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OVG Bautzen Beschluss vom 19.10.2010 - 3 M 358/10 - Zu den Voraussetzungen des Entzugs der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum
OVG Bautzen v. 19.10.2010: Zu den Voraussetzungen des Entzugs der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum
Das OVG Bautzen (Beschluss vom 19.10.2010 - 3 M 358/10) hat entschieden:
- Ein die Fahreignung ausschließender Konsum von Betäubungsmitteln setzt weder eine (Drogen-)Abhängigkeit noch eine missbräuchliche, regelmäßige oder auch nur gelegentliche Einnahme von Drogen voraus.
- Für die Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer (nachgewiesenen) Einnahme von Betäubungsmitteln ist nicht erforderlich, dass es zugleich zu einer sog. Drogenfahrt (Führen eines Kraftfahrzeuges im berauschten Zustand und konkreten Ausfallerscheinungen) und damit zu einem Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder das Strafgesetzbuch gekommen ist.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Überprüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.
Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 01. Juni 2010, mit dem dem Antragsteller u. a. die Fahrerlaubnis unter Anordnung des Sofortvollzuges entzogen worden ist, zu Recht nicht gem. § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt.
Die vom Antragsgegner mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis ist bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Davon ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV nicht nur dann auszugehen, wenn wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetz verstoßen wurde, sondern insbesondere auch dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn die zu Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV angeführten, die Fahreignung ausschließenden Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert werden, wozu ebenfalls die Einnahme von harten Drogen wie Amphetaminen zählt. Ein die Fahreignung ausschließender Konsum von Drogen setzt dabei weder eine Abhängigkeit noch eine missbräuchliche, regelmäßige oder auch nur gelegentliche Einnahme voraus. Zudem ist es für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer (nachgewiesenen) Einnahme von Betäubungsmitteln nicht erforderlich, dass es zugleich zu einer sog. Drogenfahrt und damit zu einem Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder das Strafgesetz gekommen ist. Denn bei der Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV handelt es sich nicht um eine repressive, sondern präventive Maßnahme zu Schutz der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr.
Der Antragsteller hat ausweislich des von ihm beigebrachten nervenfachärztlichen Gutachtens zur Frage seiner Fahreignung vom 30.März 2010 (Bl. 27 ff. d. Sachakte) den gegen ihn erhobenen Verdacht der Einnahme von Betäubungsmitteln durch seine eigenen Angaben bestätigt. Zudem wurden im Rahmen der polytoxikologischen Untersuchung beim Urinscreening der Konsum von Amphetaminen mit einem Messwert in Höhe von 1072 ng/ml nachgewiesen (Toleranzwert – Cuttoff: 500 ng/ml). Damit steht für den Senat nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand fest, dass der Antragsteller Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes eingenommen hat, welche seine Fahreignung ausschließen.
Der Antragsteller kann demgegenüber auch nicht mit Erfolg einwenden, der Antragsgegner hätte das Ergebnis der polytoxikologischen Untersuchung im Rahmen der fachärztlichen Begutachtung nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen dürfen, weil die fachärztliche Begutachtung nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr gestanden habe und nur das Ereignis vom „17.05.2009“ (gemeint sein dürfte: 14. Mai 2009) zur Grundlage der Entscheidung hätte gemacht werden dürfen; auch sei der Antragsgegner aufgrund des Ereignisses vom 14. Mai 2009 nicht dazu berechtigt gewesen, eine fachärztliche Begutachtung anzuordnen, weil der zugrunde liegende Sachverhalt keinen Drogenkonsum des Antragstellers vermuten lasse und im Zusammenhang mit dem genannten Ereignis auch keine geeigneten Feststellungen getroffen worden seien, die einen aktuellen Drogenkonsum in Verbindung mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr nachgewiesen hätten. Der Antragsteller verkennt zunächst, dass es – wie bereits ausgeführt – für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter Einfluss von Betäubungsmitteln – mithin einer sog. Drogenfahrt – nicht bedarf. Die Fahreignung entfällt grundsätzlich bereits beim einmaligen Konsum sog. harter Drogen wie Amphetamin unabhängig von der Höhe der Konzentration, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen beim Betroffenen zu verzeichnen waren (BayVGH, Beschl. v. 29.06.2010 - 11 ZB 08.3297 - Rdn. 6 m. w. Nachw. >zitiert nach juris; OVG LSA, Beschl. v. 28.02.2007 - 1 M 219/06 - juris). Auch waren die Ereignisse vom 14. Mai 2009 im Hinblick auf das Auffinden von Drogen im Fahrzeug des Antragstellers durchaus geeignet, Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers zu begründen und ihm aufzugeben, ein entsprechendes Gutachten beizubringen. Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung. Denn jedenfalls ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – davon auszugehen, dass zumindest dann, wenn – wie hier – sich der Fahrerlaubnisinhaber der Begutachtung gestellt hat und das Gutachten von der Behörde vorliegt, dieses Gutachten als neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung von der Fahrerlaubnisbehörde uneingeschränkt verwertet werden darf (std. Rspr. d. Senats – vgl. OVG LSA, Beschl. v. 05.03.2008 - 3 M 142/08 - m. w. N.).
Kommt es nach allem für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Einnahme von Betäubungsmitteln nicht auf das Führen eines Kraftfahrzeuges im berauschten Zustand und konkrete Ausfallerscheinungen beim Betroffenen an, geht auch der Hinweis des Antragstellers auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 - juris) und des Oberlandesgerichts München (Beschl. v. 13.03. 2006 - 4 St RR 199/05 -) zu § 24 a Abs. 2 StVG und zu der insoweit maßgeblichen Nachweisgrenze für Betäubungsmittel – einschließlich für Amphetamine – an der Sache vorbei. Im vorliegenden Fall geht es gerade nicht um die Bewertung eines strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigen Verhaltens des Antragstellers, sondern allein um den im Fahrerlaubnisrecht maßgeblichen Konsum von Betäubungsmitteln, hier den Konsum von harten Drogen wie Amphetaminen, welche die Fahreignung grundsätzlich ausschließen. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur „Fahrtüchtigkeit“, zum „zeitnahen Konsum“ und zur „Rauschmittelkonzentration“ sind nach allem nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme in Frage zu stellen, zumal sich die Beschwerdeschrift insoweit auf die schlichte Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beschränkt, was im Hinblick auf die Darlegungserfordernisse gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht ausreichend ist.
Nach allem überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Anordnung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich möglicherweise anschließenden Klageverfahrens verschont zu bleiben. Denn ein Fahrerlaubnisinhaber, der sich nach den nicht zu beanstandenden behördlichen Feststellungen als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist, ist im Hinblick auf die damit einhergehenden Gefahren unverzüglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit den Ziffern 1.5. Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp / Schenke, VwGO 15. Aufl. Anh. § 164), wobei sich der Senat die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Bemessung des Streitwertes zu Eigen macht.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).