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Verwaltungsgericht Saarlouis Beschluss vom 09.02.2011 - 10 L 33/11 - Zur Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung bei Besitz von Amphetamin
VG Saarlouis v. 09.02.2011: Zur Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung bei Besitz von Amphetamin
Das Verwaltungsgericht Saarlouis (Beschluss vom 09.02.2011 - 10 L 33/11) hat entschieden:
Anders als im Falle des Besitzes von Cannabis, der den Verdacht der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges ohne zusätzliche Anhaltspunkte für ein fehlendes Trennungsvermögen von Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr nicht begründet, rechtfertigt allein der Besitz von Amphetamin wegen der besonderen Gefährlichkeit dieser Droge die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung eines etwaigen Drogenkonsums.
Gründe:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 13.01.2011 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29.12.2010, durch den dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200,00 Euro die Ablieferung seines Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides aufgegeben wurde, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zunächst hat der Antragsgegner das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet, dass angesichts der weiterhin bestehenden Gefahr, dass der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl er hierzu nicht geeignet ist, und des damit verbundenen erheblichen Risikos für Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die am Straßenverkehr in der Erwartung teilnehmen, dass die Behörden ungeeignete Kraftfahrzeugführer von der Nutzung eines Kraftfahrzeuges abhalten, seine privaten Interessen hinter dem Interesse der Öffentlichkeit an der unverzüglichen Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten müssen.
Die vom Gericht in der Sache zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen behördlichen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schwerer wiegt. Im Rahmen dieser vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bei offensichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Davon ausgehend kann der Antragsteller die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs nicht beanspruchen, weil der angefochtene Bescheid des Antragsgegners vom 29.12.2010 nach Maßgabe der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig ist und der Widerspruch des Antragstellers daher aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers erweist sich der angefochtene Bescheid nicht schon in formeller Hinsicht als rechtsfehlerhaft, weil er vor Erlass des in seine Rechte eingreifenden Bescheides nach § 28 Abs. 1 SVwVfG nicht angehört worden wäre. Der Antragsteller wurde hier bereits in der unter dem 04.10.2010 ergangenen Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens wegen bestehender Zweifel an seiner Kraftfahreignung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die rechtliche Konsequenz einer Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorzulegen, der Entzug seiner Fahrerlaubnis wäre. Ob damit den Anforderungen aus § 28 Abs. 1 SVwVfG an die Anhörungspflicht des Antragsgegners Genüge getan war, nachdem es dem Antragsteller ohne Weiteres möglich war, sich zu den für die Entscheidung des Antragsgegners erheblichen Tatsachen zu äußern,
vgl. dazu etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 28 Rdnr. 15
kann hier indes dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn vorliegend von einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Antragstellers gemäß § 28 Abs. 1 SVwVfG auszugehen ist, kann ein darin liegender Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SVwVfG mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens bzw. bis zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden.
Der angefochtene Bescheid unterliegt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers sind die §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Vorliegend ist der Antragsgegner zu Recht auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der fehlenden Kraftfahreignung des Antragstellers ausgegangen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung eines solchen Gutachtens rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.
Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 11.12.2008, 3 C 26.07, DAR 2009, 212, und vom 09.06.2005, 3 C 21.04, NJW 2005, 3440 m. w. N.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt hier keinen begründeten Zweifeln. Gemäß § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Derartige Eignungszweifel können sich, wie sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV ergibt, aus dem Besitz von Betäubungsmitteln ergeben. Nach dieser Vorschrift kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens auch angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes -BtmG- widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Hiervon ist in Bezug auf den Antragsteller auszugehen, da ausweislich der Mitteilung des Landeskriminalamtes vom 15.09.2010 im Rahmen einer Durchsuchung des Antragstellers am 17.07.2010 in seiner Hosentasche 1,56 g Amphetamin sowie in der Mittelkonsole seines PKW 0,64 g Marihuana aufgefunden wurden. Vor diesem Hintergrund diente die Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV ersichtlich dazu, zu klären, ob von dem Antragsteller Drogen, insbesondere Amphetamine, konsumiert werden. Wie sich aus Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ergibt, schließt nämlich bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen, zu denen auch Amphetamin gehört, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Regelfall aus.
Vgl. dazu auch OVG des Saarlandes, u. a. Beschlüsse vom 26.06.2009, 1 B 373/09, und vom 29.05.2009, 1 A 31/09, m. w. N.
Anders als im Falle des Besitzes von Cannabis, der den Verdacht der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges ohne zusätzliche Anhaltspunkte für ein fehlendes Trennungsvermögen von Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr nicht begründet,
vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 14 FeV Rdnr. 17 m.w.N.
rechtfertigt allein der Besitz von Amphetamin daher wegen der besonderen Gefährlichkeit der Einnahme dieser Droge die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung eines etwaigen Drogenkonsums.
Der Anforderung eines ärztlichen Gutachtens durch den Antragsgegner stand vorliegend auch nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen des Antragstellers das gegen ihn wegen des Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtmG eingeleitete Strafverfahren noch anhängig ist. Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren den Sachverhalt, der Gegenstand eines gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gerichteten Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt, nicht berücksichtigen, solange das Strafverfahren anhängig ist. Indes steht hier keine Straftat des Antragstellers in Rede, an deren Begehung die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB anknüpfen darf. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach dieser Vorschrift setzt eine rechtswidrige Tat, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen worden ist, voraus. Da § 69 StGB den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs bezweckt, erfordert die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, der Täter werde bereit sein, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.
Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2007, 12 ME 360/07, ZfS 2008, 114; ferner BGH, Beschluss vom 27.04.2005, GSSt 2/04, NJW 2005, 1957
Davon ist jedoch weder im Hinblick auf das gegen den Antragsteller angeblich derzeit noch anhängige Strafverfahren wegen Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtmG noch in Bezug auf das nach Mitteilung des Landeskriminalamtes vom 15.09.2010 gegen den Antragsteller zudem wegen des bestehenden Verdachts eines Verstoßes gegen § 6 a Abs. 2a i. V. m. § 95 Abs. 1 Nr. 2b Arzneimittelgesetz – AMG – (Besitz von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport) bzw. eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 Waffengesetz – WaffG – (unerlaubter Waffenbesitz) eingeleitete Ermittlungsverfahren auszugehen, so dass der Antragsgegner ungeachtet eines etwaig gegen den Antragsteller noch anhängigen Strafverfahrens befugt war, selbst über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu befinden.
Neben den danach gegebenen materiellen Voraussetzungen für die Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens genügte die Gutachtenanordnung des Antragsgegners vom 04.10.2010 im Weiteren auch den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FeV.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller in der Gutachtensanordnung unter Hinweis auf die im Rahmen der polizeilichen Durchsuchung seiner Person sowie seiner Wohnung aufgefundenen Drogen (1,56 g Amphetamin sowie 0,64 g Marihuana) mitgeteilt, dass erhebliche Zweifel an seiner Eignung als Kraftfahrzeugführer bestünden und deshalb durch eine ärztliche Untersuchung zu klären sei, ob bei ihm Hinweise auf die Einnahme illegaler Drogen oder auf den Missbrauch legaler Drogen (Alkohol, Medikamente) vorliegen. Die Anordnung enthält auch die erforderliche Fristsetzung, einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Antragstellers sowie die Angabe, dass die ärztliche Untersuchung beim Rechtsmedizinischen Institut der Universität des Saarlandes durchzuführen ist. Dass der Antragsgegner das Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes für die Untersuchung des Klägers allein in Frage kommende Stelle angesehen hat, begegnet dabei keinen rechtlichen Bedenken. Dieses Institut ist im Saarland die einzige Stelle, die die von dem Antragsgegner insbesondere als erforderlich angesehene Haaranalyse zur Ermittlung des Konsums von Betäubungsmitteln nach dem Standard moderner Qualitätssicherung erbringen kann.
So ausdrücklich OVG des Saarlandes, Beschluss vom 03.05.2007, 1 B 23/07; m.w.N.
Da der Antragsteller in der Gutachtensanordnung vom 04.10.2010 außerdem gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens hingewiesen worden ist, durfte der Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr auszugehen.
Dem kann der Antragsteller letztlich auch nicht durchgreifend entgegenhalten, der Antragsgegner habe das Schreiben des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 10.12.2010, mit dem diesem mitgeteilt worden war, dass dem Antragsteller das über ihn erstellte Gutachten am selben Tag übersandt worden sei, nicht verwerten dürfen. Dabei kann dahinstehen, ob diese offenbar ohne Einverständnis des Antragstellers erfolgte Mitteilung an den Antragsgegner überhaupt einem Verwertungsverbot unterliegt. Denn tragend für den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr war nicht die Mitteilung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 10.12.2010, sondern ausschließlich die nicht fristgerechte Vorlage des von dem Antragsteller zu Recht angeforderten ärztlichen Gutachtens.
Erweist sich danach die wegen Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers als offensichtlich rechtmäßig, gilt Entsprechendes für die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV gründende Anordnung des Antragsgegners zur Ablieferung des Führerscheins des Antragstellers sowie die in dem angefochtenen Bescheid vom 29.12.2010 weiter ausgesprochene Zwangsgeldandrohung.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in NJW 2004, 1327), wobei in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert auf die Hälfte des Hauptsachewertes und damit auf 2.500,00 Euro festzusetzen ist.