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BGH Beschluss vom 09.12.2009 - XII ZB 175/07 - Zur fehlenden Auswirkung der teilweisen Gebührenanrechnung auf das Kostenfestsetzungsverfahren
BGH v. 09.12.2009: Zur fehlenden Auswirkung der teilweisen Gebührenanrechnung auf das Kostenfestsetzungsverfahren
Der BGH (Beschluss vom 09.12.2009 - XII ZB 175/07) hat entschieden:
§ 15a RVG stellt lediglich die bereits unter § 118 Abs. 2 BRAGO geltende und mit Einführung des RVG nicht geänderte Rechtslage klar, wonach sich die Gebührenanrechnung im Verhältnis zu Dritten und damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht auswirkt (Anschluss an BGH Beschluss vom 2. September 2009, II ZB 35/07, ZIP 2009, 1927).
Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Höhe der von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von der Antragsgegnerin vollumfänglich zu tragenden Kosten des vorausgegangenen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf 1.394,09 € festgesetzt. In diesem Betrag ist unter anderem eine von dem Antragsteller für seine Verfahrensbevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) in voller Höhe berücksichtigt. Eine "Anrechnung der Verfahrensgebühr aufgrund der (evtl.) außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr" hat die Rechtspflegerin mit der Begründung abgelehnt, eine unverminderte Festsetzung der 1,3-Verfahrensgebühr scheide nur dann aus, wenn in demselben Rechtsstreit der auf materiellem Recht bestehende Anspruch auf Erstattung der vollen Geschäftsgebühr bereits tituliert worden sei.
Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Antragsgegnerin im Hinblick auf Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 [im Folgenden: Vorbemerkung 3] Abs. 4 VV RVG die Herabsetzung der Verfahrensgebühr um den anzurechnenden Teil der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere steht ihr nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nicht gegeben ist. Diese Begrenzung des Instanzenzugs gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BGH Beschluss vom 6. April 2005 - V ZB 25/04 - NJW 2005, 2233). Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
III.
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Recht die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 1.394,09 € festgesetzt und dabei trotz des unbestrittenen Anfalls der außergerichtlichen Geschäftsgebühr die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) im Ergebnis zutreffend in voller Höhe berücksichtigt.
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr scheide aus, weil der Antragsteller (nicht: die Klägerin) diese weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren als materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch geltend gemacht habe. Deshalb sei hier eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 (jetzt Nr. 2300) VV RVG nicht im Kostenfestsetzungsverfahren mit zu berücksichtigen, da dies nur in Betracht komme, wenn entweder deren Anfall und die Pflicht des Gegners, sie zu tragen, oder jedenfalls die für ihre Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig seien. Denn die Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG gelte grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Demgegenüber hafte der Prozessgegner auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten nur nach materiellem Recht. Daher könne im Kostenfestsetzungsverfahren nur eine bereits rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung oder anderweitige bestandskräftige Regelung über einen solchen materiell-rechtlichen Anspruch berücksichtigt werden. Dies entspreche auch der früher einhelligen Handhabung unter der Geltung des § 118 Abs. 2 BRAGO.
Eine Änderung der Rechtslage habe der Gesetzgeber mit der Schaffung der rechtstechnisch gleichen Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht herbeiführen wollen.
2. Diese Sichtweise rügt die Rechtsbeschwerde als fehlerhaft und stützt ihre Ansicht auf die neuere Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Danach sei Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sei. Durch diese Anrechnung verringere sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibe (vgl. BGH Urteile vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049, 2050; vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06 - NJW 2007, 2050, 2052 und vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 310/06 - NJW 2007, 3500 f. sowie BGH Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - FamRZ 2008, 878, 879; zustimmend Peter NJW 2007, 2298, 2299; Streppel MDR 2007, 929, 930 f.; a.A. noch BGH Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05 - NJW-RR 2006, 501, 502, vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05 - FamRZ 2006, 1114 und vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102).
Dieser Auffassung des VIII. Zivilsenats, die in Instanzrechtsprechung und Literatur auf Kritik gestoßen ist (vgl. KG (1. ZS) MDR 2008, 1427; KG (1. ZS) JurBüro 2008, 304, 305 f.; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494, 495; Ruess MDR 2007, 1401, 1402 ff.; Schons AGS 2007, 284 f.; Hansens RVGreport 2008, 121 f., 127), haben sich zwischenzeitlich mehrere Senate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH Beschlüsse 30. April 2008 - III ZB 8/08 - FamRZ 2008, 1346; vom 14. August 2008 - I ZB 103/07 - AGS 2008, 574; vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 - juris, Tz. 6 f. und vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 - juris, Tz. 5).
3. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung in der Rechtsprechung einiger Senate des Bundesgerichtshofs sowie die dagegen geäußerte Kritik reagiert und in dem mit Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) eingeführten § 15 a Abs. 2 RVG geregelt, dass ein Dritter sich auf eine im Gesetz vorgesehene Gebührenanrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in denselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. § 15 a RVG ist gemäß Art. 10 des vorgenannten Gesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten.
Eine ausdrückliche Übergangsregelung hat der Gesetzgeber nicht angeordnet. Infolgedessen ist streitig geworden, ob § 15 a RVG auch auf sog. Altfälle Anwendung findet (offen gelassen in BGH Beschlüsse vom 9. September 2009 - Xa ZB 2/09 - Tz. 7, zur Veröffentlichung bestimmt und vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 - Tz. 25, zur Veröffentlichung bestimmt).
a) Wohl überwiegend wird in § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage gesehen (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928; OLG Koblenz AGS 2009, 420, 421; OLG Düsseldorf AGS 2009, 372, 373; OLG Stuttgart AGS 2009, 371, 372; OLG Köln Beschluss vom 14. September 2009 - 17 W 195/09 - juris, Tz. 9; LG Saarbrücken Beschluss vom 3. September 2009 - 5 T 434/09 - juris, Tz. 14; AG Bremen Beschluss vom 22. September 2009 - 9 C 213/09 - juris, Tz. 6; OVG Münster AGS 2009, 447, 448; VG Osnabrück Beschluss vom 3. September 2009 - 5 A 273/08 - juris, Tz. 14; Nickel FamRB 2009, 324 f.; Henke AnwBl. 2009, 709; Hansens AnwBl. 2009, 535, 540; Enders JurBüro 2009, 393, 400; Kallenbach, AnwBl. 2009, 442; siehe auch AG Wesel AGS 2009, 312).
b) Nach der Gegenansicht ist durch § 15 a RVG die Rechtslage geändert worden, so dass diese Vorschrift gemäß § 60 Abs. 1 RVG für Altfälle keine Anwendung findet (vgl. OLG Celle Beschluss vom 19. Oktober 2009 - 2 W 280/09 - juris, Tz. 8 ff.; OLG Celle (2. ZS) OLGR 2009, 749, 751 f.; OLG Hamm Beschluss vom 25. September 2009 - 25 W 333/09 - juris, Tz. 36, 48 ff.; OLG Bamberg Beschluss vom 15. September 2009 - 4 W 139/09 - n.v.; KG Beschlüsse vom 13. Oktober 2009 - 27 W 98/09 - juris, Tz. 16 ff. und vom 10. September 2009 - 27 W 68/09 - juris, Tz. 12 f.; KG Beschluss vom 13. August 2009 - 2 W 128/09 - juris, Tz. 6; OLG Frankfurt Beschluss vom 10. August 2009 - 12 W 91/09 - juris, Tz. 6, 8; VG Ansbach Beschluss vom 23. September 2009 - AN 19 M 08.30392 - juris, Tz. 3; siehe auch OLG Hamm (6. FamS) AGS 2009, 445 sowie LAG Hessen AGS 2009, 373).
c) Nach einer vermittelnden Meinung hat § 15 a Abs. 2 RVG zwar das geltende Recht geändert. Dennoch findet diese Vorschrift ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auch auf Altfälle Anwendung, denn die Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG greife hier nicht. Diese behandle die Berechnung der Vergütung des Anwalts, nicht jedoch die Frage, was ein Dritter zu ersetzen habe. Geregelt sei in § 60 RVG daher allein das Verhältnis des Anwalts zu seinem Auftraggeber und nicht das des Letztgenannten zu einem ersatzpflichtigen Dritten (vgl. OLG Dresden Beschluss vom 13. August 2009 - 3 W 793/09 - juris, Tz. 7 und LG Berlin (82. ZK) AGS 2009, 367, 369 f.; ebenso wohl auch OLG München Beschluss vom 13. Oktober 2009 - 11 W 2244/09 - juris, Tz. 7 f.).
4. Der Senat schließt sich der erstgenannten, auch vom II. Zivilsenat befürworteten Sichtweise an.
Der Gesetzgeber hat mit § 15 a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits zuvor bestehende Gesetzeslage klargestellt. Danach betreffen Anrechnungsvorschriften grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Gegenüber dem Gegner musste und muss daher die Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn schon eine Geschäftsgebühr entstanden war. Sichergestellt wird durch § 15 a Abs. 2 RVG lediglich, dass ein Dritter nicht mehr zu erstatten hat, als der gegnerische Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann.
a) Bereits unter Geltung der BRAGO entsprach es allgemeiner Meinung, dass die Anrechnungsbestimmung nur den Rechtsanwalt im Innenverhältnis zu seinem Mandanten hindere, nebeneinander sowohl die Geschäfts- als auch die Prozessgebühr zu beanspruchen, die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 2 BRAGO auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren angefallene Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) jedoch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sei (vgl. BGH Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 22/04 - VersR 2005, 707; BGH Urteil vom 11. Dezember 1986 - III ZR 268/85 - WM 1987, 247, 248; OLG München FamRZ 2008, 531; OLG Schleswig AnwBl. 1997, 125; OLG Frankfurt AnwBl. 1985, 327; Müller-Rabe NJW 2009, 2913; Tomson NJW 2007, 267, 268; Ruess MDR 2007, 1401; Peter NJW 2007, 2298, 2299; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert BRAGO 15. Aufl. § 118 Rdn. 27 f.).
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 2009 - 2 W 280/09 - juris, Tz. 23) belegen auch die Beschlüsse des I. Zivilsenats vom 20. Oktober 2005 (I ZB 21/05 - NJW-RR 2006, 501, 502), des VII. Zivilsenats vom 27. April 2006 (VII ZB 116/05 - FamRZ 2006, 1114) und des X. Zivilsenats vom 30. Januar 2007 (X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102), dass sich daran ebenfalls nach Inkrafttreten des RVG nichts ändern sollte. Zwar ging es in diesen Entscheidungen nicht um die Frage der Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren. Vielmehr befassen sie sich mit der Frage, ob der nicht anrechenbare Teil der Geschäftsgebühr aus Gründen der Prozessökonomie im Kostenfestsetzungsverfahren mit festgesetzt werden kann bzw. ob er im Falle separater Geltendmachung im Erkenntnisverfahren streitwerterhöhend wirkt. Ein solcher nicht anrechenbarer Teil der Geschäftsgebühr ergibt sich jedoch nur, wenn sich nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung gegenüber dem Gegner infolge der nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorzunehmenden Anrechnung die Verfahrensgebühr verringert, sondern die Geschäftsgebühr. Denn eine Reduzierung der Verfahrensgebühr würde dazu führen, dass die Geschäftsgebühr nicht nur zum Teil, sondern stets in voller Höhe bestehen bliebe.
b) Nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 2 BRAGO war die "Geschäftsgebühr … auf die entsprechenden Gebühren für ein anschließendes gerichtliches … Verfahren anzurechnen". Das RVG brachte gegenüber § 118 Abs. 2 BRAGO insoweit eine Änderung, als nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nur noch eine teilweise Anrechnung zu erfolgen hat. Beibehalten wurde jedoch die Systematik der Anrechnungsregelung, denn auch nach dem Wortlaut von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist die "Geschäftsgebühr … auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens" anzurechnen.
Den Gesetzesmaterialien zum RVG lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber an dem bisher ungeminderten Ansatz der Prozessgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren mit der Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes etwas ändern wollte. Die Gesetzesbegründung nimmt vielmehr ausdrücklich Bezug auf § 118 Abs. 2 BRAGO, ohne die damalige Praxis zu missbilligen. Lediglich der Umfang der Anrechnung sollte geändert und - das Vermittlungsverfahren nach § 52 a FGG a.F. ausgenommen - vereinheitlicht werden (BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Hätte der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die bisherige Rechtslage nicht nur hinsichtlich der Höhe, sondern auch der Richtung der Anrechnung ändern wollen, so hätte er Entsprechendes in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht.
Dementsprechend hat der Gesetzgeber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht durch den neu eingefügten § 15 a RVG - etwa im Sinne einer Wiederherstellung der unter der BRAGO geltenden Rechtslage - geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits bestehende Gesetzeslage klargestellt, derzufolge die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betrifft und sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirkt (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Konstellationen präzisiert, in denen sich auch ein Dritter ausnahmsweise auf die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere berufen kann.
c) Das folgt aus Gesetzesgeschichte und Gesetzesmaterialien zu § 15 a RVG (zweifelnd BGH Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 - Tz. 21 ff., zur Veröffentlichung bestimmt).
Der Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks. 16/11385) vom 17. Dezember 2008 sah eine neue Regelung in dem hier fraglichen Punkt des RVG noch nicht vor.
Ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/12717, S. 2) sollte der bisher nicht im Gesetz definierte Begriff der Anrechnung in § 15a RVG legaldefiniert werden, um unerwünschte Auswirkungen zum Nachteil des Auftraggebers zu vermeiden und den mit der Anrechnung verfolgten Gesetzeszweck, dass der Rechtsanwalt für eine Tätigkeit nicht doppelt honoriert wird, zu wahren. In der nachfolgenden Einzelbegründung (BT-Drucks. 16/12717, S. 58) führt der Rechtsausschuss weiter aus, dass das Verständnis des Bundesgerichtshofs von der Anrechnungsregelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, die den Absichten zuwider liefen, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe. Ziel der Neuregelung in § 15 a RVG sei es daher, den mit den Anrechnungsvorschriften verfolgten Gesetzeszweck zu wahren, zugleich aber unerwünschte Auswirkungen zum Nachteil des Auftraggebers zu vermeiden.
Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung keine Änderung der Rechtslage vornehmen, sondern nur eine in der Rechtsprechung entstandene Auslegung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, die seiner Intention nicht entsprach, unterbinden und das schon bisher nach seinem Willen unter dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Anlehnung an die Praxis zu § 118 Abs. 2 BRAGO geltende Recht klarstellen wollte.
5. Nachdem somit in § 15 a RVG keine Gesetzesänderung gesehen werden kann, sondern nur eine vom Gesetzgeber gewollte Klarstellung der geltenden Rechtslage, hat der Senat von dieser Rechtslage auszugehen. Einer Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen bedarf es trotz der bisher abweichenden Auslegung der Anrechnungsregelung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG durch andere Senate des Bundesgerichtshofs deshalb nicht mehr (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 -
II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928). Eben so wenig liegt ein Fall der Rückwirkung vor.
Da keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, hat die Rechtspflegerin die Verfahrensgebühr zu Recht in voller Höhe festgesetzt.