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Verwaltungsgericht Bremen Beschluss vom 12.05.2011 - 5 V 130/11 - Zur Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens bei charakterlichen Eignungszweifeln infolge Alkoholproblematik

VG Bremen v. 12.05.2011: Zur Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens bei charakterlichen Eignungszweifeln infolge Alkoholproblematik


Das Verwaltungsgericht Bremen (Beschluss vom 12.05.2011 - 5 V 130/11) hat entschieden:

  1.  Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, dass Alkoholauffälligkeiten nicht nur dann Anlass für eine Anordnung nach § 13 Nr. 2 a FeV geben, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr stehen. Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung nach § 13 Nr. 2 a FeV kann vielmehr auch dann geboten sein, wenn neben deutlichen Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung weitere tatsächliche Umstände vorliegen, die in er Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.

  2.  Solche Umstände können auch durch begründet werden, dass bei einem weit überdurchschnittlich alkoholgewöhnten Fahrerlaubnisinhaber schwer wiegende charakterliche Mängel bestehen, wie sie etwa in einem verantwortungslosen Umgang mit Schutzbefohlenen oder in ungezügelter Aggressivität im Umgang mit Dritten zum Ausdruck kommen.

  3.  Auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang der festgestellten Alkoholauffälligkeit mit dem Straßenverkehr nicht bestehen muss, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 13 Nr. 2 a FeV doch ein gewisser Verkehrsbezug der besonderen Umstände, die die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen geeignet sind, unverzichtbar. Nur wenn die Gesamtumstände es nahe legen, dass der alkoholauffällige Fahrerlaubnisinhaber schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen wird, bestehen hinreichende Anhaltspunkte für ein fehlendes Trennvermögen.


Siehe auch
Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)
und
Alkohol und Trennungsvermögen

Gründe:


I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der im Jahre 1979 geborene Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse CE.

Am 11.07.2010 wurde die Polizei um 2.46 Uhr wegen einer tätlichen Auseinandersetzung in die Holtruper Straße in A-Stadt gerufen. Dort wurde der Antragsteller erheblich alkoholisiert angetroffen. Nach dem Bericht der einschreitenden Polizeibeamten sei der Antragsteller lediglich mit einer kurzen Jeanshose bekleidet gewesen. Da er ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt habe, seien ihm vor Ort Handfesseln angelegt worden. Nach den Angaben der Ehefrau des Antragstellers seien sie gemeinsam von einer Hochzeitsfeier gekommen. Schon auf der Hochzeitsfeier habe ihr Mann mit diversen Gästen gestritten. Später zu Hause habe ihr Ehemann den Beischlaf von ihr gefordert. Als sie sich geweigert habe, habe er mit Fäusten auf sie eingeschlagen. Sie sei schließlich in die Wohnung von Nachbarn geflüchtet, die dann die Polizei gerufen hätten. Die Ehefrau des Antragstellers wurde durch einen hinzugezogenen Rettungswagen zur weiteren Behandlung in das Krankenhaus Bremen-Ost verbracht. Der Antragsteller wurde zur Verhinderung weiterer Straftaten in Gewahrsam genommen. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest auf der Polizeiwache ergab einen Wert von 1,06 mg/l.

Mit Verfügung vom 19. August 2010 forderte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu unterziehen. Unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 11.07.2010 führte die Behörde aus, dass der Antragsteller unter Alkoholeinfluss gewalttätig gegenüber seiner Frau geworden sei. Umgerechnet habe sich eine Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille zum Zeitpunkt des Vorfalls ergeben. Verkehrsmedizinische Untersuchungen belegten, dass Personen, die über 1,6 Promille erreichten, regelmäßig an einer ausgeprägten Alkoholproblematik litten. Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis werde der Antragsteller daher aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Weigere sich der Antragsteller oder bringe er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung schließen.




Nachdem er der Aufforderung nicht nachkam, entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller mit Bescheid vom 31.01.2011 die Fahrerlaubnis, forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins auf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller die ihm gesetzte Frist zur Rückgabe der Einverständniserklärung mit der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens habe verstreichen lassen. Aufgrund dessen werde nach § 11 Abs. 8 FeV von der Nichteignung des Antragstellers ausgegangen. Zur Begründung der Vollziehungsanordnung wurde in dem Bescheid dargelegt, dass bei derart gravierenden Eignungsmängeln jederzeit eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zu befürchten sei, die erhebliche Gefahren für die Verkehrssicherheit mit sich bringe. Dies könne für die Zeitdauer eines Verwaltungsstreitverfahrens nicht hingenommen werden.

Hiergegen legte der Antragsteller am 08.02.2011 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Am selben Tag hat der Antragsteller einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht gestellt.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzung für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung nach § 13 Nr. 2 a FeV nicht vorlägen. Er sei bisher zu keinem Zeitpunkt im Straßenverkehr alkoholauffällig geworden. Der von der Antragsgegnerin zum Anlass genommene Vorfall weise keinerlei Bezug zum Straßenverkehr auf. Anders als in einem vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall sei er auch kein Berufskraftfahrer, sondern Industriemechaniker. Es bestünden in der Fallgestaltung auch deutliche Unterschiede zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen vom 01.04.2010 (5 V 312/10) zugrunde gelegen habe. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um eine Diskotheken-Schlägerei und nicht um die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.

Der Antragsteller beantragt,

   die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehung durch Verfügung des Stadtamtes vom 31.01.2011 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   den Antrag abzulehnen.

Die Aufforderung zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und die nachfolgende Fahrerlaubnisentziehung seien rechtmäßig. Es bestehe zu Recht der Verdacht des Alkoholmissbrauchs. Die erreichte Blutalkoholkonzentration könne nur auf der Grundlage einer erheblichen Alkoholgewöhnung erreicht werden. Aufgrund der Gesamtumstände des Falles bestünden Zweifel am Trennungsvermögen des Antragstellers. Derartige Umstände lägen hier vor allem in dem exzessiven aggressiven Verhalten und der fehlenden Verhaltenskontrolle bei dem Vorfall am 11.07.2010.




II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung geht hier zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist die vorliegend angegriffene Fahrerlaubnisentziehung als rechtswidrig anzusehen.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs als ungeeignet erweist. Auf eine solche Ungeeignetheit darf die Fahrerlaubnisbehörde schließen, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Nr. 2 FeV berechtigt gewesen ist, den Antragsteller zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzufordern.

Daran fehlt es hier. Die Fahrerlaubnisbehörde ist in ihrer Verfügung vom 19.08.2010 zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall Tatsachen gegeben sind, die nach § 13 Nr. 2 a FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.

§ 13 Nr. 2 a FeV bestimmt, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit besteht, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Auslegung dieser Bestimmung hat sich am Gesamtzusammenhang der Vorschrift des § 13 Nr. FeV zu orientieren. Danach lässt allerdings weder die Systematik noch der Sinn und Zweck dieser Bestimmung den Schluss zu, dass § 13 Nr. 2 a FeV die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens grundsätzlich in allen Fallkonstellationen erlauben würde, die von den Buchstaben a bis e nicht erfasst werden. Vielmehr ist § 13 Nr. 2 FeV so zu verstehen, dass er in seinen Buchstaben a bis e unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßengefährdung die Anforderung eine medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich ist. Der Begriff „Alkoholmissbrauch“ ist im Rahmen von § 13 Nr. 2 FeV fahrerlaubnisrechtlich unter Einbeziehung von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV zu definieren. Alkoholmissbrauch setzt hiernach ein fehlendes Trennvermögen zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen voraus.


Allein aus dem Umstand, dass ein Fahrerlaubnisinhaber aufgrund des Umfangs seines bisherigen Konsums von Alkoholika massiv an Alkohol gewöhnt ist, kann noch nicht der Schluss auf ein fehlendes Trennvermögen gezogen werden. Zwar spricht es für deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten, wenn Blutalkoholwerte von über 1,6 Promille erreicht werden. Das allein begründet aber noch nicht hinreichend den Verdacht, dass derjenige, der solche Werte erreicht, auch unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug führen wird. Die auf Statistiken zur Rückfallgefährdung beruhende wissenschaftliche Erkenntnis der Alkoholforschung, dass Personen, die einmal mit einer hohen, normabweichende Trinkgewohnheiten deutlich machenden Blutalkoholkonzentration mit einem Fahrzeug – und sei es auch nur mit einem Fahrrad – am Straßenverkehr teilgenommen haben, weitere Fahrten unter Alkoholeinfluss besorgen lassen, kann mangels dahingehender wissenschaftlicher Nachweise nicht auf Personen übertragen werden, die bei einer Alkoholkontrolle außerhalb des Verkehrsgeschehens eine solche Blutalkoholkonzentration aufweisen, zu denen jedoch bislang jegliche Hinweise auf eine schon einmal vorgekommene Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss fehlen. Ohne weiteres können von daher solche Personen nicht verdächtigt werden, eher als „Alkoholnormalverbraucher“ nach einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht die nötige Selbstkontrolle aufzubringen und von der Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.06.2007 – 10 A 10062/07 unter Hinweis auf BVerwGE 99, 249). Dementsprechend müssen neben deutlichen Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung noch weitere tatsächliche Umstände hinzutreten, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.

Die Kammer hält allerdings an ihrer Rechtsprechung fest, dass Allkoholauffälligkeiten nicht nur dann Anlass für eine Anordnung nach § 13 Nr. 2 a FeV geben, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr stehen (so aber wohl Hessischer VGH, B. v. 09.11.2000 – 2 TG 3571/00 sowie OVG Saarland, B. v. 18.09.2000 – 9 W 5/00 – juris). Eine in diesem Sinne restriktive Auslegung trägt bereits dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht hinreichend Rechnung, die ersichtlich als Auffangtatbestand konzipiert ist. Sie ist auch angesichts der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Fahrerlaubnisinhabern nicht geboten. Die Materialien zur Einführung der Fahrerlaubnis-Verordnung (BR-Drs. 443/98) bieten keinen Anhalt für eine einengende Auslegung derart, dass nur Vorfälle im Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr Ausgangspunkt für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung seien könnten. In systematischer Hinsicht spricht aber vor allem die Auffangfunktion der Vorschrift dafür, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts nicht sehenden Auges untätig bleiben und abwarten muss, bis Verdachtsmomente hinzutreten, die einen unmittelbaren Bezug zum Straßenverkehr aufweisen. Es entspricht der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leib und Leben, der erkannten Alkoholproblematik eines Fahrerlaubnisinhabers nachzugehen. Maßnahmen nach § 13 Nr. 2 a FeV werden daher nicht nur dann geboten sein, wenn ein alkoholbedingtes Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist. Anlass zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung wird vielmehr auch dann bestehen, wenn deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen vorliegen und außerdem weitere tatsächliche Umstände festzustellen sind, die in Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 24.06.2002 – 10 S 985/02).




Eine solche Annahme kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn ein weit überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Fahrerlaubnisinhaber als Berufskraftfahrer in einem annähernd täglichen Einsatz im Straßenverkehr ist. Hier liegt es nahe, dass der Betroffene häufig und fortlaufend dem Konflikt ausgesetzt sein wird, entweder seinen beruflichen Verpflichtungen nicht nachzukommen oder aber in aufgrund vorabendlichen Alkoholkonsums nicht fahrtüchtigem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen. Ähnlich ist die Situation zu beurteilen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber aus anderen beruflichen Gründen, auf die tägliche Benutzung seines Fahrzeugs angewiesen ist, etwa weil sein Arbeitsplatz in erheblicher Entfernung zu seinem Wohnort liegt und er diesen in angemessener Zeit nur mit dem eigenen PKW erreichen kann. Befindet sich der Fahrerlaubnisinhaber fortlaufend und häufig in einer solch greifbaren Konfliktsituation, dürfte berechtigter Anlass bestehen, eingehend zu prüfen, ob er Willens und in der Lage ist, sein privates Interesse am Konsum von Alkohol und an der Erhaltung des Arbeitsplatzes stets dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit am Straßenverkehr unterzuordnen. Entsprechende Zweifel können auch dadurch begründet werden, dass bei einem weit überdurchschnittlich alkoholgewöhnten Fahrerlaubnisinhaber schwer wiegende charakterliche Mängel bestehen, wie sie etwa in einem verantwortungslosen Umgang mit dem körperlichen Wohl von Schutzbefohlenen oder in ungezügelter Aggressivität im Umgang mit Dritten zum Ausdruck kommen (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O.). Auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang der festgestellten Alkoholauffälligkeit mit dem Straßenverkehr nicht bestehen muss, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 13 Nr. 2 a FeV doch ein gewisser Verkehrsbezug der besonderen Umstände, die die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen geeignet sind, unverzichtbar. Nur wenn die Gesamtumstände es nahe legen, dass der alkoholauffällige Fahrerlaubnisinhaber schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen wird, bestehen hinreichende Anhaltspunkte für ein fehlendes Trennvermögen (vgl. VG Bremen, B. v. 01.04.2010 – 5 V 312/10; vgl. außerdem OVG Rheinland-Pfalz, 05.06.2007 – 10 A 10062/07; Bayerischer VGH, B. v. 11.06.2007 – 11 CS 06.3023; juris).

Nicht jede unter Alkoholeinfluss begangene Körperverletzung bietet danach einen hinreichenden Anhalt dafür, dass der Betreffende in absehbarer Zeit auch unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug führen wird. So hat auch der von der Antragsgegnerin angeführten und vorstehend zitierten Entscheidung der Kammer ein Sachverhalt zugrunde gelegen, in dem der Antragsteller die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung beantragt hatte. Auch der VGH Baden-Württemberg hat in der angeführten Entscheidung nicht allein auf den Gesichtspunkt abgestellt, dass der Fahrerlaubnisinhaber in alkoholisiertem Zustand Gewalttaten an seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern verübt hatte. Hinzu kam vielmehr, dass er zudem bereits in der Vergangenheit eine Trunkenheitsfahrt begangen hatte und als Berufskraftfahrer tätig gewesen ist. Auch das OVG Lüneburg hat zwar in seinen Rechtsausführungen einen Verkehrsbezug der zur Begründung eines Alkoholmissbrauchs herangezogenen tatsächlichen Umstände nicht ausdrücklich als notwendig angesehen, in den seinen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hat es sich aber gleichwohl um Berufskraftfahrer oder um Personen gehandelt, die mit einem hohen Aggressionspotenzial mehrfach in stark alkoholisiertem Zustand polizeilich aufgefallen sind und in der Vergangenheit auch schon unter Alkoholeinfluss am motorisierten Straßenverkehr teilgenommen hatten.



Gemessen an diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der dargelegten Kasuistik liegen beim Antragsteller bisher keine tatsächlichen Umstände vor, die in der Gesamtschau die Annahme rechtfertigen, dass er schon alsbald trotz eines die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsums ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen wird. Es könnten vorliegend schon Zweifel daran bestehen, ob bei dem Antragsteller überhaupt von einer erheblichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden kann. Schließlich hat sich der Vorfall im Anschluss an eine Hochzeitsfeier ereignet, bei der der Antragsteller erheblich Alkohol konsumiert hat. Weitergehende Anhaltspunkte für einen regelmäßigen umfangreichen Alkoholkonsum können weder dem polizeilich geschilderten Sachverhalt noch anderweitigen behördlichen Feststellungen entnommen werden. Vor allem fehlt aber nach den Gesamtumständen ein hinreichender Bezug der von der Antragsgegnerin benannten Tatsachen zum Straßenverkehr. Der Antragsteller ist bisher zu keinem Zeitpunkt in fahruntüchtigem Zustand im Straßenverkehr angetroffen worden. Der Antragsteller ist auch nicht fortlaufend dem Konflikt ausgesetzt, dass er aus beruflichen Gründen täglich auf die Benutzung seines Fahrzeugs angewiesen wäre. Er ist Industriearbeiter und hat seinen Arbeitsplatz in A-Stadt, so dass auch die Möglichkeit besteht, ohne größeren Aufwand den Weg zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Schließlich begründet der Vorfall am 11.07.2010 allein noch keine charakterlichen Mängel in einem Ausmaß, die eine fehlende Verhaltenskontrolle unter Alkoholeinfluss auch in Bezug auf den Straßenverkehr nahe legen. Das gewalttätige Vorgehen gegen seine Ehefrau und das auch nachfolgende aggressive Auftreten gegenüber den Nachbarn und den Polizeibeamten lässt zwar den Schluss auf grundlegende persönliche Defizite zu, die im Interesse des Antragstellers und seiner Familie dringend aufgearbeitet werden sollten. Aus den Ausführungen der Ehefrau auch unmittelbar nach dem Vorfall lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass es bereits zuvor zu vergleichbaren Gewalttaten ihr gegenüber gekommen ist. Auch andere Sachverhalte, die eine generell erheblich beeinträchtigte Verhaltenskontrolle belegen könnten, sind durch die Antragsgegnerin nicht dargetan.

Nach alledem ist die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als rechtswidrig anzusehen. Deshalb würde auch die Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens keinen Bestand haben. Folglich war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

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