenverkehr - Lenkzeiten - Ruhezeiten - EG-Kontrollgerät

und

Tatmehrheit oder Tateinheit bei Lenkzeitverstößen


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen 6 tateinheitlich und fahrlässig begangener Verstöße gegen das Fahrpersonalgesetz" zu einer Geldbuße von 437,50 € verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg.


II.

1. Schon die Feststellungen zum Schuldspruch weisen mehrere durchgreifende Rechtsfehler auf. Hierzu hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:

   "Der Betroffene wurde als Fahrer eines Lastkraftwagens am 15.05.2009 in Blankenhagen, A 1, bei Kilometer 480,0 von dem Zeugen F.M. kontrolliert. Er führte das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... . Er befand sich auf der Fahrt von Ü. nach W... . Für den 27., 28., 29. und 30.04.2009 sowie für den 04. und 05.05.2009 legte er weder Schaublätter, Fahrerkarte noch eine Bestätigung über arbeitsfreie Tage vor."


Diese – offensichtlich einfach aus dem Bußgeldbescheid übertragenen – Feststellungen tragen den (vom Amtsgericht in Wirklichkeit gemeinten) Schuldspruch aus § 20 Abs. 1 S. 1 Fahrpersonalverordnung (FPersV) nicht.

a) Bereits der benutzte "Lastkraftwagen" ist darin nicht in der Weise beschrieben, dass geprüft werden könnte, ob dessen Fahrer bei Kontrollen die in Artikel 15 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder Kapitel III Artikel 11 des Anhangs zum AETR oder dieser Verordnung vorgeschriebenen Nachweise vorzulegen hat (vgl. Senat NZV 2007, 322, 323; BayObLG NStZ-RR 1987, 20, 21).

b) Überdies beschränken sich die Feststellungen auf die Nichtvorlage einer "Bestätigung über arbeitsfreie Tage" und beziehen sich damit auf die FPersV 1969. In ihrer zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung enthält die Vorschrift in Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 4 jedoch weitere Arten von berücksichtigungsfreien Tagen, über die sich das angefochtene Urteil nicht verhält.

c) Rechtsfehlerhaft ist schließlich auch die Annahme von sechs tateinheitlich begangenen Verstößen gegen § 20 Abs. 1 S. 1 FPersV. Dass "dieselbe Handlung" i.S. des 19 Abs. 1 OWiG – hier die Nichtvorlage der Unternehmerbescheinigung bei der Kontrolle am 15. Mai 2009 – diese Vorschrift mehrfach verletzt haben könnte, ergibt das angefochtene Urteil nicht. Schon nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 FPersV müssen nachweispflichtige Fahrer, die einen der in Nrn. 1 bis 4 genannten Tatbestände "an einem oder mehreren der vorausgegangenen 28 Kalendertage" erfüllt haben, eine entsprechende Bescheinigung des Unternehmers vorlegen. Der Verstoß gegen diese Vorschrift schließt damit schon tatbestandlich den Fall ein, dass die Bescheinigung für mehr als einen Tag nicht präsentiert werden kann. Unabhängig von der Zahl der betroffenen Tage kann sie bei derselben Kontrolle daher nur einmal verletzt werden.

2. Auch wenn der Rechtsfolgenausspruch damit hinfällig ist, weist der Senat auf die dem Amtsgericht in diesem Zusammenhang unterlaufenen weiteren Rechtsfehler hin:

a) Zum einen hat es verkannt, dass die Buß- und Verwarnungsgeldkatakoge des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zum Fahrpersonalrecht, die es "für maßgeblich" gehalten hat, sich nur an die Verwaltungsbehörden richten und für die Gerichte keine Bindungswirkung entfalten. Für diese bieten sie nur eine grobe Orientierungshilfe, die sie keinesfalls davon entpflichtet, die Geldbuße in Ausübung des ihnen eingeräumten Ermessens und auf Grundlage der in § 17 Abs. 3 OWiG genannten wesentlichen Zumessungskriterien im Einzelfall festzusetzen (vgl. OLG Karlsruhe VRS 67, 475; OLG Köln VRS 78, 71; OLG Hamm DAR 1996, 68; OLG Brandenburg VRS 91, 156).

b) Aus diesem Grund ist auch eine nach bestimmten Regeln vorzunehmende mathematische Berechnung der Geldbuße ausgeschlossen (vgl. OLG Düsseldorf VRS 72, 120, 121). Genau eine solche hat das Amtsgericht aber bei der (ungerechtfertigten) Erhöhung der Regelgeldbuße vorgenommen, indem es die in Nr. 42 des vorbezeichneten Bußgeldkatalogs zur FPersV genannten 250 Euro wegen der fahrlässigen Begehungsweise halbiert und für jeden weiteren der tateinheitlich angenommenen Fälle mit einem Aufschlag von 50 Prozent dieses Betrages versehen hat. Damit erfolgte die Bußgeldfestsetzung exakt auf dem Rechenweg, der den Verwaltungsbehörden in Nr. 5.2 der den Buß- und Verwarnungsgeldkatalogen vorangestellten "Grundsätze des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik für die Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen" vorgegeben ist.





III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat den Tatrichter – erneut – darauf hin, dass die Tat auch in Bußgeldsachen in der Urteilsformel, sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind, mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90; NZV 2007, 322, 323).

Ein Anlass, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, besteht nicht.

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